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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 03.12.2001
Aktenzeichen: 4 U 142/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB §§ 705 ff.
ZPO § 62
ZPO § 523
ZPO § 263
ZPO § 139
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2 S. 1
ZPO §§ 3 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 U 142/01

Verkündet am 3. Dezember 2001

in dem Rechtsstreit

wegen Forderung.

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht und der Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 8. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Beschwer der Kläger wird auf 314.637,86 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Mietzinsforderungen. Die Kläger haben in erster Instanz behauptet, sie seien Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft D, in deren Eigentum eine Seniorenresidenz mit 106 Wohneinheiten stehe.

Die ehemalige Eigentümerin N H habe am 15.10.1992 mit der Beklagten hinsichtlich dieses Objektes einen Mietvertrag abgeschlossen, in den die Kläger nach Begründung des Wohnungseigentums auf Vermieterseite eingetreten seien. Aus dem Mietvertrag stünden den Klägern Forderungen in einer Gesamthöhe von 314.637,86 DM zu.

Die Kläger haben in erster Instanz beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 159.163,81 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 4.11.2001 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 127.182,16 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 4.12.2000 zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 13.418,07 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 5.1.2001 zu bezahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 14.873,82 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat in erster Instanz bestritten, daß es sich bei den Klägern um die Gesamtheit aller Wohnungseigentümer handele und daß die die Kläger vertretende Anwaltskanzlei B und S aus N/W von der Gesamtheit aller Wohnungseigentümer/Kläger ordnungsgemäß bevollmächtigt worden sei.

Des weiteren bestreitet die Beklagte einen Übergang des Mietverhältnisses auf die Gesamtheit der Kläger und die Berechtigung der noch offenen Mietzinsforderungen.

Mit Urteil vom 8.6.2001 hat das Landgericht Würzburg die Klage als unzulässig abgewiesen. In seiner Begründung hat das Landgericht ausgeführt, daß die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst nach dem Wohnungseigentumsgesetz nicht parteifähig sei. Forderungen gegen Dritte im Aktivprozeß seien daher wegen der gesamthänderischen Bindung klageweise durch alle Wohnungseigentümer geltend zu machen, wenn nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft in Prozeßstandschaft vom Verwalter vertreten werde.

Trotz entsprechenden Hinweises habe die Klägerseite die Klage nicht auf die Wohnungseigentümer E S und F K erweitert; die Identität der angeblichen Wohnungseigentümer A M und S K sei ungeklärt geblieben.

Gegen dieses ihnen am 15.6.2001 zugestellte Endurteil richtet sich die Berufung der Kläger im Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom 4.7.2001, eingegangen beim Oberlandesgericht Bamberg am 10.7.2001. Die Berufungsbegründung vom 3.8.2001 ist am 9.8.2001 eingegangen.

Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Berufung vor, daß das Landgericht die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen habe. Die Klage sei keineswegs im Namen aller Wohnungseigentümer erhoben worden, sondern ausweislich der Klageschrift sei die Klage für die "WEG D" erhoben worden, diese vertreten durch die Hausverwaltung GmbH, vertreten wiederum durch den Verwalter R. Eine solche Kurzbezeichnung lasse die Rechtsprechung im Verkehrsinteresse zu. Hilfsweise werde die Klage in zweiter Instanz auf die nicht in der Liste aufgeführten Wohnungseigentümer E S und F K erweitert. Weiter wird vorgetragen, die Wohnungseigentümerin S K habe durch Heirat nunmehr den Namen S R angenommen; geheiratet habe auch die Wohnungseigentümerin A M, die nunmehr A D heiße.

Zudem vertritt die Klägerseite die Meinung, die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft D würden eine BGB-Gesellschaft darstellen, die nach nunmehriger höchstrichterlicher Rechtsprechung rechts- und damit auch parteifähig sei.

Die Kläger beantragen in zweiter Instanz:

I. Das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 8.6.2001, Az: 71 O 338/01, wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 159.163,81 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 4.11.2000 zu bezahlen.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 127.182,16 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 4.12.2000 zu bezahlen.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 13.418,07 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 5.1.2001 zu bezahlen.

V. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 14.873,82 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

VI. Die Revision wird zugelassen.

Die Beklagte beantragt,

die Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit dessen Argumentation. Sie hält die in zweiter Instanz vorgenommene Parteierweiterung auf die Wohnungseigentümer E S und F K für unzulässig. Sie verweist darauf, daß es eine GmbH, vertreten durch R, nicht gebe. Im Handelsregister des Amtsgerichts Nürnberg sei nur eine Immobilien GmbH, gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer O und Dr. H eingetragen.

Der Senat hat keinen Beweis erhoben.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Kläger ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im übrigen zulässig (§§ 511 a ff. ZPO). Zur Überprüfung der Frage der Parteifähigkeit im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Klage ist diese für die zweite Instanz als gegeben zu unterstellen (BGHZ 24, 91; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 50 Rdnr. 11).

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da die Klage vom Landgericht zu Recht als unzulässig abgewiesen wurde.

