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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 08.11.2004
Aktenzeichen: 4 U 106/04
Rechtsgebiete: HGB, BGB, RBerG, CMR, AGBG


Vorschriften:

HGB § 407 ff.
HGB § 425 ff.
HGB § 425 Abs. 1
HGB § 425 II
HGB § 426
HGB § 431 Abs. 1
HGB § 431 Abs. 2
HGB § 431 Abs. 4
HGB § 435
HGB § 439 Abs. 1 S. 2
HGB § 449
HGB § 449 Abs. 2 S. 1
BGB § 305 c II
BGB §§ 307 ff.
BGB § 307 I
BGB § 307 II
RBerG § 5
CMR Art. 23 Abs. 3
CMR Art. 29
AGBG § 5
AGBG § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 106/04

Verkündet am 8. November 2004

in dem Rechtsstreit

wegen Regreßforderung.

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und der Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 21. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche aus einem Frachtgeschäft wegen des Verlustes von Transportgut geltend.

Die Klägerin ist Transportversicherer der Firma und deren Tochterfirma ... die ihren Sitz in Würzburg haben. Diese Firmen beauftragten die Beklagte als Fixkostenspediteur im Jahre 2002 mehrmals mit der Beförderung von Paketen nach Frankreich bzw. Spanien. Dabei gingen viermal Pakete auf dem Transportweg verloren. Die Klägerin leistete daraufhin jeweils Schadensersatz unter Berücksichtigung eines vertraglich vereinbarten Selbstbehalts. Aus übergegangenem Recht fordert sie nun Schadensersatz von der Beklagten.

In den Frachtvertrag bezogen der Versender und die Beklagte jeweils deren Beförderungsbedingungen (Anlage B 7) ein, die unter anderem folgende Bestimmungen enthalten:

"2. Serviceumfang

Sofern keine besonderen Dienstleistungen vereinbart werden, beschränkt sich der von angebotene Service auf Abholung, Transport, Zollabfertigung (sofern zutreffend) und Zustellung der Sendung.

Um die vom Versender gewünschte kurze Beförderungsdauer und das niedrige Beförderungsentgelt zu ermöglichen, werden die Sendungen im Rahmen einer Sammelbeförderung transportiert. Der Versender nimmt mit der Wahl der Beförderungsart in Kauf, dass aufgrund der Massenbeförderung nicht die gleiche Obhut wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann. Der Versender ist damit einverstanden, wenn eine Kontrolle des Transportweges, insbesondere durch Ein- und Ausgangsdokumentation, an den einzelnen Umschlagsstellen innerhalb des UPS-Systems nicht durchgeführt wird. Soweit der Versender eine weitergehende Kontrolle der Beförderung wünscht, wählt er die Beförderung als Wertpaket.

9. Haftung

9.2 Gelten keine Abkommensbestimmungen oder sonstige zwingende nationale Gesetze, wird die Haftung ausschließlich durch diese Bedingungen geregelt. In Deutschland ist die Haftung für Verlust oder Beschädigung begrenzt auf nachgewiesene direkte Schäden bis maximal Euro 510,-- pro Sendung oder 8.33 SZR für jedes Kilogramm, je nach dem welcher Betrag höher ist. ... Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die seine gesetzlichen Vertreter, oder Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass der Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen haben.

9.4 Die Haftungsgrenze nach Ziffer 9.2 wird angehoben durch korrekte Deklaration eines höheren Wertes der Sendung auf dem Frachtbrief und durch Zahlung des in der "Tariftabelle und Serviceleistungen" aufgeführten Zuschlages auf den angegebenen Wert (Wertpaket). ... Der Versender erklärt durch Unterlassung einer Wertdeklaration, dass sein Interesse an den Gütern die in Ziffer 9.2 genannte Grundhaftung nicht übersteigt."

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte gemäß §§ 425 Abs. 1, 435 HGB wegen qualifizierten Verschuldens unbegrenzt auf Schadensersatz hafte, weil die Beklagte ihrer Darlegungslast hinsichtlich ihrer Beförderungsorganisation und ihrer Vorkehrungen gegen den Verlust von Transportgut nicht nachgekommen sei. Das Unterlassen der Wertdeklaration stelle kein schadensursächliches Mitverschulden des Versenders dar.

