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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 14.09.2005
Aktenzeichen: 1 U 50/05
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 935 Abs. 1
HGB § 56
1. Der Ladenangestellte eines Kfz.-Handelsgeschäfts ist aufgrund des § 56 HGB allein zur Vornahme von branchentypischen Rechtsgeschäften bevollmächtigt. Ob der Verkauf eines Personenkraftwagens in diesem Sinne branchentypisch ist, bestimmt sich maßgeblich nach dem konkreten Inhalt des Rechtsgeschäfts.

2. Der Ladenangestellte in einem Kfz.-Handelsgeschäft ist regelmäßig nicht befugt, Fahrzeuge aus dem Besitz seines Besitzherrn an Interessenten zu übereignen, ohne dass die Zahlung des Kaufpreises gesichert ist.

3. Stellt ein Kfz.-Handelsgeschäft einem Kaufinteressenten einen Personenkraftwagen für eine Probefahrt zur Verfügung, wird kein Leihverhältnis zwischen dem Handelsgeschäft und dem Interessenten begründet.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäftszeichen: 1 U 50/05

Verkündet am : 14. September 2005

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.09.05 unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am OLG Neumann des Richters am OLG Dr. Wittkowski und der Richterin am AG Dr. Schilling

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen - 8. Zivilkammer, Einzelrichter - vom 24.05.05 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention; diese trägt der Nebenintervenient selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Klägerin handelt - unter anderem - mit Gebrauchtfahrzeugen. Bei der Klägerin war der Zeuge G. als Verkäufer angestellt, der eine Vielzahl von Fahrzeugen aus dem Bestand der Klägerin an den Nebenintervenienten B. weitergab. Auch der Beklagte ist auf dem Gebiet des Gebrauchtwagenhandels tätig. Er erwarb von einem Herrn P. einen Pkw BMW 540i, der aus dem Bestand der Klägerin stammte. Dieses Fahrzeug wurde von der Staatsanwaltschaft Bremen beschlagnahmt.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin das Eigentum an dem Pkw BMW 540i für sich reklamiert und zunächst Klage auf Zustimmung zur Aufhebung der Sicherstellung des Fahrzeuges und Herausgabe von Brief und Schlüssel gegen den Beklagten erhoben. Im Laufe des Rechtsstreits haben sich die Parteien darauf geeinigt, den Pkw BMW im Wege der Versteigerung zu veräußern und den Erlös, der 8.5000,- € betrug, zum Gegenstand des Rechtsstreits zu machen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe Eigentum an dem Pkw BMW nicht erworben. Der Zeuge G. habe das von dem Beklagten erworbene Fahrzeug im Zusammenwirken mit dem Nebenintervenienten B. durch strafbare Handlung aus dem Besitz der Klägerin gebracht. Ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums am Fahrzeug durch den Beklagten komme daher nicht in Betracht. Der Beklagte müsse deshalb an die Klägerin € 8.500,- nebst Zinsen zahlen.

Der Beklagte und der Nebenintervenient haben Klagabweisung beantragt. Der Beklagte ist der Auffassung, jedenfalls gutgläubig Eigentum an dem Pkw BMW erworben zu haben.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klagabweisung weiter. Wegen der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 26.07.05 (Bl. 131-138 d.A.) Bezug genommen.

Der Nebenintervenient schließt sich dem Antrag des Beklagten an.

Die Klägerin beantragt, die Zurückweisung der Berufung. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Vortrag der Klägerin ergibt sich aus ihren Schriftsätzen vom 06.09.05 und vom 13.09.05.

II. Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das landgerichtliche Urteil trifft auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Beklagten zu.

1. Dies gilt zunächst für den rechtlichen Ausgangspunkt der angefochtenen Entscheidung. Zu Recht sieht das Landgericht die Vorschrift des § 935 Abs. 1 BGB als entscheidungserhebliche Norm an, wonach ein gutgläubiger Erwerb von abhanden gekommenen Sachen nicht stattfindet.

Eine Sache ist abhanden gekommen, wenn der Eigentümer den unmittelbaren Besitz ohne seinen Willen verloren hat (Palandt-Bassenge, Komm. zum BGB, 64. Aufl. 2005, § 935 Rn. 3 m.w.N.). Für den Fall, dass ein Besitzdiener für einen Besitzherrn besitzt, liegt ein unfreiwilliger Besitzverlust des Besitzherrn vor, wenn der Besitzdiener die Sache ohne dessen Willen oder unter Verstoß gegen Weisungen des Besitzherrn unterschlägt bzw. weggibt (Nachw. bei Palandt-Bassenge, § 935 Rn. 8). Allerdings ist in einem solchen Fall der Erwerber nach Maßgabe des § 56 HGB geschützt (ebenda).

