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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Beschluss verkündet am 26.02.2005
Aktenzeichen: 4 W 1/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 118 Abs. 2 S. 3
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
ZPO § 574 Abs. 1 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 W 1/05

Beschluss

des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg

vom 26. Februar 2005

in Sachen

wegen Schadensersatzes;

hier: Prozesskostenhilfe

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 8. November 2004 abgeändert:

Der Klägerin wird mit Wirkung vom 20. Februar 2003 Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt und Frau Rechtsanwältin ... als Prozessbevollmächtigte beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin reichte am 20.2.2003 eine Klage ein, mit der sie beantragte, den Freistaat Bayern wegen ärztlicher Kunstfehler und Aufklärungsmängeln in der Universitätsklinik in Würzburg zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie zu materiellem Schadensersatz in Höhe von 84.044,89 Euro zu verurteilen und seine Einstandspflicht für die künftigen materiellen und immateriellen Schäden festzustellen. Zugleich beantragte sie, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin ... beizuordnen. Die Erhebung der Klage wurde nicht von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig gemacht. Mit Schriftsatz vom 25.2.2003 beantragte sie zur Unterbrechung der Verjährung die Zustellung ohne Zahlung der erforderlichen Gebühr. Das Landgericht Würzburg bestimmte am 24.2.2003 Termin zur Güteverhandlung und gegebenenfalls zum anschließenden frühen ersten Termin auf den 13.5.2003. Mit Schriftsatz vom 11.3.2003 beantragte die Klägerin, vor der mündlichen Verhandlung über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden und einen Prozesskostenhilfe-Prüfungstermin anzuberaumen. Mit Schriftsatz vom 13.3.2003 regte sie an, den Termin vom 13.5.2003 aufzuheben und gemäß § 118 Abs. 2 S. 3 ZPO zur Klärung der Erfolgsaussicht im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren ein Sachverständigengutachten einzuholen. Daraufhin hob der Vorsitzende der 1. Zivilkammer den Termin vom 13.5.2003 auf.

Um die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung prüfen zu können, beschloss die Kammer am 8.9.2003 ein schriftliches Gutachten zur Frage einzuholen, ob den Ärzten bei der streitgegenständlichen Behandlung ein vorwerfbarer ärztlicher Kunstfehler unterlaufen sei. Nachdem der Sachverständige am 15.4.2004 sein fachchirurgisches Gutachten vorgelegt hatte, gab das Gericht den Parteien auf, etwaige Einwendungen gegen das Gutachten schriftsätzlich anzukündigen und gegebenenfalls einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen zu stellen. Die Antragstellerin bat daraufhin am 3.6.2004 erneut um Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nachdem sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegner zum Gutachten Stellung genommen hatten und weitere Unterlagen vorgelegt worden waren, beschloss das Landgericht am 18.8.2004 die Einholung eines ergänzenden Gutachtens. Nach dessen Erstattung gab das Gericht den Parteien erneut auf, etwaige Einwendungen gegen das Ergänzungsgutachten anzukündigen und gegebenenfalls einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen zu stellen. Nachdem die Frist hierfür am 29.10.2004 abgelaufen war, beschloss das Landgericht am 8.11.2004 der Antragstellerin die beantragte Prozesskostenhilfe zu versagen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Die Kammer begründete dies insbesondere mit den Ausführungen des Sachverständigen.

Gegen diesen ihr am 12.11.2004 zugestellten Beschluss legte die Antragsteller in mit. Schriftsatz vom 2.12.2004, eingegangen am 3.12.2004, Beschwerde ein. Mit Schriftsatz vom 9.12.2004 nahm sie die Klage zurück.

Mit der Beschwerde beantragt die Antragstellerin, ihr Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren zu bewilligen. Dieser Antrag sei als "Weniger" im Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren enthalten gewesen. Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren sei hier ausnahmsweise zu bewilligen, weil das Gericht den Hauptsacheprozess in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert habe.

Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen. Zur Begründung führen sie aus, für das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren habe die Antragstellerin gar nicht Prozesskostenhilfe beantragt. Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren gebe es zudem nicht. Den Antrag, nach § 118 Abs. 2 S. 3 ZPO zu verfahren, habe zudem die Beschwerdeführerin selbst gestellt.