Die Klägerin beantragte erstinstanzlich, die Beklagte zur Zahlung von 22.007,20 Euro nebst Zinsen zu verurteilen.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung.

Sie bestritt die Aktivlegitimation der Klägerin sowie den behaupteten Inhalt und Warenwert der verlorenen Pakete. Sie erhob die Einrede der Verjährung, berief sich auf die Haftungsbegrenzung nach Art. 23 CMR und wies auf ein Mitverschulden der Absender wegen unterlassener Wertdeklaration hin.

Das Landgericht Würzburg hat nach Beweisaufnahme die unbegrenzte Schadensersatzpflicht der Beklagten bejaht, ein schadensursächliches Mitverschulden der Absender verneint, die behauptete Schadenshöhe als erwiesen erachtet und der Klage infolgedessen in voller Höhe stattgegeben.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und wegen der Begründung der angefochtenen Entscheidung nimmt der Senat auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Würzburg vom 21.5.2004 sowie die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug.

Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 1.6.2004 zugestellte Urteil - eingehend beim OLG Bamberg am 25.6.2004 - Berufung eingelegt und diese mit einem am 14.7.2004 eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie erstrebt die Aufhebung ihrer Verurteilung und die Abweisung der Klage.

Zur Begründung führt sie aus, das Landgericht habe übersehen, dass gemäß Ziffer 2 der Beförderungsbedingungen eine Massenbeförderung ohne Kontrolle des Transportweges wirksam vereinbart worden sei. Deshalb könne nicht von einem vorsätzlichen oder leichtfertigen Verhalten der Beklagten im Sinne des § 435 HGB ausgegangen werden, so dass die gesetzlichen (§ 431 HGB bzw. Art. 23 Abs. 3 CMR) bzw. vertraglichen (Ziff. 9 der Beförderungsbedingungen) Haftungsbegrenzungen eingriffen. Die Parteien könnten nämlich frei vereinbaren, welche Leistungen auch hinsichtlich Sorgfalt, Kontrolle und Überwachung sie für welchen Preis vereinbarten. Da hiermit die vertraglichen Hauptleistungspflichten geregelt würden, fände eine Inhaltskontrolle nach dem AGBG bzw. §§ 307 ff. BGB nicht statt. Die Klägerin, die eine Massenbeförderung ohne Kontrolle des Transportweges gewählt habe, könne nun nicht nachträglich und ohne eine höheren Preis zu bezahlen einen höheren Standard verlangen. § 449 HGB stehe dieser Vereinbarung nicht entgegen, da die vorliegenden Päckchen "briefähnlich" seien und zudem die Leistungsbeschränkung ausgehandelt sei. Die Rechtsprechung des BGH zu den Organisationsanforderungen an einen Spediteur stünde nicht entgegen, da sie kein zwingendes Recht darstelle. Angesichts einer vereinbarten Massenbeförderung habe die Beklagte ihre Sorgfaltspflichten jedenfalls nicht leichtfertig im Sinne des § 435 HGB verletzt. Hilfsweise käme die Haftungsbegrenzung gemäß Ziffer 9.2 der Beförderungsbedingungen zum Tragen, da der Versender eine Wertangabe unterlassen habe. Dadurch hätte der Versender auch eine Obliegenheit verletzt. Die Gerichte dürften die Sorgfaltsanforderungen an eine Massenbeförderung nicht so hoch hängen, dass die Ausübung dieses Berufs unmöglich wird. Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert und verstoße gegen das RBerG. Die unterlassene Wertangabe begründe zumindest ein erhebliches Mitverschulden der Absender. Die Beklagte bestreitet nach wie vor Inhalt und Wert der verlorenen Pakete und erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin beantragt die kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie führt insbesondere aus, mit Ziffer 2 der Beförderungsbedingungen verzichte der Kunde nicht auf die Durchführung von Kontrollen im Schnittstellenbereich, sondern allenfalls auf ihre Dokumentation. Das Unterlassen von Schnittstellenkontrollen rechtfertige die Annahme eines qualifizierten Verschuldens. Da die Beklagte ihrer sog. sekundären Einlassungsobliegenheit nicht nachgekommen sei, spreche eine Vermutung für qualifiziertes Verschulden. Das Unterlassen einer Wertdeklaration begründe weder eine Haftungsbegrenzung gemäß Ziffer 9.2 der Beförderungsbedingungen noch ein schadensursächliches Mitverschulden. Die Beklagte habe nämlich nirgends substantiiert vorgetragen, welchen erhöhten Sicherheitsstandard sie auf wertdeklarierte Sendungen anwende, und könne sich bereits deshalb nicht auf das Unterlassen einer Wertdeklaration berufen. Tatsächlich wende sie bei wertdeklarierten Sendungen im wesentlichen keinen erhöhten Sicherheitsstandard an. Sie führe lediglich eine Eingangskontrolle im Abgangsdepot der Beklagten durch. Auf dem gesamten weiteren Transportweg würden wertdeklarierte Sendungen genau so wenig kontrolliert werden wie die streitgegenständlichen.

