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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 28.05.2001
Aktenzeichen: 4 U 235/00
Rechtsgebiete: StBerG, BGB


Vorschriften:

StBerG § 68
BGB § 611
BGB § 675
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 235/00

Verkündet am 28. Mai 2001

in dem Rechtsstreit

wegen Forderung.

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht und der Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 26. Oktober 2000 abgeändert.

II. 1. Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 217.431,-- DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 3. März 1999 zu bezahlen. Im übrigen wird und bleibt die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreit erster Instanz haben der Kläger 30 %, die Beklagte 70 % zu tragen.

III. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 28 % und die Beklagte 72 % zu tragen.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung seitens des Gegners können abwenden der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,-- DM und die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 260.000,-- DM, wenn nicht der Gegner jeweils Sicherheit in gleicher Höhe vor der Vollstreckung leistet.

VI. Das Urteil beschwert den Kläger mit 83.888,-- DM und die Beklagte mit 217.431,-- DM.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung in steuerlichen Angelegenheiten.

Der Kläger wurde seit der Eröffnung seiner Arztpraxis in im Jahr 1986 bis Januar 1998 von der Beklagten als Steuerberaterin in allen steuerlichen Angelegenheiten beraten. Im Jahr 1988/89 kaufte er ein Grundstück zum Bau eines Einfamilienhauses und nahm zur Finanzierung einen Kredit über 1.470.000,-- DM mit einer jährlichen Zinsbelastung von 93.750,-- DM auf.

Die Beklagte beriet den Kläger über Möglichkeiten der steuermindernden Geltendmachung dieser Zinsbelastung. Daraufhin wurde ein Teil des Privathauses ausgegliedert und gewerblich behandelt. Das im Hauptgebäude untergebrachte und eingerichtete Arbeitszimmer wurde ebenfalls steuerlich abgesetzt.

Der Kläger wurde in den Jahren 1988 bis 1997 wie folgt zur Einkommens-, Kirchensteuer sowie ab 1992 zum Solidaritätszuschlag veranlagt:

Steuerjahr veranlagt am Steuer 1988 02.05.1990, geändert 23.05.1990 170.682 DM 1989 02.01.1991, geändert 27.07.1993 88.280 DM 1990 09.12.1991, geändert 29.07.1993 188.573 DM 1991 07.07.1992, geändert 29.07.1993 75.663 DM 1992 05.04.1994, geändert 15.02.1995 46.745 DM 1993 02.06.1995 44.469 DM 1994 15.04.1997 117.090 DM 1995 15.04.1997 93.768 DM 1996 11.09.1998 126.883 DM 1997 11.09.1998 100.694 DM

Das sogenannte "Zwei- oder Mehr-Konten-Modell" kam beim Kläger nicht zur Anwendung, obwohl das für den Kläger zuständige Finanzamt das "Zwei- oder Mehr-Konten-Modell" anerkannte. Die Beklagte hatte während ihrer Beratungstätigkeit für den Kläger beim Finanzamt nicht nach der dort üblichen steuerlichen Behandlung des "Zwei- oder Mehr-Konten-Modells" nachgefragt.

Nach dem "Zwei-Konten-Modell" werden im Betrieb (hier für die Arztpraxis) zwei laufende Konten unterhalten, wobei auf dem einen Kontokorrentkonto nur die Betriebseinnahmen (Umsätze) eingehen und von dem anderen Konto nur die Betriebsausgaben wie Löhne, Laborbedarf etc. gezahlt werden. Für das (automatisch) überzogene Betriebsausgabenkonto fallen Schuldzinsen an, die - da betrieblich veranlaßt - in vollem Umfang abzugsfähig sind. Vom Betriebseinnahmenkonto werden Privatentnahmen getätigt, um damit die privaten Darlehen kurzfristig abzutragen. Auf diese Weise werden private Darlehen in betriebliche Darlehen umgeschuldet.

Die Finanzverwaltung hatte in dem BMF-Schreiben vom 27.7.1987 IV B 2 - S 2134 - 1/87 (BStBl. I 1987, 508) für den Fall, daß im Betrieb erzielte Einnahmen zur Tilgung eines privaten Darlehens entnommen werden und ein neues Darlehen zur Finanzierung von betrieblichen Aufwendungen aufgenommen wird, die Ansicht vertreten, daß die Verwendung der betrieblichen Mittel zur Tilgung der Privatschuld und die Neuaufnahme der Betriebsschuld steuerrechtlich anzuerkennen seien.

Der Große Senat des Bundesfinanzhofes (BFH) hat in seiner Entscheidung vom 4.7.1990, BStBl. II 1990, 817 unter Berücksichtigung des Steuerrechtsänderungsgesetzes von 1973, womit der Abzug privater Schuldzinsen beseitigt wurde, und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in BVerfGE 50, 386 insoweit folgendes ausgeführt:

"Ein Darlehen, das zur Ablösung eines Kredites aufgenommen wurde, ist nur insoweit als Betriebsschuld passivierbar, als die getilgte Kreditschuld dem Betriebsvermögen zuzurechnen war. ...

