Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 25.02.2002
Aktenzeichen: 4 U 194/01
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 13
AGBG § 1 Abs. 2
AGBG § 1 Abs. 1
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 4
ZPO § 543 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 194/01

in dem Rechtsstreit

wegen Forderung.

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht und der Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Vorbehaltsurteil des Landgerichts Würzburg vom 10. Juli 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,-- Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten im Urkundenprozeß auf Zahlung aus einer Bürgschaft in Anspruch.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen des Vertriebs von Ausrüstungen und Materialien des Sanitär- und Heizungsbereiches als Großhändlerin. Sie betreibt mehrere Verkaufslager, eines davon in Erfurt. Diese Niederlassung der Klägerin in Erfurt stand mit der Firma GmbH (im folgenden: GmbH), deren Geschäftsführer der Beklagte war, in ständiger Geschäftsverbindung. Mittlerweile ist die Firma GmbH in Vermögensverfall geraten. Beim Amtsgericht war deswegen ein Insolvenzverfahren anhängig (Az. 8 IN 596/00); dieses ist mittlerweile durch Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse beendet.

Mitte des Jahres 2000 geriet die Firma GmbH mit Zahlungen aus Lieferungen, die die Klägerin an sie getätigt hatte, in Rückstand. Die Klägerin und der Beklagte als Geschäftsführer der Firma GmbH verhandelten in der Folgezeit über die weitere Zusammenarbeit. So kam es zu einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Firma GmbH, die dem Senat in Fotokopie als Anlage B 1 vorliegt. Ihrem wesentlichen Inhalt nach war vorgesehen, daß die Firma GmbH jährliche Umsätze in Höhe von 1 Mio. DM gegenüber der Klägerin tätigte; als Gegenleistung sollte der Firma GmbH ein Umsatzbonus von 100.000,-- DM, berechnet auf die Umsätze von 3 Jahren, gutgebracht werden. Wegen des konkreten Inhalts dieser Vereinbarung wird auf die Anlage B 1 Bezug genommen. Über die nach dem Inhalt dieser Vereinbarung vom Beklagten zu erteilende Bürgschaft kam es zum Schriftverkehr zwischen den Parteien, der dem Senat als Anlage B 2, B 3, und B 4 vorliegt; auch auf den Inhalt dieser Anlagen wird Bezug genommen. Am 18.9.2000 übernahm der Beklagte schließlich eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 100.000,-- DM. Im Bürgschaftstext war festgelegt, daß sich der Beklagte "für die Erfüllung aller bereits entstandenen und zukünftig insbesondere aus Lieferungen und Leistungen noch entstehenden Verbindlichkeiten in Haupt- und Nebensache" der Firma GmbH verbürge. Im Vertragstext war zusätzlich aufgenommen, daß sich der Beklagte verpflichte, "auf erste Anforderung der Gläubigerin" an diese zu bezahlen.

Wegen des genauen Wortlauts der Bürgschaftserklärung wird auf die in Fotokopie vorliegende Bürgschaftsurkunde (Bl. 15 d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben ihrer anwaltlichen Vertreter vom 5.12.2000 (Bl. 16 f. d.A.) nahm die Klägerin die Bürgschaft in Anspruch. Der Beklagte und sein Sohn, der eine gleichlautende Bürgschaftserklärung abgegeben hatte, wurden auf Zahlung in Höhe von insgesamt 100.000,-- DM binnen 8 Tagen in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat in erster Instanz folgendes vorgetragen:

Zur Zeit der Abgabe der Bürgschaftserklärung am 18.9.2000 hätten Zahlungsansprüche der Klägerin gegenüber der Firma GmbH in Höhe von 96.339,78 DM bestanden. Dies sei der Grund gewesen, weshalb die Klägerin auf den Bürgschaften bestanden habe. Der Beklagte habe sich mit seiner Bürgschaft gegenüber der Klägerin für bereits entstandene und noch entstehende Zahlungsansprüche aus Lieferungen und Leistungen der Klägerin an die Firma GmbH in Höhe von 100.000,-- DM verbürgt. Zum 9.11.2000 habe sie, die Klägerin, Ansprüche gegenüber der Firma GmbH in Höhe von 182.155,25 DM gehabt. Dieser Anspruch habe sich infolge einer Gutschrift am 8.12.2000 auf 135.524,93 DM vermindert.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 100.000,-- DM zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 9.7.1998 ab Klagezustellung zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die von der Klägerin geltend gemachte Hauptforderung bestritten. Er hat behauptet, die streitgegenständliche Bürgschaft stelle keine Bürgschaft auf erstes Anfordern dar. Zwischen der Klägerin und der Firma GmbH sei Anfang September 2000 eine umfassende Vereinbarung über die Geschäftsbeziehungen geschlossen worden. Demnach habe die Firma GmbH in den nächsten 3 Jahren mit Produkten der Klägerin einen Umsatz von 3 Mio. DM erzielen sollen. Als Gegenleistung habe sich die Klägerin verpflichtet, der Firma GmbH einen Umsatzbonus gutzuschreiben. Die von ihm erteilte Bürgschaft beziehe sich auf einen evtl. Rückerstattungsanspruch im Zusammenhang mit diesem Umsatzbonus. Die Klägerin habe zudem die wesentlichen Verpflichtungen aus der Vereinbarung nicht eingehalten. Der zugesicherte Bonus von 100.000,-- DM sei nie eingeräumt und insbesondere nie dem Debitorenkonto der Firma GmbH gutgeschrieben worden. Da die Klägerin diese Vereinbarung zwischen den Parteien nicht eingehalten habe, sei die Bürgschaft nicht fällig.

Das Landgericht hat der Klage mit Vorbehaltsurteil vom 10.7.2001 stattgegeben. Zur Begründung hat das Erstgericht im wesentlichen ausgeführt, bei der vom Beklagten am 18.9.2000 übernommenen Bürgschaft handle es sich um eine solche auf erstes Anfordern. Für eine Auslegung der Erklärung des Beklagten bestehe angesichts des klaren Wortlauts kein Raum. Gegenüber einer Bürgschaft auf erstes Anfordern könnten im Hauptprozeß nur im eingeschränkten Maße Einwendungen erhoben werden; solche zulässigen Einwendungen lägen hier nicht vor. Die vom Beklagten erhobenen Einwendungen seien im jetzigen Verfahren nicht zu berücksichtigen.

Gegen dieses ihm am 27.8.2001 zugestellte Vorbehaltsurteil hat der Beklagte mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 4.9.2001, beim Oberlandesgericht Bamberg eingegangen am 5.9.2001, Berufung eingelegt. Dieser Schriftsatz enthält zugleich die Berufungsanträge und deren Begründung.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Er behauptet, er habe zur Zeit der Abgabe der Bürgschaftserklärung keine Erfahrungen im Bankgeschäft gehabt und habe die Wirkungen einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht gekannt; seine Bürgschaftserklärung sei deshalb vorliegend lediglich als "einfache" Bürgschaft zu behandeln. Die Hauptschuldnerin, die Firma GmbH, sei lediglich als Handwerksbetrieb tätig geworden. Die Bürgschaft sei von ihm als Privatperson übernommen worden. Auch im bauspezifischen Bereich habe er, der Beklagte, keine einschlägigen Erfahrungen gehabt. Er sei von Beruf Buchhalter und seit 1995 berufsunfähig. Ein Hinweis der Klägerin über die besonderen Risiken einer Bürgschaft auf erstes Anfordern sei nicht erfolgt.

Auf die hier vorliegende Bürgschaft seien die Vorschriften des AGBG anzuwenden. Über die Erteilung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern sei zwischen den Parteien zu keiner Zeit verhandelt worden; ein Aushandeln des Bürgschaftsinhaltes sei nicht erfolgt.

Der Beklagte stellt folgenden Antrag:

Das Vorbehaltsurteil des Landgerichts Würzburg vom 10.7.2001 - 14 O 249/01 - wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Erstgericht sei zutreffend davon ausgegangen, daß eine wirksame Bürgschaft auf erstes Anfordern vorliege. Die Bürgschaftserklärung des Beklagten vom 18.9.2000 unterfalle nicht den Vorschriften des AGBG. Der Erklärung des Beklagten seien nämlich Vertragsverhandlungen vorangegangen, wie sich insbesondere aus den Anlage B 3 und B 4 ergebe. Der gesamte Inhalt der Bürgschaftsurkunde vom 18.9.2000 sei das Ergebnis vorangegangener mündlicher Verhandlungen. Einer Belehrung des Beklagten über die Risiken einer Bürgschaft auf erstes Anfordern habe es nicht bedurft. Der Beklagte sei Geschäftsführer einer GmbH gewesen, die - dies hat der Beklagte nicht bestritten - einen Umsatz von 9 Mio. DM pro Jahr getätigt habe. Die GmbH habe einen Installationsbetrieb sowie einen Großhandel mit Baustoffen betrieben. In diesem Bereich der Bauindustrie seien Bürgschaften auf erstes Anfordern häufig und üblich.