Wegen der Einzelheiten des Vertrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

Vorbehaltlich der nachfolgenden Ergänzungen nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug. "Im einzelnen ist auszuführen:

1. Die Klägerin ist in vollem Umfange aktivlegitimiert. Sie hat die Zahlungen an die Absender durch die Anlagen K 1 bis K 4 nachgewiesen. Zudem liegt in der Überlassung der die Schadensfälle betreffenden Unterlagen zum Zweck der Klageerhebung zumindest eine konkludente Abtretung der den Firmen ... bzw. ... zustehenden Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte.

Auch soweit die Klägerin den Selbstbehaltung des Versicherungsnehmers geltend macht, liegt kein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz gemäß Art. 1 § 5 RBerG vor, da die gerichtliche Geltendmachung derartiger abgetretener Ansprüche eine bloße untergeordnete Hilfstätigkeit im Sinne des Art. 1 § 5 RBerG darstellt, um eine sachgerechte und beschleunigte Abwicklung des Versicherungsgeschäftes und die Regulierung eingetretener Schäden zu ermöglichen (OLG Düsseldorf, 18 U 143/03; OLG Oldenburg, TranspR 2003, 76, 77; OLG Köln, TranspR 2003, 116, 117).

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus dem unstreitig geschlossenen Fracht- bzw. Fixkostenspediteurvertrag gemäß §§ 407 ff., 459, 460, 425 HGB, da die von den Firmen ... bzw. ... versandten Pakete unstreitig während des Transports durch die Beklagte verloren gingen.

Die Einstandspflicht nach § 425 ff. HGB setzt ein bewiesenes Verschulden des Frachtführers nicht voraus, auch nicht nach den Beförderungsbedingungen der Beklagten. Ein Haftungsausschluss gemäß § 426 HGB wird nicht geltend gemacht; zu den Umständen des Verlustes, die im Dunkeln liegen, fehlt jeder Vortrag der Beklagten. Auch sonstige Haftungsausschlussgründe (z.B. gemäß § 427 HGB) werden nicht eingewandt und sind auch nicht ersichtlich.

3. Inhalt und Wert der verloren gegangenen Sendungen stehen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, aufgrund der Aussagen der vernommenen Zeugen, der Lieferrechnungen und der Lieferscheine fest. Nach der Rechtsprechung begründen Lieferscheine einen Anscheinsbeweis dafür, dass die im Lieferschein genannten Waren auch tatsächlich im verschlossenen Karton waren. Die Beklagte beruft sich darauf, die Klägerin habe vorgetragen, es gebe keine Lieferscheine, und deshalb lediglich die Lieferrechnungen vorgelegt. Tatsächlich hatte die Klägerin auf Seite 4 ihres Schriftsatzes vom 25.6.2003 (zunächst) vorgetragen, in den streitgegenständlichen Schadensfällen gebe es zwar keine Lieferscheine, jedoch Lieferrechnungen des jeweiligen Versenders, anhand derer die jeweiligen Sendungen kommissioniert, gepackt und versandt worden seien (Bl. 38 d.A.). Mit Schriftsatz vom 29.9.2003 (Bl. 87 ff. d.A.) legte die Klägerin dann aber die Lieferscheine vor.

4. Zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass die Beklagte wegen qualifizierten Verschuldens gemäß § 435 HGB, Art. 29 haftet, so dass die Haftungshöchstbeträge gemäß § 431 Abs. 1, Abs. 2 und 4 HGB, Art. 23 Abs. 3 CMR auf 8,33 Rechnungseinheiten je Kilogramm und gemäß Ziff. 9.2 der Beförderungsbedingungen auf denselben Wert oder 1.000,-- DM, je nachdem, welcher Betrag höher ist, den Anspruch der Klägerin nicht der Höhe nach zugunsten der Beklagten begrenzen. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung sind im Ergebnis nicht begründet.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH trägt zwar der Geschädigte die Beweislast für ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers; den Frachtführer trifft aber dann, wenn - wie hier - der Schadenshergang völlig im Dunkeln liegt und der Versender keinen Einblick in die Transportorganisation des Frachtführers hat, nach Treu und Glauben eine prozessuale Aufklärungspflicht. Er hat den Organisationsablauf in seinem Betrieb offen zu legen und darzutun, welche Schadensverhütungsmaßnahmen er getroffen hat. Bemüht sich der Frachtführer nicht, diese Aufklärungspflicht angemessen zu erfüllen, so spricht eine von ihm zu widerlegende Vermutung für sein qualifiziertes Verschulden (vgl. BGHZ 127, 275, 284; 149, 337 ff.; Koller, Transportrecht, 5. Auflage, Rdnr. 21 zu § 435 HGB m.w.N.).

Diese Grundsätze zum qualifizierten Organisationsverschulden finden grundsätzlich auch auf Paketdienstleistungsunternehmen Anwendung, bei denen es - wie bei der Beklagten - auf Massenumschlag, Massenlagerung und Massenbeförderung ankommt und deren Kunden eine kostengünstige Leistung und eine kurze Beförderungsdauer erwarten (BGHZ 149, 337, 349 ff.; BGH TranspR 2003, 255, 257). Mit der privilegierten Beförderung von Briefen und briefähnlichen Sendungen ist die Inanspruchnahme von Schnellpaketdiensten nicht vergleichbar (BGHZ 149, 337, 349 ff.).

b) Bezogen auf Standardsendungen fehlt jeglicher Sachvortrag der Beklagten zur Organisation des Transportablaufs und zu den von ihr getroffenen Vorkehrungen zur Verhütung des Verlustes von Transportgut. Hierdurch wird der Klägerin der Nachweis eines qualifizierten Verschuldens unmöglich gemacht. Im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht aufgrund der hieraus folgenden - von der Beklagten nicht widerlegten - Vermutung qualifizierten Verschuldens davon ausgegangen, dass die Beklagte gemäß § 435 HGB, Art. 29 CMR und gemäß Ziff. 9.1 der Beförderungsbedingungen ohne Höchstbetragsbegrenzung haftet.

c) Die Beförderungsbedingungen der Beklagten, insbesondere Ziffer 2 sowie Ziffern 9.2 und 9.4, auf die die Beklagte ihre Berufungsbegründung stützt, stehen dieser Haftung im Ergebnis nicht entgegen.

Die Beförderungsbedingungen enthalten nämlich nach Wortlaut und Sinn entgegen der Ansicht der Beklagten keinen so weitgehenden Verzicht auf die Obhutspflichten des Frachtführers, dass dieser aller seiner organisatorischen Vorkehrungen gegen den Verlust des Transportgutes und damit auch seiner entsprechenden prozessualen Darlegungspflichten enthoben wäre. Vielmehr nimmt der Versender allenfalls eine Einschränkung der diesbezüglichen Sorgfaltspflichten des Frachtführers in Kauf, so dass auch die Darlegungspflichten des Frachtführers hierdurch allenfalls begrenzt, nicht aber beseitigt sein können.

