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Gericht: Oberlandesgericht Braunschweig
Beschluss verkündet am 30.09.2008
Aktenzeichen: 2 W 319/08
Rechtsgebiete: Nds.GGebBefrG, GKG, Nds.GO


Vorschriften:

Nds.GGebBefrG § 1 Abs. 1 Nr. 2
GKG § 2 Abs 2
Nds.GO § 108
Eine gemeinnützige GmbH, die ein Krankenhaus betreibt, ist auch dann nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Niedersächsischen Gesetzes über Gebührenbefreiung, Stundung und Erlass von Kosten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Arbeitsgerichtsbarkeit (abgekürzt: Nds.GGebBefrG) von der Zahlung der Gerichtsgebühren befreit, wenn ihre Gesellschafter öffentlich-rechtliche Körperschaften sind.
Gründe:

I.

Das Landgericht hat gegen die Antragstellerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wegen eines geführten Beweissicherungsverfahrens nach einem Gegenstandswert in Höhe von 190.000,00 € Gerichtgebühren gemäß dem Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz festgesetzt. Hiergegen wendete sich die Antragstellerin mit ihrer Erinnerung. Sie ist der Auffassung, dass zu ihren Gunsten der Gebührenbefreiungstatbestand gemäß § 1 Nr. 2 des Niedersächsischen Gesetzes über Gebührenbefreiung, Stundung und Erlass von Kosten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Arbeitsgerichtsbarkeit (im Folgenden abgekürzt: Nds.GGebBefrG) eingreife. Dieser Tatbestand sei auch anzuwenden, wenn ein nicht wirtschaftliches Unternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung betrieben werde, sofern es sich um eine gemeinnützige Unternehmung handele und die Gesellschafter jener juristischen Person ganz oder überwiegend zu den in der oben genannten Norm privilegierten Personen gehören. Diese Voraussetzungen seien gegeben, weil sie, die Antragstellerin, ein Krankenhaus in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung betreibe und Gesellschafter dieser GmbH der Landkreis N............ und die L. Klinikum GmbH sind, wobei alleinige Gesellschafter der letzteren die Stadt E......... und die Stiftung evangelisches Krankenhaus G............ sind.

Mit Beschluss vom 13.05.2008 hat das Landgericht ................. die Erinnerung der Klägerin zurückgewiesen und ausgeführt, dass nicht alle Gesellschafter der Antragstellerin zum privilegierten Kreis der im § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds.GGebBefrG gehörten. Eine Ausweitung der Gebührenbefreiung auf Gesellschaften, die nicht ausschließlich, sondern nur mehrheitlich von Personen gehalten würden, die § 1 Abs. 1 Nr. 2 Nds.GGebBefrG privilegiere, sei durch den Wortlaut und den Ausnahmecharakter dieser gesetzlichen Regelung nicht zu begründen.

Gegen diesen Beschluss, der der Antragstellerin am 29.05.2008 zugestellt worden ist, wendet sich diese mit ihrer vom 04.06.2008 eingelegten Beschwerde unter Wiederholung ihrer Rechtsansicht.

II.

Die Beschwerde der Klägerin vom 04.06.2008 gegen die im Tenor genannte Entscheidung ist gemäß § 66 Abs. 3 GKG zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht von der Antragstellerin die Zahlung der Gerichtsgebühren verlangt, denn diese ist weder nach Bundes noch nach Landesrecht von der Verpflichtung befreit, Kosten, das heißt Gebühren und Auslagen, zu entrichten.

1. Eine Befreiung nach § 2 Abs.1 GKG scheidet aus. Nach dieser Vorschrift sind in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten nur, der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen von der Zahlung der Kosten befreit.

Zu dem Kreis der von dieser Vorschrift begünstigten Personen und Einrichtungen gehört die Antragstellerin nicht. Sie ist weder eine Unterbehörde des Landes noch eine nach den Haushaltsplänen des Landes verwaltete öffentliche Anstalt oder Kasse. Vielmehr handelt es sich bei der Antragstellerin um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, mithin um eine privatrechtliche Kapitalgesellschaft.

2. Eine Gebührenbefreiung der Antragstellerin ergibt sich auch nicht aus § 1 Abs.1 Nr. 2 Nds.GGebBefrG. Nach dieser Vorschrift sind von der Zahlung der Gebühren, die unter anderem die ordentlichen Gerichte in Zivilsachen erheben, die Gemeinden, Landkreise und kommunalen Zusammenschlüsse des öffentlichen Rechts befreit, soweit die Angelegenheit nicht deren wirtschaftliche Unternehmen betrifft.