Mit Beschluss vom 20.12.2004 hat die Kammer der Beschwerde nicht abgeholfen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie folge der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg (FamRZ 2002, 758 ff.). Danach könne für das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren Prozesskostenhilfe nur bewilligt werden, wenn das Verfahren durch einen Vergleich beendet werde und deshalb nicht in das ordentliche Verfahren überzuführen sei. Eine weitere Ausdehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe dahin, diese auch dann zu bewilligen, wenn das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren dem Betreiben eines Prozesses gleichkommt, finde im Gesetz keine Grundlage.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, da sie form- und fristgerecht erhoben wurde (§§ 567 ff., 127 Abs. 2, S. 3 ZPO).

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

1. Zwar kann nach herrschender Meinung (BGHZ 91, 311 - 315) für das Prozesskostenhilfeverfahren grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe gewährt werden. Das Gesetz sieht Prozesskostenhilfe für das Bewilligungsverfahren nämlich nicht vor. Nach § 114 ZPO wird Prozesskostenhilfe für die "Prozessführung" gewährt. Hierunter ist das eigentliche Streitverfahren zu verstehen, nicht aber das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren, in dem lediglich über die Gewährung staatlicher Hilfe für den Antragsteller zu befinden ist.

Der BGH hat dies damit begründet, einer ausdehnenden Auslegung, die Prozesskostenhilfe auch für das Prüfungsverfahren bewilligen wolle, da es dem streitigen Prozessverfahren eng verwandt sei, bedürfe es nach Sinn und Zweck der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe nicht. Der armen Partei solle ermöglicht werden, ihr Recht vor Gericht zu verfolgen oder sich in einem Rechtsstreit zu verteidigen. Sie werde nicht dadurch benachteiligt, dass ihr für das Bewilligungsverfahren keine Prozesskostenhilfe gewährt, insbesondere kein Rechtsanwalt beigeordnet werde. Bedürfe der Bürger nämlich, bevor er einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt, der Beratung über die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder -verteidigung, finde das Beratungshilfegesetz Anwendung, das die rechtliche Betreuung finanziell hilfsbedürftiger Bürger im vor- und außergerichtlichen Bereich gewährleiste. Hierzu gehöre auch die Beratung der armen Partei über ein beabsichtigtes Prozess-kostenhilfeverfahren, insbesondere die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgeblichen Erfolgsaussichten der vorgesehenen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (BGHZ 91, 311).

Auch für das PKH-Beschwerdeverfahren wird grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe bewilligt (BayObLG EzFamR ZPO, § 127 Nr. 2; OLG Karlsruhe, JurBüro 94, 606).

2. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, ausnahmslos.

a) So kann im Verfahren der Prozesskostenhilfe dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts der sofortigen Beschwerde bewilligt werden (BGH, NJW 2003, 1192). Der BGH begründet dies damit, die nach § 574 Abs. 1 ZPO n.F. statthafte Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts könne wirksam nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden; dies gelte auch für die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen die Entscheidung des Gerichts der sofortigen Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren. Der unbemittelte Antragsteller sei deshalb zur Durchsetzung seiner Rechte im Rechtsbeschwerderechtszug auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts angewiesen.

b) Anerkannt ist auch, dass Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren zu bewilligen ist, wenn in diesem ein Vergleich geschlossen wird (Zöller-Philippi, ZPO, 25. Auflage, Rdnr. 3 zu § 114 ZPO und Rdnr. 8 zu § 118 ZPO m.w.N.).

c) Ob Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt werden kann, wenn das Gericht den Hauptsacheprozess in das Prozesskostenhilfeverfahren verlagert, ist umstritten (bejahend OLG Düsseldorf FamRZ 96, 416; ablehnend OLG Nürnberg FamRZ 2002, 758).

Nach Ansicht des Senats ist Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren zu bewilligen, wenn in diesem - seinem eigentlichen Zweck zuwider - bereits schwierige Rechts- oder Tatfragen abschließend beantwortet werden.