Vorsorglich hat die Klägerin in der Berufungsinstanz zur Akzessorietät der Hauptforderung unter Vorlage von Lieferscheinen und Rechnungen vorgetragen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten gegen das Vorbehaltsurteil des Landgerichts Würzburg vom 10.7.2001 ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 ff. a.F. ZPO); sie ist damit zulässig.

II.

In der Sache bleibt die Berufung des Beklagten ohne Erfolg. Das angefochtene Vorbehaltsurteil des Landgerichts Würzburg vom 10.7.2001 ist im Ergebnis und in der Begründung zutreffend. Das Berufungsvorbringen führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.

Das Erstgericht hat zu Recht eine Zahlungspflicht des Beklagten aus der Bürgschaft vom 18.9.2000 bejaht.

1. Der Beklagte hat vorliegend wirksam eine Bürgschaft auf erstes Anfordern erteilt.

a) Die Erklärung des Beklagten vom 18.9.2000 stellt inhaltlich die Übernahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern dar. Dies ergibt sich aus der dem Senat vorliegenden Urkunde (Bl. 15 d.A.). Der Wortlaut der Erklärung des Beklagten vom 18.9.2000 ist eindeutig und zweifelsfrei und damit einer Auslegung nicht zugänglich. Nach dem Wortlaut der Erklärung hat sich der Beklagte der Klägerin gegenüber für die Zahlungsverpflichtungen der Firma GmbH bis zur Höhe von 100.000,-- DM verbürgt. Dies geschah mittels einer Bürgschaft auf erstes Anfordern.

Zureichende Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte die Bürgschaft vorliegend nicht als Bürgschaft auf erstes Anfordern verstehen konnte, bestehen nicht. Zwar trifft es zu, daß Bürgschaften auf erstes Anfordern in erster Linie im bankgeschäftlichen Verkehr Verwendung finden. Eine Verpflichtung mittels Bürgschaft auf erstes Anfordern hat nämlich zur Folge, daß der Bürge sofort zahlen muß und alle Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Art grundsätzlich auf den Rückforderungsprozeß verlagert werden (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BGH NJW 1997, Seite 1435; NJW 1998, Seite 2280). Der Gläubiger darf eine Bürgschaft mit diesem Wortlaut deshalb nur dann in dem beschriebenen Sinne verstehen, wenn er davon ausgehen kann, dem Bürgen sei der Inhalt einer solchen Abrede bekannt, er wisse, worauf er sich mit dieser Erklärung einlasse, daß er sich nämlich auf diese Weise nahezu aller Einwendungen begibt, die dem Bürgen von Gesetzes wegen zustehen (BGH NJW 1992, Seite 1446 f.). Personen, die über keine Erfahrungen im Bankgeschäft verfügen und auch nicht aufgrund ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit mit diesem Rechtsinstitut vertraut sind, kennen die Wirkungen einer Bürgschaft auf erstes Anfordern gewöhnlich nicht. Hat der Gläubiger den Bürgschaftstext gewählt und durfte er nicht voraussetzen, sein Vertragspartner werde den Begriff der Bürgschaft auf erstes Anfordern im üblichen Sinne verstehen, ist die Erklärung des Bürgen demzufolge als einfache Bürgschaft auszulegen (BGH, a.a.O.).

Vorliegend konnte die Klägerin davon ausgehen, dem Beklagten sei der Inhalt einer solchen Vereinbarung bekannt. Bürgschaften auf erstes Anfordern werden nämlich, wie die Rechtsprechung (vgl. etwa BGH NJW 1998, Seite 2280) immer wieder hervorhebt, auch im Baugewerbe häufig vereinbart. Nun war der Beklagte zwar nicht unmittelbar im Baugewerbe tätig. Er war aber Geschäftsführer einer GmbH, die sich im Baugewerbe betätigte. Ausweislich der von den Parteien ins Auge gefaßten Lieferkapazität der Klägerin betätigte sich die GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte war, auch in erheblichem Maße am Wirtschaftsleben. Die Klägerin konnte aufgrund dieser Umstände davon ausgehen, der Beklagte werde den Begriff der Bürgschaft auf erstes Anfordern im üblichen Sinne verstehen.

b) Die Bürgschaftserklärung des Beklagten vom 18.9.2000 fällt nicht in den Anwendungsbereich der Vorschriften des AGB-Gesetzes.