Zu den in dieser Norm genannten privilegierten Personenkreis gehört die Antragstellerin ebenfalls nicht. Denn es handelt sich bei ihr weder um eine Gemeinde oder einen Landkreis noch um einen kommunalen Zusammenschluss des öffentlichen Rechts. Die Beklagte ist als GmbH eine Kapitalgesellschaft des privaten Rechts und als solche nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren in Zivilsachen befreit. Der Kreis der privilegierten Personen wird im ersten Halbsatz in der Nr. 2 von § 1 Abs. 1 Nds.GGebBefrG abschließend wie folgt aufgezählt, "sind befreit, Nr. 2 Gemeinden, Landkreise und kommunale Zusammenschlüsse des öffentlichen Rechts" und im zweiten Halbsatz einschränkend klargestellt, dass diese persönliche Privilegierung nur gilt, soweit die vom Rechtsstreit betroffene Angelegenheit einer privilegierten Person nicht deren wirtschaftliche Unternehmen betrifft. Voraussetzung für die Privilegierung ist danach zweierlei. zum einen muss es sich um eine privilegierte Person handeln und zum anderen darf diese nicht wirtschaftlich handeln (ebenso: OLG Celle - 2 W 120/08 - v. 05.08.08)

Die in der Rechtsprechung z.T. vertretene Ansicht (OLG Celle, Beschluss vom 09.01.07 - 23 W 35/06 - zitiert bei Juris, LG Braunschweig, Beschluss vom 17.12.04 - 12 T 1156/04 - zitiert bei Juris), wonach es für die Anwendung des Gebührenbefreiungstatbestandes des § 1 Abs. 1 Nds.GGebBefrG nicht entscheidend auf die Rechtsform der handelnden Person ankomme, sondern allein auf deren wirtschaftliche Betätigung, weshalb juristische Personen des Privatrechts trotz ihrer formalrechtlichen Eigenständigkeit nach der o.g. Norm gebührenbefreit seien, sofern sie allein von einer Kommune gehalten werden und ihr Unternehmen nicht wirtschaftlich sei, wird vom hiesigen Senat nicht geteilt. Soweit zur Begründung dieser Sichtweise darauf abgestellt wird, dass die einschränkungslose Verwendung des Begriffs "wirtschaftliche Unternehmen" vor dem Hintergrund der Regelung in § 108 Niedersächsische Gemeindeordnung dafür spreche, dass es im Zusammenhang mit der Gebührenbefreiung gerade nicht entscheidend auf die Rechtsform des Unternehmens ankomme, sondern eben nur auf die Frage der nicht wirtschaftlichen Betätigung, wird eine Auslegung gewählt, die mit dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte dieser Norm nicht zu vereinbaren ist.

Aus dem Gesetzeswortlaut des § 1 Abs.1 Nr. 2 GGebBefrG ergibt sich zunächst, dass es sich bei der Gebührenbefreiung um eine Ausnahmevorschrift handelt und die dort geregelte persönliche Gebührenbefreiung auf jene Personen beschränkt werden soll, die in der Norm explizit aufgeführt werden. Es findet dort eben keine exemplarische sondern eine abschließende Aufzählung statt. Mit dem zweiten Halbsatz "soweit die Angelegenheit nicht ihre wirtschaftlichen Unternehmen betrifft" wird dem gegenüber nicht der Personenkreis der Privilegierten erweitert, sondern soll nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes und dessen Sinn und Zweck die persönliche Privilegierung sachlich eingeschränkt werden. Nicht alle Rechtsstreitigkeiten einer dort aufgeführten Person sollen danach gebührenbefreit sein. Dieser Gesichtspunkt der sachlichen Einschränkung kann damit aber nicht als Grundlage einer erweiternden Auslegung dafür herangezogen werden, dass über den in der Norm aufgeführten abschließenden Personenkreis hinaus weiteren Personen ebenfalls die Privilegierung zukommen soll.

Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzesbegründung und der Entstehungsgeschichte dieser Norm. So führt der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien (Landtagsdrucksache 7/429) sowohl in dem allgemeinen Teil der Begründung (Landtagsdrucksache 7/429 auf Seite 6) als auch im Bereich der Begründung der einzelnen Vorschriften zu § 1 Abs. 1 Nr.2 (Drucksache 7/429 auf Seite 7) aus, dass er angesichts einer Vielzahl von regionalen Einzelvorschriften zur Gerichtsgebührenbefreiung landeseinheitliche Vorschriften schaffen möchten und mit der gesetzlichen Formulierung zu § 1 Abs.1 Nr. 2 Nds.GGebBefrG die Regelung des preußischen Gerichtskostengesetzes und des Braunschweigischen Kostengesetzes hinsichtlich der persönlichen Gebührenbefreiung von Gemeinden und den dort bezeichneten Angelegenheiten übernehmen wolle. Eine Erweiterung des Anwendungsbereiches dieser Norm auf weitere Personen entspricht damit nicht dem Willen des Gesetzgebers. Dieses ergibt sich auch aus der weiteren Gesetzesbegründung. So soll mit der Formulierung "soweit es sich nicht um Angelegenheiten ihrer wirtschaftlichen Unternehmen handelt" gerade nicht der Anwendungsbereich der Norm auf weitere Personen erweitert werden, sondern lediglich auf die in den vorhergehenden Gebührenbefreiungstatbeständen aufgeführte Einzelaufzählung von Geschäften, für die der privilegierte Personenkreis Gerichtsgebührenfreiheit beanspruchen kann, zugunsten einer allgemeinen Gebührenfreiheit der Gemeinden und Gemeindeverbände bei nicht wirtschaftlicher Tätigkeit verzichtet werden. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass dies nicht zu einer Erweiterung des Anwendungsbereiches führt, weil die Einzelaufzählung in den bisherigen Regelungen ohnehin umfassend waren. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu wörtlich: "Statt dieser Einzelaufzählung, nach der die Gemeinden für den größten Teil der Geschäfte, in denen sie die Gerichte in Anspruch nehmen, Gebührenfreiheit genießen, ist dem Entwurf eine allgemeine Gebührenfreiheit der Gemeinden und Gemeindeverbände vorgesehen, soweit es sich nicht um Angelegenheiten ihrer wirtschaftlichen Unternehmen handelt." Damit hat der Gesetzgeber den persönlichen Gebührenbefreiungstatbestand weiterhin ausdrücklich auf Gemeinden, Landkreise und kommunale Zusammenschlüsse des öffentlichen Rechts beschränkt. Erforderlich für das Eingreifen des Gebührenbefreiungstatbestandes ist danach, wie oben ausgeführt, dass die Person, die dieses Recht für sich in Anspruch nehmen will, zum einen die formalen, persönlichen Voraussetzungen des Gebührenbefreiungstatbestandes erfüllen muss und zum anderen der Rechtstreit keinen wirtschaftlichen Unternehmensbereich jener Person betrifft.

Diese Voraussetzungen sind bei einer juristischen Person des Privatrechts wie der Antragstellerin nicht gegeben. Ob ihre Gesellschafter ganz oder zum Teil zum privilegierten Personenkreis gehören, ist unerheblich. Ein solches Normverständnis vermeidet Abgrenzungsschwierigkeiten, die die Rechtssicherheit beeinträchtigen. So ließe sich kaum eine klare Grenze finden, in welchem Umfang normprivilegierte Personen als Gesellschafter einer privaten juristischen Person Anteile halten müssen, damit diese ihrerseits normprivilegiert wäre. Für eine danach erforderliche Wertung gäbe es überhaupt keine sachlichen Kriterien. Vielmehr bestünde dann die Gefahr, dass Private unzulässig staatlich subventioniert würden.

Raum für eine analoge Anwendung des Gebührenbefreiungstatbestandes ist aus mehreren Gründen nicht gegeben. Insoweit mangelt es bereits an einer ungewollten Regelungslücke. Schließlich dient das Gesetz über die Gebührenbefreiung, Stundung und Erlass von Kosten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Arbeitsgerichtsbarkeit - wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt - nur dazu, die bis dahin in verschiedenen Regelungen enthaltenen Gebührenbefreiungstatbestände im Land Niedersachsen zu vereinheitlichen und nicht zu erweitern. Als Ausnahmeregelung ist die Norm zudem eng auszulegen und einer erweiternden Auslegung im Rahmen einer Analogie nicht zugänglich. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Gebührenbefreiungstatbestände in § 1 Nr. 1 und Nr. 3 des Gesetzes ganz ausdrücklich auf öffentlich rechtliche Rechtsträger beschränkt sind. die Ausdehnung des Kostenprivilegs auf Personen des Privatrechts ist dem Gesetz mithin insgesamt fremd. Im Übrigen fehlt es auch an einer Vergleichbarkeit. Der Sinn und Zweck der Regelung, das Verschieben von Geldern zwischen öffentlichen Kassen zu vermeiden, greift hier nicht. Auch wenn eine juristische Person des Privatrechtes von einer Kommune oder einem Kommunalverband als Alleingesellschafter gehalten wird, ist deren Vermögen rechtlich stets von dem Vermögen der Kommune getrennt und kann deshalb nicht als öffentliche Kasse eingeordnet werden. (vgl. hierzu Bundesgerichtshof - VI ZR 108/76 - v. 27.10.1981, zitiert nach Juris) Dieses will die Kommune gerade durch die Gründung einer juristischen Person auch erreichen, um gegebenenfalls haftungsrechtliche Folgen zu beschränken. An diese Rechtswahl ist eine Kommune auch bei der Prozessführung unter Berücksichtigung der Anwendung von Gebührenbefreiungstatbeständen gebunden.

Da die Gerichtsgebühren zutreffend berechnet worden sind, bleibt das Rechtsmittel insgesamt ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung für diesen Beschluss folgt aus § 66 Abs. 8 GKG

Eine weitere Klärung der Rechtsfrage durch den Bundesgerichtshof ist nach § 66 Abs. 3 S. 3 GKG nicht möglich.

Ende der Entscheidung

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