Der Betriebsausgabenabzug von Schuldzinsen ist nicht davon abhängig, ob der Steuerpflichtige mit Darlehen finanzierte Aufwendungen auch durch eigene Mittel hätte bestreiten können oder ob der Betrieb über aktives Vermögen oder stille Reserven verfügt, die zur Deckung der Betriebsschulden herangezogen werden können. Der betriebliche Charakter von Schulden ist auch dann anzuerkennen, wenn der Unternehmer zunächst Barmittel dem Betrieb entnimmt und im Anschluß hieran betriebliche Aufwendungen durch Darlehen finanziert."

Diese Rechtsgrundsätze gelten auch bei Kontokorrentkonten, wobei "eine Aufteilung der für gemischte Kontokorrentkonten entrichteten Schuldzinsen in einen betrieblich und einen privat veranlaßten Teil nach der sog. Zinszahlenstaffelmethode vorzunehmen" ist. ...

Dieser Aufteilung "bedarf es nicht, wenn der Steuerpflichtige zwei oder mehr Kontokorrentkonten unterhält und die betrieblich sowie die außerbetrieblich veranlaßten Auszahlungen über unterschiedliche Konten abgewickelt werden. Das der Abwicklung der außerbetrieblichen Auszahlungen dienende Kontokorrentkonto gehört dann regelmäßig zum Privatvermögen, während das dem betrieblichen Zahlungsverkehr gewidmete Kontokorrentkonto dem Betriebsvermögen zuzuordnen ist. Unter dieser Voraussetzung sind die auf dem betrieblichen Kontokorrentkonto anfallenden Schuldzinsen auch dann regelmäßig Betriebsausgaben, wenn Beträge vom betrieblichen Kontokorrentkonto auf das private Kontokorrentkonto überwiesen werden, dadurch auf dem privaten Kontokorrentkonto Verbindlichkeiten getilgt werden und ein negatives betriebliches Kontokorrentkonto entsteht. Bei den Überweisungen vom betrieblichen auf das private Kontokorrentkonto handelt es sich um Entnahmen aus dem Betriebsvermögen, die die betriebliche Veranlassung des dadurch ausgelösten Mittelbedarfs grundsätzlich nicht berühren ...".

Das Finanzgericht Bremen verneint in seiner Entscheidung vom 18.8.1992 die steuerliche Anerkennung, wenn zwischen dem Eingang der Darlehensmittel und den getätigten Entnahmen bei nahezu völliger Übereinstimmung der Beträge ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. Ebenso entschieden das Finanzgericht Köln am 20.9.1995 (EFG 1996, 12 ff., s. Anlage) und weitere Finanzgerichte.

Der XI. Senat des BFH leitete die steuerrechtliche Zulässigkeit des sog. "Zwei-Konten-Modells" aus dem Kontokorrentbeschluß des Großen Senats vom 4.7.1990 ab und legte mit Beschluß vom 28.6.1995 dem Großen Senat die Rechtsfrage zur Entscheidung vor, ob derartige Schuldzinsen auch dann abziehbar seien, wenn in engem zeitlichen Zusammenhang ein privat genutztes Wohngrundstück erworben wird. Demgegenüber hielt der X. Senat des BFH dies für Gestaltungsmißbrauch und mit dem Beschluß des Großen Senates nicht für vereinbar (Vorlagebeschluß vom 19.7.1995).

Auf die Vorlagebeschlüsse des XI. und X. Senats hin bestätigte der Große Senat des BFH am 8.12.1997 die steuerliche Zulässigkeit des "Zwei- und Mehr-Konten-Modells" und entschied wie folgt:

"Schuldzinsen für ein Darlehen, mit dessen Valuta ein betrieblich begründeter Sollsaldo auf einem betrieblichen Kontokorrentkonto ausgeglichen wird, das aber in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb eines zur Eigennutzung bestimmten Wohngrundstücks aufgenommen wird, sind als Betriebsausgaben abziehbar, wenn die Betriebseinnahmen auf einem anderen Konto angesammelt werden, um eine betragsmäßig der Darlehensvaluta entsprechende Kaufpreisrate für das Grundstück zu zahlen.

Leitet der Steuerpflichtige planmäßig betriebliche Einnahmen auf ein gesondertes Konto, um von diesem Ausgaben für private Investitionen zu bestreiten, und werden die betrieblichen Aufwendungen ausschließlich von einem getrennten Kontokorrentkonto beglichen, so sind die für dieses Kontokorrentkonto entstehenden Schuldzinsen als Betriebsausgaben abziehbar.

Werden im Betrieb erzielte Einnahmen zur Tilgung eines privaten Darlehens entnommen und wird deshalb ein neues Darlehen zur Finanzierung von betrieblichen Aufwendungen aufgenommen, so sind die für das neue Darlehen anfallenden Schuldzinsen als Betriebsausgaben abziehbar."

Schließlich führte der IV. Senat des BFH in seiner Entscheidung vom 19.3.1998 (BB 1998, 1617 ff.) aus:

"Leitet ein Steuerpflichtiger planmäßig betriebliche Einnahmen auf ein gesondertes Konto, um von diesem Ausgaben für private Investitionen zu bestreiten, und werden die betrieblichen Aufwendungen ausschließlich von einem getrennten Kontokorrentkonto beglichen, so stellen die für dieses Konto entstehenden Schuldzinsen auch dann Betriebsausgaben dar, wenn mit dem Kreditinstitut für Guthaben und Schulden die gleichen Zinssätze vereinbart sind (Zinskompensation)."