Nach § 56 HGB ist derjenige, der in einem Laden angestellt ist, als ermächtigt anzusehen zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen.

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Verkauf i.S.d. § 56 HGB "in einem derartigen Laden gewöhnlich" geschieht, ist abzustellen auf das Geschäft an sich, also den Geschäftstyp, wie auch auf den konkreten Inhalt des Geschäfts (z.B. Rabattgewährung, Zusicherung); es kommt insoweit auf die Branchenüblichkeit in vergleichbaren Geschäftslokalen an (Koller-Roth, Komm. zum HGB, 4. Aufl. 2003, § 56 Rn. 10; Schmidt, HandelsR, 4. Aufl. 1994 S. 605 f; MüKo zum HGB, 1996, § 56 Rn. 22, 28).

Das Landgericht hat auch insoweit zutreffend erkannt, dass dann, wenn objektiv keine Vertretungsmacht nach § 56 HGB vorliegt, ein Eigentumserwerb durch den Erwerber ausgeschlossen ist, wenn er bösgläubig ist, wobei Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Erwerbers schaden; nach herrschender Auffassung wird insoweit § 54 Abs. 3 HGB analog herangezogen (MüKo zum HGB, a.a.O., Rn. 32).

Für die Entscheidung des vorliegenden Falles kann deshalb dahinstehen, ob der Beklagte im Jahr 2002 von dem Automobilkaufmann J. P. den Pkw BMW 540 i gutgläubig erworben hat, wenn schon ein Erwerb des genannten Pkw durch den Nebenintervenienten Bauer von der Klägerin an der Vorschrift des § 935 BGB i.V.m. § 56 HGB scheitert.

Ebendies ist - in Übereinstimmung mit der landgerichtlichen Entscheidung - bei dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt zu bejahen, und zwar aus folgenden Gründen:

2. Unstreitig war der Zeuge G. im Herbst 2002 als Ladenangestellter i.S.d. § 56 HGB bei der Klägerin angestellt. In dieser Eigenschaft hat er über den Pkw BMW 540 i verfügt.

Nach der überzeugenden und von dem Beklagten im Übrigen nicht angegriffenen Aussage des Zeugen S. war der Zeuge G. zum Verkauf und zur Übereignung der im Besitz der Klägerin befindlichen Fahrzeuge einschließlich der Fahrzeugpapiere nur gegen Bezahlung berechtigt, wobei die Bezahlung bar oder per Scheck erfolgen durfte.

Allein eine solch eingeschränkte Befugnis (Übereignung nur gegen Bezahlung) entsprach - wie das LG zutreffend ausgeführt hat (S. 7 Mitte des Urt. = Bl. 104) - auch der Stellung des Zeugen G. als Ladenangestellter i.S.d. § 56 HGB. Zu Recht hat deshalb das LG a.a.O. ausgeführt, dass der Zeuge G. keine Vollmacht besessen habe, Pkws nebst entsprechenden Kfz-Briefen ohne Zahlung des Kaufpreises oder jedenfalls ohne Absicherung des Kaufpreises zu übereignen.

Dieser eingeschränkte Umfang der Vollmacht des Zeugen G. ist im Übrigen im Berufungsrechtszug unstreitig. Der Beklagte wendet insoweit lediglich ein, der Zeuge G. sei berechtigt gewesen, die im Besitz der Klägerin befindlichen Fahrzeuge für Vorführ- oder Probefahrten an Interessenten auszuleihen, behauptet jedoch selbst nicht, dass der Zeuge G. zur Übereignung der Fahrzeuge nebst Kfz-Brief ohne Zahlung des Kaufpreises befugt gewesen sei.

Eine weitergehende Befugnis eines Ladenangestellten wäre überdies auch völlig branchenuntypisch. Dass ein Ladenangestellter in einem Kfz-Handelsgeschäft typischerweise befugt ist, Fahrzeuge aus dem Besitz seines Besitzherrn an Interessenten zu übereignen, ohne dass die Kaufpreiszahlung sicher gestellt ist, entspricht - was im Übrigen unstreitig ist - nicht den Usancen der Branche.

Der Zeuge G. war mithin auch unter dem Gesichtspunkt des § 56 HGB objektiv nicht zum Verkauf und zur Übereignung des im Besitz der Klägerin befindlichen Pkw BMW an den Nebenintervenienten B. berechtigt, sofern nicht die Bezahlung des Pkw sichergestellt war.

