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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Braunschweig
Beschluss verkündet am 31.08.2000
Aktenzeichen: 1 RE-Miet -1/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 597 Abs. 2
ZPO § 541 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 7
ZPO § 165
ZPO § 165 Satz 1
ZPO § 164
ZPO § 592
ZPO § 291
ZPO § 541
BGB § 537 Abs. 3
BGB § 541 Abs. 1 Satz 1
BGB § 557 Abs. 1
BGB § 557
BGB § 554
BGB § 554 Abs. 1 Satz 1
BGB § 554 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 545 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 1 RE-Miet -1/00 Landgericht Göttingen: 5 S 4/00 Amtsgericht Göttingen: 21 C 168/99

Beschluss

In dem Rechtsstreit

wegen Rechtsentscheids

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig

am 31. August 2000

beschlossen:

Tenor:

Ein Rechtsentscheid ergeht nicht.

Gründe:

I)

Die Klägerin macht im Wege des Urkundsprozesses aus der Vermietung einer Wohnung Ansprüche auf Mietzins bwz. Nutzungsentschädigung geltend.

Die Beklagten mieteten bei der Klägerin eine Wohnung zu einem monatlichen Mietzins von 2.150,00 DM zuzüglich 300,00 DM Nebenkostenvorauszahlung im Monat. Die Beklagten zahlten der Klägerin 6.450,00 DM als Mietkaution. In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Differenzen über die Größe der Kellerräume und die Gartennutzung. Die Beklagten behielten Teilbeträge von der Miete ein. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis durch Schreiben vom 24. Februar 1999 wegen angeblichen Mietrückstandes in Höhe von 5.440,00 DM und nochmals durch Schreiben vom 5. August 1999 wegen eines nach Auffassung der Klägerin aufgelaufenen Rückstandes in Höhe von 9.803,59 DM. Mit Schreiben vom 7. August 1999 erklärten sich die Beklagten zur vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses bereit und kündigten die Räumung der Wohnung zum 30. Oktober 1999 an. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 9. August 1999, dass sie die Räumungsankündigung zur Kenntnis nehme.

Zwischenzeitlich hatte die Klägerin vor dem Amtsgerichts Göttingen rückständige Miete in Höhe von insgesamt 4.240,00 DM für den Zeitraum von November 1997 bis August 1998 eingeklagt. Die Klage war durch Urteil vom 18. Juni 1999 abgewiesen worden. Das Amtsgericht hatte eine Mietminderung von 10 % wegen zu kleiner Kellerräume und von 5 % wegen zugesagter, aber nicht gewährter Gartennutzung für berechtigt gehalten und im übrigen auf die Widerklage der Beklagten festgestellt, dass die Beklagten zur Nutzung des Gartens gegen eine monatliche Zahlung von 50,00 DM berechtigt seien. Über die Berufung der Klägerin ist vom Landgericht Göttingen (5 S 92/99) durch Urteil vom 19. Januar 2000 entschieden worden.

Im vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin, nachdem der Rechtsstreit in Höhe von 500,00 DM wegen einer nachträglichen Zahlung der Beklagten für erledigt erklärt worden war, insgesamt 9.300,00 DM Mietzins für den Zeitraum von August bis November 1999. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, die Mietzinsansprüche könnten nicht im Urkundsprozess geltend gemacht werden, so könnten sich im übrigen auf die Minderung wegen der Keller- und Gartennutzung berufen und haben dazu u.a. das Amtsgerichtsurteil sowie das Protokoll einer Zeugenvernehmung vor dem Amtsgericht vorgelegt. Sie haben sich weiter auf eine Minderung wegen des Lärms durch Bauarbeiten berufen, die ab Juli 1999 von der Klägerin durchgeführt worden sind, und dazu Parteivernehmung der Klägerin beantragt. Die Beklagten haben schließlich für den Fall, dass nach Minderung noch ein Mietrückstand verbleibe, aufgerechnet mit einer Schadensersatzforderung in Höhe von 1.392,35 DM Anwaltskosten, die den Beklagten bei der Abwehr der Kündigung vom 24. Februar 1999 entstanden sind, sowie mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution in Höhe von 6.450,00 DM. Die Klägerin ist der Minderung entgegengetreten.

Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass Mietzinsansprüche aus Wohnraummiete nicht im Urkundsprozess geltend gemacht werden könnten; die Klage sei daher im Urkundenprozess als unzulässig gem. § 597 Abs. 2 ZPO abzuweisen (Das Urteil des Amtsgerichts ist in NZM 2000, 236 = Nds. Rpfl 2000, 107 veröffentlicht.).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, der die Beklagten entgegengetreten sind. Das Landgericht hat die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt: Können Mietzinsansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum zulässiger Weise auch im Wege des Urkundsprozesses geltend gemacht werden? Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Entscheidung der Kammer über die Berufung von der Beantwortung der Frage abhänge, da die Berufung der Klägerin unbegründet sei, wenn die Klage auf Wohnraummiete im Urkundenprozess nicht zulässig sei. Die Rechtsfrage sei durch Rechtsentscheid noch nicht entschieden und angesichts der unterschiedlichen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur von grundsätzlicher Bedeutung. Auch wenn es sich um eine prozessrechtliche Frage handle, bestehe doch ein enger innerer Sachzusammenhang mit dem materiellen Wohnraumrecht. Die Kammer sehe die Klage auf Wohnraummietzins im Urkundenprozess aus Gründen des sozialen Mietrechts und wegen Umgehung des § 537 Abs. 3 BGB als unzulässig an.

II)

Die Vorlage ist unzulässig.

A.

1.

Die Vorlage ist allerdings nach § 541 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft. Das Landgericht hat den Vorlagebeschluss als Berufungsgericht in einer Mietsache erlassen.

2.

Es handelt sich bei der vorgelegten Rechtsfrage auch um eine Rechtsfrage, die sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum ergibt. Zwar geht es um eine zunächst verfahrensrechtliche Frage. Dies führt aber entgegen einer verbreiteten Auffassung (LG Augsburg WuM 1993, 416; LG Bonn NJW 1986, 624, 625; LG Berlin ZMR 1998, 776) nicht zur Unzulässigkeit der Vorlage und des Rechtsentscheidsverfahrens. Es ist nämlich anerkannt, dass auch Fragen des Prozessrechts zum Gegenstand eines Rechtsentscheids gemacht werden können, wenn die prozessuale Rechtsfrage in einem engen inneren Zusammenhang mit einer Rechtsfrage des materiellen Wohnraumrechts steht und aus diesem heraus zu beantworten ist (BGHZ 89, 275; Zöller - Gummer, ZPO, 21. Aufl. 1999, § 541 Rdnr. 17; vgl. auch Rimmelspacher in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 541 Rdnr. 7 ff, 9).

Entscheidend für die Beurteilung des engen Zusammenhangs mit dem materiellen Wohnraumrecht und der Beantwortbarkeit der Frage aus diesem Zusammenhang ist nach Auffassung des Senats der Vorlagebeschluss. Das Landgericht nimmt einen Zusammenhang zwischen der Statthaftigkeit des Urkundenprozesses und dem materiellen Wohnraummietrecht (u.a. § 537 Abs. 3 BGB) an und möchte die Klagemöglichkeit im Urkundenprozess gerade aus Gründen des Wohnraummietrechts verneinen. Für die Zulässigkeit der Vorlage kommt es nicht darauf an, ob der vom Landgericht gesehene enge Zusammenhang zwischen der prozessrechtlichen Frage und dem Wohnraummietrecht nach der Rechtsauffassung des Senats tatsächlich besteht oder nicht. Dies ist vielmehr erst im Rahmen der sachlichen Bescheidung der Vorlagefrage zu beantworten. Für die Zulässigkeit der Vorlage muss es dagegen ausreichen, dass das vorlegende Gericht den erforderlichen Zusammenhang mit dem Wohnraummietrecht annimmt und die Entscheidung der Verfahrensfrage aus seiner Sicht aus dem Wohnraummietrecht zu beantworten ist.

3.

