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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Braunschweig
Beschluss verkündet am 05.11.2008
Aktenzeichen: 1 W 64/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 142
ZPO § 142 Abs. 1
ZPO § 142 Abs. 2
ZPO § 143
ZPO § 144
ZPO § 422
ZPO § 424 Nr. 5
ZPO § 428
ZPO § 429 S. 1
ZPO § 430
ZPO § 512
ZPO § 529
ZPO § 567 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftszeichen: 1 W 64/08

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Isermann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Miersch und den Richter am Oberlandesgericht Brand am 5. November 2008 beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 16.8.2008 - 4 O 235/07 - wird als unzulässig verworfen, soweit darin der Antrag auf Erlass einer Anordnung, Frau Katharina Z. die Vorlage der in ihrem Besitz befindlichen sowohl vom St. L. Krankenhaus H. als auch dem Beklagten gefertigten Röntgenaufnahmen von den Folgen des Reitunfalls vom 2.11.1992 aufzugeben, zurückgewiesen worden ist.

2. Die Beschwerde wird im Übrigen - betreffend die Entscheidung über den Hilfsantrag auf Fristsetzung gem. § 428 ZPO - als unbegründet zurückgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.750,00 € festgesetzt.

5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt als Haftpflichtversicherung aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin, einer Klinik, in der die Patientin Frau Z. zuerst (unstreitig) fehlerhaft behandelt worden ist, den Beklagten, einen niedergelassenen Arzt, wegen der dort - ebenfalls (streitig) fehlerhaften - Zweitbehandlung der Patientin im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs in Anspruch. Die Patientin hatte sich bei einem Reitunfall eine Verletzung im rechten Ellenbogengelenk zugezogen.

Die im relevanten Zeitraum von der Klinik und dem Beklagten angefertigten Röntgenbilder befinden sich im Besitz der Patientin. Sie sind für die Einholung des gerichtlich bereits angeordneten Sachverständigengutachtens im vorliegenden Regressprozess erforderlich. Die Patientin weigert sich, die Röntgenbilder hierfür zur Verfügung zu stellen. Sie hat außerdem ihre vormalige Schweigepflichtentbindungserklärung widerrufen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie erachte das Verhalten der Klägerin im Verhältnis zu ihr bei der noch andauernden Schadenregulierung für verzögernd und kleinlich. Unter der Voraussetzung, dass die Klägerin die Schadensregulierung ihr gegenüber "etwas geschmeidiger" gestalten sollte, würde es ihr "leichter fallen", sich dem Ansinnen der Klägerin auf Herausgabe der Röntgenbilder "wohlwollend gegenüber zu treten".

Die Klägerin hat daraufhin im vorliegenden Rechtsstreit beantragt, das Landgericht solle der Patientin gem. §§ 428, 142 ZPO die Vorlage der genannten Röntgenbilder durch Anordnung aufgeben, hilfsweise, gem. § 428 ZPO "eine angemessene Frist zur Klageerhebung" bestimmen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.8.2008 hat das Landgericht beide Anträge abgelehnt. Der Blick auf die Röntgenbilder betreffe den unantastbaren Kernbereich der Privatsphäre der Patientin. Ohne die Schweigepflichtentbindung bestehe hinsichtlich der Röntgenbilder, die den Intimbereich der Patientin beträfen, ein Beweisverbot.

Gegen diesen ihr am 25.8.2008 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit dem am 4.9.2008 vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, die Patientin sei in ihrer Haltung nicht schutzwürdig. Durch den angefochtenen Beschluss werde der effektive Rechtsschutz der Klägerin zunichte gemacht.

Das Landgericht hat der Beschwerde ohne weitere Begründung nicht abgeholfen und sie mit Beschluss vom 8.10.2008 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die (sofortige) Beschwerde ist hinsichtlich der Zurückweisung des Hauptantrages nicht statthaft.

Gegen Anordnungen nach den §§ 142 bis 144 ZPO findet sowohl im Falle ihres Erlasses wie ihrer Ablehnung keine Anfechtung statt. Eine Anfechtung kann nur zusammen mit dem Urteil erfolgen (MüKo-ZPO/Wagner, ZPO, 3. Aufl., §§ 142-144 Rn. 7; OLG Karlsruhe OLGR 2005, 484; OLG Frankfurt OLGR 2005, 594).

