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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 29.07.2003
Aktenzeichen: 5 U 119/03
Rechtsgebiete: HGB, ADSp, ZPO, BGB


Vorschriften:

HGB §§ 407 ff.
HGB §§ 425 ff.
HGB § 425 Abs. 1
HGB § 425 Abs. 2
HGB § 426
HGB § 427
HGB § 428
HGB § 429
HGB § 429 Abs. 3 S. 2
HGB § 430
HGB § 431
HGB § 431 Abs. 1
HGB § 431 Abs. 2
HGB § 431 Abs. 4
HGB § 432
HGB § 433
HGB § 434
HGB § 435
HGB § 436
HGB § 437
HGB § 438
HGB § 449
HGB § 449 Abs. 2
HGB § 459
ADSp § 7
ADSp § 7 Buchst. b
ADSp § 7 Buchst. c
ADSp § 7 Ziff. 7
ADSp § 51 Buchst. b S. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 254 Abs. 1
BGB §§ 305 c
BGB §§ 307 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 119/03

Verkündet am 29. Juli 2003

in dem Rechtsstreit

wegen Forderung.

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung der Richter am Oberlandesgericht ... und ... und der Richterin am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 10. April 2003 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.956,10 EURO nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 29. August 2002 zu zahlen.

III. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

V. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten des ersten Rechtszuges haben die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 zu tragen.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VII. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 49.912,20 EURO festgesetzt.

VIII. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Die Beschwer der Parteien durch dieses Urteil wird mit jeweils 24.956,10 EURO bewertet.

Gründe:

I.

Die Klägerin verfolgt aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche aus einem Frachtgeschäft wegen des Verlustes von Transportgut.

Mit Prachtbrief vom 9.4.2002 (Anlage Kl = B1.7 d.A.) beauftragte die Firma GmbH (im folgenden: Versender) durch ihr Logistic-Center in ... die Beklagte, ein weltweit agierendes Paketbeförderungsunternehmen, mit dem Transport von 5 Paketen im Gesamtgewicht von 51 kg an die Firma GmbH in ... (im folgenden: Empfänger). Mit gleichem Datum stellte der Versender an den Empfänger über die aufgrund dessen Bestellung versandten Waren eine Rechnung über netto 126.700,20 EURO zuzüglich Versandkosten und Mehrwertsteuer (K 4 = Bl.10 d.A.) nebst Lieferschein (K 3 = Bl.9 d.A.). Der Versender nahm eine Wertdeklaration der Pakete nicht vor, sondern wählte die Serviceart "Standard" (vgl. K 1). In dem Frachtvertrag bezogen der Versender und die Beklagte die Beförderungsbedingungen der Beklagten, Stand November 2000 (Anlage B 1 = Bl.29 a und 30 a d.A.), ein, die u.a. die folgenden Bestimmungen enthalten:

Soweit sich aus diesen Beförderungsbedingungen nichts anderes ergibt, gelten weiterhin in Deutschland die Regelungen der ADSp (ausgenommen Ziffer 29 ADSp), ...

2. Serviceumfang

Sofern keine besonderen Dienstleistungen vereinbart werden, beschränkt sich der von angebotene Service auf Abholung, Transport, Zollabfertigung (sofern zutreffend) und Zustellung der Sendung.

Um die vom Versender gewünschte kurze Beförderungsdauer und das niedrige Beförderungsentgelt zu ermöglichen, werden die Sendungen im Rahmen einer Sammelbeförderung transportiert. Der Versender nimmt mit der Wahl der Beförderungsart in Kauf, daß aufgrund der Massenbeförderung nicht die gleiche Obhut wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann. Der Versender ist damit einverstanden, wenn eine Kontrolle des Transportweges, insbesondere durch Ein- und Ausgangsdokumentation, an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des Systems nicht durchgeführt wird. Soweit der Versender eine weitergehende Kontrolle der Beförderung wünscht, wählt er die Beförderung als Wertpaket.

9. Haftung

9.1 ...

9.2 Gelten keine Abkommensbestimmungen oder sonstige zwingende nationale Gesetze, wird die Haftung ausschließlich durch diese Bedingungen geregelt. In Deutschland ist die Haftung für Verlust oder Beschädigung begrenzt auf nachgewiesene direkte Schäden bis maximal DM 1.000,-- pro Sendung oder 8,33 SZR für jedes Kilogramm, je nachdem welcher Betrag höher ist. In Österreich und in der Schweiz

...

Bei Teilverlusten oder -beschädigungen wird das Gewicht des entwerteten Teils der Sendung zugrunde gelegt.

Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die ..., seine gesetzlichen Vertreter, oder Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß der Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen haben.

9.3 ...

9.4 Die Haftungsgrenze nach Ziffer 9.2 wird angehoben durch korrekte Deklaration eines höheren Wertes der Sendung auf dem Frachtbrief und durch Zahlung des in der "Tariftabelle und Serviceleistungen" aufgeführten Zuschlages auf den angegebenen Wert (Wertpaket). In keinem Fall dürfen die in Absatz 3 a (ii) festgesetzten Grenzen überschritten werden. Der Versender erklärt durch Unterlassung einer Wertdeklaration, daß sein Interesse an den Gütern die in Ziffer 9.2 genannte Grundhaftung nicht übersteigt. ...