Die Rechtsfolge hat auch grundsätzliche Bedeutung (§ 541 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO). Insbesondere ist die vorgelegte Frage nicht durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. März 1999 (NJW 1999, 1408 = WuM 1999, 345) abschließend geklärt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Geschäftsraummiete ergangen. Das Landgericht will hiervon für den Bereich des Wohnraummietrechts gerade abweichen. Im übrigen gibt es eine in Rechtsprechung und Literatur verbreitete Meinung, die die Geltendmachung von Mietzinsforderung im Urkundsprozess für unstatthaft hält (LG Augsburg a.a.O.; LG München WuM 1998, 558; LG Berlin a.a.O.; Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl. 1996, Rdnr. 1470; Eisenschmidt in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl. 1999, § 537 Rdnr. 338 unter Verweis auf Rdnr. 296; Herkenrath in Anmerkung zu LG Bonn WuM 1986, 110), und zwar auch nachdem die oben zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen ist (Eisenhardt MDR 1999, 901 für den Fall der Geltendmachung von Mängeln der Mietsache; Greiner, Urkundenprozess und Einrede des nicht erfüllten Vertrages, NJW 2000, 1314 mit anderer Auffassung zur Beweislast).

B.

1.

Die Vorlage des Landgerichts ist jedoch im Ergebnis deswegen unzulässig, weil sich nicht feststellen lässt, dass die vorgelegte Rechtsfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist. Die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage ist weitere Voraussetzung der Zulässigkeit der Vorlage. Die Worte "bei der Entscheidung" in § 541 Abs. 1 Satz 1 BGB bedeuten, dass die Entscheidung des vorlegenden Berufungsgerichts auf der Beantwortung der vorgelegten Frage beruhen muss. Die Entscheidungserheblichkeit kann nicht selbstständig vom Senat beurteilt werden. Da das Landgericht alle Rechtsfragen außer der Frage, die zum Rechtsentscheid vorgelegt wird, als zuständiges Berufungsgericht in eigener Verantwortung zu beurteilen hat, ist das Oberlandesgericht, das über einen Rechtsentscheid zu befinden hat, grundsätzlich an die vom Landgericht im Vorlagebeschluss vertretene und niedergelegte Rechtsauffassung ebenso wie an die Tatsachenfeststellung gebunden (BayObLGZ 1987, 36, 38 f). Damit das für den Rechtsentscheid zuständige Gericht prüfen kann, ob das Landgericht die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Fragen gesehen und gewürdigt hat, ist es unerlässlich, dass die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage im Vorlagebeschluss nachvollziehbar dargelegt ist (BayObLG a.a.O.; OLG Celle Nds. Rpfl 1984, 43 und 233). Diesen Anforderungen genügt der Vorlagebeschluss nicht.

2.

Das Landgericht hat sich nicht damit befasst, dass die Verkündung des Amtsgerichtsurteils nicht protokolliert ist. Nach § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO ist die Verkündung der Entscheidung im Protokoll festzustellen. Nach § 165 ZPO kann die Beachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden. Wegen der hieraus folgenden negativen Beweiskraft des Protokolls muss davon ausgegangen werden, dass die nicht protokollierte Verkündung des Urteils auch nicht erfolgt ist (OGHZ 1, 1, 2; Peters in Münchener Kommentar zur ZPO, 1. Aufl., § 165 Rdnr.4). Der Verkündungsvermerk auf dem Urteil kann das Verkündungsprotokoll nicht ersetzen (BGH VersR 1989, 604; 1990, 637); ebenso wenig kann dies die Formulierung im Eingang des Urteils ("hat das Amtsgericht im weiteren Verlauf der Sitzung am 8. Dezember 1999 in Abwesenheit der Parteien ... für Recht erkannt."), da die Verkündung nach § 165 Satz 1 ZPO nur durch das Protokoll nachgewiesen werden kann und andere Beweismittel nicht zulässig sind.

Muss demnach zwingend angenommen werden, dass das Urteil des Amtsgerichts vom B. Dezember 1999 nicht verkündet worden ist, so handelt sich nur um einen Urteilsentwurf bzw. ein Scheinurteil, dass nicht Grundlage für eine sachliche Entscheidung des Berufungsgerichts sein kann (OLG Frankfurt FamRZ 1991, 100; OLG Zweibrücken FamRZ 1992, 972, 973). Die Berufung ist gleichwohl zulässig, weil durch die Zustellung des mit dem Verkündungsvermerk versehenen Urteils der äußere Anschein eines verkündeten Urteils hervorgerufen wurde. Das Landgericht könnte auf die Berufung hin das nicht verkündete Urteil jedoch nur aufheben und die Sache an das Amtsgericht zurückverweisen, da die erste Instanz nicht wirksam beendet worden ist. Eine eigene Sachentscheidung wäre hingegen nicht zulässig, so dass es auf die Frage der Statthaftigkeit des Urkundsprozesses nicht ankäme.