Nach § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde gegen erstinstanzliche Entscheidungen statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist - was hier nicht der Fall ist - oder wenn es sich um eine Entscheidung handelt, die eine mündliche Verhandlung nicht erfordert und durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.

Auch diese Voraussetzung liegt nicht vor.

Ob der Partei (oder einem Dritten) nach § 142 ZPO die Vorlage von Urkunden oder sonstigen Unterlagen aufgegeben wird, liegt im Ermessen des Gerichts, das es im Rahmen der materiellen Prozessleitung auszuüben hat (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 142 Rn. 1, 2). Solche Maßnahmen der Verfahrensleitung, mögen sie angeordnet oder abgelehnt werden, unterliegen ebenso wenig wie die Anordnung oder Ablehnung eines Beweisbeschlusses der sofortigen Beschwerde (vgl. OLG Karlsruhe OLGR 2003, 225, 226; OLG Brandenburg OLGR 2000, 436; OLG München OLGR 2004, 368; OLG Zweibrücken OLGR 1990, 392; BayObLG FamRZ 2002, 108 für § 19 FGG; Zöller/Greger a.a.O.; MüKo-ZPO/Wagner a.a.O.). Mit solchen Ablehnungen oder Anordnungen wird, weil sie ohnehin auch von Amts wegen zu ergehen haben, auch dann nicht über ein das Verfahren betreffendes Gesuch entschieden, wenn eine Prozesspartei den entsprechenden Antrag stellt (§ 428 ZPO). Dieser ist für die Anordnung der Vorlage oder die Unterlassung solcher Anordnungen nicht vorausgesetzt (MüKo-ZPO-Lipp, Aktualisierungsband zur 2. Aufl., § 567 Rn. 9, 10 m. N.). Ob durch eine gleichwohl erfolgte Antragstellung das Entscheidungsermessen des Gerichts eingeschränkt wird oder entfällt (so Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 142 Rn. 33), ist insoweit unerheblich.

Der im Schrifttum zum § 142 ZPO vertretenen gegenteiligen Ansicht (Stein/Jonas/Leipold, a.a.O., Rn. 43 zu Unrecht verweisend auf die zur Frage der Zulässigkeit nicht begründete Entscheidung OLG Köln JMBlNRW 1966, 285; ohne Begründung: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 142 Rn. 28, und Musielak/Stadler, ZPO, 6. Aufl., § 142 Rn. 13) ist nicht zu folgen. Sie steht auch im Widerspruch zu §§ 512, 529 ZPO, wonach prozessleitende Beschlüsse des Gerichts als Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgehen (Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 512 Rn. 1) und dieses vorbereiten, der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegen und die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Tatsachenfeststellung (die sich ggf. auch aus unterlassenen Maßnahmen nach § 142 ZPO ergeben mag) das Berufungsgericht zu erneuter Feststellung verpflichtet (vgl. MüKo-ZPO/Wagner, a.a.O., § 142 Rn. 6f.).

2. Hinsichtlich der Zurückweisung des Hilfsantrages auf Fristsetzung gem. § 428 ZPO ist die sofortige Beschwerde zwar statthaft und zulässig, weil sie form- und fristgerecht eingelegt worden ist.

Sie ist jedoch unbegründet.

Das Beschwerdegericht ist auf die Überprüfung der formellen Voraussetzungen des Fristsetzungsantrages beschränkt, weil es in die Sachkompetenz des Prozessgerichts nicht eingreifen kann (vgl. MüKo-ZPO/Schreiber, 3. Aufl., § 431 Rn. 3; vgl. § 355 Abs. 2 ZPO).

