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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bamberg
Urteil verkündet am 12.02.2003
Aktenzeichen: 8 U 76/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 273
BGB § 273 Abs. 1
BGB § 274
BGB § 315
BGB §§ 320 ff.
BGB §§ 741 ff.
BGB § 743
BGB § 743 Abs. 1
BGB § 744 Abs. 2
ZPO §§ 42 ff.
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 92 Abs. 2 Ziff. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 513 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Ziff. 2
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 76/02

Verkündet am 12. Februar 2003

wegen Forderung.

Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht und der Richter am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgericht Bayreuth vom 26. Juli 2002 abgeändert.

1. Der Beklagte wird verurteilt, die Zustimmung zu der Auszahlung eines Betrages von 61.355,03 Euro von den gemeinsamen Konten der Parteien bei der Sparkasse (Kontonummern und an die Klägerin zu erteilen und die hierzu erforderlichen Willenserklärungen abzugeben, Zug um Zug gegen Zustimmung der Klägerin zu einer Auszahlung von den genannten Konten in gleicher Höhe an den Beklagten unter Abgabe der hierzu erforderlichen Willenserklärungen seitens der Klägerin.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000,-- Euro - die er auch durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft der Sparkasse oder der, Filiale erbringen darf - abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 26.7.2002 wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 26.7.2002 rügt der Beklagte eine Reihe von Verfahrensfehlern, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen des Landgerichts begründeten. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt des Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 29.10.2002 (Bl. 118 - 154 d.A.) sowie die Schriftsätze des Beklagten vom 4.9.2002 (Bl. 155 - 156 d.A.), 7.2.2003 (Bl. 203 - 206 d.A.) und 10.2.2003 (Bl. 207 - 216 d.A.) samt Anlagen Bezug genommen.

In der Berufungsinstanz, in der er im wesentlichen seinen Sachvortrag aus erster Instanz und aus den dort nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 15.7.2002 und 22.7.2002 (Bl. 75 ff. d.A.) wiederholt, beziffert der Beklagte die seiner Auffassung nach unerlässlichen Investitionen, um das Kinogebäude zu erhalten und vermietbar zu machen nunmehr mit insgesamt 481.000,-- Euro und bietet dazu als Beweis Sachverständigengutachten an. Im einzelnen seien folgende Beträge aufzuwenden:

Kinodach etc. 102.000,-- Euro Schall- und Wärmedämmung 50.000,-- Euro Begradigung des Bodens 100.000,-- Euro Elektrogrundinstallation 25.000,-- Euro Terrassensanierung 50.000,-- Euro Sprinkleranlage 102.000,-- Euro Putzausbesserungen nebst Fassadenanstrich 40.000,-- Euro Sanierung der Treppe zur Terrasse 12.000,-- Euro.

Der Beklagte trägt weiter vor, zwischen dem 16.12.2001 und dem 19.11.2002 seien insgesamt 50.425,80 Euro aus den gemeinsamen Konten an die Klägerin ausgezahlt worden. Weitere 7.000,-- Euro würden nunmehr überwiesen. Diese Betrage müsse sich die Klägerin auf die Klageforderung anrechnen lassen.

Hinsichtlich der vom Beklagten in der Sitzung vor dem Senat am 12.2.2003 übergebenen Aufstellung "Entnahmen" (Bl. 225 d.A.) haben die Parteien unstreitig gestellt, daß die dort genannten Beträge jeweils an beide Parteien ausgezahlt wurden.

Der Beklagte beantragt im zweiten Rechtszug:

1. Das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 26. Juli 2002 -33 O 141/02 - wird aufgehoben bzw. abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Hilfsweise:

Der Beklagte bleibt nur verurteilt, die Zustimmung zur Auszahlung eines Betrages von nur 3.929,20 Euro von den gemeinsamen Konten der Parteien bei der Sparkasse Nr. und/oder die Klägerin zu erteilen und die hierzu erforderlichen Willenserklärungen abzugeben, Zug um Zug gegen Zustimmung der Klägerin zu einer Auszahlung in gleicher Höhe an den Beklagten unter Abgabe der hierzu erforderlichen Willenserklärung seitens der Klägerin.

