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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Braunschweig
Beschluss verkündet am 11.03.2004
Aktenzeichen: 8 W 56/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 494 a Abs. 2
Die Kostenfolge des § 494 a Abs. 2 ZPO ist jedenfalls dann auszusprechen, wenn die in Aussicht genommene Klage aufgrund Mängelbeseitigung durch Dritte gegenstandlos geworden ist, dem Beweisgegner aber kein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zusteht.
Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 17. Oktober 2003 - Az.: 2 OH 1/99 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: Wertstufe bis 2.500,00 €.

Gründe:

I.

Durch Beschluss des Landgerichts vom 25. Juni 2003 ist der Antragstellerin gemäß § 494 a Abs. 1 ZPO aufgegeben worden, u. a. gegen die Antragsgegnerin zu 7. Klage zu erheben. Mit Schriftsatz vom 9. April 2003, wiederholt mit Schreiben vom 8. September 2003, hat die Antragsgegnerin zu 7. den Erlass eines entsprechenden Kostenbeschlusses beantragt, wenn die Antragstellerin ihrerseits nicht fristgerecht Klage erhebt. Mit Beschluss vom 12. August 2003 hatte das Landgericht die Frist zur Klagerhebung vom 15. August 2003 auf den 15. September 2003 verlängert. Mit weiterem Beschluss vom 15. September 2003 hat sie die Frist zur Klagerhebung bis zum 6. Oktober 2003 verlängert.

Unter dem 6. Oktober 2003 hat die Antragstellerin beim Amtsgericht Göttingen unter dem Aktenzeichen 24 C 207/03, eingegangen bei Gericht am gleichen Tage, bezüglich ihrer Verpflichtung zur Kostentragung gegenüber der Antragsgegnerin zu 7. eine negative Feststellungsklage eingereicht. In dieser hat sie ausgeführt, dass nach Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens und vor Erhebung der Feststellungsklage die Mängel, die die Antragsgegnerin zu 7. betreffen sollen, beseitigt worden seien. Sie bzw. die von ihr vertretene Wohnungseigentümergemeinschaft habe die ......... aus einer Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch genommen, die die Antragsgegnerin zu 1. erteilt habe. Die ............. habe zwischenzeitlich die Mängel an der Tiefgaragenabdichtung durch einen Dachdecker beseitigen lassen.

Mit Beschluss vom 17. Oktober 2003 hat das Landgericht der Antragstellerin auferlegt, die der Antragsgegnerin zu 7. entstandenen Kosten zu tragen. Dieser Beschluss ist der Antragstellerin am 23. Oktober 2003 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2003, eingegangen bei Gericht am 3. November 2003, sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 10. November 2003 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Senat vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, §§ 494 a Abs. 2, 567 ff. ZPO; aber unbegründet.

1.

Gemäß § 494 a ZPO hat das Gericht nach Beendigung der Beweiserhebung auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass der Antragsteller binnen einer zu bestimmenden Frist Klage erheben muss. Kommt dieser der Anordnung nicht nach, hat das Gericht auf Antrag des Antragsgegners durch Beschluss auszusprechen, dass der Antragssteller die dem Antragsgegner entstandenen Kosten zu tragen hat. Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich daraus, dass grundsätzlich über die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens im Hauptsacheprozess zu entscheiden ist (vgl. BGHZ 132, 96, 104). Der § 494 a ZPO schließt die Lücke in dem Fall, dass der Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens aufgrund der für ihn ungünstigen Ergebnisse der Beweisaufnahme auf eine Hauptsacheklage verzichtet. Die Fristsetzung nach § 494 a Abs. 1 ZPO dient dazu, Klarheit darüber zu schaffen, ob eine Hauptsacheklage erfolgt. Ist dies nicht der Fall, so liegt der auf Antrag nach § 494 a Abs. 2 ZPO auszusprechenden Kostentragungspflicht der Gedanke zugrunde, dass der Antragsteller nicht durch Unterlassen der Hauptsacheklage der Kostenpflicht entgehen soll, die sich bei Abweisung einer solchen Klage ergeben würde (so BGH BauR 2003, 1255, 1256).

a.