Der Nebenintervenient B. hat auch nicht gutgläubig Eigentum an dem Pkw BMW erworben. Vielmehr war er bei dem Erwerb des Eigentums bösgläubig, weil er gewusst hat oder zumindest hätte wissen müssen, dass die Modalitäten des Erwerbs nicht üblich waren.

Dies ergibt sich aus folgenden Umständen:

Wie der Zeuge G. selbst ausdrücklich vor dem Landgericht als Zeuge bekundet hat, hat er selbst handschriftlich den Text auf dem Formular der "Verbindlichen Bestellung eines gebrauchten Kfz." - datiert auf den 25.07.02 (27) - geschrieben. Ausweislich dieses Formulars sollte danach Besteller des Pkw BMW ein Herr R. , wohnhaft in Norwegen, sein. Eine Unterschrift enthält das Bestellungsformular nicht, vielmehr hat der Zeuge G. in der entsprechenden Spalte handschriftlich lediglich den Hinweis eingefügt "Tel. OK Hr. A. ".

Unbestritten ist die anschließende Übergabe des Fahrzeugs nebst den entsprechenden Fahrzeugpapieren (so die Aussage des Zeugen G. , Bl. 84) von dem Zeugen G. an den Nebenintervenienten B. in Erfüllung der vorgenannten Bestellung erfolgt (Bl. 24), und zwar mit dem von Herrn G. und Herrn B. übereinstimmend angestrebten Ziel der Eigentumsübertragung von der Klägerin auf Herrn B. bzw. den "Besteller" (Schriftsatz des Beklagten vom 24.07.04, S. 2 = Bl. 36). Der Beklagte nimmt ausdrücklich nicht in Abrede, sondern vermutet vielmehr selbst, dass es sich bei dem "Abnehmer", Herrn R. , um eine dem Zeugen G. von dem Nebenintervenienten B. genannte Person handelt (ebenda = Bl. 36). Auf der Grundlage des eigenen Vortrags des Beklagten und auch nach der Aussage des Zeugen G. (Bl. 84 unten) hat mithin der Nebenintervenient B. die Bestellung entweder selbst veranlasst oder sie zumindest gekannt und als Grundlage der Übergabe des Fahrzeugs nebst Papieren und der Eigentumsübertragung akzeptiert.

Der Nebenintervenient B. ist Fahrzeughändler (Bl. 2 oben). Ihm sind die Gepflogenheiten in der Automobilbranche deshalb bekannt. Wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, war Herrn B. bekannt, dass die vorgenannten Modalitäten der Eigentumsübertragung im hohen Maße ungewöhnlich waren. Dies gilt zum einen hinsichtlich des Umstandes, dass eine Eigentumsübertragung ohne Zahlung des Kaufpreises erfolgen sollte. Zum anderen sollte Grundlage der Eigentumsübertragung eine von dem Ladenangestellten der Verkäuferin handschriftlich selbst ausgefüllte Bestellung sein, die der angebliche Besteller nicht einmal selbst unterschrieben hatte. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht die Bösgläubigkeit des Nebenintervenienten B. bejaht hat. Denn Herr B. hat entweder gewusst oder hätte zumindest wissen müssen, dass die vorgenannten Modalitäten des Eigentumserwerbs des Pkw BMW nicht branchenüblich waren.

Der Klägerin ist mithin der Pkw BMW abhanden gekommen, so dass ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums an dem Pkw durch den Beklagten nach § 935 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist.

An diesem Ergebnis ändert auch der von dem Beklagten mit der Berufungsbegründung vorgebrachte Einwand nichts, der Zeuge G. habe den Pkw dem Nebenintervenienten B. befugtermaßen zu einer Probefahrt überlassen. Denn es ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin ihren Besitz an den Pkw dadurch aufgegeben hat, dass ihr Angestellter G. den Pkw dem Nebenintervenienten für eine Probefahrt überlassen hat. Insbesondere ist durch eine Probefahrt des Nebenintervenienten, wenn sie denn stattgefunden hat, ein Leihverhältnis mit der Klägerin nicht begründet worden (Palandt-Weidenkaff, a.a.O., § 598 Rn. 5). Besitz an dem Fahrzeug hat der Nebenintervenient vielmehr erst erlangt, als der Zeuge G. ihm zum Zwecke der Übereignung des Fahrzeugs den Pkw sowie die dazugehörigen Schlüssel und Kraftfahrzeugpapiere übergab und zu diesem Zeitpunkt ist der Pkw - wie bereits ausgeführt - der Klägerin abhanden gekommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO); der Beklagte hat Gründe für eine Zulassung der Revision auch selbst nicht vorgebracht.

Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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