Nach Übernahme des Gutes durch die Beklagte gingen in deren Gewahrsam auf unbekannte Weise vier der fünf Pakete verloren. Die Klägerin, der Transportversicherer des Empfängers, leistete deswegen an diesen einen Entschädigungsbetrag von 99.824,40 EURO (K 5 = Bl. 12 d.A.), dessen Ersatz sie aus unstreitig übergegangenem Recht zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen mit der Klage geltend macht.

Die Klägerin behauptet, daß die verloren gegangenen vier Pakete insgesamt 468 Stück Software-Programme im Nettowert von je 213,30 EURO, also von insgesamt 99.824,40 EURO, enthalten hätten. Die Klägerin ist der Ansicht, daß die Beklagte gemäß §§ 425 Abs. 1, 435 HGB wegen qualifizierten Verschuldens unbegrenzt auf Schadensersatz hafte, weil die Beklagte ihre Darlegungslast hinsichtlich ihrer Beförderungsorganisation und ihrer Vorkehrungen gegen den Verlust von Transportgut nicht nachgekommen sei. Die Klägerin behauptet, daß die Pakete durch Mitarbeiter der Beklagten entwendet wurden, vermag hierzu aber keinen substantiierten Sachvortrag zu halten. Ein schadensursächliches Mitverschulden des Versenders durch Unterlassung der Wertdeklaration sieht die Klägerin nicht.

Die Beklagte bestreitet den Inhalt und den Wert der verlorenen Pakete und verneint unter Berufung auf ihre Beförderungsbedingungen eine unbegrenzte Haftung aus qualifiziertem Verschulden. Die Beklagte ist der Ansicht, wegen unterlassens der Wertdeklaration treffe den Versender jedenfalls ein überwiegendes Mitverschulden. Bei der Versendung als Wertpaket hätten die dann bei ihr eingreifenden Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen den Verlust vermieden.

Das Landgericht Aschaffenburg hat nach Beweisaufnahme aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18.3.2003 die unbegrenzte Schadensersatzpflicht der Beklagten (§§ 425 Abs.1, 435, 459 HGB) unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens (§ 254 Abs.1 BGB) von 50 % bejaht, die behauptete Schadenshöhe als bewiesen erachtet und die Beklagte daher - unter Klageabweisung im übrigen - zur Zahlung von 49.912,20 EURO nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 29.8.2002 (Klagezustellung erfolgte am 28.8.2002) verurteilt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und wegen der Begründung der angefochtenen Entscheidung nimmt der Senat auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Aschaffenburg vom 10.4.2003 Bezug.

Die Beklagte hat gegen dieses am 23.4.2003 zugestellte Urteil - eingehend beim OLG Bamberg am 14.5.2003 - Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit einem am 30.5.2003 eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie erstrebt die Aufhebung ihrer Verurteilung und die Abweisung der Klage.

Zur Begründung verweist die Beklagte in erster Linie auf ihre Beförderungsbedingungen. Nach ihrer Ansicht haben die Parteien des Frachtgeschäfts - in Wahrnehmung ihrer Vertragsfreiheit, die Beklagte auch in Ausübung ihres Grundrechts der Berufsfreiheit (Art.12 Abs. 1 Grundgesetz) - die Leistungsmerkmale für preisgünstige Standardsendungen dahin bestimmt, daß die Beförderung ohne Kontrolle des Transportwegs, auf die der Kunde verzichte, wie bei Briefen oder briefähnlichen Sendungen im postalischen Massenverkehr erfolge, während der Kunde, der einen höheren Sicherheitsgrad wünsche, die Versendungsart "Wertpaket" - zu höherem Entgelt - wählen müsse. Es gehe nicht an, die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien nachträglich über die Haftung auszuhebeln und für das niedrige Entgelt der Standardsendung einheitlich hohe Sicherheits- und Kontrollanforderungen zu verlangen. § 449 HGB stehe der Geltung der Beförderungsbedingungen nicht entgegen. Zum einen handele es sich um briefähnliche Sendungen im Sinne dieser Vorschrift, zum anderen liege wegen des freien Wahlrechts des Versenders hinsichtlich der Serviceart eine Individualabrede vor. Die in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Transportorganisation des Spediteurs oder Frachtführers seien daher auf den vorliegenden Vertrag nicht «anwendbar, weswegen die Beklagte keine Schadensersatzpflicht treffe; allenfalls komme eine Haftung im Rahmen der Haftungsbegrenzung auf 1.000,-- DM gemäß Ziffer 9 der Beförderungsbedingungen in Betracht; ein qualifiziertes Verschulden scheide aus den vorgenannten Erwägungen aus. Im übrigen überwiege das im Unterlassen der Wertdeklaration liegende Mitverschulden des Versenders ein etwaiges Verschulden der Beklagten in einem Maße, daß die vollständige Klageabweisung gerechtfertigt sei. Außerdem halt die Beklagte den behaupteten Inhalt und Wert der verlorenen Pakete entgegen der angefochtenen Entscheidung nicht für bewiesen, weil die Angaben des hierzu vernommenen Zeugen K unergiebig gewesen seien und der vom Landgericht aus der Rechnung und dem Lieferschein abgeleitete Anscheinsbeweis nicht gerechtfertigt sei.

