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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 25.03.2003
Aktenzeichen: 7 UF 190/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
BGB § 1361 Abs. 1 S. 1
BGB § 1361 Abs. 3
BGB § 1579 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 UF 190/01

in dem Rechtsstreit

wegen Getrenntlebenunterhalts

Der 7. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und der Richter am Oberlandesgericht und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts -Familiengerichts - Kitzingen vom 24. Juli 2001 aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 12. September 2000 noch insgesamt einen Getrenntlebenunterhalt von 119.892,-- DM = 61.299,81 Euro zu zahlen.

Im übrigen werden die Klage und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben zu tragen die Klägerin 72 % und der Beklagte 28 % von den in erster Instanz entstandenen Kosten die Klägerin 73 % und der Beklagte 27 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 128.398,47 DM = 65.649,10 Euro festgesetzt.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. abgesehen.

Gründe:

Die Berufung der Klägerin hat zum Teil Erfolg.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterhalt bei Getrenntleben gemäß § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB in der Zeit vom 1.1.1995 bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils zu. Der Unterhaltsbedarf richtet sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eheleute. Der Senat kann die genaue Höhe des Unterhaltsbedarfs/Unterhaltsanspruchs offenlassen, weil die Klägerin den an sich geschuldeten Unterhalt zumindest teilweise verwirkt hat. Überschlägig errechnet sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin in dem maßgeblichen Zeitraum von insgesamt rund 243.573,-- DM. Auf die beiliegende Unterhaltsberechnung wird Bezug genommen. Der Senat sieht davon ab, einzelne Punkte der Unterhaltsberechnung zu erläutern, weil der an sich insgesamt: für den maßgeblichen Zeitraum geschuldete Unterhalt stets höher ist als der der Klägerin infolge Verwirkung tatsächlich zustehende Unterhalt von insgesamt 152.892,-- DM.

Die Klägerin hat ihren. Unterhaltsanspruch nach § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Nr. 2 BGB für die Zeit ab Juni 1996 teilweise verwirkt, da sie zumindest einen versuchten Prozessbetrug zum Nachteil des Beklagten begangen hat.

Die Klägerin hat sowohl in ihrer Antragsschrift vom 30.5.1996 im einstweiligen Anordnungsverfahren des Scheidungsrechtsstreits - 2 F 361/94 - als auch im Schriftsatz vom 5.3.1997 im vorliegenden Rechtsstreit vortragen lassen, ihre Mieteinnahmen aus dem von ihrem Onkel ... geerbten Zweifamilienhaus in ... beliefen sich auf 420,-- DM + 380,-- DM = 800,-- DM, würden aber aufgezehrt durch Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 361,83 DM + 662,50 DM + 354,17 DM = 1.378,50 DM, weil sie zur Sanierung des Anwesens drei Darlehen in Höhe von insgesamt 215.000,-- DM habe aufnehmen müssen.

Diesem Sachvortrag ist das Amtsgericht - Familiengericht Kitzingen in seinem Beschluss vom 14.11.1996 zunächst gefolgt. Es hat dort auf S. 4 ausgeführt:

Das Einkommen (gemeint: der Klägerin) aus Vermietung und Verpachtung ist mit Null anzusetzen. Die Verluste aus dieser Einkommensart können nicht dazu führen, dass das Gesamteinkommen insoweit gemindert würde.

Erst mit Beschluss vom 23.11.1997 hat es die Einnahmen der Klägerin aus der Vermietung des Hauses in ... berücksichtigt.

Die Angaben der Klägerin waren falsch. Tatsächlich hat die Klägerin die Sanierungsarbeiten gestoppt und für die Sanierung des Hauses in ... höchstens 24.296,09 DM ausgegeben (jetzt eigene Angaben der Klägerin in den Schriftsätzen vom 23.10.2001, vom 28.3.2002 und 17.12.2002).

Diesen Betrag konnte die Klägerin aus dem von ihrem Onkel ... geerbten weiteren Vermögen in Höhe von 205.389,-- DM aufbringen, auch wenn sie aufgrund des Erbschaftssteuerbescheids vom 24.10.1995 Erbschaftssteuer in Höhe von 47.220,-- DM zahlen musste.