Ausnahmsweise ist die Kostenfolge wegen unterlassener Hauptsacheklage nach § 494 a Abs. 2 ZPO dann nicht auszusprechen, wenn die beabsichtigte Klage aufgrund Erfüllung des Hauptsacheanspruchs durch den Beweisgegner gegenstandslos geworden ist (vgl. BGH BauR 2003, 575, 576; OLG Frankfurt BauR 2002, 1298; OLG Hamm NJW-RR 2000, 733; OLG Celle BauR 2002, 1888, 1889; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 494 a Rn. 5). Denn in diesen Fällen ist der Beweisführer jedenfalls gehindert eine Leistungsklage, gerichtet auf Schadensersatz oder auf Kosten der Ersatzvornahme bzw. eines entsprechenden Vorschusses zu erheben, weil diese von vornherein als unbegründet abzuweisen wäre (vgl. OLG Hamm a. a. O.; OLG Frankfurt a. a. O.; OLG Celle a. a. O.).

b.

Mit gleicher Überlegung ist für eine Kostenentscheidung nach § 494 a Abs. 2 ZPO kein Raum, wenn ein Beweisverfahren gegen mehrere Personen, deren Haftung als Gesamtschuldner in Betracht kommt, geführt wird und nach Durchführung des Beweisverfahrens ein Beweisgegner die Hauptsacheforderung mit befreiender Wirkung zugunsten des anderen Beweisgegners erfüllt hat (vgl. OLG Hamm a. a. O.; OLG Celle a. a. O.). Denn auch im Falle der gesamtschuldnerischen Haftung des Beweisgegners würde eine gegen ihn erhobene Klage infolge der Erfüllungshandlung eines weiteren Beweisgegners ebenfalls von vornherein abzuweisen sein (vgl. OLG Hamm a. a. O.). Dem Beweisgegner verbliebe in diesen Fällen aber ein gegebenenfalls bestehender materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch gegen die Gesamtschuldner nach § 426 BGB (vgl. dazu OLG Hamm a. a. O.; OLG Celle a. a. O.).

c.

Die genannten Überlegungen greifen aber dann nicht ein, wenn ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch ausscheidet. Dies ist hier der Fall. Die Beweisgegnerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen materiell-rechtlichen Anspruch gegen die Antragstellerin. Denn zwischen den Beteiligten des Beschwerdeverfahrens bestehen keine solchen vertraglichen Rechtsbeziehungen, die Ansprüche der Beweisgegnerin aus Verzug oder positiver Vertragsverletzung gegen die Antragstellerin rechtfertigen können (vgl. BGH NJW 1983, 284). Ebenso scheiden Ansprüche aus unerlaubter Handlung aus, weil in der Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens keine Verletzung eines absoluten oder sonstigen Rechtes seitens der Antragsgegnerin liegt (vgl. BGH NJW 1983, 284).

Scheiden mithin materielle Kostenerstattungsansprüche der Beschwerdegegnerin aus, wäre diese schutzlos den Kosten des selbständigen Beweisverfahrens deshalb ausgesetzt, weil ein Dritter letztlich hier auf Veranlassung der Antragstellerin den - streitigen - Mängeln abgeholfen hat. Diese Situation ist nicht gleichzusetzen mit der, dass die Antragsgegnerin oder ein mit ihr gesamtschuldnerisch verbundener Dritter die Mängel beseitigt. Denn durch die Beseitigung eines Mangels würde sie letztlich auch deutlich machen, dass sie ihre Verpflichtung zur Beseitigung des Fehlers anerkennt, sie mithin den unter Beweis gestellten Mangel nach Durchführung der Beweisaufnahme zugesteht. Dann würde es sich auch rechtfertigen, dass ihr kein Anspruch auf Erstattung der Kosten im selbständigen Beweisverfahren zusteht. Wenn aber wie hier letztlich ein Dritter, nämlich die ...., auf Veranlassung der Anspruchstellerin infolge der Inanspruchnahme als Bürgin zum Zwecke der Abwendung der entsprechenden Zahlungsverpflichtung direkt den Mangel beseitigen lässt, ist dies nicht der Antragsgegnerin zu 7. zuzurechnen. Anders als in den Fällen der Erfüllung der Mängelbeseitigungsverpflichtungen durch den Beweisgegner hatte der Beweisführer hier weiter die Alternative, entweder Hauptsacheklage zu erheben mit der Folge einer Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren oder aber die Kosten des Beweisverfahrens tragen zu müssen. Diese Entscheidungsmöglichkeit hat die Antragstellerin selbst und nicht die Beweisgegnerin dadurch zunichte gemacht, dass sie eine Dritte in Anspruch genommen und diese dann auf ihre Kosten die Arbeiten hat ausführen lassen.

2.

Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, eine negative Feststellungsklage vor dem Amtsgericht Göttingen gegen die Antragsgegnerin zu 7. rechtzeitig erhoben zu haben. Die Klage auf Feststellung, dass der Antragsgegnerin zu 7. keine Kostenerstattungsansprüche aus dem Beweissicherungsverfahren zustehen, ist hier jedenfalls keine Hauptsacheklage im Sinne des § 494 a Abs. 1 ZPO. Denn eine derartige Klage spricht nur eine Selbstverständlichkeit aus. In ihr wäre zu prüfen, ob der Beweisgegnerin ein Anspruch auf Kostenerstattung im selbständigen Beweisverfahren gegen die Antragstellerin zusteht. Ein solcher Anspruch soll aber gerade erst durch das Verfahren nach § 494 a ZPO entstehen. Hauptsacheprozess wäre vielmehr eine Klage aus Gewährleistungsansprüchen. Diese hätte die Antragstellerin auch zunächst ohne jedwede Einschränkung geltend machen können. So wäre sie nicht gehindert gewesen, einen Anspruch auf Zahlung von Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung geltend zu machen. Dadurch, dass letztendlich auf ihre Veranlassung hin, jedenfalls nicht durch die der Antragsgegnerin zu 7., den Mängeln abgeholfen worden ist, hätte sie angesichts des Bestreitens der Einstandspflicht durch die Antragsgegnerin zu 7. die Vorschussklage auf eine Klage auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache umstellen können. Gleiches gilt, wenn sie bereits vor Erhebung einer Klage auf Gewährleistung den Mängeln selbst abhilft. Auch dann hätte ihr die Möglichkeit offengestanden, feststellen zu lassen, dass zuvor vorhandene Gewährleistungsansprüche nun nicht mehr bestehen. In diesem Verfahren wäre dann zu prüfen gewesen, ob Gewährleistungsansprüche der Antragstellerin zu Recht bestehen. Bei Erfolg dieser Klage hätte die Antragstellerin dann die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens ihrerseits gegen die Antragsgegnerin zu 7. festsetzen lassen können. Im Falle des Misserfolges dieser Klage hätte die Antragsgegnerin ihrerseits die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens und damit die hier im Streit stehenden Kosten geltend machen können.

Dass die hier geltend gemachte negative Feststellungsklage nicht der Rechtstreit im Sinne des § 494 a Abs. 1 ZPO ist, ergibt sich auch daraus, dass der Streitgegenstand eines solchen Verfahrens auf Abwehr von Kostenerstattungsansprüchen ein anderer ist als der auf Feststellung, dass Gewährleistungsansprüche zunächst bestanden haben. Dies wird auch dadurch deutlich, dass die Antragsgegnerin zu 7. im Falle Misserfolges der Feststellungsklage ihre Kosten aus dem selbständigen Beweisverfahren nicht nach § 91 ZPO im Rahmen diese Rechtsstreites geltend machen kann. Denn dies erfordert eine Identität der Streitgegenstände (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 91 Rn. 13 "selbständiges Beweisverfahren" m. w. N.). Streitgegenstand des selbständigen Beweisverfahrens ist das Vorliegen von Mängeln des Werkes der Antragsgegnerin zu 7., während Streitgegenstand der erhobenen Feststellungsklage die Abwehr von Prozesskosten ist. Mangels Identität dieser beiden Ansprüche scheidet daher eine Erstattung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in diesem von der Antragstellerin beim Amtsgericht Göttingen geführten Verfahren aus.

Dem entspricht auch der Wortlaut des § 494 a ZPO. Denn dessen erster Absatz regelt den Fall, dass "ein Rechtsstreit" bis zum Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens nicht anhängig wird. Weil aber erst zu diesem Zeitpunkt die Kosten des Beweisverfahrens feststehen, kann der Gesetzgeber mit dem Begriff "Rechtsstreit" nur einen Prozess gemeint haben, dessen Gegenstand ein Anspruch ist, den das selbständige Beweisverfahren vorbereitend oder abwehren soll (so zu Recht OLG Nürnberg DAR 1993, 277). Die von der Antragstellerin eingereichte Klage bereitet aus ihrer Sicht aber nicht einen Prozess vor, sondern will lediglich Ansprüchen entgegenwirken, die im Laufe des selbständigen Beweisverfahrens für die Antragsgegnerin zu 7. entstanden sind.

Nach alledem ist die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen gewesen.

III.

Die das Beschwerdeverfahren betreffende Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach den Kosten der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin im selbständigen Beweisverfahren.



Ende der Entscheidung

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