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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 23.09.2004
Aktenzeichen: 2 U 20/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 538 Abs. 1 a.F.
1. Ist in einer wohnungseigentumsrechtlichen Teilungserklärung die Nutzung eines Teiles der Anlage mit "Café" umschrieben, so brauchen die Wohnungseigentümer nur mit einem früh schließenden Betrieb zu rechnen, nicht dagegen mit einer Gaststätte, die "Bistro"-Charakter aufweist.

2. Der Vermieter von Räumlichkeiten, die nach der mietvertraglichen Sollvereinbarung als Bistro mit Öffnungszeiten und Speiseangeboten bis Mitternacht und später genutzt werden sollen, haftet wegen anfänglichen Mangels der Mietsache, wenn der Mieter die Gaststätte wegen der in Nummer 1 bezeichneten Einschränkung nicht wie beabsichtigt betreiben kann.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäftszeichen: 2 U 20/04

Verkündet am: 23. September 2004

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. August 2004 durch die Richter

Prof. Dr. Derleder, Dr. Schnelle und Dierks

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts vom 9. Januar 2004 (Geschäfts-Nr.: 3 O 2328/02) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Dem Kläger steht dem Grunde nach der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 538 Abs. 1 BGB a. F. zu, den das Landgericht in seinem von den Beklagten angefochtenen Grundurteil anerkannt hat. Die dagegen von den Beklagten im zweiten Rechtszug mit ihrem Berufungsantrag auf Klagabweisung erhobenen Einwände greifen nicht durch. Der am 20.06.1999 geschlossene langfristige Mietvertrag des Klägers mit der Beklagten zu 1 als Eigentümerin der Gewerberäume in dem Mehrfamilienhaus in Bremen, in denen der Kläger dann bis zur vorzeitigen Schließung einen Gastronomiebetrieb führte, enthält eine Sollvereinbarung, die sich als nicht durchführbar erwiesen hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des ersten Rechtszuges hat der Kläger bei den Verhandlungen vor Abschluss des Mietvertrags die Erwartung geäußert, den Betrieb ebenso wie die Vergleichsgaststätte "P. " führen zu können, also mit Öffnungszeiten und Speisenangebot bis Mitternacht und später. Auch wenn nicht konkret über die Öffnungszeiten gesprochen worden ist, war damit klar, dass diese Öffnungszeiten als für den Umsatz wesentliche Größe maßgeblich waren. Einer ausdrücklichen Zusicherung bedurfte es insoweit für die mietvertragliche Sollvereinbarung anders als für den kaufvertraglichen Schadensersatz nach § 463 BGB a. F. nicht. Die Aussagen der Zeugen S. und Frau St. zur geplanten Führung des Betriebs enthalten auch keine Widersprüchlichkeiten oder sonstigen Angriffspunkte, so dass gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts keinerlei Bedenken bestehen. Die Sollvereinbarung hat auch in der für einen langfristigen Mietvertrag vorgesehenen Schriftform des § 566 BGB a. F. den notwendigen Niederschlag gefunden, soweit dort der Betrieb eines Bistros als Verwendungszweck bezeichnet ist. Dieser zunehmend in der Gastronomiepraxis benutzte Begriff schließt auch Betriebe mit abendlichen und nächtlichen Öffnungszeiten ein, so dass die zur Einhaltung der Form notwendige Andeutung der Sollvereinbarung hinsichtlich der Öffnungszeiten zu bejahen ist.

Darin, dass die vertragliche Sollvereinbarung wegen der Intervention der über dem dann eröffneten Lokal des Klägers wohnenden Mieter R. nicht weiter verwirklicht werden konnte, liegt ein Sachmangel der vermieteten Räume. Nachdem dem Kläger aufgrund rechtskräftiger zivilgerichtlicher Verurteilung ein Betrieb nach 22:00 Uhr untersagt worden ist, war der Kläger auch praktisch an der weitergehenden Öffnung seines Lokals gehindert. Der Sachmangel ergab sich aber nicht erst aufgrund dieser Verurteilung, sondern aufgrund der Teilungserklärung des Wohngebäudes, die eine Nutzung der Gewerberäume als Café vorsieht. Aufgrund einer derartigen Bezeichnung brauchten die Wohnungsnutzer eines solchen Gebäudes gerade nicht mit langen oder überlangen Öffnungszeiten zu rechnen. Eine derartige Einschränkung des Wohngebrauchs hätte wohnungseigentumsrechtlich eindeutig in der Teilungserklärung verankert werden müssen, um die (beschränkte) dingliche Rechtsstellung der Wohnungseigentümer hinreichend zu konkretisieren. Mit dem Begriff "Café", der nach vorherrschendem Sprachgebrauch auch früh schließende Tagescafés bezeichnet, verbindet sich eine derartige Einschränkung nicht mit der im sachenrechtlichen Rechtsverkehr gebotenen Deutlichkeit. Der Sachmangel bestand daher von Anfang an, so dass auch die Garantiehaftung nach § 538 Abs. 1 erste Alternative BGB a. F. eingreift.