Die Beklagte beantragt deshalb,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Aschaffenburg vom 10.4.2003 (Az. 2 HKO 124/02) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt

kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie ist der Ansicht, daß die Beförderungsbedingungen im Hinblick auf § 7 ADSp und die höchstrichterliche Rechtsprechung keinen Verzicht auf die Transportwegkontrolle beinhalte. Im übrigen genügten die Beförderungsbedingungen nicht den Wirksamkeitsanforderungen des § 449 HGB. Eine "Briefähnlichkeit" der vorliegenden Paketversendung sei nicht gegeben. Eine Individualvereinbarung liege nicht vor. Von den unterschiedlichen Sicherheitsstandards der einzelnen Servicearten sei im Frachtbrief nicht die Rede; es fehle im übrigen auch eine drucktechnische Hervorhebung der in den Beförderungsbedingungen enthaltenen Haftungsbeschränkung. Eine höhere Mitverschuldensquote als 50 % hält die Klägerin nicht für gerechtfertigt. Den Einwand, die Beförderungsbedingungen seien nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, hat die Klägerin fallen gelassen.

Wegen der Einzelheiten des Vertrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen (Bl. 113 - 162 d.A.) und auf die Niederschrift der Sitzung vom 29.7.2003 (Bl. 163 - 166 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten (§§ 511 ff. n.F. ZPO; § 26 Nr. 5 EGZPO) hat in der Sache teilweise Erfolg, allerdings nur hinsichtlich der Gewichtung des Mitverschuldens des Versenders; sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und auf der Grundlage eines überwiegenden, vom Senat mit einer Quote von 75 % bemessenen Mitverschuldens, zu einer auf den Betrag von 24.956,10 EURO nebst Zinsen ermäßigten Verurteilung der Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage. Dagegen hat das angefochtene Urteil im Ergebnis Bestand, soweit das Landgericht die Beklagte aus §§ 425, 429, 435, 459 HGB wegen qualifizierten Verschuldens ohne Haftungsbegrenzung nach § 431 HGB oder Nr.9.2 der Beförderungsbedingungen für schadensersatzpflichtig gehalten und den Wert des verlorenen Gutes mit dem von der Klägerin geltend gemachten Betrag von 99.824,40 EURO festgestellt hat. Denn das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen insoweit die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 513 Abs. 1, 529 ff., 546 ZPO). Die weitergehende Berufung der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

Der Senat nimmt zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 10.4.2003 Bezug. Vorbehaltlich der nachfolgenden Ergänzungen und der Begründung für die Abänderung der Haftungsquote schließt sich der Senat auch der Begründung der angefochtenen Entscheidung an und nimmt auf diese Bezug. Im einzelnen ist auszuführen:

1. Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten aus dem unstreitig abgeschlossenen Frachtvertrag (§§ 407 ff. i.V.m. 459 HGB in der Fassung des Transportrechtsreformgesetzes - TRG - vom 25.6.1998, BGBl. I S.1588, in Kraft getreten am 1.7.1998, Art. 12 TRG) für den unstreitig im Gewahrsam der Beklagten eingetretenen Verlust des Transportgutes sind dem Grunde nach unzweifelhaft erfüllt und vom Landgericht mit zutreffender Begründung bejaht worden (§§ 425 Abs. 1, 428, 429 HGB; vgl. Ziff. II. 1. der Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils). Bereits in erster Instanz hat die Beklagte unstreitig gestellt, daß der Ersatzanspruch auf die Klägerin übergegangen, diese somit aktivlegitimiert ist.

Ziffer 9 der Beförderungsbedingungen setzen diesen gesetzlichen Haftungstatbestand voraus und enthalten hierzu lediglich haftungsbegrenzende und haftungsbeschränkende Regelungen. Bereits in der ersten Instanz war die Einbeziehung der Beförderungsbedingungen in den Frachtvertrag unstreitig. Ihr erstmals in der Berufungserwiderung vorgetragenes Bestreiten der Einbeziehung hat die Klägerin im Termin vom 29.7.2003 wieder fallen gelassen (Seite 2 der Niederschrift, Bl. 164 d.A.). Zu Recht ist das Landgericht daher davon ausgegangen, daß dem Vertrag die Beförderungsbedingungen der Beklagten zugrunde lagen.

Die Einstandspflicht nach § 425 ff. HGB setzt ein bewiesenes Verschulden des Frachtführers nicht voraus, auch nicht nach den Beförderungsbedingungen der Beklagten. Ein Haftungsausschluß gemäß § 426 HGB (Unvermeidbarkeit der Umstände, auf denen der Verlust beruht, und Unabwendbarkeit der Folgen auch bei größter Sorgfalt) wird nicht geltend gemacht; zu den Umständen des Verlustes, die im Dunkeln liegen, fehlt jeder Vortrag der Beklagten. Auch sonstige Haftungsausschlußgründe (z.B. gemäß § 427 HGB) werden nicht eingewandt und sind auch nicht ersichtlich.