Es spricht allerdings alles dafür, dass das Urteil tatsächlich im Termin vom 8. Dezember 1999 am Schluss der Sitzung verkündet worden ist und dass lediglich die Protokollierung der Verkündung versehentlich unterlassen wurde. Wenn die zutrifft, könnte das Terminsprotokoll auch noch nachträglich nach § 164 ZPO berichtigt und um die tatsächlich erfolgte, versehentlich nicht protokollierte Verkündung ergänzt werden. Bevor dies geschehen ist, besteht aber die Möglichkeit einer Sachentscheidung des Landgerichts nicht.

3.

Auch ungeachtet dieser Frage steht jedoch die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage nicht fest. Der Vorlagebeschluss des Landgerichts genügt nicht den oben dargestellten Anforderungen an die Darstellung der Entscheidungserheblichkeit. Die Kammer hat lediglich ausgeführt, dass, wenn die Klage auf Wohnraummiete im Urkundenprozess nicht zulässig sei (wie das Landgericht annimmt), die Berufung unbegründet sei. Dies ist im Grundsatz auch richtig. Allerdings ist klarzustellen, dass das Amtsgericht die Klage, wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, nicht als unzulässig, sondern als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen hat. Das Amtsgericht hat in den Entscheidungsgründen an zwei Stellen ausgeführt, dass die Klage als unzulässig gem. § 597 Abs. 2 ZPO abzuweisen sei. Da § 597 Abs. 2 ZPO aber nicht die Unzulässigkeit der Klage, sondern deren Unstatthaftigkeit in der gewählten Prozessart betrifft, ist der Urteilstenor, der lediglich die Abweisung der Klage als unzulässig enthält, als Abweisung der Klage als im Urkundenprozess unstatthaft auszulegen. Dies entspricht auch der Rechtslage. Ist der erhobene Anspruch seinem Gegenstand nach gem. § 592 ZPO für den Urkundenprozess ungeeignet, ist die Klage nach § 597 Abs. 2 durch Prozessurteil als in der gewählten Prozessart unstatthaft abzuweisen (Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1993, § 597 Rdnr. 3; Olzen in Wieczorek/ Schütze, ZPO, 3. Aufl. 1998, § 597 Rdnr. 6), weil eine besondere Sachurteilsvoraussetzung des Urkundsprozesses fehlt. Als unzulässig abgewiesen wird die Klage hingegen dann, wenn eine der allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen fehlt; die unabhängig von den besonderen Voraussetzungen des Urkundenverfahrens erforderlich sind (Olzen a.a.O. Rdnr. 2). Dies ist hier nicht der Fall. Somit wäre im Berufungsurteil ggf. klarzustellen, dass die Klage -lediglich- als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen ist.

4.

Das Landgericht hat im Vorlagebeschluss nicht geprüft, wie über die Berufung der Klägerin zu entscheiden wäre, wenn man es nicht für unstatthaft hielte, Ansprüche auf Wohnraummiete generell oder aber im Falle der Berufung des Beklagten auf Mängel der Mietsache im Urkundenprozess geltend zu machen. Die Kammer hat offenbar angenommen, dass eine Entscheidung mit dem gleichen Ergebnis, nämlich der Abweisung der Klage als im Urkundenprozess unstatthaft, nicht in Betracht komme, und deshalb von einer rechtlichen und tatsächlichen Würdigung des Prozessstoffes abgesehen. Dieser Ausgangspunkt des Landgerichts trifft jedoch nicht zu. Vielmehr erscheint es durchaus möglich, dass die Klage auch dann als im Urkundenprozess unstatthaft abzuweisen ist, wenn man die Geltendmachung von Wohnraummietzins mit der herrschenden Meinung für grundsätzlich statthaft hält.

5.