Noch mit Schreiben vom 9.12.1997 an den Kläger wies die Beklagte darauf hin, daß in Kürze eine Entscheidung des Großen Senats des BFH zum "Zwei-Konten-Modell" zu erwarten sei, sie aber die Auffassung vertrete, daß eine steuerliche Anerkennung versagt werde, wenn zeitnah zu der Aufnahme betrieblicher Darlehen im privaten Bereich Tilgungen vorgenommen werden. Mit Schreiben vom 24.1.1998 informierte die Beklagte den Kläger über die zwischenzeitlich veröffentlichte Entscheidung des Großen Senats vom 8.12.1997, mit dem er das "Zwei-Konten-Modell" billigte.

Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, die Beklagte habe seine Frage nach der Anwendbarkeit des "Zwei- oder Mehr-Konten-Modells" in seinem Fall mit dem Hinweis verneint, daß dieses Modell nicht anerkannt werde, wenn die betriebliche Umschuldung im engem zeitlichen Zusammenhang mit der privaten Schuldentilgung stehe.

Dieser Rat sei fehlerhaft gewesen. Bei Anwendung des "Zwei- oder Mehr-Konten-Modells" hätte der Kläger in den Veranlagungsjahren 1988 bis 1997 312.693,-- DM an Steuern erspart. Diesen Betrag machte der Kläger mit der der Beklagten am 2.3.1999 zugestellten Klage als Schadensersatz geltend und berechnet ihn wie folgt:

Nach der von der Beklagten angeratenen steuerlichen Behandlung seien vom jährlichen Zinsaufwand in Höhe von 93.750,-- DM auf den aus dem Privathaus ausgegliederten Teil ein Betrag von 12.812,-- DM entfallen, auf das Arbeitszimmer 4.125,-- DM. Die verbleibende Zinszahlung von 76.814,-- DM jährlich sei als privat verursacht und damit als nicht abzugsfähig angesehen worden.

Bei einer Umschuldung über das "Zwei-Konten-Modell" beginnend mit dem" Jahr 1988 hätte der Kläger monatlich 30.000,-- DM (jährlich 360.000,-- DM) vom Betriebseinnahmenkonto zum Zweck der kurzfristigen Tilgung der privaten Kredite entnehmen können, was ihm auf Grund seiner Umsätze und der gegebenen Betriebsausgaben möglich gewesen sei. Bei jährlichen Entnahmen in Höhe von 360.000,-- DM wäre die Gesamtfinanzierung in Höhe von 1.470.000,-- DM im Jahr 1992 vollständig umgeschuldet gewesen. Ab dem Jahr 1992 hätte der Kläger zusätzlich jährliche Zinszahlungen in Höhe von 76.814,-- DM als betriebliche Ausgaben und damit gewinnmindernd geltend machen können. Für die vorangegangenen Jahre 1988 bis 1991 errechnet sich der abzugsfähige Schuldzinsenabzug anteilig aus dem jeweils umgeschuldeten Betrag. Hinsichtlich der Berechnung wird auf den Schriftsatz vom 25.5.1999, Bl. 22 - 25 d.A. Bezug genommen.

Zusammenfassend verlangt der Kläger für die Jahre 1988 bis 1997 die jeweilige steuerliche Ersparnis als Schadensersatz:

Jahr Entnahmen p.a. steuerlich abzugs- Steuerersparnis fähige Zinsen 1988 360.000,-- DM 18.812,-- DM 11.374,-- DM 1989 360.000,-- DM 37.623,-- DM 18.557,-- DM 1990 360.000,-- DM 56.435,-- DM 27.117,-- DM 1991 360.000,-- DM 75.246,-- DM 38.214,-- DM 1992 30.000,-- DM 76.814,-- DM 30.327,-- DM insg.: 1.470.000,-- DM

1993 76.814,-- DM 28.590,-- DM 1994 76.814,-- DM 28.667,-- DM 1995 76.814,-- DM 42.267,-- DM 1996 76.814,-- DM 46.119,-- DM 1997 76.814,-- DM 41.461,-- DM insgesamt: 312.693,-- DM

Der Kläger hat daher in erster Instanz beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 312.693,-- DM zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat in erster Instanz behauptet, sie habe den Kläger auf die divergierende Rechtsprechung der Finanzgerichte, insbesondere auch auf die unterschiedlichen Auffassungen der Senate des BFH, hingewiesen. Sie habe dem Kläger erklärt, daß ein Gestaltungsmißbrauch vorliegen könne, wenn zeitnah zu der Aufnahme betrieblicher Darlehen im privaten Bereich Tilgungen vorgenommen werden.

Schließlich hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Kläger hat repliziert, daß die Beklagte erstmals aufgrund der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 4.7.1990 Anlaß gehabt habe, den Kläger auf ihre vorgängige fehlerhafte Beratung hinzuweisen; weiterer Anlaß habe durch den Vorlagebeschluß des X. Senates des BFH vom 28.6.1995 bestanden.

