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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Braunschweig
Urteil verkündet am 26.02.2001
Aktenzeichen: 7 U 103/00
Rechtsgebiete: BGB, HGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 291
BGB § 242
HGB § 352
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 547 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 7 U 103/00

Verkündet am 26. Februar 2001

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

wegen der Wandlung eines Fahrzeugleasingvertrages

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht der Richterin am Oberlandesgericht und des Richters am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 15. Juni 2000 wie folgt abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 13.237,76 DM nebst 5 % Zinsen auf 12.405,45 DM vom 12.06.1999 und auf 832,10 DM vom 27.07.1999 an zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beklagten und der Streitwert des Berufungsverfahrens betragen 13.237,76 DM.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und weitgehend begründet. Die Klage ist im ersten Rechtszuge zu Unrecht abgewiesen worden. Ihre Berechtigung, von demjenigen Teil des Zinsanspruchs abgesehen, der erstmals mit der Berufung geltend gemacht wird, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Die Wandlungserklärung der Klägerin in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 02.06.1999 betreffend den Bus Marke VW "Multivan 2,5 l TDI", den die Klägerin im September 1998 von der Beklagten geleast hatte, ist wirksam. Die Klägerin hatte gemäß Ziffer XIII. 1. der von der Beklagten gestellten "Allgemeinen Leasing-Bedingungen für Geschäftsfahrzeuge" (AGB) in Verbindung mit Ziffer VII. 1. und 2. der "Neuwagenverkaufsbedingungen für Volkswagen/Audi Automobile" (NWVB) einen Anspruch auf kostenlose Beseitigung der Schäden, die am 15.05.1999 am Fahrzeug eingetreten waren. Die Beklagte lehnte die kostenlose Schadenbeseitigung ab. Damit war im Sinne der Ziffer XIII. 2. AGB die Nachbesserung fehlgeschlagen (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf 7. Aufl. 2000, Rdnr. 702), so dass die Klägerin berechtigt war, Rückgängigmachung des Leasingvertrages, also Wandlung, zu verlangen Die Wandlung gibt der Klägerin gemäß Ziffer XIII. 5. AGB einen Anspruch auf Rückzahlung der gemäß dem Leasingvertrag erbrachten Sonderzahlung zzgl. Zinsen in gesetzlicher Höhe. Der außerdem von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten ist gerechtfertigt aufgrund der Regelung in Ziffer VII. 2. d) NWVB. Auf diesen Betrag kann die Klägerin gemäß § 291 BGB Prozeßzinsen verlangen Der gesetzliche Zinsfuß von 5% ergibt sich aus § 352 HGB. Für einen weitergehenden Zinsanspruch hat die Klägerin nichts vorgetragen. Insoweit sind Klage und Berufung unbegründet.

Der Einwand der Beklagten, sie habe gemäß Ziffer VII. 6. letzter Spiegelstrich NWVB kostenlose Schadensbeseitigung nicht geschuldet, weil der Ehemann der Geschäftsführerin der Klägerin, der im ersten Rechtszuge vernommene Zeuge den Schaden dadurch verursacht habe, dass er als Fahrer die Betriebsanleitung der Volkswagen AG nicht befolgt habe, ist nicht erheblich.

Unstreitig fraß sich der Motor fest, weil die Kühlung ausfiel. Unstreitig hatte vorher die Kontrolleuchte für die Kühlmitteltemperatur und den Füllstand des Kühlmittels aufgeleuchtet. Nicht festgestellt werden kann, dass auch der Zeiger, der die Kühlmitteltemperatur angeben soll, eine zu hohe Temperatur angezeigt hätte. Der Zeuge hat bekundet, dass der Zeiger im Normalbereich blieb. Der in erster Instanz tätig gewordene Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 05.04.2000 ausgeführt, dass eine normale oder nur leicht erhöhte Temperatur angezeigt worden sein wird, weil zuvor in Folge der Undichtigkeit des Kühlsystems der Siedepunkt des Kühlmittels herabgesetzt worden war. Auch das angefochtene Urteil geht davon aus, dass keine Temperatur außerhalb des Normalbereichs angezeigt wurde. Im übrigen trägt die Beklagte die Beweislast für alle Tatsachen, die zu einem Gewährleistungsausschluß führen können (vgl. Reinking/Eggert a.a.O. Rdnr. 611 mit weiteren Nachweisen).

Zu dem Erscheinungsbild eines Aufleuchtens der Kontrolleuchte ohne die Anzeige einer zu hohen Kühlmitteltemperatur heißt es aber auf Seite 77 der Betriebsanleitung unter den Überschriften "Bedienung", "Instrumente", "2-Kühlmitteltemperatur" und "c-Warnleuchte":

"Sollte die Leuchte während der Fahrt leuchten, zuerst feststellen, welche Kühlmitteltemperatur angezeigt wird.

Steht die Anzeige im Normalbereich, ist bei nächster Gelegenheit Kühlmittel nachzufüllen.

Befindet sich der Zeiger im oberen Anzeigebereich, ist die Kühlmitteltemperatur zu hoch. Anhalten, Motor abstellen und Ursache der Störung feststellen - siehe Seite 83."

Bei einem Aufleuchten der Kontrolleuchte und einer Temperatur im Normalbereich ist also nur bei nächster Gelegenheit Kühlmittel nachzufüllen, d. h., dass jedenfalls noch einige Kilometer weiter gefahren werden darf. Der Zeuge ist aber nur eine ganz kurze Strecke gefahren, bis sich der Motor festfraß und der Gestalt unbrauchbar war, dass er nicht mehr Instand gesetzt werden kann.