Die Klägerin hat unstreitig den Mietvertrag zweimal fristlos gekündigt, nämlich mit Schreiben vom 24. Februar 1999 und vom 5. August 1999. Sollte die erste Kündigung wirksam sein, könnte der gesamte Klageanspruch, bei Wirksamkeit der zweiten Kündigung der weitaus größte Teil des Klageanspruchs nicht mehr auf den Mietvertrag gestützt werden, sondern statt dessen auf § 557 Abs. 1 BGB. Danach kann der Vermieter, wenn der Mieter die gemietete Sache nach der Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgiebt, für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung den vereinbarten Mietzins verlangen. Anspruchsvoraussetzungen sind also die Nichtrückgabe und die fortdauernde Vorenthaltung der Mietsache. Nun haben die Beklagten unstreitig die Wohnung bis Ende Oktober 1999 genutzt und sie danach geräumt. Für November 1999 könnte die Klägerin demnach Nutzungsentschädigung nicht verlangen. Hinsichtlich der Monate August bis Oktober 1999 stellt sich die Frage, ob die Beweisbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen des § 557 BGB durch Urkunden Statthaftigkeitsvoraussetzung nach § 592 ZPO ist oder ob von einem bereits erbrachten, aber lückenhaften Urkundenbeweis auszugehen ist, der durch unstreitige Tatsachen ergänzt werden kann. Wenn es hierauf ankommt, wird sich das Landgericht mit der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. April 1974 (BGHZ 62, 286 ff) auseinander zu setzen haben.

Sollte die Kammer danach zu dem Ergebnis kommen, dass der Urkundenbeweis, soweit er nach § 592 ZPO für die Anspruchsvoraussetzungen des § 557 Abs. 1 BGB zu fordern ist, nicht durch Urkunden erbracht werden kann, so wäre die Klage insoweit als im Urkundenprozess unstatthaft abzuweisen (§ 597 Abs. 2 ZPO). Hingegen wäre die Klage hinsichtlich des Monats November 1999 als - endgültig - unbegründet abzuweisen (§ 597 Abs. 1 ZPO, vgl. BGH MDR 1976, 561; Schlosser in Stein/Jonas a.a.O., § 597 Rdnr. 10). Da das Amtsgericht die Klage insgesamt aber als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen hat und nur die Klägerin hiergegen Berufung eingelegt hat, kommt wegen des Verschlechterungsverbots (§ 536 ZPO) eine Abweisung der Klage als unbegründet durch das Berufungsgericht nicht in Betracht. Vielmehr bliebe es, soweit sich die Klageforderung als unbegründet erweist, bei der Abweisung der Klage als in der Prozessart unstatthaft (RGZ 44, 121, 123; 57, 42, 44; Schlosser in Stein/Jonas a.a.O., § 597 Rdnr. 8 d; Olzen in Wiezcorek/Schütze a.a.O., § 597 Rdnr. 22). Die Berufungsentscheidung wäre mithin die gleiche wie bei genereller Unstatthaftigkeit der Mietzinklage im Urkundenprozess.

6.

Die vorstehenden Überlegungen kommen möglicherweise aber deswegen nicht zum Tragen, weil jedenfalls die Kündigung vom 24. Februar 1999 unwirksam sein könnte. Sie ist nämlich wegen eines Mietrückstandes von 5.440,00 DM erklärt worden. Hierin enthalten sind offenbar die 4.240,00 DM, die Gegenstand des Vorprozesses gewesen sind. Das Amtsgericht hatte die damalige Mietzinsklage der Kläger abgewiesen. Das Berufungsurteil des Landgerichts ist von den Beklagten nicht vorgelegt worden, auch haben sie im Schriftsatz vom 2. Mai 2000 nicht das Ergebnis des Berufungsverfahrens mitgeteilt. Allerdings könnten die Ausführungen der Beklagten hinsichtlich des Berufungsurteils darauf hindeuten, dass die Berufung der Klägerin zurückgewiesen worden ist. Feststellungen zum Ausgang des damaligen Berufungsverfahrens hat das Landgericht im Vorlagebeschluss nicht getroffen, obgleich das Berufungsverfahren vor der gleichen Kammer, die später den Vorlagebeschluss erlassen hat, geführt worden ist. Sollte die Zurückweisung der Berufung der Klägerin im Vorprozess als offenkundig gem. § 291 ZPO festzustellen sein oder jedenfalls aufgrund des von den Beklagten auf Hinweis vorzulegenden Berufungsurteils, so entfiele der Mietrückstand in Höhe der rechtskräftig aberkannten 4.240,00 DM. Der restliche Mietzinsrückstand von 1.200,00 DM ist weitaus niedriger als der Mietzins für einen Monat und rechtfertigt nicht die fristlose Kündigung nach § 554 BGB.

