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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 02.09.2009
Aktenzeichen: 9 ME 52/09
Rechtsgebiete: NKAG


Vorschriften:

NKAG § 6 Abs. 1 S. 1
Der Ausbau einer herkömmlichen Straße mit dem Ziel der Verkehrsberuhigung stellt im Einzelfall keine Verbesserung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG dar, wenn die auf einer Breite von 6 m ausgebaute niveaugleiche Mischfläche lediglich ein einheitliches Pflaster aufweist und mit dem Richtzeichen für den Beginn eines verkehrsberuhigten Bereichs (§ 42 Abs. 4a StVO, Zeichen 325) versehen ist, aber in der baulichen Ausgestaltung der Mischfläche auf verkehrsberuhigende Gestaltungselemente verzichtet wird, so dass der einer verkehsberuhigten Mischfläche beizumessenden Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion nicht Rechnung getragen wird.
Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens prüft das Oberverwaltungsgericht nur die von der Antragstellerin dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Zu diesen zählt auch der Einwand, es fehle wegen der Verschmälerung der Straße und der bloßen Wohnumfeldverbesserung an einer beitragsfähigen Verbesserungsmaßnahme. Im Rahmen der so veranlassten Überprüfung des Beitragstatbestands der Verbesserung ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass eine abrechenbare Verkehrsberuhigungsmaßnahme nicht vorliegt und die Beschwerde aus diesem Grund begründet ist. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mithin zu Unrecht teilweise abgelehnt. Der Senat teilt insbesondere nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die bauliche Ausgestaltung der Straße D. werde den Verkehrsteilnehmern im Sinne einer Verbesserung in Verbindung mit dem "Spielstraßen-Verkehrszeichen" hinreichend deutlich machen, dass die Mischfläche nicht primär der Fortbewegung von Fahrzeugen dienen, sondern in ihrem gesamten Bereich für das Begehen durch Fußgänger und für ein vorübergehendes Verweilen von Menschen offen sein soll. Denn die niveaugleich ausgebaute Mischfläche der Straße D. erweist sich aufgrund ihrer baulichen Ausgestaltung nicht als verkehrsberuhigt.

Der Umbau einer herkömmlich ausgebauten Straße in eine niveaugleiche Mischfläche mit den in der Vorschrift des § 42 Abs. 4a StVO umschriebenen Funktionen eines verkehrsberuhigten Bereiches erfüllt den Beitragstatbestand der Verbesserung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG, wenn die verkehrsberuhigt ausgebaute Straße besser geeignet ist, neben der Verkehrsfunktion auch die bei verkehrsberuhigten Straßen zusätzlich hinzutretende Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion zu erfüllen (Beschluss des Senats vom 20.9.2005 - 9 ME 365/04 - zitiert nach juris). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 13.8.1996 - 9 L 7747/94 - NST-N 1997, 120 = OVGE 46,424, vom 28.11.2001 - 9 L 4412/00 -, vom 14.5.2002 - 9 LB 175/02 und vom 20.9.2005 - 9 ME 365/04 -) muss die bauliche Ausgestaltung des verkehrsberuhigten Bereiches für den unvoreingenommenen Betrachter deutlich machen, dass Fahrzeuge langsam und rücksichtsvoll zu fahren haben und der Fahrzeugführer die gleichberechtigten Fußgänger und spielenden Kinder weder gefährden noch behindern darf.