Die Obhut, d.h. die Fürsorge für fremdes Gut, die Pflicht, es vor Schäden zu bewahren, ist (wohl konstitutives) Merkmal des Frachtvertrags im Sinne der § 407 ff. HGB (Koller, a.a.O., Rdnr. 15 zu § 407 HGB m.w.N.).

Ziffer 2 Abs. 2 S. 1 der Beförderungsbedingungen lässt sich nicht entnehmen, dass die Beklagte die ihr übergebenen Pakete nicht unter Wahrung der von der Rechtsprechung als erforderlich angesehenen Sorgfalt abholen, transportieren und zustellen wird. Hierin teilt die Beklagte dem Versender mit, dass sie die ihr übergebenden Sendungen im Rahmen einer Sammelbeförderung transportieren wird. Hieran schließt sich der Hinweis, dass bei einer Sammelbeförderung - bezogen auf das einzelne Frachtstück - nicht die gleiche Obhut wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann.

Mit diesen Ausführungen hat die Beklagte in ihren Beförderungsbedingungen nur Selbstverständlichkeiten niedergelegt, die für jeden gewerblichen Großversender auf der Hand liegen. Konkrete Defizite in der Organisation der Beklagten und ihren Sicherheitsvorkehrungen gegen Verlust werden in diesen Sätzen nicht aufgezeigt.

Ziffer 2, Abs. 2 S. 3 und 4 soll nach Auffassung der Beklagten bedeuten, dass der Versender auf jegliche Schnittstellenkontrollen während des Transports verzichtet. Ob die Klausel diese Auslegung zulassen würde, wenn es den mit "insbesondere" versehenen Einschub nicht geben würde, kann dahinstehen, weil die Klausel insgesamt nicht losgelöst von diesem Einschub betracht werden darf. Der Verzicht auf eine Dokumentation von Ein- und Ausgangskontrollen bedeutet nämlich gerade keinen Verzicht auf die Kontrollen selbst, impliziert vielmehr, dass solche Kontrollen durchgeführt werden.

Der Verzicht auf die Kontrollen selbst würde gegenüber dem Verzicht auf die Dokumentation des Kontrollergebnisses für den Versender eine viel gravierendere Reduzierung der bei Frachtverträgen geschuldeten Obhutspflichten darstellen, weil hierdurch die Kardinalpflicht des Frachtführers, durch organisatorische Maßnahme die Warensendung während des gesamten Transports vor Verlust zu schützen, massiv reduziert würde.

Da gemäß § 5 AGBG, § 305 c II BGB Unklarheiten zu Lasten des Verwenders gehen, kann diese Klausel mithin nur dahin ausgelegt werden, dass der Versender auf die ausdrücklich erwähnte Dokumentation der Schnittstellenkontrolle verzichtet (vgl. OLG Düsseldorf, I. 18 U 41/04).

Dieses Ergebnis wird auch durch Ziffer 2 S. 5 der Beförderungsbedingungen bestätigt. Danach wählt der Versender die Beförderung als Wertpaket, wenn er eine "weitergehendere Kontrolle" der Beförderung wünscht. Daraus folgt, dass auch bei Standardsendungen eine Kontrolle der Beförderung stattfindet.

Selbst wenn man mit der Beklagten der Auffassung wäre, dass Ziffer 2 einen Verzicht auf jegliche Schnittstellenkontrollen beinhaltet, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Die so verstandene Regelung wäre dann gemäß § 449 Abs. 2 S. 1 HGB und § 9 AGBG, § 307 I, II BGB unwirksam, weil die Beklagte sich hiermit von einer ihr als Frachtführerin obliegenden Hauptpflicht, nämlich der Verpflichtung, die Warensendung während des Transports stets unter Kontrolle zu halten, in, weitem Umfang freigezeichnet hätte.