Die Wirksamkeit der Kündigung vom 5. August 1999 hängt davon ab, ob die Mietminderung, auf welche sich die Beklagten wegen der zu geringen Kellerräume und der ihnen verwehrten Gartennutzung berufen, in Höhe von 15 % monatlich begründet ist. Zieht man nämlich die - möglicherweise - aberkannten 4.240,00 DM sowie 15 % Mietminderung für elf Monate (September 1998 bis Juli 1999) im Betrag von 11 X 322,50 DM = 3.547,50 DM von dem im Kündigungsschreiben vom 5. August 1999 geltend gemachten Mietzinsrückstand von 9.803,59 DM ab, so verbleibt ein Betrag von 2.016,09 DM, der wiederum unter dem Betrag von einer Monatsmiete liegt und den Tatbestand des § 554 Abs. 1 Satz 1 i.V. Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht erfüllen kann.

7.

Ob die Mietminderung in Höhe von 15 % monatlich wegen der genannten Mängel der Mietsache gerechtfertigt und auch im Urkundenprozess nachgewiesen ist, hat das Landgericht nicht geprüft. Die Beklagten haben hierzu außer der Korrespondenz zwischen den Parteien das im Vorprozess ergangene Urteil des Amtsgerichts vorgelegt sowie ein Zeugenvernehmungsprotokoll vom 28. Mai 1999. Außerdem könnte das Landgericht das Berufungsurteil im Vorprozess verwerten, wenn es dem Gericht offenkundig ist oder von den Beklagten vorgelegt wird.

Sollte die Berufung der Klägerin gegen das Amtsgerichtsurteil im Vorprozess zurückgewiesen worden sein, so stünde aufgrund des Widerklageausspruchs rechtskräftig fest, dass die Klägerin verpflichtet war, den Beklagten die Gartennutzung gegen Zahlung eines Entgelts von 50,00 DM monatlich zu gestatten. Unstreitig hat die Klägerin den Beklagten diese Nutzung jedoch in der Folgezeit nicht eingeräumt. Das Amtsgericht und möglicherweise, falls die Berufung zurückgewiesen worden sein sollte, auch das Landgericht haben deswegen eine Mietminderung in Höhe von 5 % für gerechtfertigt gehalten. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht im jetzigen Berufungsverfahren zu dem gleichen Ergebnis kommt.

Hinsichtlich der im Vorprozess den Beklagten zugebilligten Minderung der Miete wegen zu kleiner Kellerräume wird das Landgericht ebenfalls die vorgelegten Urkunden zu prüfen haben. Möglicherweise kommt das Landgericht auch in diesem Punkt zu dem Ergebnis, dass die Beklagten durch Urkunden nachgewiesen haben, dass ihnen bei Abschluss des Mietvertrages größere Kellerräume zugesagt worden waren und die Klägerin diese Zusage nicht eingehalten hat. Da den Beklagten unstreitig auch später keine anderen und größeren Kellerräume zur Verfügung gestellt worden sind, würde sich der im Vorprozess festgestellte Mangel auch auf die nachfolgende Zeit erstrecken. Amtsgericht und, falls die Berufung zurückgewiesen worden sein sollte, auch das Landgericht haben wegen der zu kleinen Kellerräume eine Mietminderung in Höhe von 10 % der Miete angenommen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu diesem Ergebnis auch im jetzigen Berufungsverfahren, das im Urkundenprozess geführt wird, kommt.

In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass die von den Beklagten vorgelegte schriftliche Aussage des Zeugen B vermutlich im Urkundenprozess nicht berücksichtigungsfähig ist. Denn das Verbot der Zeugenvernehmung im Urkundenprozess kann nicht dadurch umgangen werden, dass eine schriftliche Zeugenerklärung als Urkunde eingereicht wird (Zöller/Greger, a.a.O. § 592 Rdnr. 14). Diese schriftliche Zeugenaussage wäre nur verwertbar, wenn sie aufgrund eines Beweisbeschlusses des Landgerichts Göttingen im Vorprozess eingeholt worden wäre, da sie dann an die Stelle des urkundenbeweislich verwertbaren Protokolls über die Vernehmung eines Zeugen in einem anderen Zivilprozess getreten wäre. Dies erscheint aber ausgeschlossen, da die schriftliche Aussage des Zeugen B unter dem gleichen Datum erfolgt ist wie die Begründung der Berufung im Vorprozess.