2. Die Klägerin hat somit - vorbehaltlich einer Mithaftung des Versenders - Anspruch auf Ersatz des Wertes des verlorenen Gutes (§ 429 Abs. 1 u. 3 HGB), den das Landgericht zutreffend mit 99.824,40 EURO festgestellt hat (Ziffer II. 1. a) und b) der Entscheidungsgründe des Landgerichts). Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung sind nicht begründet. Im Schadensersatzprozeß wegen Verlustes von Transportgut ist beim kaufmännischen Absender - wie hier - prima facie anzunehmen, daß die im Lieferschein und in der dazu korrespondierenden Rechnung aufgeführten Waren in dem Behältnis enthalten waren; es obliegt dann dem Schädiger, den zugunsten des Versenders streitenden Anscheinsbeweis durch substantiierten Vortrag auszuräumen (vgl. BGH Transportrecht 2003, 156 ff.). Zutreffend hat sich das Landgericht daher auf dieser Grundlage davon überzeugt, daß entsprechend Lieferschein und Rechnung (K 3, K 4) insgesamt 594 Stück des Software-Programms versandt wurden, von dem unstreitig nur ein Paket mit 126 Stück den Empfänger erreichte, so daß in den vier verlorenen Paketen 468 Stück enthalten gewesen waren. Den hierfür streitenden Anscheinsbeweis, der durch die Angaben des Zeugen unterstützt wird, hat die Beklagte nicht erschüttert. Es kommt daher nicht darauf an, daß der Zeuge angesichts der Vielzahl der von ihm auszuführenden Verpackungsvorgänge an das Einpacken der streitgegenständlichen Waren selbst - losgelöst von den vorhandenen schriftlichen Unterlagen - keine konkrete Erinnerung mehr hatte. Nachdem das verlorene Gut unstreitig unmittelbar vor Übernahme zur Beförderung an den Empfänger verkauft worden war (vgl. K 3, K 4) wird gemäß § 429 Abs.3 S.2 HGB vermutet, daß der berechnete Kaufpreis dem Marktpreis und somit dem Wert der Ware entspricht. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht entkräftet. Zutreffend hat das Landgericht den Nettowert des verlorenen Gutes mit 468 Stück X 213,30 EURO = 99.824,40 EURO festgestellt.

3. Zu Recht hat das Landgericht entschieden, daß die Beklagte wegen qualifizierten Verschuldens gemäß § 435 HGB und Ziffer 9 der Beförderungsbedingungen haftet, so daß die Haftungshöchstbeträge gemäß § 431 Abs. 1, 2 u. 4 HGB auf 8,33 Rechnungseinheiten je Kilogramm und gemäß Ziffer 9.2. der Beförderungsbedingungen auf denselben Wert oder 1.000,-- DM, je nachdem, welcher Betrag höher ist, den Anspruch der Klägerin nicht der Höhe nach zugunsten der Beklagten begrenzen. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung sind im Ergebnis nicht begründet. Der Senat nimmt daher zunächst auf die Ausführungen des Landgerichts unter Ziffer II. 2. des angefochtenen Urteils Bezug; das Berufungsvorbringen veranlaßt lediglich die nachfolgenden Ergänzungen:

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH trägt zwar der Geschädigte die Beweislast für ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers; den Frachtführer trifft aber dann, wenn - wie hier - der Schadenshergang völlig im Dunkeln liegt und der Versender keinen Einblick in die Transportorganisation des Frachtführers hat, nach Treu und Glauben eine prozessuale Aufklärungspflicht. Er hat den Organisationsablauf in seinem Betrieb offenzulegen, er hat darzutun, welche Schadensverhütungsmaßnahmen von ihm getroffen worden sind und er hat substantiiert die Umstände darzulegen, die nach seinen Erkenntnissen zum Schaden geführt haben. Bemüht sich der Frachtführer nicht, diese Aufklärungspflicht angemessen zu erfüllen, so spricht eine von ihm zu widerlegende Vermutung für sein qualifiziertes Verschulden (vgl. BGHZ 127, 275, 284; 129, 345 ff., 350 - 352; 145, 170 ff.; 149, 337 ff.; BGH Transportrecht 02, 306 ff.; BGH NJW-RR 02, 1108 ff.; BGH VersR 86, 1019 ff.; 95, 320 ff.; vgl. auch Koller, Transportrecht, 4. Aufl., RdNr. 21 zu § 435, m.w.Nachw.).

Die Rechtsprechungsgrundsätze zum qualifizierten Organisationsverschulden finden grundsätzlich auch Paketdienstleistungsunternehmen Anwendung, bei denen es - bei der Beklagten - auf Massenumschlag, Massenlagerung und Massenbeförderung ankommt und deren Kunden eine kostengünstige Leistung und eine kurze Beförderungsdauer erwarten (vgl. BGHZ 149, 337, 349 ff.; BGH Transportrecht 03, 255, 257; auch für "Standard"-Sendungen: BGH Transportrecht 02, 306, 308). Mit der privilegierten Beförderung von Briefen und briefähnlichen Sendungen ist die Inanspruchnahme von Schnellpaketdiensten nicht vergleichbar (BGHZ 149, 337, 349 ff.).