Dieses Gesetz erfaßt nur solche Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und von einer Vertragspartei der anderen bei Vertragsschluß gestellt werden (§ 1 Abs. 1 S. 1 AGBG). Daran fehlt es vorliegend; die Vertragsbedingungen bzw. der Inhalt der Erklärung des Beklagten wurden hier zwischen den Parteien im einzelnen ausgehandelt im Sinn des § 1 Abs. 2 AGBG. Dies ergibt sich aus den dem Senat vorliegenden Schriftstücken, die vor Unterzeichnung der Erklärung des Beklagten vom 18.9.2000 zwischen den Parteien gewechselt wurden. Ausgangspunkt ist die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung ohne Datum, die dem Senat in Fotokopie als Anlage B 1 vorliegt. Bereits in dieser zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung war eine Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten zur Sicherung der in dieser Vereinbarung begründeten Verpflichtungen vorgesehen (Ziff. 7 dieser Vereinbarung). Über den Inhalt der zu erteilenden Bürgschaften schloß sich dann ein Schriftverkehr zwischen den Parteien an. So hat der Beklagte bzw. die Firma GmbH mit einem Schreiben, das dem Senat als Anlage B 2 vorliegt, versucht, eine Regelung dahin zu treffen, daß die zu erteilenden Bürgschaften sich lediglich auf den vereinbarten Umsatzbonus beziehen sollen. Mit dieser Regelung war die Klägerin ausweislich ihres Schreibens vom 5.9.2000 (Anlage B 3) nicht einverstanden; sie hat darauf beharrt, daß die zu erteilenden Bürgschaften (auch) die Zahlungsverpflichtungen der Firma GmbH aus erbrachten Lieferungen und Leistungen abdecken sollen. Im Wege eines Kompromisses wurde demgegenüber vorgeschlagen, der Firma GmbH ein Limit für Verpflichtungen aus Warenlieferungen zu erteilen (Anlage B 3, Ziff. 4). Mit diesem Vorschlag der Klägerin entsprechend ihrem Schreiben vom 5.9.2000 war der Beklagte im wesentlichen einverstanden; allerdings wurden auf seinen Wunsch hin noch Abänderungen an anderen Punkten der zu treffenden Vereinbarung vorgenommen. Diese mündeten schließlich in die Bürgschaftserklärung vom 18.9.2000. Dem Wunsch des Beklagten, von der Erbringung einer Bürgschaft durch seine Ehefrau abzusehen, hat die Klägerin von Anfang an entsprochen. Nun trifft es wiederum zu, daß über die Frage einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ausweislich dieses der Vereinbarung vorgehenden Schriftverkehrs nicht verhandelt wurde. Dies schließt aber die Annahme, daß die Vertragsbedingungen bzw. die Bedingungen für die zu erteilende Bürgschaft zwischen den Parteien doch ausgehandelt waren, nicht aus. Der Beklagte hat offenbar diesen Punkt der getroffenen Vereinbarung nicht nochmals zum Anlaß genommen, in Verhandlungen mit der Klägerin einzutreten; vielmehr hat er sich mit dieser Vereinbarung einverstanden gezeigt. Dies hat aber nicht die Konsequenz, daß es sich wegen dieser erstmals in die Vereinbarung aufgenommenen Passage um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt.

Damit wurde vorliegend der Inhalt der Erklärung des Beklagten vom 18.9.2000 zwischen den Parteien im einzelnen ausgehandelt; "vorformulierte Vertragsbedingungen" im Sinn des § 1 Abs. 1 AGBG liegen nicht vor. Auf die Frage, ob der Beklagte Verbraucher im Sinn des § 13 BGB ist - mit der Folge, daß trotz der nur zweimaligen Verwendungsabsicht der Bürgschaftserklärung das AGBG über § 24 a Nr. 2 AGB anwendbar wäre (vgl. dazu BGH NJW 1996, Seite 2156) - kommt es nicht an.