Das Landgericht Würzburg hat nach Beweiserhebung durch uneidliche Einvernahme der Zeugen Dr. und der Klage zum ganz überwiegenden Teil stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, daß der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 301.319,-- DM wegen fehlerhafter Beratung im Rahmen des Steuerberatungsvertrages habe. Die Beklagte hätte den Kläger bereits 1988 im Zusammenhang, mit dem Erwerb des Grundstückes zur Errichtung des privaten Einfamilienhauses über die Möglichkeiten der Steuerersparnis durch Anwendung des "Zwei- oder Mehr-Konten-Modells" beraten und ihm dieses auch empfehlen müssen. Die Beklagte habe gegen ihre Verpflichtung, die Interessen des Mandanten bestmöglich zu wahren, verstoßen. Im Hinblick auf die im Jahre 1988/89 herrschende Verwaltungspraxis, insbesondere bei dem für den Kläger zuständigen Finanzamt, wäre das "Zwei- oder Mehr-Konten-Modell" im Falle des Klägers durchführbar gewesen. Die Beklagte hätte damit auch nicht gegen den Grundsatz der Beratung nach dem "sichersten Weg" verstoßen. Die Gefahr einer Zinskompensation, die zur Unanwendbarkeit des "Zwei- oder Mehr-Konten-Modells" geführt hätte, habe nicht vorgelegen. Die Beklagte sei nach der Verwaltungsübung und der damals herrschenden Meinung in der Finanzrechtsprechung gehalten gewesen, dem Kläger das "Zwei- oder Mehr-Konten-Modell" - selbstverständlich unter Hinweis auf die Risiken - zu empfehlen. Da sie dies pflichtwidrig unterlassen habe, hafte sie dem Kläger auf den hierdurch entstandenen Schaden, den der Kläger nachvollziehbar dargelegt und die Beklagte nicht substantiiert bestritten habe.

Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nur für das Jahr 1988 mit einer verlorenen Steuerersparnis von 11.374,-- DM, so daß insoweit die Klage abzuweisen sei. Die weiteren Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt, weil die sogenannte "Sekundärverjährung" mit einer nochmaligen Verjährungszeit nach § 68 StBerG dem entgegenstehe.

Gegen dieses ihr am 3.11.2000 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten im Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 29.11.2000, eingegangen beim Oberlandesgericht Bamberg am 30.11.2000. Die Berufungsbegründung vom 26.1.2001 ist am 29.1.2001 eingegangen, nachdem die Frist zur Berufungsbegründung durch Vorsitzendenverfügung vom 2.1.2001 bis 29.1.2001 verlängert worden war.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte im einzelnen aus:

Ihr könne im Zusammenhang mit der steuerlichen Beratung des Klägers wegen der divergierenden Rechtsprechung zum "Zwei-Konten-Modell" keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden. Angesichts der divergierenden Rechtsprechung zweier Senate des Bundesfinanzhofs, die zu Vorlagebeschlüssen geführt habe, stelle es keine Pflichtwidrigkeit dar, wenn ein Steuerberater dem Mandanten diese unterschiedliche Rechtsprechung darstelle und ihn auf die ausstehende höchstrichterliche Entscheidung hinweise, jedoch keine bestimmte Empfehlung zum "Zwei-Konten-Modell" ausspreche. Angesichts der bestehenden Unsicherheiten sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger unbedingt die Wahl des "Zwei-Konten-Modells" zu empfehlen. Bis zur Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 8.12.1997, ergangen auf die divergierenden Vorlagebeschlüsse des X. und XI. Senats, habe eine Rechtsunsicherheit bestanden, die dazu geführt habe, daß die Empfehlung eines "Zwei-Konten-Modells" durch die Beklagte eine Pflichtwidrigkeit dargestellt hätte. Auch habe die gravierende Rechtsunsicherheit für den Kläger im Fall einer Entscheidung für das "Zwei-Konten-Modell" ein erhebliches Risiko in sich geborgen.

Die Beklagte führt aus, daß es richtig sei, daß sie die Anwendung des "Zwei-Konten-Modells" nicht empfohlen habe. Sie habe es allerdings auch nicht kategorisch abgelehnt, sondern vornehmlich auf die große Rechtsunsicherheit und die divergierende Rechtsprechung der beiden Senate des BFH wiederholt und ständig hingewiesen.

Zu Unrecht habe das Landgericht auf die Aussagen der Zeugen Dr. und abgestellt. Sowohl der Kläger als auch der Zeuge Dr. hätten die Vorteile des "Zwei-Konten-Modells" gekannt. Der Zeuge Dr. habe auch ein erhebliches Interesse am Ausgang des Verfahrens, weil er selbst ebenfalls einen Haftungsanspruch gegen die Beklagte geltend mache. Auch die Vernehmung des Zeugen habe ergeben, daß der Kläger die Vorteile des "Zwei-Konten-Modells" gekannt habe und über die Problematik informiert gewesen sei.