Diese formellen Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Der Antrag auf Fristsetzung zur Herbeischaffung der Urkunde gemäß § 428 ZPO verlangt gemäß § 430 ZPO u. a. auch die Glaubhaftmachung eines Anspruchs des Beweisführers gegen den Besitzer der Urkunde (bzw. des Augenscheinsobjekts, § 371 Abs. 2 ZPO) auf Vorlage. Als ein solcher Vorlegungsgrund kommt gem. §§ 428, 430, 424 Nr. 5, 429 S. 1, 422 ZPO, da es nicht um den Besitz des Beweisgegners, sondern eines Dritten geht, nur ein materieller Herausgabeanspruch des Beweisführers gegen den Dritten in Betracht (vgl. MüKo-ZPO/Schreiber, 3. Aufl., § 430 Rn. 1). Beweisführerin ist die Klägerin. Wie sich aus der Antragsschrift vom 1.7.2008 und der Beschwerdebegründung vom 4.9.2008 ergibt, behauptet die Klägerin aber nicht, einen materiellen Anspruch gegen die Patientin auf Herausgabe der Röntgenbilder zu haben. Die Fristsetzung nach § 428 ZPO dient indes nur dazu, dem Beweisführer eine Schonfrist zur Herbeischaffung der Urkunde (bzw. des Augenscheinsobjekts) zu verschaffen (Zöller/Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 428 ZPO Rn. 1). § 428 ZPO ermöglicht es hingegen nicht, einem weiteren Dritten - hier dem St. L.Krankenhaus - oder dem Prozessgegner - hier dem Beklagten - eine Frist zur Herbeischaffung zu setzen, wie das die Klägerin nach dem Inhalt ihrer Antragsbegründung vom 1.7.2008 offenbar anstrebt. Eine Fristsetzung zur Klageerhebung sieht § 428 ZPO ohnehin nicht vor.

III.

Für das weitere Verfahren vor dem Landgericht ist auf Folgendes hinzuweisen:

In der Sache selbst ist der Senat der Auffassung, dass die Kammer von Amts wegen im Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens der Patientin Frau Z. gemäß § 142 ZPO bzw. § 144 ZPO aufzugeben haben dürfte, die verfahrensgegenständlichen Röntgenbilder vorzulegen (vgl. Stein/Jonas-Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 142 Rn. 33, der im Falle eines Antrags gem. §§ 428, 142 ZPO sogar davon ausgeht, dass das Gericht dem Antrag unter den Voraussetzungen des § 142 ZPO ohne Ermessen zu entsprechen hat).

1. Der Umstand, dass die Patientin die Schweigepflichtentbindungserklärung widerrufen hat, begründet nicht bereits für sich allein hinsichtlich der Röntgenbilder ein Beweisverbot. Der Umstand führt lediglich dazu, dass ihre Behandler das Recht haben, das Zeugnis zu verweigern und die Herausgabe von Unterlagen (und Röntgenbilder) abzulehnen, soweit dies zu einer Umgehung ihres in Anspruch genommenen Zeugnisverweigerungsrechts führen würde. Nimmt der solchermaßen zur Zeugnisverweigerung Berechtigte dieses Recht nicht in Anspruch, so begründet dieser Umstand für sich allein kein Verbot zur Verwertung seiner Bekundungen (BGH NJW 1977, 1198, 1199).

Zeugnisverweigerungsrechte Dritter schützen die Persönlichkeitssphäre dessen, der sich einem Beichtvater, Arzt, Rechtsanwalt, Steuerberater usw. (vgl. § 203 Abs. 1 und 2 StGB; MüKo-ZPO/Damrau, a.a.O., § 383 Rn. 37f.) anvertraut und damit rechnet, dass die zur Behandlung und Beratung notwendigen Angaben und Erkenntnisse aus der Persönlichkeitssphäre geheim bleiben (vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, GG-Kommentar, 5. Aufl., Art. 2 Abs. 1, Rn. 104).

Die Nichtentbindung von der Schweigepflicht bedeutet (nur), dass derjenige, dessen Persönlichkeitsrecht durch die Schweigepflicht geschützt wird, nicht auf den Schutz verzichten möchte. Die Reichweite seines Persönlichkeitsrechts wird dadurch folglich nicht erweitert. Umgekehrt reicht die Schweigepflicht im Einzelfall auch nicht weiter als im selben Einzelfall der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen.

