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Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 27.12.2000
Aktenzeichen: 1 U 20/00
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 839 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 34
GG Art. 33 Abs. 2
1 Die amtspflichtwidrig unterlassene Beförderung eines Beamten kann zu einem Schadensersatzanspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der Besoldung des innegehabten und des angestrebten Amtes führen.

2. Ein solcher Anspruch besteht nicht, wenn die Amtspflichtverletzung nicht ursächlich für das Unterbleiben der Beförderung war. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Beamte auch bei ordnungsgemäßer Durchführung des Beförderungsverfahrens nicht befördert worden wäre.

3. Zu einzelnen Anforderungen an Inhalt und Umfang der von dem Dienstherrn des Beamten gemäß Art. 33 Abs. 2 GG vorzunehmenden Beurteilung.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes

Az.: 1 U 20/00 = 1 O 680/99 b

Urteil vom 27. Dezember 2000

hat der 1. Zivilsenat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06. Dezember 2000 durch die Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Bremen - 1. Zivilkammer - vom 15.02.2000 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer der Kläger beträgt DM 49.975,77.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger zu 3 - 7 ist zulässig, aber unbegründet.

Es kann dahinstehen, ob für die jeweilige Feststellungsklage der Kläger zu 1. und 2., denen es möglich und zumutbar ist, ihren Verdienst- und Versorgungsausfall für den Zeitraum vom 1.10.1997 bis zum 30.10.1999 zu beziffern, ein Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) besteht und sie somit zulässig ist, da ihre Berufung jedenfalls unbegründet ist (vgl. BGHZ 12, 308, 316; NJW 78, 2031, 2032; Zöller, 21.Aufl., Köln 1999, § 256 Rn. 7).

Im Ergebnis zu Recht hat das LG festgestellt, dass den Klägern gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch weder gem. § 839 iVm. Art. 34 GG noch aus einem anderen Rechtsgrund wegen amtspflichtwidrig unterlassener Beförderung zusteht, da die Kläger auch bei ordnungsgemäßer Durchführung des Beförderungsverfahrens nicht befördert worden wären.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes obliegt es der Beklagten, darzulegen und ggf. nachzuweisen, dass die Kläger auch bei ordnungsgemäßer Behandlung ihrer Bewerbung auf die Ausschreibung A - BF 19/97 nicht befördert worden wären und dass ihnen deshalb durch die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung kein Schaden entstanden ist (vgl. BGH NJW 1995, 2344 ff). Diesen Anforderungen ist die Beklagte nachgekommen.

Die Beklagte hat dargelegt, dass auch bei einer zeitnahen Beurteilung der Kläger die Bewerbungen keinen Erfolg gehabt hätten, da andere Bewerber nach allen maßgeblichen Kriterien besser geeignet und deshalb vorrangig zu befördern waren. Die Beklagte hat für die Kläger zu 1. - 6. zum einen die dienstlichen Beurteilungen der vorangegangenen Ausschreibung D 15/96 vorn November 1996 und zum anderen für alle Kläger die nachfolgenden Beurteilungen zur Ausschreibung A BF 25/97 vom Oktober 1997 vorgelegt. Danach erhielten die Kläger im Oktober 1997 folgende Beurteilungen: Der Kläger zu 1. erreichte mit einer Note von 2,8 den Rang 97. Der Kläger zu 2. erhielt die Note 2,86 und den Rang 78. Der Kläger zu 3. belegte mit einer Note von 2,91 den Rang 88. Der Kläger zu 4. erreichte mit der Note 3,14 den Rang 106. Der Kläger zu 5. erhielt die Note 2,85 und den Rang 76. Der Kläger zu 6. belegte mit der Note 2,75 den Rang 50. Der Kläger zu 7. erhielt die Note 3,51 und den Rang 110. Alle Kläger befanden sich mithin auch im Oktober 1997 auf aussichtslosen Plätzen für eine Beförderung auf die 10 ausgeschriebenen Dienstposten.