Sollte das Landgericht demnach bei sachlicher Prüfung des Beklagtenvorbringens und der vorgelegten Urkunden und insbesondere aufgrund seiner Kenntnis des im Vorprozess ergangenen Berufungsurteils zu dem Ergebnis kommen, dass die Mietminderung in Höhe von 15 % der Miete gerechtfertigt ist, so entfiele, wie oben dargelegt, der Mietrückstand weitgehend, so dass auch für die Kündigung vom 05. 08.1999 ein Kündigungsgrund nicht vorgelegen hätte.

8.

Könnten sich demnach die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aus dem Mietvertrag ergeben, so wäre dafür zunächst durch Vorlage des Mietvertrages ausreichender Beweis geführt.

a) Es wäre dann zunächst zu prüfen, ob der Mietvertrag durch die von den Parteien vorgelegte Korrespondenz Anfang August 1999 einverständlich per Ende Oktober 1999 aufgehoben worden ist. Immerhin haben sich die Beklagten auf die fristlose Kündigung der Klägerin hin zur vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses zu Ende Oktober 1999 bereiterklärt, und die Beklagten haben die für den 30.11.1999 angekündigte Räumung mit Schreiben vom 09.08.1999 ausdrücklich zur Kenntnis genommen, ohne zu widersprechen und sich mietvertragliche Ansprüche für die Folgezeit vorzubehalten. Sieht man in diesen Erklärungen einen Aufhebungsvertrag, so ist die Klage wiederum hinsichtlich des Monats November 1999, also in Höhe von DM 2.450,00, unbegründet. Wegen des Schlechterstellungsverbots müsste es aber insoweit bei der Abweisung der Klage als unstatthaft bleiben.

b) Anschließend stellt sich erneut die Frage nach der Berechtigung der Mietminderung und deren Nachweis im Urkundenprozess. Hinsichtlich der Kellerräume und der Gartennutzung wird auf die obigen Ausführungen unter Ziff. 7 verwiesen. Soweit die Beklagten sich auf Mietminderung auch wegen Baulärms ab Juli 1999 berufen, ist zunächst zu prüfen, ob die Klägerin das detaillierte Vorbringen der Beklagten hierzu in der Klageerwiderung in hinreichender Form bestritten hat bzw. ob das Bestreiten ohne eigenen Sachvortrag hierzu einem Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) gleichzusetzen und als solches zulässig ist. Die Vorschrift des § 545 Abs. 2 BGB steht der auf den Baulärm gestützten Minderung jedenfalls nicht entgegen; die Anzeigepflicht gilt nicht für Mängel, die der Vermieter kennt (Palandt/Putzo, BGB, 59. Aufl. 2000, § 545 Rdnr. 1). Die Bauarbeiten sind aber von der Klägerin selbst in Auftrag gegeben worden.

Das Landgericht wird dann ggf. aufgrund des Vorbringens der Beklagten zu beurteilen haben, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum es eine Mietminderung für gerechtfertigt hält.

9.

Letztlich muss es auf die Frage, in welchem Umfang sich eine Mietminderung feststellen läßt, überhaupt nicht ankommen.

Sollte nämlich der von der Klägerin erhobene Anspruch hinsichtlich des Monats November unbegründet sein, verbliebe noch ein Betrag von DM 6.850,00, der sich aus dem Mietzins für die Monate August bis Oktober 1999 zusammensetzt und die von den Beklagten geleistete Zahlung von DM 500,00 berücksichtigt. Die Beklagten rechnen hilfsweise mit Gegenforderungen in Höhe von DM 1.392,35 wegen eines Schadensersatzanspruchs und von DM 6.450,00 wegen Rückzahlung der Kaution auf, also mit Forderungen in einem Gesamtbetrag, der den nach Abzug der November-Miete noch verbliebenen Streitbetrag übersteigt. Es ist nicht auszuschließen, dass sich auch bereits im Urkundenprozess die Berechtigung der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen feststellen läßt.