Die Garantiehaftung entfällt auch nicht wegen der Streichung der Formularklausel des Vertrags über den Ausschluss der verschuldensunabhängigen Haftung nach § 538 Abs. 1 erste Alternative BGB a. F.. Nach der Vorlegung des Vertrags mit der Streichung dieser Klausel (in Kopie) durch den Kläger hätte es der Vorlegung eines Vertragsexemplars ohne Streichung durch die beklagte Seite (jedenfalls in Kopie) bedurft, um dem Kläger die Beweislast für die einvernehmliche Streichung aufzuerlegen. Im Übrigen hat die Aussage des Zeugen S. ergeben, dass dieser die Streichung der für die Mieterseite ungünstigen Klausel während der Vertragsverhandlungen vorgenommen hat. In jedem Fall haftet die Beklagte zu 1 aber auch wegen Verschuldens nach § 538 Abs. 1 zweite Alternative BGB a. F.. Der Beklagte zu 2 hätte als Verhandlungsgehilfe der Beklagten zu 1 den drohenden Nutzungskonflikt zwischen den Wohnungseigentümern, die auf die Teilungserklärung vertrauten, und dem Kläger mit dem erkennbaren Interesse an langen Öffnungszeiten erkennen und zumindest auf die insoweit bestehende Unsicherheit für die vom Kläger geplante Betriebsführung hinweisen müssen. Da dies nicht geschehen ist, haftet die Beklagte zu 1 gemäß § 278 BGB, für den Beklagten zu 2 als ihren Verhandlungsgehilfen auf Schadensersatz wegen eines zu vertretenden Sachmangels.

Der Beklagte zu 2 haftet auch persönlich aufgrund des in besonderem Maße für sich persönlich in Anspruch genommenen Vertrauens. Diese Haftungsgrundlage, die nunmehr in § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB verankert ist und den bisherigen Rechtsgrundsätzen der Rechtsprechung entspricht (siehe nur BGHZ 56, 84; 88, 69), wird der Stellung des Beklagten zu 2 gerecht, der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der den Bau errichtenden GmbH war, die Wohnungen und Gewerberäume für diese veräußert und die Verhandlungen mit den Erwerbern und dem Mieter persönlich geführt hat, obwohl er nur Gesellschafter und nicht Geschäftsführer der Beklagten zu 1 als Erwerberin der Gewerberäume war. Er hat dabei seine besondere Sachkunde ins Spiel gebracht, auch hinsichtlich der Vereinbarung der Nutzungszwecke, und ist insofern gegenüber dem Kläger, einem Neuling im Gastronomiebereich, als breit informierter Fachmann aufgetreten. Er haftet daher zusammen mit der Beklagten zu 1 gesamtschuldnerisch für die fahrlässige Verursachung des Sachmangels. Er kann sich nicht darauf berufen, dass die Begriffe "Bistro" und "Café" auch für ihn Unschärfen hatten und er an eine Vereinbarkeit der Nutzungszwecke glauben durfte. Vielmehr musste er im Hinblick auf die erheblichen Investitionen der Eheleute R. als Käufer der über den Gewerberäumen liegenden Wohnung und des Klägers zur Einrichtung des Gastronomiebetriebs gerade auf diese Unschärfen hinweisen und sich wegen dieses Versäumnisses den Vorwurf der Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt machen lassen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung zur Haftung der Beklagten noch darauf hingewiesen, dass der Kläger auf keinen Fall zugleich den Schaden ersetzt verlangen kann, wie er dadurch entstanden ist, dass er den Mietvertrag in Unkenntnis der begrenzten Öffnungszeiten geschlossen hat, als auch den Schaden, der sich aus der vorzeitigen Schließung des Betriebs infolge zu geringen Umsatzes ergibt. Obgleich für die vom Kläger gemachten Aufwendungen die Rentabilitätsvermutung gilt, ist ferner zu berücksichtigen, inwieweit der Kläger die Einrichtung seines Gastronomiebetriebs, was er selbst in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, für einen später eröffneten anderen Betrieb nutzen konnte.

Die Kostenentscheidung folgt § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO wegen der Besonderheit der Einzelfallumstände nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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