Die falschen Angaben der Klägerin waren unterhaltsrechtlich von Bedeutung. Die Einnahmen aus der Vermietung des ererbten Hauses hatten die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien nicht geprägt. Sie beruhten auf einem nicht in den ehelichen Lebensverhältnissen der Parteien angelegten, nach deren Trennung Anfang 1990 eingetretenen Ereignis, nämlich der Beerbung des am 8.2.1994 verstorbenen Onkels ... der Klägerin. Die Mieteinnahmen waren deshalb, soweit sie die mit dem Haus verbundenen Belastungen überstiegen (39,62 DM monatlich für Versicherungen nach dem Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 23.10.2001) auf den Unterhaltsbedarf der Klägerin anzurechnen. Die auf der Darlehensaufnahme von insgesamt 215.000,-- DM am 22.6.1994 beruhenden Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 1.378,50 DM monatlich, mit denen die Klägerin im Ergebnis ihre Mieteinnahmen verrechnen wollte, waren dagegen unterhaltsrechtlich unerheblich.

Sie beruhten auf der letztlich gescheiterten. Anlage von insgesamt 230.000,-- DM bei Unternehmen der ..., die im Jahre 1997 in Konkurs fielen. Da Unterhaltsansprüche den Lebensbedarf einer Person sicherstellen, nicht aber die durch fehlgeschlagene finanzielle Investitionen des Unterhaltsberechtigten entstandenen

Nachteile ausgleichen soll konnte die Klägerin diese Verbindlichkeiten weder bedarfserhöhend geltend machen noch mit eigenen, unterhaltsrechtlich relevanten Einkünften verrechnen.

Die Klägerin hat auch diesbezüglich vorsätzlich gehandelt. Ein nachvollziehbarer Grund, aus dem sich ergeben könnte, dass sie ursprünglich angenommen hat, 215.000,-- DM statt 24.296,09 DM für die Sanierung des Hauses in ausgegeben zu haben, ist nicht erkennbar. Auch auf ein fehlendes Verschulden, nämlich Schuldunfähigkeit, kann sich die Klägerin nicht berufen. Sie ist am 10.12.1997, also relativ zeitnah nach ihrem unzutreffenden Vorbringen von dem Medizinalrat untersucht worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 23.12.1997 auch die von ihr vorgelegten ärztlichen Atteste ausgewertet. Der Sachverständige war zwar nur beauftragt, die Klägerin auf ihre Erwerbsfähigkeit zu untersuchen. Da fehlende Zurechnungsfähigkeit die Erwerbsfähigkeit ausschließt, hätte der Sachverständige zu einer solchen auch. Stellung genommen, wenn er sie erkannt hätte. Das war aber nicht der Fall. Nach dem Gutachten des Sachverständigen litt die Klägerin damals zwar auch an einer Erschöpfungsdepression. Dass diese sie unzurechnungsfähig machte, ergibt sich aus dem Gutachten aber nicht.

Die Klägerin hat darüber hinaus unzutreffende Angaben über ihre Zinseinkünfte gemacht. Noch in der Berufungsbegründungschrift vom 23.10.2001 hat die Klägerin in ihrer Unterhaltsberechnung eigene Zinseinkünfte in Höhe von monatlich 352,08 DM aus einem Sparbrief für den Zeitraum Januar 1995 bis Januar 1996 einschließlich eingestellt und ausführen lassen, dass der Sparbrief im Februar 1996 aufgelöst und das Guthaben verbraucht worden sei. Tatsächlich flossen der Klägerin aber über den Februar 1996 hinaus Zinseinnahmen zu. Diese Zinseinnahmen hat die Klägerin letztendlich erst mit Schriftsatz vom 17.12.2002 genau aufgeschlüsselt und klargestellt. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Klägerin die nunmehr belegten Zinseinnahmen nicht vorher zutreffend hätte vortragen können. Zudem hatte sie in erster Instanz noch angegeben, das Vermögen, aus dem die in erster Instanz vorgetragenen Zinseinnahmen stammten, zur angeblichen Sanierung des ererbten Hauses in ... verwendet zu haben, was ebenfalls nicht zutraf. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Klägerin vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat, um einen höheren Unterhalt zugesprochen zu erhalten.