Die zunächst im Bereich der ADSp-Haftung entwickelte Rechtsprechung des BGH zur Darlegungslast des Frachtführers ist auch nach Inkrafttreten der Transportrechtsreform weiter anwendbar (vgl. OLG Stuttgart Transportrecht 02, 200, 201). Die Ersetzung des Begriffs der "groben Fahrlässigkeit" in § 51 Buchst. b S. 2 ADSp 1993 durch den Begriff der "Leichtfertigkeit" im "Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten" werde, mag - was hier dahinstehen kann - die Voraussetzungen des qualifizierten Verschuldens geringfügig modifiziert, haben (vgl. hierzu näher Koller, Transportrecht, 4. Aufl., RdNr.6 - 16 zu § 435); die Organisations- und Darlegungspflichten der Parteien werden dadurch und durch die Transportrechtsreformvorschriften im übrigen aber nicht grundsätzlich tangiert.

b) Wie das Landgericht zutreffend und von der Berufung unbeanstandet festgestellt hat, fehlt - bezogen auf Standardsendungen - jeglicher Sachvortrag der Beklagten zur Organisation des Transportablaufs und zu den von ihr getroffenen Vorkehrungen zur Verhütung des Verlustes von Transportgut. Die Beklagte hat lediglich vorgetragen, wie und unter welchen besonderen Kontrollmaßnahmen Wertpakete mit einer Wertdeklaration von mehr als 2.500,-- EURO befördert werden (Ziffer 6.1 - 6.12 der Klageerwiderung vom 17.9.2002, Bl. 20 ff. d.A.), um darzutun, daß eine Wertdeklaration durch den Versender den Verlust im vorliegenden Fall vermieden hätte.

Hier ist jedoch eine Standardsendung zu beurteilen, für die diese Ausführungen der Beklagten - bezogen auf das Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens - gerade nicht gelten und für die daher die Transportorganisation und die etwa getroffenen Vork0n-rungen gegen den Verlust von Sendungen nicht vorgetragen sind. Hierdurch wird der Klägerin der Nachweis eines qualifizierten Verschuldens unmöglich gemacht. Zu Recht ist das Landgericht aufgrund der hieraus folgenden - von der Beklagten auch nicht widerlegten - Vermutung qualifizierten Verschuldens davon ausgegangen, daß die Beklagte gemäß § 435 HGB und gemäß Ziffer 9.2 der Beförderungsbedingungen ohne Höchstbetragsbegrenzung haftet.

c) Die Beförderungsbedingungen der Beklagten, insbesondere Ziffer 2 sowie Ziffer 9.2 und 9.4, auf die das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen ist und auf die die Beklagte ihre Berufungsbegründung stützt, vermögen dieses Ergebnis letztlich nicht in Frage zu stellen.

Dabei kann offen gelassen werden, ob die Beförderungsbedingungen insoweit lediglich eine den Parteien zur freien Disposition stehende Bestimmung des Leistungsinhalts darstellen, ob es sich um den Anforderungen des § 449 Abs.2 HGB unterliegende - und diesen etwa auch genügende - Abweichungen von den gesetzlichen Haftungsregelungen der §§ 425 - 438 HGB handelt, ob eine AGB-rechtliche Kontrolle nach §§ 305 c, 307 ff. BGB stattfindet, denen die Beförderungsbedingungen standhalten, und ob verneinendenfalls Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz tangiert wäre.

Denn die Beförderungsbedingungen enthalten nach Wortlaut und Sinn entgegen der Ansicht der Beklagten ersichtlich keinen so weitgehenden Verzicht auf die Obhutspflichten des Frachtführers, daß dieser allen seinen organisatorischen Vorkehrungen gegen den Verlust des Transportgutes und damit auch seinen prozessualen Darlegungspflichten enthoben wäre. Vielmehr nimmt der Versender lediglich eine Einschränkung der diesbezüglichen Sorgfaltspflichten des Frachtführers in Kauf, so daß auch die Darlegungspflichten des Frachtführers hierdurch nur begrenzt, nicht aber beseitigt sein können.

Die Obhut, d.h. die Fürsorge für fremdes Gut, die Pflicht, es vor Schäden zu bewahren, ist (wohl konstitutives) Merkmal des Frachtvertrags im Sinne der §§ 407 ff. HGB (vgl. Koller a.a.O., RdNr. 15 zu § 407, m.w.Nachw.). Unstreitig ist das Vertragsverhältnis zwischen Versender und der Beklagten ein Frachtvertrag (vgl. auch den "Frachtbrief", Anl. K 1, und die ergänzend auf die ADSp verweisenden Beförderungsbedingungen). Aus Ziffer 2 Satz 3 der Beförderungsbedingungen ergibt sich klar und eindeutig, daß die Obhutspflicht des Frachtführers vorausgesetzt wird und dem Grunde nach auch unangetastet bleiben soll. Denn dort billigt der Versender lediglich, daß aufgrund der Massenbeförderung "nicht die gleiche Obhut" wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann.