Im Übrigen erschöpfen sich die Obhuts- und Darlegungspflichten des Frachtführers nicht in der Durchführung von Schnittstellenkontrollen, sondern sind wesentlich vielfältiger. Sie umfassen z.B. auch organisatorische Vorkehrungen" gegen den Zugriff Dritter auf das Transportgut während des Transports und an den Umschlagstellen, gegen Fehlverladungen, gegen rechtswidriges Handeln der eigenen Beschäftigten etc. (vgl. OLG Bamberg 5 U 119/03).

Die prozessuale Aufklärungspflicht des Frachtführers wird deshalb durch die Beförderungsbedingungen in der streitgegenständlichen Fassung nicht aufgehoben. Andernfalls würde dem Versender die substantiierte Geltendmachung eines qualifizierten Verschuldens im Sinne von §§ 435 HGB, Art. 29 CMR im Ergebnis abgeschnitten.

Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung dazu, detailliert zu bestimmen, inwieweit die Darlegungspflicht der Beklagten im Hinblick auf Ziffer 2 der Beförderungsbedingungen begrenzt ist und welchen Vortrag im einzelnen die Beklagte gleichwohl hätte bringen müssen, um der Vermutung qualifizierten Verschuldens zu entgehen. Denn die Beklagte hat hier zur Transportorganisation und den Vorkehrungen vor einem Verlust überhaupt nichts vorgetragen. Damit ist sie ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen, so dass die Feststellung qualifizierten Verschuldens auch unter Berücksichtigung ihrer Beförderungsbedingungen gerechtfertigt ist.

Für den somit vorliegenden Fall des qualifizierten Verschuldens gilt nach Ziffer 9.2 S. 5 die in Ziffer 9.2 S. 2 vorgesehene Haftungsbegrenzung nicht.

5. Entgegen der Auffassung der Beklagten legen ihre allgemeinen Beförderungsbedingungen dem Versender nicht die - nach dem Gesetz nicht bestehende - Obliegenheit auf, bei höheren Werten als 1.000,-- DM eine Wertangabe zu machen.

Indem der Versender hiernach durch eine Wertdeklaration die "Haftungsgrenze nach Ziffer 9.2" anheben kann und die Beklagte sich das Recht ausbedingt, den zu diesem Zweck zu entrichtenden "Wertzuschlag" als Prämie für die Versicherung der Interessen des Versenders an eine Versicherungsgesellschaft weiterzugeben, stellt sich für den Versender Sinn und Zweck einer Wertdeklaration nach Ziffer 9.4 der Beförderungsbedingungen dergestalt dar, dass er hierdurch eine Art Versicherungsschutz erwirbt, der ihm bei einem Transportverlust - unabhängig von einem Verschulden der Beklagten - eine Haftung der Beklagten in Höhe der Wertdeklaration eröffnet. Nach der so verstandenen Regelung hat der Versender die Wahl zwischen einer nicht deklarierten Sendung, für welche die Beklagte lediglich in Höhe von 1.000,-- DM haften wird, sofern ihr kein qualifiziertes Verschulden zur Last fällt, und einer wertdeklarierten Sendung, die ihm eine Haftung der Beklagten in Höhe der Wertangabe eröffnet. Es erschließt sich dem Versender dagegen nicht, dass er durch das Unterlassen eine Wertangabe auch bei einem qualifizierten Verschulden der Beklagten auf einen Haftungsbetrag von 1.000,-- DM beschränkt sein soll (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.).

6. Diese dem Bundesgerichtshof folgende Rechtsprechung verletzt die Beklagte auch nicht in ihren Rechten aus Art. 12 GG. In die Freiheit der Beklagten, den Beruf des "Massenbeförderers" auszuüben, wird nicht dadurch unzulässigerweise eingegriffen, dass sie für die von ihr im Zuge dieser Berufsausübung begangenen Vertragsverletzungen Schadensersatz leisten muss.

7. Der der Klägerin abgetretene Anspruch ist nicht aufgrund eines Mitverschuldens der Firmen bzw. gemindert oder ausgeschlossen.

Ein Mitverschulden der genannten Firmen ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass sie die Pakete nicht wertdeklarierten.

