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Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 21.06.2002
Aktenzeichen: 6 U 9/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGZPO


Vorschriften:

BGB § 459 Abs. 1 S. 2 a.F.
ZPO §§ 3 ff.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 273 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1 n.F.
ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 2 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
EGZPO § 26
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 9/02

Verkündet am 21. Juni 2002

in dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes.

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts und der Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Coburg vom 16. Januar 2002 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsrechtszugs zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,-- EUR abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Das Urteil beschwert den Kläger mit 29.910,58 EUR.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags über einen. BMW 520 i Limousine. Die Vertragsurkunde vom 17.7.2001, eine Standardbestellung eines neuen BMW-Kraftfahrzeuges, weist einen Hauspreis von 58.000,-- DM aus. Bei den Vertragsverhandlungen war der Kläger darauf hingewiesen worden, dass zwischen Herstellung des PKW und Verkauf ein Modellwechsel stattgefunden hatte. Als der Kläger das Fahrzeug im September 2001 zulassen wollte, wurde ihm im Hinblick auf das Ausstellungsdatum des Kfz-Briefes (24.1.2000) zur Auflage gemacht, zuvor eine TÜV-Hauptuntersuchung, eine Abgassonderuntersuchung und eine Umschreibung auf die neuen europäischen Abgasnormen durchführen zu lassen.

Der Kläger meint, dem verkauften PKW fehle die zugesicherte Eigenschaft eines Neuwagens. Er begehrt im Wege des großen Schadensersatzes Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Kfz und Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten mit der Rücknahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils (Bl. 28 ff. d.A.) und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 n.F. ZPO).

Das Landgericht Coburg hat nach Einvernahme des Zeugen die Klage abgewiesen. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils (Bl. 31 ff. d.A.) verwiesen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den erstinstanzlichen Antrag mit gleicher Argumentation weiter. Das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft die Zeugin nicht vernommen.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil mit dessen Argumentationsführung und unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages. Der Senat hat keinen Beweis erhoben.

II.

Die Berufung ist zulässig (§§ 511 ff. n.F. ZPO), in der Sache jedoch unbegründet. Der Senat nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen vollinhaltlich auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 n.F. ZPO).

Lediglich zu zwei Berufungsangriffen des Klägers sind nachfolgende ergänzende Bemerkungen veranlasst:

1. Dem streitgegenständlichen Fahrzeug fehlt weder eine zugesicherte Eigenschaft (§§ 463, 459 Abs. 2 a.F. BGB) noch ist es mit einem nicht unerheblichen Mangel behaftet (§ 459 Abs. 1 S. 2 a.F. BGB).

a) Auch wenn der Kaufvertrag unter Verwendung eines vorgefertigen Formulars über die Bestellung eines BMW-Neufahrzeuges erfolgte, ist gleichwohl wegen der Besonderheiten des Sachverhaltes die gefestigte Rechtsprechung über den Begriff der "Fabrikneuheit" als zugesicherte Eigenschaft (vgl. etwa BGH NJW 2000, 2018; NJW 1980, 1097 und 2127) nicht einschlägig.

In der Rechtsprechung sind Fallgestaltungen anerkannt, bei denen die Verwendung des Begriffs "neu" oder "Neuwagen" unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles nicht als Zusicherung der Eigenschaft als "fabrikneu" zu werten ist (vgl. BGH NJW 2000, 2018; NJW 1997, 1847; OLG Schleswig OLGR 1999, 412; OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 1211; OLG Naumburg, Verk.Mitt. 1994, Nr. 40).

So liegt der Fall hier: Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger bei den Verkaufsverhandlungen im Juli 2001 auf den stattgefundenen Modellwechsel (mit geänderter PS-Stärke des Motors und face lifting im Frontbereich) hingewiesen wurde. Ihm wurde ein sogenannter "Hauspreis" mit einem Nachlass auf den Listenpreis von über 20 % eingeräumt.

