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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Beschluss verkündet am 12.11.2002
Aktenzeichen: 3 W 119/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 4 Abs. 1
ZPO §§ 485 ff.
ZPO § 494 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 W 119/02

Beschluß

des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg

wegen Beweissicherung;

hier: Streitwert.

vom 12. November 2002

in Sachen

Tenor:

Auf die Beschwerden der Rechtsanwälte und Kollegen und der Rechtsanwälte und Kollegen wird der Beschluß des Landgerichts Bamberg vom 8. August 2002 abgeändert.

Der Wert des Streitgegenstandes im selbständigen Beweisverfahren wird auf 127.822,97 EUR festgesetzt.

Gründe:

1. Die Antragsteller haben in Bamberg ein Wohnhaus errichtet. Die Antragsgegner waren mit der Planung des Bauvorhabens bzw. mit verschiedenen Gewerken beauftragt. Die Antragsteller haben verschiedene Mängel gerügt und beantragt, in einem selbständigen Beweisverfahren das Gutachten eines Sachverständigen dazu zu erholen, daß die Mängel vorliegen und welche Kosten für ihre Beseitigung anfallen werden. Gestützt auf die Schätzung eines privaten Sachverständigen haben sie diese Kosten mit 250.000,-- DM veranschlagt und den Streitwert des Verfahrens mit diesem Betrag angegeben. Das Landgericht hat das Gutachten eingeholt. Der Sachverständige hat den überwiegenden Teil der Mängel bejaht und die Sanierungskosten mit 112.000,-- EUR bis 119.000,-- EUR ermittelt. Das Landgericht hat den Streitwert des Verfahrens auf (Mittelwert der vom Sachverständigen angenommenen Sanierungskosten 115.500,-- EUR x 75 % =) 86.625,-- EUR festgesetzt. Hiergegen haben die Rechtsanwälte, Prozeßbevollmächtigte des Antragsgegners zu 2), Beschwerde eingelegt. Sie sind der Ansicht, der Streitwert betrage richtigerweise (250.000,-- DM =), 127.822,97 EUR. Das Landgericht hat nicht abgeholfen.

Die Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller, die Rechtsanwälte, haben ebenfalls Beschwerde eingelegt. Sie beantragen, den Streitwert auf 115.000,-- EUR festzusetzen. Die Prozeßbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 3) haben sich den Ausführungen der Rechtsanwälte angeschlossen.

2. Die Beschwerden sind zulässig (§§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG) und begründet.

a) Das Landgericht ist vom Mittelwert der Kosten ausgegangen, die der Sachverständige als Ergebnis seines Gutachtens für die Sanierung der Mängel angenommen hat, soweit sie tatsächlich vorliegen. Das ist unrichtig. Der Streitwert eines selbständigen Beweisverfahrens richtet sich nach dem Interesse des Antragstellers an der Klärung bestimmter Beweisfragen zur Durchsetzung eines mutmaßlichen Hauptsacheanspruchs. Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt der Einreichung der Antragsschrift (§ 4 Abs. 1 ZPO). Es kommt deshalb nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern auf den Vortrag des Antragstellers zu Beginn des Verfahrens an, wenn - wie hier - bestimmte Mängel begutachtet und der Aufwand für ihre Beseitigung festgestellt werden sollen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 15.2.1999, 3 W 172/98; vom 15.4.1998, 3 W 28/98; vom 24.7.1998, 3 W 90/98; vom 5.12.2000, 3 W 133/00; vgl. auch OLG Köln, JurBüro 92, 191). Vorliegend haben die Antragsteller den Streitwert in der Antragsschrift, gestützt auf die Schätzung eines privaten Gutachters, mit 250.000,-- DM beziffert. Das zeigt; daß sie mit Kosten in dieser Höhe gerechnet haben. Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen hat ergeben., daß diese Einschätzung realistisch war. Deshalb kennzeichnet sie das Interesse der Antragsteller an dem Beweisverfahren (Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rdnr. 16 "Selbständiges Beweisverfahren"). Da auf die (realistisch eingeschätzten) Sanierungskosten bei Einleitung des Verfahrens abzustellen ist, kommt es auf das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht an, wenn - wie hier - bestimmte Mängel begutachtet und der Aufwand für ihre Beseitigung festgestellt werden sollen (OLG Köln, JurBüro 1992, 191; Bischof JurBüro 1992, 779/780, m.w.N.; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rdnr. 4024 a; Beschluß des Senats vom 24.7.1998, 3 W 90/98). Wollte man auf die vom gerichtlichen Sachverständigen ermittelten Kosten abstellen, widerspräche das § 4 Abs. 1 ZPO und hätte zur Folge, daß sich der Streitwert auf Null reduziert, wenn der Sachverständige Mängel gänzlich verneint.