Beide Zeugenaussagen änderten jedoch nichts an der Tatsache, daß zwei Senate des Bundesfinanzhofs unterschiedliche Auffassungen zum "Zwei-Konten-Modell" vertraten und keinesfalls sicher vorausgesagt werden konnte, wie der Große Senat des BPH in dieser Sache entscheiden werde. Deshalb stelle es grundsätzlich keine Pflichtverletzung dar, wenn die Beklagte aus Vorsicht und Zurückhaltung von der Empfehlung des "Zwei-Konten-Modells" für den Kläger abgesehen habe.

Soweit das Finanzamt das "Zwei-Konten-Modell" tatsächlich in der Vergangenheit akzeptiert habe, sei darauf hinzuweisen, daß diese Bescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt und daher innerhalb von 5 Jahren nach Rechtskraft hätten geändert werden können. Insoweit sei auf die Schadensminderungspflicht des Klägers, hier eine entsprechende Änderung der Bescheide zu erwirken, hinzuweisen.

Die Einrede der Verjährung wird wiederholt. Mangels Pflichtverletzung habe ein Primäranspruch jedoch bereits nicht bestanden. Deshalb habe die Beklagte auch keinen Anlaß zur Überprüfung ihrer etwaigen Schadensersatzverpflichtungen gehabt, so daß eine Sekundärhaftung nicht in Lauf gesetzt worden sei.

Die Beklagte beantragt in zweiter Instanz:

1. Das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 26. Oktober 2000 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt zur Berufung der Beklagten deren Zurückweisung.

Er verteidigt das angefochtene Ersturteil unter Wiederholung seiner erstinstanzlichen Ausführungen und mit den Argumenten des Landgerichts. Die Beklagte habe gegen die Verpflichtung, die Interessen des steuerlichen Mandanten bestmöglich zu wahren und die sich aus einem bestimmten Verhalten der Finanzbehörde für den Mandanten ergebenden günstigen Rechtsfolgen zu beachten, pflichtwidrig verstoßen. Sie hätte sich beim zuständigen Finanzamt nach der dort üblichen Verwaltungspraxis erkundigen und diese bei ihren steuerlichen Empfehlungen berücksichtigen müssen. Da das Finanzamt das "Zwei-Konten-Modell" anerkannt habe, sei die Beklagte gehalten gewesen, dem Kläger dieses Modell unter Hinweis auf die Risiken zu empfehlen, was die Beklagte pflichtwidrig unterlassen habe. Der Kläger wäre nur dann in der Lage gewesen, die Frage der Durchführung des "Zwei-Konten-Modells" umfassend abzuwägen, wenn ihm die günstige Verwaltungspraxis des Finanzamts und die divergierende Rechtsprechung beider Senate des Bundesfinanzgerichtshofs positiv bekannt gewesen wären. In diesem Fall hätte er sich für die - wenn auch riskante - Durchführung des "Zwei-Konten-Modells" entschieden.

Aus der Aussage der vernommenen Zeugen Dr. und ergebe sich, daß die Beklagte die Anwendung des "Zwei-Konten-Modells" beim Kläger ebenso wie beim Zeugen Dr. kategorisch abgelehnt habe. Dies ergebe sich letztlich auch aus dem Schreiben der Beklagten vom 9.12.1997 (Anlage K 1 zur Klageschrift) sowie ihrer eigenen Angabe im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 3.8.2000 (Seite 5 des Protokolls).

Ein anderslautendes Rundschreiben vom 19.10.2000 habe der Kläger nicht erhalten.

Die Beklagte hätte den Kläger über die Vor- und Nachteile der in Frage kommenden Modelle aufklären müssen. Insbesondere wäre erforderlich gewesen, dem Kläger einen Finanzplan zu erstellen, der sowohl eine Berechnung nach dem klägerseits durchgeführten als auch nach dem "Zwei-Konten-Modell" habe enthalten müssen. Ausweislich der Aussage der erstinstanzlich vernommenen Zeugin sei eine solche Alternativberechnung nach dem "Zwei-Konten-Modell" jedoch nicht erfolgt. Auch sei der Kläger auf die tatsächlichen Risiken bei Anwendung des "Zwei-Konten-Modells" nicht hingewiesen worden. Das Risiko sei nämlich minimal gewesen, weil bei Nichtanerkennung des "Zwei-Konten-Modells" allenfalls Steuernachzahlungen in Höhe des zuvor erwirtschafteten Steuervorteils sowie geringfügige Zinsen für die geschuldeten Steuernachzahlungen gegenüber den Finanzbehörden geschuldet gewesen wären. Das Risiko bei Anwendung des "Zwei-Konten-Modells" sei daher gering gewesen, zumal die Hausbank des Klägers das "Zwei-Konten-Modell" zinsmäßig genauso behandelt hätte wie das vom Kläger praktizierte Finanzierungsmodell, was sich aus der Aussage des Zeugen ergebe.

Der Kläger habe nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, weil der Vorbehalt der Nachprüfung der vergangenen Steuerbescheide auf anderen Gründen beruhe und eine Korrektur in Richtung "Zwei-Konten-Modell" nicht möglich sei, zumal es keine rückwirkende Einrichtung von betrieblichen Bankkonten und Buchungsvorgängen gebe.