Entgegen der Ansicht der Kläger können deren dienstliche Beurteilungen vom Oktober 1997 als Indiz für den Inhalt der Beurteilungen, die die Beklagte bei ordnungsgemäßer Durchführung des Beförderungsverfahrens der Ausschreibung A - BF 19/97 vom 02. Juli 1997 hätte erstellen müssen, herangezogen werden Diese Beurteilungen erfolgten nämlich nur etwa 3 Monate nach dem Zeitraum, in dem eine dienstliche Bewertung hätte vorgenommen werden müssen, nach denselben hier maßgeblichen Kriterienrund es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass irgendwelche Qualifikationen der Kläger besser beurteilt worden wären. Auch zeigen die vorhergehenden Beurteilungen der Kläger aus den Jahren ab 1990 allesamt keine evidenten Abweichungen von den Beurteilungen vom Oktober 1997 aus Anlass der Ausschreibung A - BF 25/97.

Die Auffassung der Kläger, die dienstlichen Beurteilungen seien nicht nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erstellt worden, trifft ebenfalls nicht zu. Vielmehr hat die Beklagte Beurteilungskriterien herangezogen, die den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechen.

Die Entscheidung über die Beförderung eines Bewerbers und die Auswahl unter mehreren Bewerbern liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Die im Rahmen der Ermessensentscheidung gem. Art. 33 Abs. 2 GG vorzunehmende Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der von den Gerichten nur eingeschränkt überprüfbar ist. In ständiger Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht die Überprüfungskompetenz auf fünf Umstände dahingehend beschränkt, ob die Verwaltung den gesetzlichen Rahmen, in dem sich der Beurteiler bewegen durfte oder anzuwendende Begriffe verkannt, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt, gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat oder von falschen oder unvollständigen Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist (ständige Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts seit BVerwGE 21, 127, 130; bestätigt z.B. in DÖD 1993, 179 = ZBR 1993, 245).

Der "gesetzliche Rahmen" wird zum einen durch die speziellen Rechtsvorschriften über die dienstlichen Beurteilungen, zum anderen durch allgemeine Bestimmungen, insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG abgesteckt (Schnellenbach, Dienstliche Beurteilungen, 2.Aufl., Heidelberg 1995, Rn. 435). Dieser gebietet, dass der Dienstherr, gerade weil ihm beim Erlass von Beurteilungsrichtlinien weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzugestehen ist, für eine gleichmäßige Anwendung solcher Richtlinien auf alle in Betracht kommenden Beamten Sorge trägt (vgl. BVerwG, ZBR 1981, 315).

Die Beklagte hat dargelegt dass die Auswahl der Bewerber generell nach den Richtlinien vom November 1995 und den Erläuterungen vom September 1995, die dem Senat vorliegen erfolgt. Danach bestehen für die Beurteilungen aller Bewerber die gleichen Kriterien, insbesondere lassen die Erläuterungen zur Richtlinie ein abgestuftes Notenspektrum nebst formulierter Differenzierung erkennen. Die Bewertung außerdienstlicher Kriterien ist nicht ersichtlich, so dass keine Anhaltspunkte für eine Verkennung des gesetzlichen Rahmens" seitens der Beklagten bestehen.

Soweit die Kläger der Auffassung sind, dass das Beurteilungssystem der Beklagten samt Notensystem sowie der Gewichtung der einzelnen Noten anhand der Bewertungsfaktoren 1, 0,83 und 4 unzweckmäßig und ermessensfehlerhaft sei, weil objektiv weniger wichtige Kriterien mit objektiv gewichtigeren Kriterien gleichgesetzt würden, verkennen die Kläger, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen dem Dienstherrn überlassen ist, welchen sachlichen Umständen er bei seiner Auswahlentscheidung das größere Gewicht beimisst und in welcher Weise er den Grundsatz des gleichen Zugangs zu dem Beförderungsamt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verwirklicht, sofern nur das Prinzip der Bestenauslese selbst nicht in Frage gestellt wird (vgl. z.B. OVG Bremen, Beschluss vom 19.02.1999 - 2 B 11/99 - m.w.N.) In der Gewichtung der Pflege der Dienst- und Einsatzkleidung mit 0,8 beispielsweise im Verhältnis zur Gewichtung des Verhaltens beim Einsatz in der Brandbekämpfung mit 1,0 vermag der Senat keine sachwidrigen Erwägungen zu erkennen, zumal die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, warum das äußere Erscheinungsbild für sie wichtig ist.