Allerdings steht auf Seite 83 der Betriebsanleitung unter den Überschriften "Bedienung", "Kontrolleuchten", "1-Kühlmitteltemperatur/Kühlmittelstand":

"Sollte die Leuchte ... während der Fahrt aufleuchten oder blinken, kann entweder die Kühlmitteltemperatur zu hoch oder der Kühlmittelstand zu niedrig sein:

Anhalten, Motor abstellen und Kühlmittelstand prüfen. Ggf. Kühlmittel auffüllen."

Hätte der Zeuge sich nach dieser Anleitungsbestimmung gerichtet, wäre der Schaden nicht eingetreten. Es kann aber nicht von einem Nichtbefolgen der Betriebsanleitung gesprochen werden, wenn der Fahrzeugführer im Falle nicht miteinander vereinbarer Anleitungsbestimmungen zumindest eine dieser Bestimmungen befolgt. In einem solchen Fall kann auch nicht auf die allgemeiner gefaßten Tatbestände für einen Gewährleistungsausschluß gemäß Ziffer VII. 6. NWVB, also etwa ein unsachgemäßes Behandeln der geleasten Sache, oder ein Überbeanspruchen, zurückgegriffen werden.

Der Senat hat in Betracht gezogen, dass die Klägerin die ihr gemäß Ziffer VII, NWVB zustehenden Gewährleistungsrechte, bei welchem es sich der Sache nach um Garantieansprüche handelt, durch das ihr zurechenbare Verhalten des Fahrzeugsführers, also des Zeugen, dennoch verwirkt haben könnte. Die Beklagte könnte im Sinne des § 242 BGB nach den Grundsätzen von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssituation von ihren Garantieverpflichtungen gegenüber der Klägerin befreit sein. Im Ergebnis verneint der Senat aber eine Verwirkung der Garantieansprüche der Klägerin.

Anlaß zu diesen Erwägungen ist, dass der Zeuge bevor der Motorschaden eintrat, auf der selben Fahrt einen Schaden am Kühlsystem bemerkt hatte. Die Kontrolleuchte hatte aufgeleuchtet Alsbald danach war die Temperaturzeige über den Normalbereich hinaus gewandert. Der Zeuge hatte angehalten und den ganz oder fast ganz leeren Kühlmittelbehälter mit Wasser gefühlt. Danach war er weiter gefahren.

Auch insoweit läßt sich nicht feststellen, dass der Zeuge die Betriebsanleitung nicht befolgt hätte. Sie verlangt, dass der Fahrer, wenn die Kontrolleuchte aufleuchtet und der Temperaturzeiger eine zu hohe Temperatur anzeigt, anhält, den Motor abstellt und die Ursache der Störung feststellt (Seite 77 der Betriebsanleitung, s.o.). Es ist davon auszugehen, dass sich der Zeuge hiernach richtete. Wie lange schon eine erhöhte Temperatur angezeigt worden war, bevor der Zeuge anhielt, steht nicht genau fest. Im übrigen läßt sich nicht feststellen, dass ein etwaiges zu spätes Anhalten die Ursache für den Motorschaden gewesen wäre. Der Zeuge hat auch nach dem Verständnis eines technischen Laien, das bei der Frage, ob die Betriebsanleitung befolgt wurde, nur zugrunde gelegt werden kann, die Störung festgestellt und auch beseitigt, indem er gesehen hatte, dass jedenfalls kaum noch Kühlmittel vorhanden war und Wasser nachgefüllt hatte.

Allerdings mußte sich der Zeuge sagen, dass das gesamte oder nahezu gesamte Kühlmittel auf keine andere Art und Weise verschwunden seien konnte, als durch ein Leck im Kühlsystem Das ist eine so einfache Schlußfolgerung, dass sie auch beim Zeugen, einem technischen Laien, vorausgesetzt werden muß, und zwar auch dann, wenn er ausgetretenes Kühlwasser - sei es im Motorraum, sei es unter dem Fahrzeug - nicht bemerkt hatte. Es gehört auch zum Allgemeinwissen, und zwar auch demjenigen eines technischen Laien, das ein laufender Verbrennungsmotor, der nicht gekühlt wird, nach kurzer Zeit sich selbst zerstört.

Dies alles reicht aber noch nicht aus, um eine Verwirkung der Garantierechte der Klägerin zu bejahen. All zu sehr spricht gegen eine Verwirkung, dass sich jedermann auf die Betriebsanleitung eines großen Autoherstellers muß verlassen können. Sie war bzw. ist, wenn man die Feststellungen des Sachverständigen in Betracht zieht, unrichtig, soweit sie besagt, dass im Falle eines Aufleuchtens der Kontrollleuchte ohne die Anzeige einer zu hohen Kühlmitteltemperatur nur "bei nächster Gelegenheit" Kühlmittel nachzufüllen ist. Dem Zeugen kann auch nicht vorgeworfen werden, dass er in einer Lage, m der rasches Entscheiden und Handeln erforderlich war, Ungereimtheiten der Betriebsanleitung nicht als solche erkannte und hieraus die richtigen Schlüsse zog. Hinzukommt, dass der Zeuge, als die Kontrolleuchte aufleuchtete sich auf einer Bundesautobahn ohne Standspur befand und seine drei minderjährigen Kinder bei sich hatte. Er allein war für ihre Sicherheit während einer etwaigen Heranholung von Hilfe verantwortlich. Nach alle dem können die Garantierechte der Klägerin nicht als verwirkt angesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist gemäß § 708 Nr. 10 ZPO angeordnet worden. Die Beschwer der Beklagten ist gemäß § 547 Abs. 2 Satz 1 ZPO festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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