Der Beklagte hat darum gebeten, ihm zu gestatten, eine ihm etwa verfahrensrechtlich obliegende Sicherheit nach seiner Wahl auch durch die Stellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft der Sparkasse oder der Filiale zu leisten.

Außerdem hat der Beklagte beantragt, im Falle seines Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt:

Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 265.7.2002 wird zurückgewiesen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und führt aus, das Rechenwerk des Beklagten in zweiter Instanz sei nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Die vom Beklagten aufgeführten Maßnahmen seien zur notwendigen Erhaltung des Objekts nicht erforderlich. Allenfalls durchzuführende Behelfsreparaturen seien mit einem wesentlich geringeren Kostenaufwand als vom Kläger beziffert durchzuführen. Notwendige Maßnahmen könnten im übrigen nach Auszahlung der von ihr begehrten Summe mit noch vorhandenen Mitteln, aus zukünftigen Mieteinnahmen, aus Eigenvermögen oder durch Aufnahme von Krediten durchgeführt werden. Eine wirksame Vereinbarung der Parteien über die Bildung von Rücklagen oder über eine grundlegende Umgestaltung des Objekts gebe es nicht.

Die Klägerin beziffert die Guthabenstände auf den Konten der Sparkasse, der, Filiale und dem Depot zum 11.6.2002 mit insgesamt 368.021,35 Euro und zum 5.12.2002 mit insgesamt 340.577,19 Euro (vgl. zu den Einzelheiten S. 10 und 11 des Schriftsatzes vom 17.12.2002; Bl. 194, 195 d.A.).

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12.2.2002 hat die Klägerin Bestätigungen über die Kontenstände des Depots vom 9.12.2002 des Depots und des Sparkontos bei der AG, Filiale vom 11.2.2003 und des Girokontos und des Sparkontos bei der Sparkasse vom 12.2.2003 (Bl. 226 -230 d.A.), auf deren Inhalt Bezug genommen wird, vorgelegt.

Ergänzend wird zum Vorbringen der Klägerin in zweiter Instanz auf den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 17.12.2002 (Bl. 167 ff. d.A.) samt den damit übergebenen Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache nur insoweit Erfolg, als die vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung des Beklagten, die Zustimmung zu der Auszahlung eines Betrages von 61.355,03 Euro von den gemeinsamen Konten der Parteien bei der Sparkasse Kontonummern und an die Klägerin zu erteilen und die hierzu erforderlichen Willenserklärungen abzugeben nur Zug um Zug gegen die Zustimmung der Klägerin zu einer Auszahlung von den genannten Konten in gleicher Höhe an den Beklagten unter Abgabe der hierzu erforderlichen Willenserklärungen seitens der Klägerin Bestand hat.

Das Landgericht hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 26.7.2002 (Bl. 94 - 100 d.A.) mit zutreffender Begründung und ohne daß ihm Verfahrensfehler vorzuwerfen sind, angenommen, daß die Klägerin aufgrund ihrer zulässigen Klage grundsätzlich einen Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung von 61.355,03 Euro gemäß § 743 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten hat. Insoweit nimmt der Senat mit Ausnahme der Ausführungen des Landgerichts zur Ablehnung einer Zug-um-Zug-Verurteilung zunächst Bezug auf diese Entscheidungsgründe.

Im Rahmen der gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO erforderlichen kurzen Begründung des Senatsurteils sind ergänzend noch folgende Ausführungen veranlaßt:

1. Soweit der Beklagte in zweiter Instanz erneut rügt, das Landgericht habe zu Unrecht seine örtliche Zuständigkeit angenommen, finden seine Ausführungen hierzu keine Berücksichtigung. Ausführungen des Senats zur örtlichen Zuständigkeit sind entbehrlich, da die Berufung gemäß § 513 Abs. 2 ZPO nicht darauf gestützt werden kann, daß das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

2. Nach Ansicht des Senats ist das Landgericht zu Recht von der Prozeßfähigkeit der Klägerin ausgegangen.

Wer wie der Beklagte die Prozeßunfähigkeit des Prozeßgegners behauptet, muß entsprechende Tatsachen für hinreichende Anhaltspunkte vortragen. Erst wenn solche hinreichenden Anhaltspunkte gegeben sind, bedarf es einer Erhebung der angebotenen Beweise (vgl. BGH NJW 1969, 1574).