Die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts zur Verjährungsfrage seien nicht zu beanstanden, die Beklagte habe bereits erstmals nach Veröffentlichung des Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4.7.1990 Veranlassung gehabt, ihre anderslautende Beratungstätigkeit zu überprüfen und den Kläger auf etwaige Schadensersatzansprüche hinzuweisen. Hierdurch werde die sog. Sekundärhaftung ausgelöst. Gleicher Anlaß sei durch verschiedene Aufsätze in der steuerrechtlichen Literatur aus den Jahren 1993 bis 1995 sowie aus der Veröffentlichung des Vorlagebeschlusses des 11. Senats des Bundesfinanzhofs im Juli 1995 entstanden.

Im übrigen wird auf den Tatbestand des Ersturteils, auf die Schriftsätze der Parteien und die vorgelegten Anlage Bezug genommen.

Der Senat hat keinen Beweis erhoben.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im übrigen zulässig (§§ 511 a ff: ZPO). Sie ist teilweise begründet und führt insoweit zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils.

1. Dem Grunde nach bejaht der erkennende Senat mit dem Landgericht eine Haftung der Beklagten aus Pflichtverletzung des Dienstvertrages mit dem Kläger, wobei der Anspruch auf pVV i.V.m. §§ 611, 675 BGB beruht.

Allerdings sieht der Senat die Pflichtverletzung nicht in der unterlassenen Empfehlung zur Durchführung des "Zwei-Konten-Modells", denn dieses war seinerzeit in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltungspraxis tatsächlich und rechtlich stark umstritten.

Der Steuerberater schuldet jedoch neben der bestmöglichen Interessenvertretung und Beratung auch Aufklärung über steuerlich bedeutsame Einzelheiten, Möglichkeiten und Gestaltungsformen, über ihre Bedeutung im konkreten Einzelfall und ihre Folgen, also über alle denkbaren Möglichkeiten legaler Steuerersparnis. Diese Pflicht zur Aufklärung besteht auch ungefragt, um so mehr jedoch bei konkreter Nachfrage des Mandanten nach bestimmten Steuersparmodellen wie hier. Der Steuerberater ist danach verpflichtet, den Mandanten durch umfassende Information und Beratung in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und Fehlentscheidungen zu vermeiden (BGH WM 1992, 238; BGH vom 26.5.1994 - IX ZR 57/93 -; Zugehör, WM Sonderbeilage Nr. 4 zu Heft 42/2000; Späth, Die zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters, 4. Auflage, Rdnr. 174 ff.).

Dies aber hat die Beklagte nach dem beiderseitigen Sachvortrag, dem Ergebnis der Beweisaufnahme in erster Instanz, dem Inhalt der vorgelegten Urkunden (beispielsweise Anlagen Kl, 2, 7, 8 ) und nach den eigenen Bekundungen der Beklagten bei ihrer informatorischen Anhörung am 3.8.2000 (Bl. 91 ff. d.A.) nicht getan:

Die Unterlagen wie auch die eindeutigen Bekundungen der vom Landgericht für glaubhaft gehaltenen Zeugen (der Senat hat) keinen Anlaß, hiervon abzuweichen) Dr. und, aber auch die eigene informatorische Einlassung der Beklagten belegen eine grundsätzliche Ablehnungshaltung der Beklagten gegenüber dem "Zwei-Konten-Modell". Dem steht der Inhalt der Aussage der Zeugin, die dazu unergiebig war, nicht entgegen. Dadurch bedingt hat die Beklagte ihre Informations- und Beratungspflichten in Bezug auf die Machbarkeit, die steuerlichen Ergebnisse und die Risiken des "Zwei-Konten-Modells" nicht umfassend wahrgenommen und ihre Steuerberaterpflichten daher nicht gehörig umgesetzt.

Die Beklagte wäre vielmehr, was sie unstreitig nicht getan hat, gehalten gewesen, dem Kläger alle Vor- und Nachteile des Modells darzustellen und zu erklären, im Wege einer Vergleichsberechnung die Steuerersparnisse zu berechnen, ihn über die gängige damalige Verwaltungspraxis beim zuständigen Finanzamt aufzuklären und ihn auf die Risiken hinzuweisen, die bei einem späteren Scheitern des Modells in der Zukunft (zu erwartende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs) auf ihn zukommen würden. Nur dadurch wäre der Kläger gehörig in die Lage versetzt worden, die Vor- und Nachteile für sich und seine finanzielle Situation abzuwägen und sich frei für oder gegen das "Zwei-Konten-Modell" zu entscheiden.

Die Möglichkeit, aufgrund umfassender Information, Beratung und Belehrung in freier Entscheidung eine Wahl der Gestaltung zu treffen, war dem Kläger jedoch durch die Beklagte nicht eingeräumt worden, obwohl dies ihre Pflicht aus dem Steuerberatervertrag gewesen wäre. Im Gegenteil hat die Beklagte durch ihre nach außen zu erkennen gegebene ablehnende Haltung dem Kläger diese Möglichkeit genommen, jedenfalls solange er vorbehaltlos seiner steuerlichen Beraterin vertraut hat und ihr gefolgt ist. Dieses Vorgehen stellt (wovon offenbar auch OLG Köln, NJW E-VHR 1998, 40; OLG Düsseldorf 13 U 57/94 vom 9.3.1995 und KG Berlin StB 1997, 240 ebenfalls ausgehen) einen fahrlässigen Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten als Steuerberaterin gegenüber dem Kläger als ihrem Mandanten dar.