Ein Mitverschulden ist gemäß § 425 II HGB nur dann zu berücksichtigen, wenn es schadensursächlich gewesen sein kann. Ein Mitverschulden kann infolgedessen dann vorliegen, wenn der Versender eine Wertangabe unterlässt, obwohl er weiß, dass der Auftragnehmer das Gut bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt (Koller a.a.O., Rdnr. 19 zu § 435 HGB m.w.N.). Zielen die erhöhten Sorgfaltsanforderungen des Spediteurs oder Frachtführers gerade darauf ab, einen Schaden wie den eingetretenen zu vermeiden, ist der Verzicht des Versenders auf diesen erhöhten Sorgfaltsmaßstab als freiwilliges Eingehen eines erhöhten Verlustrisikos zu bewerten. Der Versender, der den Wert der Ware nicht angibt, obwohl er weiß, dass diese bei entsprechender Angabe besonderen Sicherungen unterliegt, muss sich einen Mitverschuldensanteil anrechnen lassen, wenn sein Verhalten dem Frachtführer die Möglichkeit nimmt, den Ort des Schadenseintritts einzugrenzen und so dem Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens zu entgehen. Denn die Haftung wegen eines groben Fahrlässigkeitsvorwurfs beruht auf der Vermutung, dass die Ware in einem besonders gefährdeten Transportbereich in Verlust geraten ist. Das aus dieser Vermutung herrührende Haftungsrisiko ist aber beschränkt, wenn der Wert deklariert ist und dies zu einer anderen Behandlung der Sendung führt als bei Fehlen einer Wertdeklaration. Ist diese andere Behandlungsweise dem Versender bekannt, so ist ihm ein schadensursächliches Mitverschulden zuzurechnen.

a) Im vorliegenden Fall kommt ein Mitverschulden der genannten Firmen wegen unterlassener Wertdeklaration nicht in Betracht, da die Beklagte bereits nicht dargetan hat, dass die Firmen ... und ... bei Auftragserteilung Kenntnis von der besonderen Beförderung von Wertpaketen hatten oder eine solche besondere Behandlung von Wertpaketen hätten kennen müssen. Insbesondere wird auch aus Ziffer 2 S. 5 und 9.4 nicht deutlich, welche besonderen Sicherheitsvorkehrungen die Beklagte Wertpaketen angedeihen lässt.

b) Die Beklagte hat zudem auch im Prozess nicht dargelegt, welchen erhöhten Sicherheitsstandard sie auf wertdeklarierte Sendungen anwendet. Die Klägerin hat diesbezüglich explizit vorgetragen, die Beklagte wende bei wertdeklarierten Sendungen im wesentlichen keinen erhöhten Sicherheitsstandard an. Sie führe lediglich eine Eingangskontrolle an ihrem Abgangsdepot durch. Auf dem gesamten weiteren Transportweg würde eine wertdeklarierte Sendung dann genauso wenig kontrolliert werden wie die streitgegenständlichen. Die Beklagte hat darauf lediglich erwidert, sie müsse nicht im einzelnen aufführen, welche Kontrollen bei der Wertsendung stattfänden. Das würde den Rahmen der Beförderungsbedingungen sprengen. Der Versender sei Kaufmann und könne sich erkundigen, welche weiteren Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Mit diesen Ausführungen hat sie der Behauptung der Klägerin, sie wende auf wertdeklarierte Sendungen keinen erhöhten Sicherheitsstandard an, nicht substantiiert widersprochen.

8. Die Beklagte kann sich nicht auf Verjährung berufen, da diese gemäß §§ 439 Abs. 1 S. 2, 435 HGB erst nach drei Jahren eintritt.

Kosten: § 97 ZPO

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Senat weicht von den einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und anderer Oberlandesgerichte, durch welche die hier entscheidungserheblichen Rechtsfragen geklärt sind, nicht ab. Dass der Senat in der Frage des schadensursächlichen Mitverschuldens zu einem anderen Ergebnis gelangt als der 5. Senat des Oberlandesgerichts Bamberg in seinem Urteil vom 29.7.2003, ist nicht in der unterschiedlichen Beantwortung von Rechtsfragen, sondern durch unterschiedliche festgestellte Tatsachen begründet.

Ende der Entscheidung

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