Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 25.02.2002
Aktenzeichen: 4 U 204/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO a.F. § 543 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
BGB § 249 S. 1
BGB § 254
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 204/01

Verkündet am 25. Februar 2002

in dem Rechtsstreit

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht und der Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 23. August 2001 abgeändert.

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.952,72 Euro zu bezahlen sowie Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz

- aus 8.691,96 Euro seit 7. November 2000 und

- aus 260,76 Euro seit 20. Februar 2001,

Zug um Zug gegen Rückabtretung der Erwerbsrechte von

- 800 Stück Stammaktien im Nennwert von 5,-- DM pro Aktie

- 800 Stück Stammaktien im Nennwert von 5,-- DM pro Aktie der

- 500 Stück Inhaber-Aktien im Nennwert von 5,-- DM pro Aktie der

2. Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 a.F. ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 23.8.2001 ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 ff. a.F. ZPO); sie ist damit zulässig.

II.

In der Sache hat die Berufung des Klägers teilweise Erfolg. Der Kläger kann vom Beklagten wegen schuldhafter Verletzung des zwischen den Parteien bestehenden, konkludent abgeschlossenen Beratungsvertrags (positive Vertragsverletzung - pVV) unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens (§ 254 BGB) Schadensersatz verlangen.

1. Die Parteien haben am 19.2.1998 stillschweigend einen Beratungsvertrag geschlossen.

Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder einen Anlageberater heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluß eines Beratungsvertrags stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (BGHZ 100, 117, 118; BGHZ 123, 126, 128). Ein derartiger Vertragsschluß ist vorliegend zwischen den Parteien erfolgt. Im Rahmen dieses konkludent abgeschlossenen Vertrags ist der Beklagte nicht nur als Anlagevermittler, sondern als Anlageberater tätig geworden. Stellung und Aufgaben eines Anlagevermittlers und eines Anlageberaters sind unterschiedlich. Ihre Pflichtenkreise decken sich nicht. Der jeweilige Pflichtenumfang kann nicht allgemein bestimmt werden, sondern nur anhand der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls (BGH NJW-RR 1993, S. 1114). Einen Anlageberater wird der Kapitalanleger im allgemeinen dann hinzuziehen, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Er erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. Häufig wünscht er eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung, die er auch besonders honoriert (BGH a.a.O.). Von einer (bloßen) Anlagevermittlung ist demgegenüber dann auszugehen, wenn der Anlageinteressent deutlich macht, daß er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt (BGH NJW-RR 2000, Seite 998). Nach dieser Differenzierung ist vorliegend von einer Verpflichtung des Beklagten zur Anlageberatung auszugehen. Es ist unstreitig, daß der Kläger damals eine besondere Anlageentscheidung noch nicht ins Auge gefaßt hatte. Er hat sich an den Beklagten gewandt, um von diesem über die Möglichkeit einer auf seine persönlichen Umstände zugeschnittene Anlage beraten zu werden.

2. Gegen die Verpflichtungen aus dem Beratungsvertrag hat der Beklagte vorliegend verstoßen.

Inhalt und Umfang der Beratungspflicht sind von einer Reihe von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageprojekt beziehen. Die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflicht hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab. Zu den Umständen in der Person des Kunden gehören insbesondere dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft; zu berücksichtigen ist vor allem, ob es sich bei den Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen handelt und welches Anlageziel der Kunde verfolgt. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (BGHZ 123, 126, 128 ff.). Insgesamt schuldet der Anlageberater eine anlegergerechte und objektgerechte Beratung (OLG Bamberg, vom 22.10.2001 - 4 U 62/01). Die Beratung des Kunden muß dabei richtig und sorgfältig, für den Kunden verständlich und vollständig sein; sie muß zeitnah erfolgen und alle Umstände erfassen, die für das Anlagegeschäft von Bedeutung sind. Fehlen dem Anlageberater derartige Kenntnisse, so hat er dies dem Kunden mitzuteilen und offen zu legen, daß er zu einer Beratung z.B. über das konkrete Risiko eines Geschäfts mangels eigener Information nicht in der Lage ist (BGHZ 123, 126, 129).