Dabei handelt es sich nicht um einen Verstoß gegen die Beratung unter Einhaltung der Grundsätze vom "sichersten Weg". Vielmehr fehlt es bereits an der notwendigen Grundaufklärung und Basisinformation über die Steuer sparenden Möglichkeiten des "Zwei-Konten-Modells" und seine Folgen und Risiken, wodurch dem Kläger als steuerlichem Mandanten die freie Entscheidungsmöglichkeit entzogen bzw. gar nicht erst gewährt worden ist. Selbstverständlich hätte die Beklagte im Rahmen dieser Aufklärung und Information auf ihre bestehenden Bedenken hinweisen dürfen (und müssen), sie durfte aber die geschuldete Aufklärung und Information nicht aus ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem "Zwei-Konten-Modell" von vorneherein für nicht praktikabel, "nicht machbar", also steuerlich nicht zulässig darstellen, wie sie es ausweislich des Ergebnisses der Beweisaufnahme (vor allem Zeugen Dr. und jedoch getan hat.

Dieser Pflichtverstoß beginnt mit der Erstberatung im Zusammenhang mit der Eröffnung der Praxis und dem privaten Hausbau (bzw. Grundstückserwerb) unter Kreditaufnahme und wiederholt sich mit jeder geschuldeten Steuerberatung anläßlich der jährlichen Steuererklärung sowie mit jedem der von Klägerseite und von den Zeugen Dr. und geschilderten ablehnenden Gespräche, Telefonate und Schreiben ausweislich der vorgelegten Anlagen.

2. Die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden bejaht der Senat, weil der Kläger plausibel erklärt hat, daß er bei entsprechender Aufklärung und Information sich für das "Zwei-Konten-Modell" entschieden hätte.

Dies erscheint dem Senat vor allem deshalb plausibel, weil die Entscheidung wirtschaftlich kaum risikobehaftet gewesen wäre; denn zum einen hätte die Hausbank für dieses Modell keine zusätzlichen Zinsen oder Kosten gefordert, hätte also neutral abgerechnet (Aussage Zeuge) und zum anderen hätte dem erwirtschafteten bzw. erwarteten Steuervorteil lediglich eine geringfügige Risikobelastung bei Nichtanerkennung des Modells durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gedroht. Neben der Steuerrückzahlung - bei Erlaß von Steuerbescheiden unter entsprechendem Vorbehalt möglich - wäre bei späterer Änderung (vgl. § 164 AO) allenfalls eine geringfügige Zinsbelastung auf die nachzuzahlenden Steuern von 0,5 % pro Monat angefallen, beginnend jedoch erst nach 15 Monaten ab Ablauf des Veranlagungszeitraumes und begrenzt auf 4 Jahre (§§ 233 a, 238 AO). Dem steht aber ein erheblicher Steuervorteil in Höhe von 30.000,-- DM bis 40.000,-- DM p.a. gegenüber. Bei Thesaurierung dieser Steuererträge bis zur Bestandskraft der Steuerbescheide oder Entscheidung des Bundesfinanzhofs (Großer Senat) hätte das Risiko sogar minimiert werden können. Diese Lösung zu wählen, wie der Kläger für sich geltend gemacht hat, erscheint dem Senat angesichts des geringen Risikopotentials daher durchaus plausibel.

3. Der Schaden ist vom Erstgericht schlüssig und folgerichtig dargestellt worden. Mangels Berufungsangriffen hierzu nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des Erstgerichts insoweit vollinhaltlich Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Insbesondere steht das Verbot der Zinskompensation dem geltend gemachten Schaden nicht entgegen, denn die von der Hausbank eingeräumten Zinskonditionen beim "Zwei-Konten-Modell" haben mit Zinskompensation nichts zu tun; eine Zinsverrechnung hätte nicht stattgefunden.

Auch die Vermeidung unmittelbarer, zeitnaher privater Tilgung von Verbindlichkeiten, die sich unter Umständen schädlich hätte auswirken können, wäre ohne weiteres durch entsprechende Gestaltung zu vermeiden gewesen.

Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger dadurch gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hätte, daß er unter Vorbehalt ergangene Steuerbescheide nicht nachträglich auf die Möglichkeit der Anwendung des "Zwei-Konten-Modells" hat überprüfen lassen, sieht der Senat nicht, denn die rückwirkende Einrichtung von Bankkonten und Buchführung zur Ermöglichung eines "Zwei-Konten-Modells" gibt es nicht.

4. Allerdings sind außer dem für den Veranlagungszeitraum 1988 entstandenen Schadensersatzanspruch (so das Landgericht) auch solche für die Jahre 1989 bis 1991 verjährt.

