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Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Beschluss verkündet am 07.05.2007
Aktenzeichen: 5 W 25/07
Rechtsgebiete: BerHG


Vorschriften:

BerHG § 4 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die zulässige weitere Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Schweinfurt - als Vertreter der Staatskasse - vom 10. April 2007 gegen den Beschluss des Landgerichts Schweinfurt - 1. Zivilkammer - vom 2. April 2007 wird zurückgewiesen.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).

Gründe:

I. Die von der 1. Zivilkammer des Landgerichts Schweinfurt als Beschwerdekammer zugelassene weitere Beschwerde gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG ist statthaft und infolge Einhaltung der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen, insbesondere der Wahrung der Zweiwochenfrist gemäß § 33 Abs. 6 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 RVG, bei Eingang der weiteren Beschwerde am 10. April 2007, insgesamt zulässig.

II. Die weitere Beschwerde des Vertreters der Staatskasse hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Schweinfurt hat im angefochtenen Beschluss vom 2. April 2007 rechtsfehlerfrei die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Schweinfurt als Vertreter der Staatskasse zurückgewiesen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen bezieht sich der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Schweinfurt, die der Senat vollumfänglich teilt und die durch das Vorbringen der weiteren Beschwerde nicht entkräftet werden.

Der Senat stimmt mit der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Schweinfurt völlig darin überein, dass der Umstand, dass die Beratungstätigkeit des Rechtsanwalts R. vor der Stellung des Beratungshilfeantrags beim Amtsgericht Bad Neustadt - Zweigstelle Mellrichstadt und vor der entsprechenden Erteilung des Berechtigungsscheines am 23.8.2006 durch das Amtsgericht bereits abgeschlossen war, den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts R. auf Grundlage des BerHG nicht hindert.

Entscheidend hierfür ist die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 3 BerHG, wonach sich die Rechtsuchende, Frau E., die sich wegen Beratungshilfe unmittelbar an Rechtsanwalt R. gewandt hat, den Antrag auf Gewährung von Beratungshilfe auch nachträglich stellen kann.

In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Landgerichts Schweinfurt im angefochtenen Beschluss, vertritt auch der Senat die Auffassung, dass die vorliegend gegebenen Abläufe im Zusammenhang mit der Rechtsberatung durch Rechtsanwalt R. der nachträglichen Antragstellung auf Gewährung von Beratungshilfe und einem entsprechenden Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts R. nicht entgegenstehen.

Soweit von Herrn Rechtsanwalt R. zunächst die Inanspruchnahme der Rechtsschutzversicherung der Rechtsuchenden E. im Zusammenhang mit der rechtlichen Beratung erwogen worden ist und entsprechend bei dem Rechtsschutzversicherer um Deckung nachgesucht wurde, so hat Rechtsanwalt R., wie dies bereits das Landgericht im angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, der Regelung des § 1 Abs. 1 Ziffer 2 BerHG entsprochen, als es der Gewährung von Beratungshilfe entgegensteht, wenn der Rechtsuchenden andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme der Rechtsuchenden zuzumuten ist. Eine solche andere zumutbare Möglichkeit ist namentlich die eventuelle Deckung seitens des Rechtsschutzversicherers eines Rechtsuchenden.

Im Hinblick auf diese andere Möglichkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Ziffer 2 BerHG ist es aus Sicht des Senats nicht erforderlich, dass sich der Rechtsanwalt, an den sich die Rechtsuchende gemäß § 4 Abs. 2 Satz 4 BerHG wegen Beratungshilfe unmittelbar wendet, vor Durchführung der rechtlichen Beratung zunächst Klarheit über die Gewährung von Deckung durch den Rechtsschutzversicherer verschafft, mithin zuwartet und eine Beratung auf Grundlage des BerHG erst dann ausführt, nachdem der Rechtsschutzversicherer die Gewährung von Deckung abgelehnt hat.

Vielmehr ergibt sich aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 4 BerHG ein Beschleunigungszweck im Hinblick auf die anwaltliche Beratung der Rechtsuchenden des Inhalts, dass dem Rechtsanwalt die Durchführung seiner beratenden Tätigkeit auf Grundlage des BerHG unmittelbar eröffnet ist und die Rechtsuchende den gebotenen Antrag eben nachträglich stellt.

Eine andere Auslegung der benannten gesetzlichen Regelungen des BerHG, insbesondere von dessen § 4 Abs. 2 Satz 4, stellt sich dem gesetzlich beabsichtigten Beschleunigungszweck als entgegenstehend dar und überspannt die insoweit sowohl an den Rechtsanwalt, wie auch an die Rechtsuchende zu stellenden Anforderungen.

Insbesondere ist der Senat nicht der Ansicht, dass der Antrag auf Gewährung von Beratungshilfe zeitlich vor der Durchführung der anwaltlichen Beratungstätigkeit liegen müsse; vielmehr steht dieser Auffassung die gesetzliche Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 4 BerHG, wonach der Antrag des Rechtsuchenden auf Gewährung von Beratungshilfe nachträglich gestellt werden kann, ausdrücklich entgegen (vgl. im Weiteren dazu die Gründe des angefochtenen Beschlusses, dort Seiten 6 bis 9, Bl. 54 bis 56 d.A.).