Dementsprechend erklärt der Versender in Ziffer 2 Satz 4 Beförderungsbedingungen sein Einverständnis nur damit, daß eine Kontrolle des Transportweges an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des Systems, nämlich insbesondere durch Ein- und Ausgangsdokumentation, nicht durchgeführt wird. Damit ist aber allenfalls ein Verzicht auf die Schnittstellenkontrolle i.S.d. § 7 Buchst. b und c ADSp 1993 bzw. Ziff.7 ADSp 1999, deren Verletzung wiederholt Anlaß für die Bejahung eines qualifizierten Verschuldens in der Rechtsprechung bildete (vgl. etwa BGHZ 149, 337 ff.; BGH NJW-RR 2002, 1108, 1109; BGH Transportrecht 02, 306, 308 f.; BGH Transportrecht 03, 255, 257), und dessen Dokumentation angesprochen, nicht aber ein weitergehender Verzicht auf sonstige Kontrollmaßnahmen und andersartige Verlustvorkehrungen (vgl. auch die Interpunktion in Ziffer 2 Satz 4 der Beförderungsbedingungen).

Dies ergibt sich auch aus Ziffer 2 Satz 5 Beförderungsbedingungen. Danach wählt der Versender die Beförderung als Wertpaket, wenn er eine "weitergehendere Kontrolle" der Beförderung wünscht. Dies bedeutet, daß bei Standardsendungen ebenfalls eine Kontrolle der Beförderung stattfindet, die lediglich weniger weitgehend ist. Aus Ziffer 9 der Beförderungsbedingungen ergibt sich diesbezüglich nichts anderes. Entgegen der Ansicht der Berufung kann den Beförderungsbedingungen also keineswegs ein die Sorgfaltspflichten des Frachtführers für Verlustschäden abbedingender und seine Haftung hierfür im Ergebnis beseitigender Regelungsgehalt ähnlich der haftungsrechtlich privilegierten Beförderung von Briefen und briefähnlichen Sendungen (vgl. § 12 Postgesetz 1969, BGBl. I, S. 1006, und Postgesetz 1989, BGBl. I, S. 1450 ff.) entnommen werden.

Anders als die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits behandelte, etwas engere, nur den Verzicht auf die schriftliche Dokumentation des Ein- und Ausgangs an den Umschlagstellen, nicht aber auf die Schnittstellenkontrolle selbst beinhaltende Klausel (vgl. BGH Transportrecht 02, 306 ff. und 03, 255 ff.) ist die vorliegende Regelung zwar etwas weitergehender, aber nicht weitgehend genug, um die qualifizierte Haftung der Beklagten zu verhindern. Anders als bei der vorgenannten etwas engeren Klausel könnte sich der Versender - die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Klausel unterstellt - für das Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens zwar nicht auf das Unterbleiben der sonst erforderlichen Schnittstellenkontrollen berufen; dementsprechend wäre die Beklagte davon befreit, im Rahmen ihrer prozessualen Darlegungspflicht zum Ergebnis der Schnittstellenkontrolle und zum konkreten Transportablauf, soweit dieser nur bei Schnittstellenkontrollen rekonstruierbar wäre, vorzutragen. Darin erschöpfen sich die Obhuts- und Darlegungspflichten des Frachtführers aber nicht. Diese sind vielfältig. Sie umfassen etwa auch organisatorische Vorkehrungen gegen den Zugriff Dritter auf das Transportgut während des Transports und an den Umschlagstellen, gegen Fehlverladungen, gegen rechtswidriges Handeln der eigenen Beschäftigten (Entwendung), sie umfassen z.B. Überwachungsmaßnahmen zur Überprüfung der Einhaltung der hierzu getroffenen Vorkehrungen, ausreichende Nachforschungen zur Wiederauffindung des nicht angekommenen Transportgutes, eine ausreichende Prüfung der Eignung und Zuverlässigkeit der Beschäftigten bei deren Einstellung etc.; die getroffenen organisatorischen Maßnahmen müssen zuverlässig ineinander greifen, um den Verlust von Transportgut wirksam vermeiden zu können (vgl. etwa BGHZ 129, 345, 350 ff.; OLG Stuttgart, Transportrecht 02, 200, 201; Kammergericht Transportrecht 93, 352; OLG München Transportrecht 93, 436, 438; OLG Düsseldorf Transportrecht 02, 73, 75).

Daraus wird anschaulich, daß die Kontrolle des Transportwegs an den einzelnen Umschlagstellen nur einen Ausschnitt aus dem Obhutspflichtbereich des Frachtführers darstellt, in dessen Rahmen ein qualifiziertes Organisationsverschulden des Frachtführers in Betracht kommen kann. Die prozessuale Aufklärungspflicht des Frachtführers kann daher durch die Beförderungsbedingungen in der streitgegenständlichen Fassung nicht aufgehoben sein. Denn sonst wäre dem Versender die substantiierte Geltendmachung eines qualifizierten Verschuldens im Sinne von 435 HGB und im Sinne von Ziffer 9.2 Satz 5 der Befördungsbedingungen gänzlich abgeschnitten. Die Klägerin behauptet z.B. im vorliegenden Fall eine Entwendung durch Mitarbeiter der Beklagten, vermag hierzu aber ohne entsprechende Darlegungen der Beklagten ein qualifiziertes Organisationsverschulden von vornherein nicht substantiiert vorzutragen.

Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung dazu, detailliert zu bestimmen, inwieweit die Darlegungspflicht der Beklagten im Hinblick auf Ziffer 2 der Befördungsbedingungen begrenzt ist und welchen Vortrag im einzelnen die Beklagte gleichwohl hätte bringen müssen, um der Vermutung qualifizierten Verschuldens zu entgehen. Denn die Beklagte hat hier - bezogen auf Standardsendungen - zur Transportorganisation und zu den Verlustvorkehrungen überhaupt nichts vorgetragen. Damit ist sie ihrer Aufklärungspflicht keinesfalls nachgekommen, so daß die Feststellung qualifizierten Verschuldens auch in Ansehung der Beförderungsbedingungen gerechtfertigt bleibt.

d) Für den hier vorliegenden Fall des qualifizierten Verschuldens gilt nach Ziffer 9 der Beförderungsbedingungen keine Haftungsbegrenzung auf den Höchstbetrag von 1.000,-- DM oder 8,33 SZR je Kilogramm. Ziffer 9.4 Satz 2 der Beförderungsbedingungen, der die Anhebung des Haftungshöchstbetrags bei Wertpaketen regelt, geht zwar davon aus, daß das Interesse des Versenders an den Gütern jene in Ziffer 9.2 Satz 2 der Beförderungsbedingungen bestimmte "Grundhaftung" nicht übersteigt.

Ziffer 9.2 Satz 5 der Befördungsbedingungen bestimmt jedoch in Einklang mit § 435 HGB, daß diese Haftungsbegrenzung bei qualifiziertem Verschulden nicht gilt. Folgerichtig kommt dann aber auch Ziffer 9.4 Satz 2 der Beförderungsbedingungen nicht zur Anwendung.

4. Die Verpflichtung der Beklagten zum Wertersatz des verlorenen Gutes ist allerdings durch ein überwiegendes Mitverschulden des Versenders, welches sich die Klägerin entgegenhalten lassen muß und welches der Senat bei der gebotenen Abwägung mit einer Quote von 75 % bemißt, auf 25 % von 99.824,40 Euro gemindert (§ 425 Abs. 2 HGB; § 254 Abs. 1 BGB), die Beklagte schuldet daher nur 24.956,10 Euro nebst Zinsen.

a) Der Versender hat sich im vorliegenden Fall durch das Absehen von einer Wertdeklaration in der Kenntnis, daß die Beklagte die Sendung bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt hätte, in einen nach § 254 Abs. 1 BGB beachtlichen Selbstwiderspruch begeben. Mit einem Verzicht auf die - bei Wertdeklaration - von der Beklagten angebotenen weitergehenden Schutzvorkehrungen hat der Versender das Transportgut freiwillig einem erhöhten Verlustrisiko ausgesetzt, welches sich hier auch verwirklicht hat. Dies hat zur Folge, daß der eingetretene Schaden dem Versender bei wertender Betrachtung anteilig zuzurechnen ist (vgl. etwa BGHZ 149, 337, 352 ff.; BGH NJW-RR 02, 1108, 1110 ff.; BGH NJW 99, 3627 f.; BGH, Urteil vom 8.5.2003, Az. ZR 234/02). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landgericht bereits insoweit rechtskräftig festgestellt, als es die Klage - von der Klägerin unangefochten - wegen eines hälftigen Mitverschuldens abgewiesen hat. Es wird daher auf die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts unter Ziffer II. 3. a) und b) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

b) § 425 Abs. 2 HGB, mit dem das TRG den Rechtsgedanken des § 254 Abs. 1 BGB aufgenommen und im Recht des Frachtgeschäfts besonders geregelt hat, erfaßt alle Fälle mitwirkenden Verschuldens des gemäß § 425 Abs. 1 HGB Ersatzberechtigten (vgl. Koller a.a.O., Rdnr. 1, 70 ff., 79 und 80 zu § 425, mit Hinweis auf die Begründung zum Regierungsentwurf des TRG, Bundesratsdrucksache 368/97, Seite 58, 59). Diese Vorschrift ist daher im vorliegenden Fall einschlägig.

Das Landgericht hat den Mitverschuldenseinwand - wie die noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten des TRG ergangene höchstrichterlichen Rechtsprechung - anhand des § 254 Abs. 1 BGB geprüft und bejaht. Sachliche Unterschiede zur hier gebotenen Anwendung des § 425 Abs. 2 HGB ergeben sich daraus im vorliegenden Fall aber nicht.

c) Gemäß § 425 Abs. 2 HGB hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit das bei der Schadensentstehung mitwirkende Verhalten des Absenders zu dem Schaden beigetragen hat. Es ist also - wie auch bei § 254 Abs. 1 BGB - das Gewicht der verschiedenen Schadensbeiträge abzuwägen (vgl. Koller a.a.O., Rdnr. 83 zu § 425 HGB).