Die Primärverjährung des § 68 StBerG beträgt 3 Jahre und beginnt mit der Entstehung des Schadens (§ 198 BGB). Nach neuerer BGH-Rechtsprechung (BGHZ 129, 386; ZIP 1996, 791; WM 1998, 779) beginnt die Verjährung mit der Bekanntgabe der ersten nachteiligen Entscheidung (hier also: Steuerbescheide) an den Kläger. Dies hat das Landgericht übersehen, das statt auf die Ausgangsbescheide auf die Daten der Änderungsbescheide abgestellt hat. Die der Primärverjährung nachfolgende sogenannte "Sekundärverjährung" oder "Sekundärhaftung11 (vgl. o.g. BGH-Rechtsprechung; Späth, a.a.O., Rdnr. 451 ff.) beruht auf der unterlassenen Belehrung des Steuerberaters gegenüber dem Mandanten über Regreßansprüche gegen sich selbst. Sie verjähren analog § 68 StBerG ebenfalls in 3 Jahren mit der Folge, daß der Steuerberater sich während dieser Zeit nicht erfolgreich auf die Primärverjährung der gegen ihn gerichteten Regreßansprüche berufen kann. Die Sekundärhaftung beginnt mit dem Beginn der Primärverjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den Steuerberater. Demnach gilt hier folgendes:

Veranlagungs- Beginn der Primär- Ablauf der Sekundär- zeitraum verjährung haftung 1989: 02.01.1991 02.01.1997 1990: 09.12.1991 09.12.1997 1991: 07.07.1992 07.07.1998

Damit sind die Veranlagungszeiträume 1989 bis 1991 ebenfalls im Zeitpunkt frühester Unterbrechung durch Klageerhebung im Februar 1999 (§ 209 Abs. 1 BGB) bereits verjährt gewesen, so daß der Beklagten insoweit ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht zusteht (§ 222 BGB), ohne daß es auf die die Sekundärhaftung auslösenden Umstände (Anlaß zur Überprüfung der Richtigkeit vorheriger Beratung und etwaiger Regreßansprüche) ankäme.

Ausweislich der mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts zur Schadenshöhe scheiden, daher aus der Schadensberechnung des Klägers weitere 18.557,-- DM (1989), 27.117,-- DM (1990) und 38.214,-- DM (1991) aus. In dieser Höhe (insgesamt 83.888,-- DM) hat die Berufung der Beklagten Erfolg.

Im übrigen sind die Schadensersatzansprüche des Klägers nicht verjährt; die Bekanntgabe des Steuerbescheides 1992 ist am 5.4.1994 erfolgt, die Primärverjährung endet somit am 5.4.1997. Wegen des zwischenzeitlich ergangenen Vorlagebeschlusses des BFH an den Großen Senat bestand auch Anlaß zur Überprüfung der Richtigkeit der früheren Beratung zum "Zwei-Konten-Modell" sowie etwaiger Regreßansprüche einschließlich der Belehrung des Mandanten hierüber, so daß die danach einsetzende Sekundärhaftung bis April 2000 lief und durch die Klageerhebung im Februar 1999 wirksam unterbrochen wurde, §§ 209 Abs. 1, 217 BGB. Gleiches gilt für alle nachfolgenden Veranlagungszeiträume, wobei ab 1994 schon die Primärverjährung noch nicht eingetreten ist (Bekanntgabe April 1997 und danach).

Was die Begründung der Sekundärhaftung des Steuerberaters anbelangt, folgt der Senat dem landgerichtlichen Urteil und nimmt deshalb insoweit hierauf ergänzend Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Nach Ansicht des Senats liegt auch nicht lediglich eine einzige Pflichtverletzung der Beklagten bei Mandatsbeginn vor, sondern es handelt sich um wiederkehrende, jährlich sich wiederholende, perpetuierende Pflichtverstöße, die für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu betrachten sind, also auch einer gesonderten Verjährung unterworfen sind. Eine Gesamtschadensbetrachtung eines einheitlichen Schadensbildes wird den Besonderheiten der Schadensentstehung bei dieser steuerberatenden Pflichtverletzung nicht gerecht. Jedes Veranlagungsjahr hätte der Kläger erneut die Möglichkeit gehabt, bei entsprechender steuerlicher Beratung durch die Beklagte nunmehr das "Zwei-Konten-Modell" zu wählen. Dafür spricht auch, daß die Beklagte mehrfach in Besprechungen, Telefonaten und Schreiben ihre Position zum "Zwei-Konten-Modell" verbreitet und vertieft hat. Damit liegen jährlich neu entstehende, abtrennbare Einzelschäden für jeden Veranlagungszeitraum vor, die gesondert als Schadensposition zu betrachten und einzeln auf Verjährung zu überprüfen sind, zumal ihre Entstehung, Entwicklung und Höhe schon 1988 keineswegs ab- und vorhersehbar gewesen wären (Abgrenzung zu BGH WM 1998, 779).

Damit erweist sich die Berufung der Beklagten in Höhe von 83.888,-- DM erfolgreich, im übrigen (217.431,-- DM) ist sie zurückzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht für beide Instanzen auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung der jeweiligen Beschwer der Parteien erfolgt nach §§ 546 Abs. 2 S. 1, 3 ff. ZPO.

Ende der Entscheidung

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