c) Außerhalb des Geltungsbereichs des AGBG ist es im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich jedermann gestattet, eine Bürgschaft auf erstes Anfordern im Einzelfall zu erteilen (BGH NJW 1998, Seite 2280). Die in einem Ausnahmefall von der Rechtsprechung (BGH NJW-RR 1990, Seite 1265) zum Ausdruck gebrachte Einschränkung, wonach Bürgschaften auf erstes Anfordern den Kreditinstituten vorbehalten seien, wurde zwischenzeitlich wiederholt als zu weitgehend abgelehnt (vgl. die Nachweise bei BGH a.a.O.). Außerhalb des Anwendungsbereichs des AGBG ist der Schutz von Personen, die mit dem Inhalt und den Folgen einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht hinreichend vertraut sind, durch eine interessengerechte Auslegung der abgegebenen Erklärungen (siehe dazu oben unter 1. a) sowie dadurch zu verwirklichen, daß den geschäftskundigen Teil besondere Hinweis- und Aufklärungspflichten treffen, wenn derjenige, der eine solche Verpflichtung übernehmen soll, nach Treu und Glauben eine Belehrung erwarten darf, durch die ihm der Unterschied der Bürgschaft auf erstes Anfordern zur gesetzlichen Bürgschaft sowie die daraus folgenden Risiken deutlich vor Augen geführt werden. Bei Verletzung dieser Hinweispflicht kommt nur ein gewöhnlicher Bürgschaftsvertrag zustande (BGH NJW 1998, Seite 2280 f.). Vorliegend bedurfte es eines derartigen Schutzes des Beklagten jedoch nicht. Wie bereits ausgeführt, betätigte sich der Beklagte bei Abgabe der Bürgschaftserklärung vom 18.9.2000 als Geschäftsführer einer GmbH, die im beträchtlichen Umfang am Wirtschaftsleben teilnahm. Daß der Beklagte von Beruf Buchhalter und zur damaligen Zeit bereits verrentet war, war der Klägerin nicht bekannt; jedenfalls behauptet dies der Beklagte selbst nicht. Die mit dem Beklagten als Geschäftsführer eng verbundene Hauptschuldnerin betätigte sich im Baugewerbe, also in einem Bereich, in dem Bürgschaften auf erstes Anfordern vermehrt vorkommen. Eine gesonderte Belehrungspflicht seitens der Klägerin bestand deshalb nicht.

2. Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Beklagten aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern sind gegeben.

a) Die vom Beklagten am 18.9.2000 abgegebenen Bürgschaft deckt die offenen Zahlungsverpflichtungen der Firma GmbH gegenüber der Klägerin aus Lieferung von Materialien.

Insoweit ist allerdings der Einwand der Beklagten, die von ihm abgegebene Bürgschaft sichere nicht die Lieferantenforderungen der Klägerin gegenüber der Firma GmbH, sondern lediglich einen evtl. Rückforderungsanspruch im Zusammenhang mit dem vereinbarten Umsatzbonus, im vorliegenden Rechtsstreit beachtlich. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern dient nämlich - insoweit einer Garantie auf erstes Anfordern vergleichbar - der schnellen Durchsetzung der von ihr gesicherten Ansprüche. Damit sie diese Funktion erfüllen kann, müssen die Anspruchsvoraussetzungen weitgehend formalisiert und die Einwendungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sein. Aus diesen Gründen sind für die Feststellung, welche Forderungen die Bürgschaft auf erstes Anfordern sichert, grundsätzlich nur solche Umstände beachtlich, die sich aus der Bürgschaft selbst und den Urkunden ergeben, auf die sie sich bezieht. Unstreitige oder durch dem Gericht vorliegende Urkunden belegte Tatsachen dürfen dabei ergänzend berücksichtigt werden (BGH NJW 1999, Seite 2362). Darlegungspflichtig dafür, daß die Haftung des Bürgen die Hauptschuld deckt, auf die sich das Klagebegehren stützt, ist der Gläubiger (BGH, a.a.O.).

Den Beweis, daß die vom Beklagten erteilte Bürgschaft die Lieferantenforderungen der Klägerin gegenüber der GmbH deckt, hat die Klägerin vorliegend in der zulässigen Weise geführt. Er ergibt sich - wiederum - aus dem dem Senat in Fotokopie vorliegenden Schriftverkehr zwischen den Parteien vor Abgabe der Bürgschaftserklärung. Wie bereits ausgeführt, hat der Beklagte bzw. die Firma GmbH mit dem als Anlage B 2 vorliegenden Schriftstück versucht, eine Regelung dahingehend zu treffen, daß die abzugebenden Bürgschaften sich nur auf den evtl. Rückforderungsanspruch im Zusammenhang mit dem vereinbarten Umsatzbonus beziehen sollen. Mit dieser Regelung war die Klägerin aber ausweislich der Anlage B 3 nicht einverstanden. Dem hat sich der Beklagte, wie aus seinem Schreiben vom 8.9.2000 (Anlage B 4) ersichtlich, schließlich gefügt. Im Ergebnis besteht deshalb kein Zweifel daran, daß die Bürgschaft des Beklagten vom 18.9.2000 die Zahlungsansprüche der Klägerin gegenüber der Firma GmbH aus Lieferungen und Leistungen deckt.