Aus dem Vortrag des Beklagten in beiden Instanzen lassen sich nach Auffassung des Senats keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß an der Prozeßfähigkeit der Klägerin zu zweifeln ist. Anhaltspunkte dafür, daß sich die Klägerin in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet und deshalb nicht mehr in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen, ergeben sich weder aus dem Vortrag des Beklagten noch aus den Erkenntnissen, die der Senat aufgrund des persönlichen Auftretens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 12.2.2003 gewonnen hat.

Der Beklagte stützt sich darauf, daß die Klägerin einer "Gehirnwäsche" durch ihren Ehemann bzw. durch die Familie ihres Ehemannes unterzogen worden sei. Eine übermäßige krankhafte Beherrschung durch den Willen anderer ist zwar grundsätzlich geeignet, zur Prozeßunfähigkeit zu führen (vgl. BGH NJW 1996, 918). Allerdings genügt für die Annahme von Prozeßunfähigkeit nicht allein Willensschwäche oder Beeinflußbarkeit durch Dritte.

Der Beklagte definiert zwar den Begriff "Gehirnwäsche" richtig, indem er darauf abstellt, daß in einem solchen Fall psycho-physische Mittel angewandt werden, um einem Dritten den eigenen Willen aufzuzwingen. Mit dem Landgericht ist aber auch der Senat bei Überprüfung der vom Beklagten vorgetragenen Episoden aus der Familiengeschichte, die zu einem erheblichen Teil auch andere Personen als die Klägerin betreffen, zu der Auffassung gelangt, daß damit bei weitem nicht angenommen werden kann, die Klägerin unterliege bei ihren Entscheidungen allein dem Willen ihres Ehemannes.

Allein der Umstand, daß die Klägerin ihren Anteil an den Früchten des gemeinsamen Eigentums erlangen will und einer grundlegenden Umgestaltung des streitgegenständlichen Objekts nicht zustimmen will führt nicht dazu, anzunehmen, dem lägen fremdbestimmte und völlig unvernünftige Gesichtspunkte zugrunde.

Auch aus den von der Klägerin vor dem Senat in der mündlichen Verhandlung vom 12.2.2003 gemachten Äußerungen war in keiner Weise zu entnehmen, daß Anhaltspunkte für eine Prozeßunfähigkeit der Klägerin gegeben sind.

Bei dieser Sachlage mußten weder das Landgericht noch der Senat eine Beweisaufnahme, etwa durch Vernehmung der Parteien oder durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Prozeßunfähigkeit der Klägerin durchführen.

3. Soweit der Beklagte im Rahmen seiner Berufung die Befangenheit des entscheidenden Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bayreuth als Verfahrensfehler geltend macht (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., vor § 41 Rdnr. 2), führt dies nicht zum Erfolg der Berufung.

Da der Einzelrichter des Landgerichts Bayreuth in der Hauptsache entschieden hat, würde einem Befangenheitsantrag i. S. der §§ 42 ff. ZPO vor dem Landgericht das Rechtsschutzbedürfnis fehlen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 42 Rdnr. 6 m. Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Im Rahmen der Prüfung durch das Berufungsgericht, ob das Ersturteil auf Rechtsfehlern beruht, kann jedoch die Rüge des Beklagten, die gesamte Begründung des landgerichtlichen Urteils beruhe auf einer Voreingenommenheit des Richters ihm gegenüber, überprüft werden.