1. Ausweislich der Seiten 1 und 3 der Klageschrift sowie Seite 1 der Replik vom 4.4.2001 (Bl. 42 d.A.) und Seite 2 des Schriftsatzes vom 25.5.2001 (Bl. 56 d.A.) klagt bei verständiger Auslegung die Eigentümergemeinschaft mit allen Eigentümern als Kläger, also eine Gesamthandsgemeinschaft im Aktivprozeß. Es klagt weder die Wohnungseigentümergemeinschaft mit dem Verwalter als Prozeßstandschafter (dieser müßte im eigenen Namen klagen, nicht aber die WEG laut Eigentümerliste, vertreten durch den Verwalter ...), noch die Wohnungseigentümergemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts i.S. der §§ 705 ff. BGB. In den angesprochenen Schriftsätzen werden vielmehr jeweils die Kläger in der Mehrheit aller Eigentümer genannt, es wird sogar in der Replik vom 4.4.2001 ausdrücklich eine Klageerweiterung auf bislang in der Anlage nicht genannte Eigentümer vorgenommen.

Dies ist auch konsequent angesichts der Tatsache, daß nach ganz herrschender Meinung die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche nicht rechts- und parteifähig ist, also entweder die Gesamtheit aller Eigentümer oder der Verwalter als deren Prozeßstandschafter klagen muß. Im hier vorliegenden Fall haben sich bei verständiger Würdigung der klägerischen Schriftsätze erster Instanz diese für die Sammelklage entschieden.

Daher muß die Frage, die die Klägerseite in der Berufungsinstanz aufgeworfen hat, nämlich ob diese Wohnungseigentümergemeinschaft auch zusätzlich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts sein kann, die dann nach neuerer BGH-Rechtsprechung Parteifähigkeit besitzen würde, nicht entschieden werden. Der Senat hätte jedoch Bedenken, auf die Wohnungseigentümergemeinschaft, die im WEG spezial geregelt ist, die allgemeineren Vorschriften der §§ 705 ff. BGB anzuwenden. Außerdem hat die Beklagte substantiiert das Vorliegen eines - auch konkludent geschlossenen - Gesellschaftsvertrages und das Vorliegen eines gemeinsam verfolgten Gesellschaftszwecks bestritten und die Klägerseite hierzu keinen Beweis angeboten.

2. Im Aktivprozeß einer Gesamthand sind alle Eigentümer notwendige Streitgenossen i.S. des § 62 ZPO, d.h. sie müssen alle gemeinsam klagen; Einzelklagen oder unvollständige Gemeinschaften als Kläger sind unzulässig (Thomas/Putzo, a.a.O., § 62 Rdnr. 13 m.w.N.), weil ihnen die Prozeßführungsbefugnis fehlt. Danach war die Klageabweisung in erster Instanz als unzulässig richtig, weil die Wohnungseigentümer E S und F K nicht als Kläger am Prozeß aktiv teilgenommen haben. Die Prozeßvertreter der Klägerseite haben nämlich ausweislich des Schriftsatzes vom 25.5.2001 (Bl. 55/56 d.A.) versäumt, ihre Klage auf der Klägerseite durch subjektive Klageänderung (Parteierweiterung) auf diese beiden Kläger zu erstrecken.

3. Die nunmehr in zweiter Instanz auf Klägerseite vorgenommene Parteierweiterung auf diese beiden Eigentümer ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als Parteiänderung nach §§ 523, 263 ZPO bei Zustimmung der Beklagten oder Bejahung der Sachdienlichkeit durch das Prozeßgericht zulässig (BGHZ 65, 264 und BGH NJW 89, 3225 gegen die herrschende Literaturmeinung). Im vorliegenden Fall wird trotz der Verweigerung der Zustimmung der Beklagten von einer zulässigen Parteiänderung auszugehen sein, weil die Sachdienlichkeit i.S. des § 263 ZPO nicht verneint werden kann. Der bisherige Sach- und Streitstoff kann auch für die geänderte Klage weiterhin vollständig Verwendung finden.

4. Gleichwohl ist die Klage nach wie vor unzulässig. Zum einen ist die Vollständigkeit der Eigentümerliste auf Klägerseite durch die Beklagte substantiiert bestritten. Die als Beweis vorgelegte Liste des Vermessungsamt K - Auszug aus dem Liegenschaftskataster - ist nicht geeignet, die Eigentümerstellung an den einzelnen Eigentumswohnungen des Objekts zu beweisen. Einen Grundbuchauszug hat die Klägerseite nicht vorgelegt. Beweisangebote für die Vollständigkeit der Eigentümerliste auf Klägerseite liegen nicht vor.

Weiterhin hat die Beklagte substantiiert das Vorliegen vollständiger Vollmachten eines jeden Klägers bestritten (§ 88 Abs. 1 ZPO). Die Überprüfung der als Anl. K 24 von den Klägern vorgelegten Unterlagen bestätigt die Richtigkeit des Beklagtenvortrags:

Es fehlen die Vollmachten jeweils eines der Ehegatten S, D, S, W, S, Dr. W, M und K. Die Vollmachten der Wohnungseigentümer G und S liegen ebenfalls nicht vor. Damit sind nicht alle Kläger nachgewiesenermaßen durch die auftretenden Prozeßvertreter ordnungsgemäß vertreten, weil es am Nachweis der entsprechenden Prozeßvollmacht fehlt. Dies verhindert, da alle Eigentümer wirksam als Kläger in der Form einer notwendigen Streitgenossenschaft den Prozeß führen müssen, nach wie vor die Zulässigkeit der erhobenen Klage.

Da der Mangel aus erster Instanz fortwirkt und die Beklagte die entsprechenden Rügen - mehrfach - erhoben hat, bedurfte es eines rechtlichen Hinweises des Senats nach § 139 ZPO nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung der Beschwer richtet sich nach §§§ 546 Abs. 2 S. 1, 3 ff. ZPO.

Ende der Entscheidung

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