b) Im Rahmen der Bürgschaft auf erstes Anfordern bedarf es keiner schlüssigen Darlegung der Kaufpreis- bzw. Werklohnforderung der Klägerin gegenüber der Firma GmbH; es reicht aus, daß die Klägerin behauptet, ihr stehe eine fällige Forderung in entsprechender Höhe zu. Diese Behauptung hat die Klägerin aufgestellt.

c) Schließlich ist auch eine wirksame Bürgschaftsanforderung erfolgt. Diese ist im Schriftsatz der anwaltlichen Vertreter der Klägerin vom 5.12.1990 (Bl. 16 f. d.A.) zu sehen. Der Inhalt dieses Schriftsatzes ist (noch) ausreichend, um eine wirksame Bürgschaftsanforderung zu begründen.

Bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ist die Zahlungsaufforderung durch den Begünstigten formalisiert. Nach dem Grundsatz der Formstrenge muß er sie so abgeben, wie sie in der Bürgschaftsurkunde festgelegt ist (BGH NJW 1996, Seite 1673).

Vorliegend bestanden über die bloße Zahlungsaufforderung hinausgehende Anforderungen an den Inhalt des Aufforderungsschreibens nicht. Der Anfordernde hatte deshalb (nur) zu erklären, was in der Bürgschaftsurkunde als Zahlungsvoraussetzung niedergelegt ist (BGH NJW 1997, Seite 225). Voraussetzung für die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft ist das Bestehen offener Zahlungsverpflichtungen der Firma GmbH gegenüber der Klägerin aus Lieferungen und Leistungen. Daß derartige offenen Zahlungsverpflichtungen bestanden, wird aus dem Schriftsatz vom 5.12.2000 hinreichend deutlich. Zwar ergibt sich aus diesem Schreiben nicht zweifelsfrei, in welcher Höhe derartige Zahlungsverpflichtungen der GmbH bestehen: Die ursprünglich genannte Summe von 182.155,25 DM hat die Klägerin in einem späteren Abschnitt dieses Schreibens selbst relativiert, in dem sie von einer "noch nicht abgeschlossenen Saldierung" spricht. Durch die im nächsten Satz ausgesprochene Begrenzung der Inanspruchnahme bringt die Klägerin aber immerhin konkludent zum Ausdruck, daß jedenfalls in Höhe eines Betrags von 100.000,-- DM eine offene Zahlungsverpflichtung der Firma GmbH besteht; dies ist ausreichend. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Zahlungsaufforderung könnten sich auch noch daraus ergeben, daß aus der Formulierung des Schreibens nicht zweifelsfrei deutlich wird, welcher der beiden in Betracht kommenden Bürgen denn nun in Anspruch genommen werden soll. Nachdem aber eine Verfristung der Inanspruchnahme durch Zeitablauf nicht in Betracht kommt - die Bürgschaft des Beklagten ist befristet bis zum 30.6.2003, vgl. Anlage B 3, Ziff. 2. - kann eine evtl. erforderliche Klarstellung selbst noch in der Klageschrift gesehen werden.

3. Die Inanspruchnahme des Beklagten aus der Bürgschaft ist auch nicht rechtsmißbräuchlich.

Der Bürge kann sich im Erstprozeß auf die materielle Unbegründetheit der Anforderung nur dann berufen, wenn klar auf der Hand liegt, daß der Gläubiger eine formale Rechtsstellung mißbraucht (BGH NJW 1998, Seite 2281). Dafür, daß das Vorgehen der Klägerin vorliegend rechtsmißbräuchlich wäre, gibt der Vortrag der Beklagten nichts her. Allein der Einwand, die der Bürgschaft zugrunde liegende Hauptforderung bestehe nicht oder nicht in der behaupteten Höhe, rechtfertigt nicht die Annahme von Rechtsmißbrauch.

III.

Die Berufung des Beklagten gegen das Vorbehaltsurteil des Landgerichts Würzburg vom 10.7.2001 erweist sich demnach als unbegründet und ist mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 4, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 544 Abs. 2 S. 1 ZPO in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung, vgl. § 26 Nr. 7 EGZPO) liegen nicht vor: Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.



Ende der Entscheidung

Zurück