b) Der genannte Wert ist nicht herabzusetzen, sondern in voller Höhe zum Streitwert des Verfahrens zu bestimmen. Der Senat hat allerdings bisher in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, gemäß § 3 ZPO sei wegen des vorläufigen Charakters des Beweisverfahrens ein Abschlag von 25 % vorzunehmen (u.a. Beschluß vom 5.12.2000, 3 W 133/00 m.w.N.). Er hält daran aber nach erneuter Prüfung nicht fest.

Die bisherige Rechtsprechung beruhte auf der Überlegung, daß das selbständige Beweisverfahren nur dazu dient, die eigentlichen Ansprüche des Antragstellers vorzubereiten und damit deren spätere Durchsetzung zu erleichtern. Dabei bleibt, im Fall des Beweisverfahrens außerhalb eines Streitverfahrens ungewiß, ob es später überhaupt zu einem solchen kommt. Zu einem vollstreckbaren Titel führt das Verfahren für den Antragsteller nicht.

Die inzwischen überwiegende Rechtsprechung folgt dieser Ansicht nicht mehr (vgl. die Zitate bei Zöller, a.a.O., § 3 Rdnr. 16 "Selbständiges Beweisverfahren"). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen des Beweisverfahrens durch die Änderung der §§ 485 ff. ZPO (durch das Gesetz vom 17.12.1990, BGBl. I 2847) erheblich erweitert. Er ist davon abgegangen, daß das selbständige Beweisverfahren im wesentlichen nur. zulässig ist, wenn der Gegner zustimmt oder der Verlust von Beweismitteln droht (vgl. § 485 ZPO a.F.). Es kann vielmehr außerhalb und unabhängig von einem Rechtsstreit durchgeführt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an bestimmten Feststellungen hat (§ 485 Abs. 2 ZPO n.F.), auch wenn ein Fall dringender Gefahr (vgl. § 486 Abs. 2 ZPO a.F.) nicht vorliegt. Im späteren Rechtsstreit stehen die Ergebnisse solchen einer Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht gleich (§ 493 Abs. 1 ZPO n.F.). Unabhängig davon klärt das Beweisverfahren in der Regel streitige Tatsachen und erleichtert dadurch eine außergerichtliche Einigung, die zu einem gerichtlichen oder vollstreckbaren außergerichtlichen Vergleich (vgl. die §§ 492 Abs. 3, 794 Abs. 1 Nr. 4 b, 796 a bis c ZPO) führen kann. Schließlich kann der Antragsgegner den Antragsteller gemäß § 494 a ZPO nach Abschluß des Verfahrens durch entsprechenden Antrag zwingen, Klage im Streitverfahren zu erheben, so daß es dort zu einer rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheidung kommt. Die aufgeführten Umstände, aber auch das Bedürfnis, die umstrittene Streitwertfrage in der Rechtsprechung einheitlich zu entscheiden, veranlassen den Senat, seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben und von dem oben erwähnten Abzug abzusehen.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (vgl. § 25 Abs. 4 GKG).

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