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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 5 U 207/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 249
BGB § 253
BGB § 823 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 207/04

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 18. Januar 2005

wegen Schadensersatzes.

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Dezember 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 14. Oktober 2004 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 711,70 EUR sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.800,-- EUR nebst Zinsen aus beiden Beträgen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 29. Januar 2004 zu bezahlen.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.067,55 EUR festgesetzt.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung. Er fiel am 18.10.2003 in einen Brunnenschacht, der sich auf dem der Beklagten gehörenden Grundstück an der südwestlichen Ecke des "Unteren Sees" im Gemeindebereich der Beklagten befand.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil, welches unter Verneinung einer Verkehrssicherungspflichtverletzung die Klage abgewiesen hat, Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter, während die Beklagte unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtsstandpunkte das Urteil verteidigt.

Wegen der Berufungsanträge wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.12.2004 Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat die Unfallörtlichkeiten in Augenschein genommen und vier Zeugen gehört. Das Ergebnis der Beweisaufnahme ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift vom 23.12.2004.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 511 ff. ZPO) und hat auch in der Sache teilweise Erfolg.

Die Beklagte hat dem Kläger gemäß §§ 823 Abs. 1, 249, 253 BGB seinen bei dem Unfall am 18.10.2003 erlittenen immateriellen und materiellen Schaden - letzteren mit einer Quote von 2/3 - zu ersetzen, weil sie es schuldhaft unterließ, den auf ihrem Grundstück vorhandenen Brunnenschacht gegen Hineinfallen abzusichern.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß das Grundstück der Beklagten in unmittelbarer Nähe des Brunnenschachtes derart intensiv begangen wurde, daß sich klar erkenntliche Trampelpfade gebildet haben. Unabhängig davon, daß die Duldung der Benutzung alleine noch keine Verkehrseröffnung darstellt, war die Beklagte verpflichtet, die von dem Brunnenschacht auch für unbefugte Grundstücksbenutzer ausgehenden Gefahren mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln abzuwenden, soweit sie diese erkannt hat oder bei Anwendung der verkehrsgebotenen Sorgfalt hätte erkennen müssen (Senatsurteil vom 24.9.1968, VersR 1969, 85, 86). Letztere Voraussetzung lag deshalb vor, weil der Beklagten das Vorhandensein des Brunnenschachtes seit der Übernahme des Grundstückes im Wege des Grundstücktausches 1975 bekannt war. Der Brunnen wird im Schreiben des damaligen Oberbürgermeisters der Beklagten vom 28.11.1974 ausdrücklich erwähnt. Das Berufungsgericht kann deshalb nicht nachvollziehen, daß die Beklagte vortragen läßt, sie habe nicht gewußt, daß sich auf diesem Grundstück unter den Sträuchern ein alter Brunnenschacht verberge (Seite 2 der Berufungsbegründung vom 16.12.2004).

Wie bereits in der mündlichen Verhandlung dargelegt, waren angesichts der gefährlichen Örtlichkeit besondere Sicherungsmaßnahmen seitens der Beklagten erforderlich. Es hätte sichergestellt werden müssen, daß ein Sturz in den Brunnen nicht erfolgen kann. Die Auflage eines losen Deckels - selbst wenn dieser früher einmal vorhanden gewesen sein sollte - konnte hierzu nicht genügen, da ein solcher (z.B. durch spielende Kinder) leicht hätte entfernt werden können und deshalb zur Gefahrenabwehr ungenügend gewesen wäre. Es hätte entweder ein fester Verschluß angebracht werden oder aber der Brunnen hätte - da er offensichtlich auch keinem Zweck mehr diente - verfüllt werden müssen. Da die Beklagte gegen diese Sicherungsverpflichtung schuldhaft verstoßen hat, hat sie gemäß § 823 Abs. 1 BGB für die beim Kläger eingetretenen Körper- und Eigentumsverletzungen zu haften.

Andererseits trifft auch den Kläger ein Verschulden an den Unfallfolgen, da er sich offensichtlich unvorsichtig auf unübersichtlichem und nicht zum befugten Verkehr freigegebenen Grund bewegte. Wenn auch wegen der Beschaffenheit des Untergrundes (Überwucherungen, Verdeckung des Brunnenrandes durch Äste und Blätter) der Brunnenschacht selbst nur schwer zu erkennen, war, hätte sich der Kläger, der sich vom Trampelpfad weg in unwegsames Gelände begab, dort nur äußerst vorsichtig und unter Prüfung der Tragfähigkeit des Untergrundes bewegen dürfen. Das Berufungsgericht geht: davon aus, daß unter diesen Umständen der damals offene Schacht zwar schwer, aber dennoch zu erkennen gewesen wäre. Dem Kläger ist daher ein Mitverschulden (§ 254 BGB) an den eingetretenen Unfallfolgen zuzurechnen. Angesichts der Tatsache, daß die wesentliche Gefahr aber durch die unterlassenen Sicherungsmaßnahmen seitens der Beklagten gesetzt wurde, verteilt das Gericht die Verursachungsbeiträge zwischen Kläger und Beklagten im Verhältnis von 1 zu 2.

Unter Berücksichtigung der eingetretenen Verletzungen und ihrer Folgen sowie des Grades des beidseitigen Verschuldens hält das Gericht daher die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.800,-- EUR für angemessen. Art und Umfang der erlittenen körperlichen Schäden waren in erster Instanz unstreitig und sind dementsprechend auch der Beurteilung im Berufungsverfahren zugrundezulegen.

Gleiches gilt hinsichtlich des zu berücksichtigenden materiellen Schadens, der sich auf 1.067,55 EUR addiert. Dieser Schaden ist dem Kläger mit einer Quote von 2/3, d.h. mit einem Betrag von 711,70 EUR zu ersetzen.

Soweit der Kläger weitergehende Ansprüche geltend macht, bleibt seine Klage abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erging nach §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG, §§ 3 ff. ZPO.

Ende der Entscheidung

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