Bei dieser Abwägung gelangt der Senat - bei unveränderter Tatsachengrundlage - zu einem anderen Ergebnis, nämlich zu einem deutlich überwiegenden Gewicht des Verursachungsbeitrags des Versenders. Der vom Landgericht vorgenommenen hälftigen Quotierung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach der vom Senat geteilten Überzeugung des Landgerichts waren dem Versender die bei Transport von Wertpaketen im Unterschied zu Standardsendungen eingreifenden besonderen Vorkehrungen sehr wohl bekannt (vgl. Ziffer II. 3. b) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils). Auf die Frage der Rechtswirksamkeit der unstreitig in den Vertrag einbezogenen Beförderungsbedingungen hinsichtlich der herabgesetzten Kontrollanforderungen bei Standardsendungen (Ziffer 2 der Beförderungsbedingungen) kommt es dabei nicht an; maßgeblich ist nur die Kenntnis der tatsächlichen Verfahrensweise der Beklagten, die der Versender in seine Überlegungen einbeziehen muß. Nur dem Versender war auch der tatsächliche Wert des Transportguts bekannt. Dieser Wert und der damit bei Verlust drohende Schaden lag hier mit rund 100.000,-- Euro ein vielfaches über dem nach § 431 HGB bzw. Ziffer 9 der Beförderungsbedingungen grundsätzlich vorgesehenen Haftungshöchstbetrag von 8,33 Rechnungseinheiten je Kilogramm bzw. 1.000,-- DM. Der Versender hätte daher die Beklagte auch auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam machen müssen (vgl. BGHZ 149, 337, 353). Maßgeblich für eine wertgerecht hinreichend sichere Beförderung war somit die Entscheidung des Versenders, ob er eine Wertdeklaration vornimmt oder - etwa zur Ersparnis von Beförderungsentgelt die Standardversendung wählt und damit ein erhöhtes Verlust- und Schadensrisiko in Kauf nimmt. Demgegenüber war für die Beklagte - mangels Wertdeklaration - nicht erkennbar, daß aus dem Verlust der Sendung ein weit über dem Haftungsgrenzbetrag liegender Schaden entstehen würde und zur Schadensvermeidung gesteigerte Vorkehrungen wie bei Wertpakten erforderlich gewesen wären. Der Beklagten fällt zwar ein (vermutetes) qualifiziertes Verschulden im Sinne des § 435 HGB am Verlust des Gutes zur Last. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, daß der Transportweg einer wertdeklarierten Sendung von der Beklagten weitgehend kontrolliert wird. Die Beklagte hätte daher - selbst wenn man vom Verlust der Sendung auch im Falle der Wertdeklaration ausginge - den Schadenseintritt genauer nachvollziehen können als bei einer nicht wertdeklarierten Sendung; damit hätten sich auch ihre Möglichkeiten verbessert, der Annahme eines qualifiziert schuldhaften Verhaltens zu entgehen oder zumindest die Vermutung dessen Ursächlichkeit für den Eintritt des Schadens durch den Nachweis zu widerlegen, daß das Gut in einem gesicherten Bereich verloren gegangen ist. Der Beklagten ist also durch das Unterlassen der Wertdeklaration die Möglichkeit genommen, den Schadenseintritt einzugrenzen und auf diese Weise von der qualifizierten Haftung freizukommen (vgl. BGH, Urteil vom 8.5.2003, Az. I ZR 234/02).

Die Reichweite des für wertdeklarierte Sendungen gesicherten Bereichs, der ein Gesichtspunkt für die Quote der Mithaftung sein kann (vgl. BGH a.a.O.), ist nach den Darlegungen der Beklagten (vgl. Ziffer 6.1 bis 6.12 der Klageerwiderung vom 17.9.2002), von deren Richtigkeit sich das Landgericht aufgrund der Beweisaufnahme auch überzeugt hat (vgl. Ziffer II. 3. b) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils), so erheblich, daß Verlust nach den - nicht angegriffenen - Feststellungen des Landgerichts (a.a.O.) vermieden worden wäre. Je größer der gesicherte Bereich ist, um so größer kann die Quote des Mitverschuldens des Versenders bei Unterlassen der Wertdeklaration sein (vgl. BGH a.a.O.).

Der Senat hält nach alledem das Mitverschulden des Versenders für deutlich überwiegend, wenngleich die Haftung der Beklagten nicht völlig zurücktritt. Eine Quote von 75 % zu 25 % zu Lassen des Versenders und damit zu Lasten der den Anspruch nun geltend machenden Klägerin erscheint dem Senat angemessen. Dementsprechend ist der vom Landgericht ausgeurteilte Ersatzbetrag nebst Zinsen abzuändern.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO i.V.m. § 709 S. 2 ZPO. Die Wertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 25 Abs. 2, 12, 14 GKG, 3 ff. ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO sind nicht gegeben. Der Senat weicht von den einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und anderer Oberlandesgerichte, durch welche die hier entscheidungserheblichen Rechtsfragen geklärt sind, nicht ab. Der Umstand allein, daß hier beurteilte Klauseln der Beförderungsbedingungen der Beklagten von dieser in einer Mehrzahl von Fällen verwendet worden sind, begründet noch nicht die grundsätzliche Bedeutung der Sache. Das Urteil des Senats beruht darauf, daß die Beklagte im vorliegenden Einzelfall ihrer Darlegungslast nicht - auch nicht teilweise - nachgekommen war und daher qualifiziertes Verschulden zu ihren Lasten zu vermuten war. Auf die Qualifikation, Wirksamkeit und Reichweite der genannten Klauseln im einzelnen kam es - wie ausgeführt - nicht entscheidend an. Die Abänderung der Haftungsquote beruht auf der dem Tatrichter vorbehaltenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge im konkreten Einzelfall.

Vorsorglich hat der Senat im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EGZPO die Beschwer der Parteien durch das Urteil beziffert.

Ende der Entscheidung

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