Die von der Beklagten zugrundegelegten Beförderungskriterien entsprechen -entgegen der Ansicht der Kläger - auch dem Prinzip der Bestenauslese. Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Beförderung aufgrund einer aktuellen Bewertung der ausgeführten Tätigkeiten erfolge, ergänzt um den Eignungs- und Bewährungsgrad der Bewerber und die konkreten Voraussetzungen, die der ausgeschriebene Dienstposten verlange. Die ausgeschriebene Beförderung erfolge daher immer nach den gleichen Kriterien, die Verteilung in der Praxis geschehe nach Eignung und Bedarf. Der Senat vermag in dieser Vorgehensweise keine sachwidrigen Erwägungen zu erblicken, zumal die Beklagte mit ihrem allgemeinem Auswahlsystem insbesondere dem Grundsatz der Chancengleichheit gerecht wird.

Die Kläger bemängeln des weiteren, die Verwendung des vorliegenden Bewertungsschemas sei unzulässig, weil Zusatzqualifikationen zu einer schlechteren Gesamtnote führen könnten. Es sei sachwidrig, dass Zusatzqualifikationen, die in der Benotung unter dem jeweiligen Notendurchschnitt des Beamten lägen, im Vergleich zu einem Bewerber, der über die gleichen Noten verfüge, aber Zusatzqualifikationen nicht aufweise, zu einer schlechteren Bewertung führten Dieser Einwand ist nicht berechtigt. Die von der Beklagten zugrundegelegten Bewertungskriterien halten sich auch insoweit im Rahmen des ihr eingeräumten Beurteilungsspielraums, wie bereits das Landgericht auf Seite 7 Absatz 2 seines Urteils vom 15.Februar 2000 zu Recht ausgeführt hat.

Auch ist für den Senat nicht erkennbar, dass die Beklagte bei den hier maßgeblichen Beurteilungen allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen, also solche Erwägungen, die sich nicht ausschließlich auf die dienstliche Eignung des Beamten beziehen, in die Beurteilung einfließen läßt. Für unzulässige oder unvollständige Beurteilungsgrundlagen sowie für die Verletzung von Verfahrensvorschriften haben die Kläger nichts vorgetragen.

Soweit die Kläger bestreiten, dass die Beklagte das Verfahren entsprechend den Richtlinien vom November 1995 überhaupt anwendet, genügen sie damit ihrer Substantiierungspflicht nicht, da die Beklagte durch die Vorlage der Richtlinien nebst Erläuterungen, der dienstlichen Beurteilungen der Kläger von 1996 und 1997 und der Protokolle der Beurteilungskonferenzen vom 23.10.1996 (Anlage B 5 - Bl. 54 d.A. 1506/99b) und 09.09.1997 (Anlage BS 10 - Bl. 351 ff d.A. 680/99b) die Einhaltung der Richtlinien qualifiziert dargelegt hat. Erhebliche Tatsachen für ein richtlinienwidriges Vorgehen haben die Kläger nicht vorgetragen.

Schließlich haben die Kläger auch nicht mit ihrer Behauptung Erfolg, ihre Beurteilungsnoten seien zu schlecht ausgefallen; im Verhältnis zu den Mitbewerbern hätten sie jeweils eine Gesamtnote von 2,3 erreichen müssen, da sie über die gleichen persönlichen Merkmale und Fähigkeiten wie Herr R, Herr E und Herr K die mit einer Gesamtnote von 2,3 im Verfahren A - BF 25197 bewertet wurden, verfügten. Mit dieser subjektiven Einschätzung genügen die Kläger ihrer Substantiierungspflicht nicht, da sie keine Tatsachen dazu vertragen, warum sie ebenso gut wie die vorstehenden Mitbewerber hätten beurteilt werden müssen, zumal sie ihre Beurteilungen seitens der Beklagten weder nachhaltig mündlich noch im förmlichen Widerspruchsverfahren jemals angegriffen haben.

Unabhängig von der vorstehenden Überlegung wären die Kläger im übrigen auch mit einer Note von 2,3 nicht befördert worden. Die Beklagte hat für die nicht beförderten Bewerber der Ranglistenplätze 11-20 des Verfahrens D 15/96 im August 1997 neue dienstliche Beurteilungen, die dem Senat vorliegen (Bl. 370 ff d. A. 680/99b), durchführen lassen. Danach hatten diese nunmehr auf die Ausschreibung A-BF 19/97 hin beförderten Bewerber sämtlich Beurteilungsnoten von 2,14 bis 2,25 erreicht, so dass ihre Beförderungen auch dann zu Recht erfolgt wären, wenn die Kläger mit einer Note von 2,3 bewertet worden wären.

Ende der Entscheidung

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