Der Ausbau der Straße D. wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Antragsgegnerin hat der Straße im Vergleich zu dem Zustand vor dem Ausbau, bei dem der ungehinderte Verkehrsfluss für den gesamten Verkehr im Vordergrund stand, eine geänderte Funktion zugewiesen, nämlich die einer verkehrsberuhigten Anliegerstraße mit einem gleichberechtigten Miteinander von Kraftfahrzeugen, Fußgängern und Radfahrern und zusätzlich eine Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion. Der dazu vorgenommene Ausbau hat nach den von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Lichtbildern mit Blick auf die Aufenthalts-und Kommunikationsfunktion einer verkehrsberuhigten Mischfläche nicht zu einer Verbesserung geführt. Die Antragsgegnerin hat die Straße D. als niveaugleiche Mischfläche in einer Breite von 6 m mit einer einheitlichen durchgehenden rötlichen Pflasterung ausgebaut. Die niveaugleiche Mischfläche wird durch eine in Ost-West-Richtung etwa mittig verlaufende Entwässerungsrinne in zwei jeweils 2,50 m und 3,50 m breite Flächen aufgeteilt. Dem unvoreingenommenen Beobachter stellt sich die niveaugleiche Mischfläche als breite Verkehrsfläche dar, die optisch unter der trennenden Wirkung der Rinne den Eindruck von zwei "Fahrbahnen" gerade deshalb vermittelt, weil andere die Verkehrsberuhigung erst begründende Ausbauelemente in der Straße selbst gar nicht vorhanden sind. Allein die Art des Pflasters hält Fahrzeugführer nicht dazu an, die Straße langsam und rücksichtsvoll gegenüber Fußgängern, dort verweilenden Personen und spielenden Kindern zu befahren. Die Straße ist mit 6 m derart breit und durchgängig einsehbar, dass sie den Fahrzeugführer geradezu dazu ermuntert, die Straße zügig zu durchqueren. Gestalterische Elemente in der Straße selbst, die die auf einer verkehrsberuhigten Mischfläche gleichberechtigten Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder Kinder zum Verweilen oder Spielen auf der Straße einladen und damit erst die Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion einer verkehrsberuhigten Mischfläche zum Tragen kommen lassen, finden sich in der Straße D. nicht. Der Kraftfahrzeugverkehr wird allein dadurch reduziert und damit beruhigt, dass die Straße D. im Westen - abgehängt - in Höhe des Grundstücks der Antragstellerin und im Osten mit einem Wendekreis endet. Allein die Unterbindung des Durchgangsverkehrs durch Maßnahmen der Verkehrsführung führt jedoch nicht zur Annahme einer verkehrsberuhigten Mischfläche. Für eine Verkehrsberuhigung im ausbaubeitragsrechtlichen Sinn reicht es nicht aus, eine niveaugleiche Mischfläche zu schaffen und die Straße mit dem Richtzeichen Beginn des verkehrsberuhigten Bereiches (§ 42 Abs. 4a StVO- Zeichen 325) zu versehen. Vielmehr muss die niveaugleiche Straßenfläche aufgrund ihrer baulichen Ausgestaltung hinreichend deutlich erkennen lassen, dass ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Fahrzeug- und Fußgängerverkehr gelten soll, dort langsam gefahren werden muss und ein Vorrang des Fahrzeugverkehrs nicht mehr besteht (Beschluss des Senats vom 20.9.2005 - 9 ME 365/04 - a. a. O.). Daran fehlt es bei dem hier gewählten Ausbau, der der Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion einer verkehrsberuhigten Mischfläche nicht Rechnung trägt.

Für das Hauptsacheverfahren merkt der Senat ergänzend an: Er teilt - jedenfalls bei summarischer Prüfung im Eilverfahren - nicht die von der Antragsgegnerin im Vorausleistungsbescheid vom 24. Oktober 2008 geäußerte Annahme, der Unterbau der Straße D. sei verbessert worden. Der Ausbau in einer Tiefe von insgesamt 60 cm (10 cm Betonpflaster, 5 cm Pflasterbett Basaltsplitt, 25 cm Schottertragschicht und 20 cm Frostschutzschicht) hat zwar die Fläche des vorher vorhandenen Gehwegs mit 8 cm Betonplatten auf Frostschutzschicht bzw. - nach Angaben der Antragsgegnerin - auf Sand hinsichtlich Tragfähigkeit und Haltbarkeit verbessert, aber nicht auf der gesamten niveaugleichen Mischfläche zu einer Verbesserung geführt. Denn die vor dem Ausbau vorhandene Fahrbahn wies nach dem von der Antragstellerin vorgetragenen und unwidersprochen gebliebenen Ausbauzustand einen über 60 cm hinausgehenden Unterbau aus, was dem Schluss, die Straße sei insgesamt verbessert worden, entgegensteht.

Ende der Entscheidung

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