Bei dieser Überprüfung kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß eine Befangenheit des entscheidenden Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bayreuth nicht angenommen werden kann. Dabei ist entscheidend, daß selbst irrige Rechtsauffassungen und grobe Fehler des Richters, soweit sie nicht auf Willkür beruhen, nicht zur Befangenheit führen. Von einer willkürlichen Entscheidung des Erstgerichts kann unter keinen Umständen gesprochen werden. Das landgerichtliche Urteil ist umfassend, rechtlich argumentierend, begründet und kommt auch im Ergebnis - bis auf die unterlassene Zug-um-Zug-Verurteilung - nach Auffassung des Senats zum richtigen Ergebnis.

Auch soweit der Beklagte rügt, die Befangenheit des Erstrichters ergebe sich aus den Ausführungen auf Seite 6 des Urteils, wo von "weitschweifenden und teilweise recht abstrusen Ausführungen des Beklagten" die Rede ist, die "allenfalls die tiefe Feindseligkeit des Klägers - richtig des Beklagten - zu der Familie, in die seine Schwester eingeheiratet hat" die Rede ist, kann der Senat keine Befangenheit erkennen. Dem Gericht ist bei seiner Ausdrucksweise ein erheblicher Verhaltensspielraum zuzubilligen. Ungeschminktes Beschreiben von Umständen ist zu tolerieren (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., Rdnr. 17). Dieser Verhaltensspielraum wird erst überschritten, soweit völlig unsachliche Äußerungen, Beleidigungen oder massive Angriffe seitens des Gerichts vorliegen. Solche liegen nach Auffassung des Senats aber bei den beanstandeten Formulierungen im Urteil nicht vor.

4. Bei Berücksichtigung des gesamten Sachvortrags des Beklagten kommt der Senat zu der Überzeugung, daß ohne die Durchführung einer Beweisaufnahme das Klagebegehren auf Zustimmung des Beklagten zur Auszahlung von 61.355,03 Euro aus den gemeinsamen Konten der Parteien bei der Sparkasse an die Klägerin, mit der Einschränkung der Zug-um-Zug-Verurteilung, begründet ist.

Der Anspruch der Klägerin ergibt sich, wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, aus § 743 Abs. 1 BGB und ist lediglich durch § 744 Abs. 2 BGB dergestalt eingeschränkt, daß die im Interesse der Gemeinschaft zur Erhaltung der Substanz oder des wirtschaftlichen Wertes des gemeinschaftlichen Eigentums im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung objektiv erforderlichen Maßnahmen gewährleistet sein müssen. Von § 744 Abs. 2 BGB sind nur notwendige, nicht nur nützliche (wertsteigernde) Maßnahmen gedeckt. Notwendig ist eine Maßnahme nur dann, wenn sie vom Standpunkt eines vernünftigen Eigentümers aus als zur Erhaltung des Gegenstands notwendig erscheint (vgl. Staudinger/Langhein, BGB, Neubarbeitung 2002, § 744 Rdnr. 21).

Bei Zugrundelegung des Vertrags des Beklagten können auch unter Berücksichtigung des Umstands, daß das Kinogebäude denkmalschutzwürdig ist, als objektiv notwendig nur solche Erhaltungsmaßnahmen angesehen werden, das Schäden am Gebäude in seinem jetzigen Zustand beseitigen bzw. solchen vorbeugen. Dazu gehören die Reparaturen, die Wassereintritt ausschließen bzw. daraus resultierende Schäden beheben, also die Sanierung des Kinodaches samt Dachrinnen und Fallrohren, die Terrassen- und Treppenabdichtung sowie Ausbesserungen am Putz und Fassadenanstrich. Die hierzu aufzuwendenden Kosten hat der Beklagte mit insgesamt 204.000,-- Euro beziffert.