Wie bereits oben ausgeführt ist, erweist sich die Kündigung vom 24.02.1999 als unwirksam, wenn das im Vorprozess ergangene Urteil des Amtsgerichts durch Zurückweisung der Berufung rechtskräftig geworden sein sollte. Die unberechtigte Kündigung wäre dann als Vertragsverletzung anzusehen, welche einen Schadensersatzanspruch der Beklagten aus positiver Vertragsverletzung begründet. Dass die Beklagten zur Abwehr der ungerechtfertigten Kündigung einen Rechtsanwalt beauftragt haben, ist adäquate Folge der Vertragsverletzung. Die durch Anwaltsrechnung belegte Höhe der hierdurch entstandenen Kosten ist, soweit ersichtlich, nicht zu beanstanden. Damit ließe sich die erste der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen in Höhe von DM 1.392,35 ohne weiteres feststellen.

Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand besteht auch der ebenfalls zur Aufrechnung gestellte Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der Kaution in Höhe von DM 6.450,00. Die Klägerin hat hierzu nichts vorgetragen und insbesondere keine Ansprüche dargelegt, mit denen sie ihrerseits vorrangig gegen den Rückzahlungsanspruch der Beklagten aufrechnen könnte (ggf. trotz der inzwischen nach § 558 BGB eingetretenen Verjährung, § 390 S. 2 BGB). Selbst wenn die Klägerin derartige Forderungen aber noch darlegen sollte, obläge es ihr, die Berechtigung dieser Forderungen bei streitigem Sachverhalt auch zu beweisen. Dann wird zu prüfen sein, ob ihr dies in dem von ihr angestrengten Urkundenprozess mit den dort zugelassenen Beweismitteln möglich ist.

Lassen sich die zur Hilfsaufrechnung gestellten Gegenforderungen der Beklagten positiv feststellen oder kann die Klägerin sie nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln ausräumen, so ist ihre Klage gem. § 597 Abs. 2 ZPO als im Urkundenprozess unstatthaft abzuweisen. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Aufrechnung hilfsweise erfolgt ist mit der ausdrücklichen Erklärung der Beklagten, sie solle erst geltend gemacht werden, soweit nach Feststellung ihres Mietminderungsrechts noch ein Mietrückstand verbleibe. Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, ist nämlich auch dann, wenn zwar nicht die vom Beklagten in erster Linie erhobenen Einwendungen, wohl aber die zur Hilfsaufrechnung gestellten Gegenforderungen mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln bewiesen sind, die Klage als in der gewählten Prozessart unstatthaft abzuweisen (BGHZ 80, 97 ff.), und zwar auch dann, wenn der Kläger Gegeneinwendungen gegen die Aufrechnungsforderung erhebt, die er seinerseits im Urkundenprozess nicht beweisen kann (BGHZ 80, 97 ff; NJW 1986, 2767). Dadurch tritt keine unangemessene Benachteiligung des Klägers ein, weil er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung jederzeit vorn Urkundenprozess abstehen und dadurch in das ordentliche Verfahren übergehen kann (§ 596 ZPO). Die Klägerin hat dies bereits "hilfsweise" angekündigt.

C.

Ist nach allem möglich oder jedenfalls nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des Streitstoffes auch unabhängig von der Beantwortung der vorgelegten Rechtsfrage zur Abweisung der Klage als in der gewählten Prozessart unstatthaft gelangt, muss die Vorlage mangels Entscheidungserheblichkeit als unzulässig angesehen werden. Falls jedoch die Klägerin nicht vom Urkundenprozess Abstand nehmen sollte und falls die Kammer nach umfassender Prüfung zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der Klage - sei es auch nur für einen geringen Teil - durch Vorbehaltsurteil stattzugeben wäre, wenn man die generelle Statthaftigkeit der Geltendmachung von Ansprüchen auf Wohnraummiete im Urkundenprozess bejaht, und außerdem zu dieser Frage bei ihrer bisherigen Auffassung bleiben sollte, kann und muss sie die Rechtsfrage erneut vorlegen, da die Voraussetzungen des § 541 ZPO im übrigen vorliegen, wie oben ausgeführt ist.

Ende der Entscheidung

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