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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 27.12.2000
Aktenzeichen: 1 U 61/00
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 631
VOB/B § 16 Nr. 3 Abs. 1
Bei einem VOB-Werkvertrag ist der Auftraggeber gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B verpflichtet, die ihm erteilte Schlussrechnung innerhalb von 2 Monaten zu prüfen. Erhebt der Auftraggeber erstmals 5 Monate nach Erteilung der Schlussrechnung Einwendungen gegen die in der Schlussrechnung ausdrücklich genannte Abrechnungsweise des Auftragnehmers, kann der Auftraggeber mit diesen Einwendungen unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung (§ 242 BGB) ausgeschlossen sein.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

AZ: 1 U 61/00 = 7 O 470/2000

verkündet am: 27. Dezember 2000

VROLG Neumann

In Sachen

hat der Senat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2000 durch die Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Bremen - 7. Zivilkammer - vom 13. Juli 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer der Kläger beträgt DM 14.666,16.

Tatbestand:

Der Beklagte hatte für die Klägerinnen Bohrungen an Schwellen für Straßenbahnschienen zum Einheitspreis von 0,44 bzw. 0,46 DM/pro cm vorzunehmen. Ihrem Vertragsverhältnis hatten die Parteien die VOB/B zugrunde gelegt. Bei seinen Bohrungen traf der Beklagte unvorhergesehen auf Teile der Eisenbewehrung. Daraufhin vereinbarten die Parteien für diese Fälle den Einsatz eines Diamantbohrers, mit dem der Beklagte sogenannte Kernbohrungen zum Preis von DM 42,-- pro Bohrung durchführen sollte. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt ist, die Kernbohrungen als Zusatzleistung neben der jeweiligen Normalbohrung oder lediglich als alternative Leistung abzurechnen. In der Schlußrechnung des Beklagten, die eine Oberzahlung der Kläger auswies, waren die Kernbohrungen ausdrücklich als "Zusatzleistung" abgerechnet worden. Die Kläger haben erstmals fünf Monate nach Erteilung der Schlußrechnung geltend gemacht, zu dieser Abrechnungsweise sei der Beklagte nicht berechtigt. Sie begehren nunmehr die Rückzahlung eines weiteren Teiles des an den Beklagten gezahlten Werklohnes mit der Begründung, bei den Kernbohrungslöchern hätte der Beklagte nicht daneben die Kosten der Normalbohrung berechnen dürfen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Bremen - 7. Zivilkammer - vom 13. Juli 2000 ist aus den auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Kläger zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, denen sich der Senat im wesentlichen anschließt und auf die er Bezug nimmt (§ 543 Abs. 1 ZPO), unbegründet.

Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin:

Zu Recht hat das LG einen Rückzahlungsanspruch der Kläger wegen behauptetermaßen zuviel gezahlten Werklohns für unbegründet erachtet, weil ein etwaiger solcher Anspruch jedenfalls verwirkt ist, § 242 BGB.

Dabei kann daninstehen, ob bei einem VOB-Werkvertrag der Auftraggeber, der die ihm erteilte Schlußrechnung innerhalb der 2-Monats-Frist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B prüft, ohne Einwendungen gegen die Abrechnung zu erheben, nach Ablauf von 2 Monaten nach Erteilung der Schlußrechnung ausnahmslos mit Einwendungen gegen die Schlußrechnung ausgeschlossen ist (so OLG Düsseldorf, BauR 90, 609; NJW-RR 98, 376, 377 unter II; LG Schweinfurt, BauR 2000, 113; Vygen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 3. Auflage 1997, Rd-Nr. 885; ähnlich OLG Celle, BauR 96, 264f; differenzierend OLG Jena, Urteil vom 02.08.2000 - 2 U 291/99, IBR 2000, 423; anderer Ansicht: OLG Brandenburg, Urteil vom 16.03.2000 - 8 U 66/99, IBR 2000, 422; LG Frankfurt, BauR 2000, 119; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. Auflage 2000, B § 16 Rd-Nr. 63: kritisch: Werner-Pastor, Der Bauprozeß, 9. Auflage 1999, Rd-Nr. 1396; Welte, Baurecht 98, 384ff).

Jedenfalls bei der vom Senat vorliegend zu beurteilenden Fallkonstellation ist der Rückzahlungsanspruch der Auftraggeber verwirkt.

Ein Recht ist verwirkt, wenn es längere Zeit vom Berechtigten nicht geltend gemacht worden ist (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, daß dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Umstandsmoment). Die Verwirkung ist damit ein typischer Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens; der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung (BGH Z 25,52; 105, 298; Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB, 59. Auflage 2000, § 242 Rd-Nr. 87 m.w.N).

Die Voraussetzungen der Verwirkung sind erfüllt.