2. Dass die Röntgenbilder als Anknüpfungstatsachen für die Erstellung des medizinischen Sachverständigengutachtens und damit für den Ausgang des Rechtsstreits von ganz entscheidender Bedeutung sind, steht außer Frage.

Ebenfalls unstreitig ist, dass die Röntgenbilder sich im Besitz der Patientin befinden.

Ihr ist daher die Vorlage der Röntgenbilder über das Gericht für die Dauer des Verfahrens (oder für die Zeit der Herstellung von Duplikaten, falls die Patientin die Röntgenbilder für ihre aktuelle Weiterbehandlung benötigen sollte) gem. § 142 Abs. 1 ZPO aufzugeben, sofern ihr das zumutbar ist und ihr kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, § 142 Abs. 2 ZPO.

a.) Für ein Zeugnisverweigerungsrecht der Patientin ist nichts ersichtlich.

b.) Es spricht nach Ansicht des Senats nichts dafür, was die Vorlage der Röntgenbilder für die Patientin Frau Z. als unzumutbar erscheinen lässt.

aa.) Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht.

Der Schutz von Krankenunterlagen und ärztlichen Gutachten fällt zwar unter den Grundrechtstatbestand des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG (v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, a.a.O., Rn. 98; BVerfGE 32, 373, 378ff.; 89, 69, 82f.).

Diese Tatbestandszugehörigkeit besagt aber noch nichts darüber, wie weit im Einzelfall der Schutz des Persönlichkeitsrechts reicht.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1, 41f.), nicht schrankenlos; Einschränkungen können im überwiegenden Allgemeininteresse erforderlich sein (vgl. BVerfGE 35, 35, 39; 35, 202, 220). Das Bundesverfassungsgericht erkennt jedoch einen letzten unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung an, der der öffentlichen Gewalt -selbst bei schwerwiegenden Interessen der Allgemeinheit - schlechthin entzogen ist (st. Rspr.). Ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zugeordnet werden kann, hängt u. a. davon ab, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt. Das kann nur im Einzelfall festgestellt werden (BVerfGE 80, 367; vgl. BVerfGE 34, 238, 248).

Die verfahrensgegenständlichen Röntgenbilder sind diesem unantastbaren Kernbereich privater Lebensführung nicht zuzuordnen.

Die Röntgenbilder zeigen lediglich das Verletzungsbild ihres Ellenbogens und ggf. dessen Veränderung in einem bestimmten Zeitraum. Die Röntgenbilder besitzen nur insoweit persönlichen Charakter, als sie von einer bestimmten Person stammen. Sie lassen keine Rückschlüsse auf die Persönlichkeit und die Lebensführung der Patientin zu. Elemente aus der Sphäre des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen der Patientin und dem jeweiligen Behandler werden nicht offenbart. Dem durch die Röntgenbilder wiedergegebenen Sachverhalt kommt daher kein höchstpersönlicher Charakter zu. Er berührt aber entscheidend die Sphäre anderer, weil sich aus seiner sachverständigen Auswertung die zivilrechtlichen Ansprüche der Klägerin und spiegelbildlich die Pflichten des Beklagten ergeben.

Hingegen spricht nicht schon für eine Zuordnung zum Kernbereich, wenn der Betroffene - wie hier die Patientin Z. - eine Offenbarung des Sachverhalts ablehnt (BVerfG, Beschl. v. 14.9.1989 - 2 BvR 1062/87 - Rn. 18 [zit. n. juris], BVerfGE 80, 367ff.). Ihre anwaltliche außergerichtliche Erklärung gegenüber der Klägerin vom 17.6.2008 (Bl. 207f. d.A.) zeigt zudem, dass es der Patientin bei der Zurückhaltung der Röntgenbilder nicht auf die Durchsetzung ihres Persönlichkeitsrechtes ankommt, sondern sie die Zurverfügungstellung der Röntgenbilder von einem wirtschaftlichen Entgegenkommen der Klägerin bei der Regulierung ihres Schadens abhängig macht. Auf die Geheimhaltung der Röntgenbilder als solche legt sie mithin keinen Wert, sondern auf ihre Nutzung als Druckmittel zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Der Umstand, dass das Geheimhaltungsinteresse der Patientin folglich nur sekundär ist, spricht ebenfalls gegen eine Zuordnung des durch die Röntgenbilder verkörperten Sachverhalts zum unantastbaren Kernbereich der Privatsphäre (vgl. BVerfG a.a.O.).