Das Verschweigen oder die Verschleierung eigener Einkünfte und/oder eigenen Vermögens im Unterhaltsverfahren stellt einen zumindest, versuchten Prozessbetrug dar.

Senat ist der Auffassung, dass die Erfüllung des Verwirkungstatbestandes nach § 1579 Nr. 2 BGB nicht zu einem völligen Wegfall des Unterhaltsanspruchs im vorliegenden Fall führt. Bei einer umfassenden Interessenabwägung aller Umstände unter Einbeziehung der Belange des unterhaltspflichtigen Beklagten und der unterhaltsberechtigten Klägerin und der sonstigen Umstände des konkreten Einzelfalles erscheint es angemessen, den Unterhaltsanspruch der Klägerin ab Juni 1996 in der Weise zu reduzieren, dass umfassend betrachtet die tatsächlichen Zahlungen des Beklagten - auch die auf die einstweiligen Anordnungen vom 14.11.1996 und 23.12.1997 - in Höhe von insgesamt 152.892,-- DM als angemessene Reduzierung des Unterhalts der Klägerin zu bewerten sind. Dabei hat der Senat insbesondere die Dauer der Ehe der. Parteien seit der Eheschließung am 13.10.1972 bis zum Getrenntleben Anfang 1990, die Tatsache, dass die Klägerin drei gemeinschaftliche Kinder großgezogen hat und die recht guten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten im maßgeblichen Zeitraum gewürdigt. Andererseits haben sich die falschen Angaben der Klägerin in dem Erlass einer einstweiligen Anordnung ausgewirkt. Berücksichtigt man weiterhin, dass der Unterhalt nunmehr für einen schon lange abgeschlossenen Zeitraum begehrt wird, die Klägerin in dieser Zeit mietfrei gewohnt hat und ein nicht unerhebliches Immobilien- und Barvermögen ererbt hatte, das sie zumindest teilweise - verspekuliert hat, ist es angemessen, der Klägerin für den zurückliegenden Zeitraum einen Unterhalt zuzusprechen, der sich im Rahmen- der insgesamt erbrachten Unterhaltszahlungen des Beklagten bewegt.

Der Beklagte hat in der Zeit vom 1.1.1995 bis 11.9.2000 insgesamt unstreitig 152.892,-- DM gezahlt, wovon für die Zeit von 1/95 bis einschließlich 3/96 monatlich 2.200,-- DM erbracht worden sind, während der Rest auf die Verpflichtungen aus den einstweiligen Anordnungen fällt. Da die einstweiligen Anordnungen vom 14.11.1996 und 23.12.1997 nicht in materieller Rechtskraft erwachsen (Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., Rdnr. 2 zu § 620 b ZPO), kann der Unterhaltsberechtigte den vollen Unterhaltsanspruch einklagen (Zöller a.a.O., Rdnr. 13 zu § 620 f. ZPO). Anders verhält es sich mit den in der Zeit vom 1/95 bis 3/96 insgesamt gezahlten. 33.000,-- DM, die Erfüllung des geschuldeten Unterhalts sind. Somit beträgt der noch zuzusprechende Unterhalt 119.892,-- DM = 61.299,81 Euro.

Die mit Schriftsatz vom 5.2.2003 weiter geltend gemachte Auskunftsklage der Klägerin ist unbegründet, weil eine zu erteilende Auskunft die Unterhaltsverpflichtung auf keinen Fall beeinflussen kann (BGH FamRZ 1982, 996, 997; FamRZ 1994, 558); denn ein über den oben zuerkannten Anspruch hinausgehender Unterhalt ist. verwirkt (BGH FamRZ 1994, 558).

Über den hilfsweise gestellten Widerklageantrag des Beklagten, ist nicht zu entscheiden, weil die innerprozessual geltend gemachte Bedingung nicht eingetreten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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