Stellt man diesen Betrag dem derzeit vorhandenen Guthaben der Eigentümergemeinschaft gegenüber, verbleibt auch bei Berücksichtigung von Kursschwankungen der Fondsanteile ein Betrag, der es zuläßt, die von der Klägerin geforderte Summe sowohl an sie als auch an den Beklagten auszuzahlen. Nach den in der mündlichen Verhandlung vom 12.2.2003 vorgelegten Bestätigungen, deren Richtigkeit der Beklagte nicht bestritten hat, ist gemeinsames Geldvermögen in einem Gesamtumfang von über 350.000,-- Euro vorhanden (vgl. Bl. 226 - 230 d.A.). Lediglich die Bestätigung über den Wert des Fonds liegt etwa zwei Monate zurück. Die anderen Bestätigungen datieren vom 11. und 12.2.2003, also zeitnah zur Entscheidung des Senats. Im übrigen zeigt ein Vergleich der von der Klägerin zum 11.6.2002 und 5.12.2002 genannten Guthabenstände (vgl. Bl. 6 dieses Urteils) mit den genannten Bestätigungen, daß trotz zwischenzeitlich erfolgter Auszahlungen an beide Parteien der Saldo annähernd gleich hoch ist.

Alle anderen vom Beklagten genannten Maßnahmen bezüglich des Kinogebäudes sind nach Ansicht des Senats nicht als objektiv notwendig im oben genannten Sinn anzusehen. Schall- und Wärmedämmung des Daches, Bodenbegradigung des Kinosaals, Erneuerung der Elektroinstallation sowie Einbau einer Sprinkleranlage sind lediglich nützliche Investitionen im Hinblick auf eine wesentliche Veränderung bzw. andere Nutzung des Kinogebäudes. Dazu bedürfte es der Zustimmung der Klägerin, die diese nicht gegeben hat.

Eine solche Zustimmung ist nicht im Einverständnis der Klägerin mit den Umbuchungen der regelmäßig eingehenden Mietzinszahlungen aus den vermieteten Einheiten des Gebäudekomplexes vom Girokonto auf das Sparkonto bei der Sparkasse zu sehen. Der Vorgang des Geldtransfers als solcher ist neutral und sagt nichts dazu aus, weshalb Geld auf dem Sparkonto angesammelt wird. Die von der Klägerin dazu abgegebene Erklärung, sie habe diesem Vorgang nur wegen der höheren Zinsen zugestimmt, ist genauso plausibel, wie die bestrittene und nicht bewiesene Behauptung des Beklagten, dies geschehe, um einverständlich Rücklagen für nicht unmittelbar anstehende Sanierungs- oder Umgestaltungsmaßnahmen zu bilden.

Auch aus den Unterlagen B 5, B 6 und B 17 ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die Zustimmung der Klägerin zur Bildung von Rücklagen für Maßnahmen, die über solche, die in § 744 Abs. 2 BGB genannt sind, hinausgehen. Die Anlage B 5 betrifft das Einverständnis der Klägerin zur Einholung von Kostenangeboten für die Behebung von Schäden durch Wassereintritt an der Terrasse über dem Kinofoyer und an der Treppe. Die Anlage B 6 betrifft das prinzipielle Einverständnis der Klägerin im Hinblick auf Verhandlungen mit Mietinteressenten. Aus der Anlage B 17 ergibt sich, daß die Klägerin erneut ihr Einverständnis bezüglich Verhandlungen mit Mietinteressenten und mit der Einholung von Angeboten für die Terrassenabdichtung erklärt hat.

Zu berücksichtigen ist schließlich, daß ein vernünftiger Eigentümer nur solche Aufwendungen zur Erhaltung einer Sache machen wird, die durch Nutzung oder jedenfalls Veräußerung wieder realisiert werden können; wirtschaftlich nicht vertretbare Maßnahmen sind prinzipiell nicht notwendig i.S. von § 744 Abs. 2 BGB (vgl. Staudinger/Langhein, a.a.O., m. Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Zwar ist nach Staudinger (a.a.O., Rdnr. 22) eine rein kurzfristige betriebswirtschaftliche Kosten/Nutzenrechnung zu vermeiden. Die vom Beklagten genannten Maßnahmen, die über notwendige hinausgehen, lassen aber kein Gesamtkonzept erkennen, das die dargestellten umfassenden Baumaßnahmen auch zukünftig wirtschaftlich sinnvoll erscheinen ließe. Allein der Umstand, daß sich zwei Mietinteressenten (Möbelfirma; Spielothek) beim Beklagten gemeldet haben, reicht dazu nicht aus. Aus einer Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 12.2.2003 ergibt sich, daß eine Vermietung des Kinogebäudes derzeit nicht absehbar ist und auch von Umständen abhängig sein kann, auf die die Parteien keinen Einfluß haben (vgl. Bl. 222 d.A.).