Die Einvernahme des Zeugen an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln der Senat ebenso wenig Anlass hat wie das Erstgericht, hat zudem ergeben, dass der Zeuge dem Kläger auch den Modellwechsel im September 2000 mitgeteilt hat. Der Kläger wusste somit, dass er keinen "fabrikneuen" Wagen im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung erwarb, sondern einen neuen, d.h. aus Neuteilen hergestellten und noch nicht genutzten PKW. Diese Auslegung des Begriffs "Neuwagen" im Kaufvertragsformular (§§ 133, 157 BGB) folgt aus den besonderen Umständen des hier zu entscheidenden Einzelfalles. Dem Fahrzeug fehlt auch nicht deswegen die Neuwageneigenschaft, weil er bei Abschluss des Kaufvertrages schon knapp 18 Monate alt war. Der erkennende Senat schließt sich der insoweit herrschenden Meinung in der Rechtsprechung an, wonach ein Lagerfahrzeug auch nach 18 Monaten noch ein Neufahrzeug ist, solange das Fahrzeug keine wesentlichen Mängel aufweist (BGH NJW 1980, 1097; OLG Schleswig a.a.O.: 2 1/2 Jahre/ OLG Zweibrücken a.a.O.: 3 Jahre; OLG Naumburg a.a.O.: 2 Jahre; a.M. OLG Frankfurt, NJW-RR 1998, 1213: 1 Jahr). Zum einen spielt das Baujahr bei der Bewertung eines PKW keine übergeordnete Rolle; vielmehr ist die Erstzulassung das entscheidende Kriterium beim Weiterverkauf als Gebrauchtwagen (so schon BGH NJW 1980, 1097). Vor allem aber spricht hier der verhältnismäßig hohe Preisnachlass von über 20 % auf den Listenneupreis für eine für den Kläger erkennbare längere Stand- und Lagerzeit, zumal dem Kläger im Juli 2001 bei den Vertragsverhandlungen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Hinweis auf den bereits 10 Monate zuvor im September 2000 erfolgten Modellwechsel gegeben worden ist, er sich also auf ein Fahrzeug etwa dieses Alters eingestellt hatte. Wäre es ihm entscheidend auf das Fabrikationsdatum angekommen, hätte er den Verkäufer danach fragen müssen; eine Erkundigungs- und Offenbarungspflicht des Händlers hierüber bestand - auch angesichts des im Kfz-Brief enthaltenen Ausstellungsdatums (24.1.2000) - nicht (vgl. OLG Zweibrücken a.a.O.).

b) Dem Fahrzeug haftete bei Übergabe im Sommer 2001 auch kein nicht nur unwesentlicher Mangel i.S.d. § 459 Abs. 1 S. 2 a.F BGB an. Der Kläger hat nicht behauptet, dass das Fahrzeug die TÜV-Hauptuntersuchung, die Abgas-Sonderuntersuchung oder die Umschreibung auf die neuen EURO-Schadstoffnormen nicht erfolgreich absolvieren bzw. erlangen könne. Ebenso wenig hat er Mängel am Lack oder an den Reifen des Fährzeugs durch die lange Standzeit konkret behauptet. Er hat diese Argumente lediglich zur Interpretation des Begriffs "Neufahrzeug" herangezogen.

Die Tatsache, dass das Fahrzeug wegen Überschreitens der 18-Monatsfrist trotz Neuzulassung dem TÜV und der ASU vorgeführt werden musste, stellt einen allenfalls unwesentlichen, die Gebrauchstauglichkeit nicht dauerhaft beeinträchtigenden Mangel i.S.d. § 459 Abs. 1 S. 2 a.F. BGB dar, zumal die Beklagte dem Kläger angeboten hatte, diese Dinge für ihn zu erledigen.

2. Dem Landgericht ist auch kein Verfahrensfehler dadurch unterlaufen, dass es die Zeugin nicht einvernommen hat. Die Zeugin war ausweislich des Sachvortrages des Klägers im Schriftsatz vom 16.11.2001 (Bl. 14 d.A.) für nicht beweiserhebliche, weil unstreitige Tatsachen angeboten (Hauspreis 58.000,-- DM; Übernahme von anderem Händler aus Konkursmasse; Vormodell). Auch wenn die Umschreibung des Beweisthemas in der Verfügung nach § 273 Abs. 2 ZPO vom 12.11.2001 (Bl. 13 d.A.) bezüglich der Zeugeneinvernahme ("Inhalt der Verkaufsgespräche") sehr pauschal und wenig konkret gefasst war, so handelte es sich dabei doch nur um Ungenauigkeiten, die nicht zwingend auch die Ladung und Einvernahme der teilweise auch hierzu benannten Zeugin nötigten. Entscheidender Beweisinhalt des Beweisangebotes war vielmehr der Hinweis auf den Modellwechsel bereits im September 2000 an den Kläger; hierzu war die Zeugin jedoch (gegenbeweislich) nicht benannt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung der Beschwer, die im Hinblick auf § 26 Nr. EGZPO erfolgt, richtet sich nach §§ 3 ff. ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich, § 543 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 n.F. ZPO.

Ende der Entscheidung

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