Gegen diese in der Rechtsprechung entwickelten Verpflichtungen des Anlageberaters hat der Beklagte vorliegend bereits dadurch verstoßen, daß er dem Kläger die dann auch tatsächlich erfolgte Kapitalanlage trotz Fehlens eigener zuverlässiger Informationen als sicher hingestellt hat. Daß der Kläger vorliegend eine sichere Anlageform gewünscht hat, ist jedenfalls durch die Aussage der in erster Instanz vernommenen Zeugin bewiesen. Der Beklagte ist dem in der Berufungsinstanz auch kaum mehr entgegengetreten; er hat sich vielmehr darauf berufen, er habe die Anlageform selbst für sicher gehalten. Daß die vom Beklagten empfohlene Geldanlage aber im hohen Maße spekulativ und alles andere als sicher war, hat nicht nur der weitere Verlauf der Ereignisse deutlich gemacht. Zur Zeit der Anlageempfehlung seitens des Beklagten waren die von den jeweiligen Aktiengesellschaften beabsichtigten Aktivitäten noch nicht, allenfalls kaum entfaltet. Die maßgeblichen Betriebseinrichtungen waren noch nicht existent, noch nicht einmal im Genehmigungsstadium. Bei dieser Sachlage und insbesondere der erheblichen Unsicherheit, ob die betreffenden Aktiengesellschaften überhaupt jemals einen aktiven Geschäftsbetrieb entwickeln werden, durfte der Beklagte eine Investition in diese Firmen jedenfalls ohne vertiefte Überprüfung (und positives Prüfergebnis) nicht als sicher darstellen. Die dem Beklagte zur Verfügung stehenden Informationen reichten licht aus, ein derartiges - anlageentscheidendes - Urteil abzugeben. Zumindest hätte der Beklagte aber offenbaren müssen, daß er über zureichende und gesicherte Informationen nicht verfügt; auch dies hat er nicht getan.

Die hier angenommenen Pflichten treffen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW-RR 1993, Seite 1115) bereits den Anlagevermittler. Sie sind im Falle einer - hier vorliegenden - Anlageberatung erst recht zu wahren.

3. Der Beklagte hat nicht dargetan (§ 282 BGB in entsprechender Anwendung), daß ihn ein Verschulden nicht trifft. Insbesondere kann der Umtstand, daß er selbst eine entsprechende Anlage getätigt hat, den Beklagten nicht entlasten.

4. Rechtsfolge des demnach dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzanspruches wegen positiver Vertragsverletzung ist, daß der Beklagte dem Kläger den durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen hat, § 249 S. 1 BGB. Dies führt dazu, daß der Beklagten dem Kläger den aufgewendeten Kaufpreis mitsamt der bezahlten Provision zu erstatten hat. Der Behauptung des Klägers, er hätte die Geldanlage nicht getätigt, wenn er von Beklagten zureichend über die Unsicherheiten der geplanten Anlageform aufgeklärt worden wäre, ist der Beklagte nicht entgegengetreten.

5. Der dem Kläger demnach zustehende Schadensersatzanspruch ist aber wegen Mitverschuldens, § 254 BGB, um die Hälfte zu kürzen. Der Kläger hat gegen die im eigenen Interesse gebotene Sorgfalt verstoßen. Er hat der Anlageempfehlung des Beklagten nahezu blind vertraut und diese in keiner Weise kritisch hinterfragt. Auch die im Prospekt enthaltenen Hinweise und Warnungen hat der Kläger nicht zum Anlaß genommen, vom Beklagten weitere Auskünfte einzuholen. Hiergegen läßt sich auch nicht einwenden, der Kläger sei erst am Tag des Kaufs der Erwerbsrechte in den Besitz des Prospekts gelangt. Der Sorgfaltsverstoß seitens des Klägers liegt dann jedenfalls darin, daß er zu schnell und zu sorglos auf die unzureichende und fehlerhafte Anlageempfehlung des Beklagten reagiert hat.

Unter Würdigung aller Umstände des hier vorliegenden Falles erachtet der Senat den Verursachungs- und Verschuldensbeitrag beider Parteien für gleichgewichtig.

Dies hat (auch) zur Folge, daß die im Rahmen der Vorteilsausgleichung gebotene Rückübertragung der vom Kläger erworbenen Erwerbsrechte auf jeweils die Hälfte beschränkt ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (vgl. § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung, § 26 Nr. 7 EGZPO) liegen nicht vor: Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

Zurück