Der Gewährung von Beratungshilfe und dem entsprechenden Vergütungsanspruch seitens Rechtsanwalt R. auf Grundlage des BerHG, steht auch der Inhalt von dessen Schreiben vom 16.8.2006 an die Rechtsuchende (Bl. 2 d.A.) nicht entgegen.

Hintergrund dieses Schreibens war das Ergebnis der Abklärung einer anderen zumutbaren Hilfemöglichkeit (Nichtgewährung von Deckungsschutz durch den Rechtsschutzversicherer) gemäß § 1 Abs. 1 Ziffer 2 BerHG durch Rechtsanwalt R.. Weiter ergibt sich aus dem benannten Anwaltsschreiben, dass sich Frau E. "einen sogenannten Beratungshilfeschein beschaffen" möge.

Hieraus ist zu entnehmen, dass sich die Rechtssuchende Frau E. wegen Beratungshilfe unmittelbar an Herrn Rechtsanwalt R. gewandt hatte und dieser nunmehr, nach Ablehnung der Deckung durch den Rechtsschutzversicherer, auf die Regelungen der Beratungshilfe und die erforderliche nachträgliche Antragstellung seitens der Rechtsuchenden hinwies. Dieser Ablauf liegt durchaus, wie oben ausgeführt, im Rahmen der gesetzlichen Regelungen und auch des Zweckes des BerHG.

Keinesfalls steht es der Gewährung von Beratungshilfe zugunsten der Rechtsuchenden und der entsprechenden Abrechung durch den Anwalt, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nach dem BerHG, entgegen, dass Rechtsanwalt R. für den Fall der Nichtvorlage eines entsprechenden Beratungshilfescheines bis spätestens 31.8.2006 eine mögliche private Liquidation bei der Rechtsuchenden ankündigte.

Vorliegend kann es völlig dahinstehen, ob die im Schreiben von Rechtsanwalt R. vom 16.8.2006 benannte Möglichkeit der privaten Liquidation gegenüber der Rechtssuchenden rechtens wäre, weil es hier nur darauf ankommt, dass die Rechtsuchende, wie tatsächlich gegeben, zum Beratungszeitpunkt bedürftig im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG war, sie sich an den Rechtsanwalt wegen Beratungshilfe unmittelbar gewandt hat und den entsprechenden Antrag nachträglich auf Grundlage des § 4 Abs. 2 Satz 4 BerHG gestellt hat.

Unter Bezugnahme auf den diesbezüglichen Antragsvordruck, vgl. Bl. 1 d.A., darf es in diesem Fall weder der Rechtsuchenden, noch deren Anwalt zum Nachteil gereichen, dass dieser Vordruck für den Fall nachträgliche Antragstellung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 4 BerHG nicht entsprechend gestaltet ist.

Die am Ende dieses Vordruckes enthaltene Erklärung, dass der Antragstellerin in der Angelegenheit, für die sie Beratungshilfe beantrage, bisher Beratungshilfe weder gewährt, noch durch das Amtsgericht versagt worden ist, steht weder der Rechtsmäßigkeit des nachträglichen Begehrens der Rechtsuchenden, noch dem Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes entgegen, der zulässigerweise bereits auf Grundlage des BerHG Rechtsberatung gewährt hat.

Bei Verwendung dieses Vordruckes - ein inhaltlich anders gestalteter existiert nicht - für den Fall der gesetzlich eröffneten nachträglichen Antragstellung, ist der vorbenannte Passus im Vordruck nicht auf die gesetzlich zulässig bereits gewährte Beratungshilfe durch Rechtsanwalt R. zu beziehen, für die dieser Antrag nachträglich gestellt wird.

Abschließend ist im vorliegenden Fall auch nicht davon auszugehen, dass sich Rechtsanwalt R. mit seinem Schreiben vom 16.8.2006 an die Rechtsuchende jede Möglichkeit der finanziellen Entschädigung offen zu halten suchte.

Im ersten Absatz des Schreibens vom 16.8.2006 führt Rechtsanwalt R. aus, dass die Rechtsschutzversicherung Kostenschutz nicht erteilt und weist sogleich in dem Zusammenhang nochmals auf die Möglichkeit hin, gegebenenfalls einen sogenannten Beratungshilfeschein bei der .... zuständigen Rechtsantragsstelle zu beschaffen.

Der am Schluss dieses Schreibens stehende, im Konjunktiv gehaltene Satz, dass nach Ablauf des Monats August ansonsten privat liquidiert werden müsse, bezieht sich aus Sicht des Senats auf die anwaltliche Bitte des Inhalts, dass sich die Rechtsuchende bis 31.8.2006 einen solchen Beratungshilfeschein beschaffen und diesen dem Anwalt vorlegen solle.

Mithin ist diesem Schreiben die nachdrückliche anwaltliche Aufforderung an die Rechtsuchende zu entnehmen, von der Möglichkeit des § 4 Abs. 2 Satz 4 BerHG zur nachträglichen Antragstellung Gebrauch zu machen.

Nach alledem erweist sich die weitere Beschwerde des Vertreters der Staatskasse als unbegründet.

Ende der Entscheidung

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