Im übrigen würden die vom Beklagten für notwendig gehaltenen Umbaumaßnahmen in ihrer Gesamtheit mit einem Kostenaufwand von 481.000,-- Euro das derzeitig verfügbare Geldvermögen der Eigentümergemeinschaft erheblich übersteigen, ohne daß eine Neuvermietung überhaupt gesichert ist. Die Klägerin kann aber gegen ihren Willen nicht zur Kreditaufnahme oder zum Einsatz von privaten Mitteln gezwungen werden, um die vorhandene Differenz auszugleichen. Auch aus diesem Grund kann nicht angenommen werden, daß die vom Beklagten als notwendig geschilderten Maßnahmen wirtschaftlich sinnvoll und vertretbar sind.

Nur am Rand sei in diesem Zusammenhang angemerkt, daß die, auch vom Senat als wirklich notwendig angesehenen Maßnahmen zur Verhinderung eines Wassereintritts trotz des Umstandes, daß sie vom Beklagten schon in der Klageerwiderung vom 3.5.2002 als dringend erforderlich bezeichnet wurden, nach seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 12.2.2003 bis heute von ihm nicht in Auftrag gegeben wurden (vgl. Bl. 222 d.A.).

Der Senat mußte weder zur Frage, welche Maßnahmen notwendig i.S. des § 744 Abs. 2 BGB sind oder nicht, noch zur Frage der dafür aufzuwendenden Kosten Beweis, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, erheben. Die Beurteilung welche der vom Beklagten für erforderlich gehaltenen Maßnahmen dem § 744 Abs. 2 BGB unterliegen, ist eine Rechtsfrage, die der Senat zu beantworten hat und die keiner Beweiserhebung zugänglich ist. Bei der Kostenhöhe ist der Senat zugunsten des Beklagten von dessen Bezifferung ausgegangen.

5. Die Klägerin muß sich keine Zahlungen aus dem gemeinschaftlichen Geldvermögen anrechnen lassen, die nach Klageerhebung an sie geflossen sind. Diese Zahlungen, die sich aus der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 12.2.2003 übergebenen Aufstellung "Entnahmen" (Bl. 225 d.A.) ergeben, sind nach einer Erklärung des Beklagten (vgl. Bl. 221 d.A.) in gleicher Höhe jeweils an den Beklagten geflossen.

Entscheidungsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin ist der Streitstoff am Schluß der mündlichen Verhandlung. Zu diesem Zeitpunkt läßt es das vorhandene Geldvermögen der Eigentümergemeinschaft (Früchte aus dem Miteigentum gemäß § 743 Abs. 1 BGB), auch bei Berücksichtigung der notwendig durchzuführenden Maßnahmen am Gebäude, zu, daß weitere 61.355,03 Euro an die Klägerin und der gleiche Betrag auch an den Beklagten ausgezahlt werden können.

Daß der Beklagte bezüglich der zwischenzeitlich an die Klägerin geleisteten Auszahlungen gemäß § 315 BGB bestimmt habe, daß diese auf die mit der Klage geltend gemachte Forderung zu verrechnen seien, hat er selbst nicht behauptet. Zudem setzt § 315 BGB eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung voraus, daß einer Partei ein Leistungsbestimmungsrecht zustehen soll (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 315 Rdnr. 4). Innerhalb einer Gemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB gebührt aber gemäß § 743 BGB jedem Teilhaber ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte. Sofern Guthaben aus Zinseinnahmen vorhanden waren und sind stand und steht der Klägerin ein ihrer Teilhabe entsprechender Anteil jederzeit zur Auszahlung zu.