Nach ständiger Rechtsprechung hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfGE 81, 347, 357 ff., BVerfG NJW 1994, 241 f., NJW 2000, 1936 f., NJW 2002, 3554, NJW-RR 2005, 140 f; BGH, NJW 2003, 1192). Deshalb geht es zum einen nicht an, eine umfangreiche Beweiserhebung in das PKH-Prüfungsverfahren zu verlagern (Zöller-Philippi, a.a.O., Rdnr. 21 a zu § 114 ZPO m.w.N.). Zum anderen würde es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwiderlaufen, wenn das Gericht wegen fehlender Erfolgsaussichten Prozesskostenhilfe verweigerte, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des weniger Bemittelten ausgehen würde (BVerfG, NJW-RR 2002, 1069, NJW 2003, 2976 f., NJW-RR 2005, 140 f.).

Werden entgegen seinem Sinn bereits im Prüfungsverfahren schwierige Rechts- oder Tatfragen beantwortet, ist für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren. Die vom BGH in der oben zitierten Grundsatzentscheidung (BGHZ 91, 311) vorgenommene Verweisung der armen Partei auf die durch das Beratungs-hilfegesetz gewährleistete Beratung würde es ihr in einem solchen Fall nämlich nicht ermöglichen, ihre Rechte vor Gericht angemessen zur Geltung zu bringen. Vielmehr ist die finanziell hilfsbedürftige Partei in einem solchen Fall auf die Vertretung durch einen Rechtsanwalt angewiesen.

Auch der Gegner des Antragstellers ist im Bewilligungsverfahren regelmäßig durch einen Rechtsanwalt vertreten. Deshalb legt es auch der Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit nahe, der bedürftigen Partei eine anwaltliche Vertretung bereits im Bewilligungsverfahren nicht zu verwehren.

Dafür spricht zudem eine weitere verfassungsrechtliche Überlegung: Auch im Prozesskostenhilfeverfahren ist rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG zu gewähren (BVerfGE 20, 282). Zwar muss rechtliches Gehör nicht stets durch Vermittlung eines Anwalts gewährt werden. Bei schwieriger Sach- oder Rechtslage kann ein ungewandter Beteiligter sein Recht auf Gehör jedoch effektiv nur durch einen Anwalt wahrnehmen. Ihm für das Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist dann ein Gebot des rechtlichen Gehörs (Waldner, MDR 1984, 932).

Für diese Bewilligung sprechen schließlich auch ökonomische Erwägungen: Die rechtmäßige Alternative zur Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Bewilligungsverfahren ist bei schwieriger Rechts- oder Sachlage nicht die Versagung von Prozesskostenhilfe, sondern deren Bewilligung für den Hauptsacheprozess. Werden schwierige Rechts- oder Tatsachenfragen bereits im Bewilligungsverfahren abschließend geklärt, wird regelmäßig das Streitverfahren dieser Instanz vermieden und die Staatskasse von den (höheren) Kosten dieses Verfahrens entlastet. Insoweit ist dieser Fall mit dem Abschluss eines Vergleichs im Prozesskostenhilfeverfahren vergleichbar, für den nach allgemeiner Auffassung Prozesskostenhilfe zu gewähren ist.

Nach diesen Grundsätzen ist der Klägerin hier Prozesskostenhilfe für das Bewilligungsverfahren zu gewähren.

Wie unter I. dargestellt, fand im Bewilligungsverfahren eine umfangreiche Beweisaufnahme statt. Diese ermöglichte die Beantwortung der schwierigen Tatsachenfrage, ob den Ärzten ein vorwerfbarer ärztlicher Kunstfehler unterlaufen ist, und damit die Beendigung des Prozesses.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Prüfungsverfahren ist im Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Hauptsacheprozess als "Weniger" enthalten. Auch bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs im Prozesskostenhilfeverfahren wird regelmäßig kein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerade für das Prüfungsverfahren vorausgesetzt.

Dass die Beschwerdeführerin selbst die Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 118 Abs. 2 S. 3 ZPO beantragt hat, steht der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Prüfungsverfahren nicht entgegen. Wieweit das Gericht bei der Prüfung der Erfolgsaussicht gehen will, hat es selbst nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wobei es, wie oben ausgeführt wurde, das Prüfungsverfahren nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten lassen darf.

Eine Kostenentscheidung ist wegen § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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