Die Kläger haben den behaupteten Rückzahlungsanspruch wegen zuviel gezahlten Werklohns längere Zeit nicht geltend gemacht. Dabei richtet sich die erforderliche Dauer des Zeitablaufs nach den Umständen des Einzelfalls (Palandt-Heinrichs, a.a.O. Rd-Nr. 93), wobei es u.a. auf die Qualität und den Umfang der Beanstandungen ankommt (Beck'scher VOB-Kommentar-Motzke, Teil B, 1997, vor § 17 Rd-Nr. 84). In diesem Zusammenhang fällt vorlegend entscheidend ins Gewicht, daß die von den Klägern gegen die Schlußrechnung erhobene Beanstandung allein die Frage betraf, ob die von dem Beklagten vorgenommenen Kernbohrungen als Zusatzleistung neben der teilweise durchgeführten jeweiligen Normalbohrung oder als alternative Leistung abzurechnen waren. In seiner Schlußrechnung vom 14.10.1997 (Blatt 16 d.A.) hat der Beklagte die Kernbohrungen ausdrücklich als Zusatzleistung abgerechnet und den Klägern zugleich einen Verrechnungsscheck über einen aufgrund der Abschlagszahlungen überzahlten Betrag von DM 2.641,63 übersandt. Wenn die Kläger der Ansicht waren, die Berechnung der Kernbohrungen als Zusatzleistung entspreche nicht der von den Parteien getroffenen Vereinbarung, hätten sie dies dem Beklagten - ohne daß es irgendwelcher technischer Oberprüfungen der Werkleistung des Beklagten vor Ort bedurft hätte - ohne weiteres umgehend mitteilen können. Dies haben die Kläger nicht getan, sondern erstmals ca. 5 Monate nach Erteilung der Schlußrechnung - also lange nach Ablauf der 2-Monats-Frist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B - entsprechende Einwendungen erhoben.

Stellt man in Rechnung, daß die VOB/B mit der 2-Monats-Frist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 das Ziel verfolgt, Aufmaß- und Abrechnungsstreitigkeiten zeitnah zur Fertigstellung des Werkes und zur Abrechnung zu klären, was die Geltendmachung von Einwendungen in kurzer Frist erfordert, ist das Zeitmoment des Verwirkungstatbestandes unter den hier gegebenen Umständen als erfüllt anzusehen.

Mit ihrem neuen - erheblichen - Vorbringen, sie hätten die Abrechnung der Kernbohrungen als Zusatzleistung in der Schlußrechnung des Beklagten vom 14.10.1997 bereits Anfang November 1997 mündlich beanstandet, können die Kläger nicht gehört werden. Diese Behauptung haben sie erstmals mit Schriftsatz vom 05.12.2000 (einen Tag vor dem Verhandlungstermin des Senats) erhoben. Der Senat weist diesen Vortrag als schuldhaft verspätet zurück, §§ 527, 519 Abs. 3 Nr. 2. 296 Abs. 1, 4 ZPO. Denn die Berücksichtigung des neuen - von dem Beklagten bestrittenen - Vorbringens der Kläger hätte die Durchführung einer Beweisaufnahme erfordert, die in dem Verhandlungstermin des Senats vom 06.12.2000 nicht durchführbar war; auch haben die Kläger die Verspätung ihres neuen Vorbringens nicht genügend entschuldigt, zumal nicht ansatzweise dargetan ist, warum sie es nicht bereits - pflichtgemäß - in der ersten Instanz vorgetragen haben.

Außer dem Zeitmoment ist auch das Umstandsmoment des Verwirkungstatbestandes erfüllt.

Der Beklagte hat unstreitig darauf vertraut, daß die Kläger nach Ablauf von ca. 5 Monaten nach Erteilung der Schlußrechnung Rückzahlungsansprüche jedenfalls wegen der Berechnung der Kernbohrungen als Zusatzleistung nicht mehr erheben würden.

Ein solches Vertrauen war auch berechtigt. Denn der Beklagte durfte davon ausgehen, daß die Kläger entsprechend der in § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B statuierten Pflicht innerhalb von 2 Monaten nach Erteilung der Schlußrechnung diese prüfen und jedenfalls solche Unrichtigkeitkeiten rügen würden, die bereits aus dem Text der Schlußrechnung ersichtlich waren. Die Kläger haben eine solche Rüge nicht nur nicht erhoben, sondern darüber hinaus den Scheck des Beklagten über die in der Schlußrechnung vom 14.10.1997 ausgewiesene Überzahlung von DM 2.641,63, die in dem - ebenfalls vom 14.10.1997 stammenden - Schreiben des Beklagten (Blatt 39 d. A.) erläutert ist, eingelöst. Die Gutschrift beruhte gerade auch auf der von dem Beklagten seiner Schlußrechnung zugrunde gelegten Berechnung der Kernbohrungen als Zusatzleistung. Durch die Einlösung des Schecks in Höhe des Gutschriftsbetrages ohne Geltendmachung eines Vorbehalts auch in der Folgezeit bis März 1998 haben die Kläger - jedenfalls aus der Sicht des Beklagten, auf die es ankommt (§§ 133, 157 BGB) - zu erkennen gegeben, daß sie Beanstandungen gegen den in der Schlußrechnung genannten Abrechnungsmodus nicht erheben würden.

Ende der Entscheidung

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