6. Im Gegensatz zum Landgericht ist der Senat der Auffassung, daß eine Zug-um-Zug-Verurteilung zu erfolgen hat.

Die Argumentation des Landgerichts, es läge kein fälliger Gegenanspruch des Beklagten vor, was eine Zug-um-Zug-Verurteilung ausschließe, überzeugt nicht.

Die Zug-um-Zug-Verurteilung kann zwar nicht aus den §§ 320 ff. BGB hergeleitet werden. Es liegt kein gegenseitiger Vertrag vor, denn die Gemeinschaft ist im Innenverhältnis ein gesetzliches Schuldverhältnis (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 741 Rdnr. 9). Auf gesetzliche Schuldverhältnisse sind die §§ 320 ff. grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., Einf. vor § 320, Rdnr. 11).

Allerdings ergibt sich die Zug-um-Zug-Verurteilung aus §§ 273, 274 BGB. Die Gemeinschaft ist "das selbe rechtliche Verhältnis" i.S. von § 273 Abs. 1 BGB. Entgegen der Meinung des Landgerichts liegt dann, wenn dem Klagebegehren stattgegeben wird, auch ein fälliger Anspruch des Beklagten auf Zustimmung zur Auszahlung der gleichen Summe an sich vor. Mit seinem Vortrag zur hilfsweise begehrten Zug-um-Zug-Verurteilung gibt der Beklagte nämlich zu erkennen, daß er dann den gleichen Betrag auch für sich beanspruchen will, wenn er einer Auszahlung an die Klägerin zustimmen muß. Aus dem Gemeinschaftsverhältnis ergibt sich, daß jeder der Miteigentümer den gleichen Anspruch hat.

Schließlich kann der Beklagte die von ihm geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird, also ein Zurückbehaltungsrecht ausüben, das zur Zug-um-Zug-Verurteilung führt.

Die dem Beklagten gebührende Leistung wurde von der Klägerin noch nicht bewirkt i.S. des § 273 Abs. 1 BGB. Zwar hat sie, auch noch in der mündlichen Verhandlung vom 12.2.2003, erklärt, daß sie einer Auszahlung des Betrages von 61.355,03 Euro auch an den Beklagten zustimme. Diese Erklärung wurde bisher jedoch nur gegenüber dem Beklagten abgegeben und könnte theoretisch widerrufen werden. Damit tatsächlich eine Auszahlung auch an den Beklagten erfolgen kann, müßte die Klägerin die entsprechenden Willenserklärungen gegenüber der Bank abgeben, diese insbesondere anweisen, eine Auszahlung vorzunehmen. Da dies bisher nicht geschehen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, daß ihre Leistung i.S. des § 273 Abs. 1 BGB bewirkt ist.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO.

Zwar handelt es sich dann, wenn nicht wie beantragt, sondern nur Zug um Zug verurteilt wird, um ein Teilunterliegen. Dieses Teilunterliegen ist vorliegend aber nur verhältnismäßig geringfügig i.S. des § 92 Abs. 2 ZPO, denn bei der Kostenentscheidung ist die wirtschaftliche Tragweite der teilweisen Klageabweisung zu berücksichtigen. Diese ist bei der Klägerin zu vernachlässigen, denn der Erfolg ihrer Klage zieht automatisch nach sich, daß ein entsprechender Betrag auch den Beklagten zusteht. Zudem hat die Klägerin in der Vergangenheit immer wieder erklärt, daß sie sich einer Auszahlung eines Betrages in gleicher Höhe an den Beklagten nicht widersetze.

8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

Der Beklagte darf gemäß seiner Bitte die Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft erbringen (§ 108 ZPO).

9. Die Revision ist nicht zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 liegen nicht vor.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO), weil das konkrete Ergebnis des Rechtsstreits ausschlaggebend auf einer tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall beruht.

Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO). Es liegt kein Fall vor, der Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Der Senat weicht auch nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab.

Ende der Entscheidung

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