bb.) Ist demzufolge der Kernbereich der Privatsphäre nicht betroffen, ist eine Abwägung zwischen der Wahrnehmung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Patientin in Bezug auf die Röntgenbilder und dem Interesse der Klägerin an der Durchsetzung ihres Anspruchs vorzunehmen (vgl. Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., § 60 Rn. 9; vgl. BVerfG a.a.O., Rn. 21; OLG München GesR 2007, 252f. d.A.).

Diese Abwägung führt nach Auffassung des Senats dazu, dass dem Interesse der Klägerin der Vorrang einzuräumen ist.

Die Klägerin hat ohne die Röntgenbilder ersichtlich keine andere Möglichkeit, den auf sie von der St. L.-Kinik übergegangenen Regressanspruch ggf. gerichtlich durchzusetzen. Sie hat insbesondere keine Möglichkeit, die St. L.-Klinik zu zwingen, deren Anspruch auf Herausgabe der von dieser erstellten Röntgenbilder aus dem Gesichtspunkt des Eigentums (§ 985 BGB) gegen die Patientin durchzusetzen oder auf sie - die Klägerin - zu übertragen. Im Übrigen würde das auch nicht die vom Beklagten erstellten Röntgenbilder betreffen, aus denen sich aber womöglich erst ein Nachweis eines (groben) Behandlungsfehlers des Beklagten ergibt.

Umgekehrt ist nicht erkennbar, dass die Patientin Frau Z. daran gehindert ist, etwaige weitergehende Ansprüche zur Regulierung ihres Schadens gegenüber der St. L.-Klinik, der Versicherungsnehmerin der Klägerin, gerichtlich geltend zu machen. Ein Direktanspruch gegen die Klägerin steht der Geschädigten insoweit ohnehin nicht zur Verfügung (vgl. Deutsch VersR 2008, 993ff., lit. D; KG, Urt. v. 6.9.2002 - 9 W 8/02 - Rn. 9 [zit. n. juris] = KGR 2003, 8f.; vgl. § 115 VVG 2008). Die gegenwärtige "Nutzung" der Röntgenbilder als diesbezügliches Druckmittel gegen die Klägerin ist schon deshalb auch nicht schutzwürdig.

Es besteht insoweit eine vergleichbare Interessenlage wie in den Fällen, in denen Rechtsanwälte oder Steuerberater ohne einen gewissen Grad an Offenlegung der Mandatsabwicklung keine Möglichkeit haben, ihre Honorarforderungen durchzusetzen oder Krankenversicherungen die Wirtschaftlichkeit des ärztlichen Vorgehens nur anhand der Behandlung im Einzelfall überprüfen können. Auch in diesen Fällen ist anerkannt, dass in entsprechender Abwägung der wechselseitigen Interessen eine Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und insbesondere des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vom Mandanten bzw. Patienten hinzunehmen ist (vgl. OLG Stuttgart MDR 1999, 192 = OLGR 1998, 427f.; OLG Brandenburg OLGR 2002, 323f.; Bayerisches Landessozialgericht, Urt. v. 9.11.2005 - L 3 KA 5012/04 - Rn. 32 [zit. n. juris]).

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 3 ZPO und entspricht 1/4 des Hauptsachewertes (vgl. OLG Karlsruhe OLGR 2005, 484, 485; vgl. S. 10 der Klageschrift = Bl. 10 d.A.: [5.000,00 € + 10.000,00 €] x 1/4 = 3.750,00 €).

V.

Die Rechtsbeschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO) zuzulassen.

Die Rechtsfrage, ob gegen die Ablehnung einer gem. §§ 428, 142 ZPO bzw. §§ 428, 371 Abs. 2, 144 ZPO beantragten Anordnung (gegen einen Dritten) die sofortige Beschwerde gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft ist, kann sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen, ist - wie ausgeführt - umstritten und - soweit ersichtlich - bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt.

Ende der Entscheidung

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