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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 08.05.2007
Aktenzeichen: 2 W 27/07
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 567 Abs. 1
InsO § 4 a
1. Wird gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts als Insolvenzgericht, mit der die vom Schuldner beantragte Restschuldbefreiung abgelehnt worden ist, Beschwerde eingelegt und entscheidet das Beschwergericht über den in seinem Rechtszug erstmalig gestellten Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 4 a Abs. 2 Satz 1 InsO), so ist gegen diese landgerichtliche Entscheidung die sofortige Beschwerde statthaft.

2. Ist ein Schuldner im Prüfungstermin/Schlusstermin vor dem Insolvenzgericht anwesend gewesen, hat er dort sachgerechte Erklärungen abgegeben, ist er persönlich vom Insolvenzrichter angehört worden, hat er zusätzlich in schriftlicher Form eine Zusammenstellung über seine Einnahmen und Ausgaben sowie ein ergänzendes Schreiben übergeben, so ist regelmäßig die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich, um die Rechte des Schuldners zu wahren.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Beschluss

Geschäftszeichen: 2 W 27/07

in dem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen

Tenor:

Die sortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 6. Februar 2007 wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 3000,-- festgesetzt. Gründe:

I.

Am 13. April 2005 stellte der oben bezeichnete Antragsteller bei dem Amtsgericht - Insolvenzgericht - Bremen den Antrag (Bl. 1 d.A.), über sein Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen und reichte zugleich die zur Beurteilung seines Antrages erforderlichen Anlagen ein (Bl. 2 - 27 d.A.). Am 27. April 2005 beschloss das Amtsgericht, das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren nicht durchzuführen und das Verfahren über den Insolvenzeröffnungsantrag fortzusetzen (§ 306 Abs. 1 Satz 3 InsO). Am selben Tage wurde Rechtsanwalt R. zum Treuhänder bestellt (Bl. 36, 38/39 d.A.). Dieser erstattete unter dem 14. Juli 2005 den Bericht gemäß § 156 InsO (Bl. 66 - 81 d.A.). Unter dem 24. März 2006 legte er den Schlussbericht über das Vermögen des Antragstellers vor (Bl. 95-101 d.A.). Im Rahmen der von ihm abgegebenen Stellungnahme zum Antrag auf Restschuldbefreiung/Stundungsantrag berichtete der Treuhänder über Verhaltensweisen des Antragstellers, die geeignet gewesen seien, dessen Mitwirkungspflichten im Insolvenzverfahren zu verletzen und zudem zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt hätten. Zudem habe er nach Verfahrenseröffnung Vermögen verschwendet, das der Insolvenzmasse zugestanden habe. Es seien somit die Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 3 und 4 InsO erfüllt (Bl. 100 d.A.). In dem Schlusstermin - verbunden mit einem nachträglichen Prüfungstermin - stellte ein Gläubigervertreter mit Rücksicht auf das soeben dargestellte Verhalten des Antragstellers den Antrag, die Restschuldbefreiung zu versagen. Nach Durchführung einer Anhörung zu dem vom Antragsteller unterbreiteten Antrag auf Restschuldbefreiung am 18. Juli 2006 (Bl. 137 d.A.) versagte das Amtsgericht Bremen - Insolvenzgericht - mit Beschluss vom 11. August 2006 (Bl. 147 d.A.), auf dessen Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird, die beantragte Restschuldbefreiung.

Gegen diesen dem Antragsteller persönlich am 22. September 2006 (Bl. 154 d.A.) zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 5. Oktober 2006 (Bl. 155 d.A.) Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2006 (Bl. 161/162 = 165/166 d.A.) unter Hinweis auf beigefügte Anlagen (Bl. 163 und 164 = 167 und 168 d.A.) im Wesentlichen mit dem Hinweis begründet, er, der Antragsteller, habe angesichts der vom Treuhänder selbst eingeräumten "Verwirrungen in Bezug auf die Zahlungen" weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt. Der Vertreter des Gläubigers ist dem entgegengetreten (Bl. 169/170). Der Treuhänder hat sich ebenfalls in diesem Sinne geäußert (Bl. 171-173 d.A. nebst Anlagen Bl. 174 - 176).

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 19. Januar 2007 (Bl. 177/178 = 179/180), auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird, die sofortige Beschwerde des Antragstellers sowie dessen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe als unbegründet zurückgewiesen. Es hat diese Entscheidungen im Wesentlichen mit der Erwägung begründet, der Beschwerdeführer sei der ins Einzelne gehenden Schilderung der Vorgänge durch den Insolvenzverwalter (Treuhänder) im Bericht vom 24. März 2006 nicht hinreichend spezifiziert entgegengetreten.

Gegenüber diesem ihm am 25. Januar 2007 zugestellten (Bl. 181 d.A.) Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 31. Januar 2007 (Bl. 182/183 d.A.) geltend gemacht, er habe nicht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt, sondern einen Antrag auf Beiordnung nach § 4 a InsO gestellt. Dieser setze keine hinreichende Erfolgsaussicht voraus, sondern sei davon abhängig, ob die Beiordnung erforderlich sei. Mit Beschluss vom 6. Februar 2007 (Bl. 184 = 185/186 d.A.) hat das Landgericht diesen Antrag auf Beiordnung gemäß § 4 a InsO zurückgewiesen. Zwar treffe es zu, dass der Antragsteller nicht die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt, sondern eine Beiordnung nach § 4 a InsO begehrt habe. Richtig sei auch, dass über diesen Antrag im Beschluss vom 25. Januar 2007 nicht entschieden worden sei, doch könne diese Entscheidung nachgeholt werden. Zuständig sei das Landgericht als das mit der Beschwerde im Übrigen befasste Gericht. Eine Beiordnung, die aus Gründen der Fürsorgepflicht nur ausnahmsweise in Betracht komme, sei hier nicht geboten, weil für den Antragsteller ohne weiteres erkennbar gewesen sei, welche Verpflichtungen ihm oblegen hätten.

Gegen diesen ihm am 8. Februar 2007 zugestellten Beschluss (Bl. 187 d.A.) hat der Antragsteller am 14. Februar 2007 Beschwerde eingelegt (Bl. 196/197 d.A.) und diese im Wesentlichen mit dem Hinweis begründet, entgegen der vom Landgericht zugrunde gelegten Annahme sei ein Ausnahmefall gegeben, der eine Beiordnung aus Gründen der Fürsorgepflicht habe geboten erscheinen lassen. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes Bezug genommen. Das Landgericht hat, nachdem der Antragsteller mit Schriftsatz vom 8. März 2007 (Bl. 201/202 d.A.) klargestellt hatte, dass es sich bei dem eingelegten Rechtsmittel nicht um eine Rechtsbeschwerde, sondern um eine sofortige Beschwerde handele, dieser mit Beschluss vom 24. April 2007 (Bl. 202 = 203/204 d.A.) nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist statthaft, auch im Übrigen zulässig (§ 569 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber nicht begründet und war daher zurückzuweisen.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft. Nach § 4 InsO gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, für das Insolvenzverfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist. § 4 d Abs. 1 InsO sieht vor, dass gegen die Ablehnung der Stundung oder deren Aufhebung sowie gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts dem Schuldner die sofortige Beschwerde zusteht. Fraglich kann demgemäß nur sein, ob das Landgericht die vom Beschwerdeführer angegriffene Entscheidung im Beschluss vom 6. Februar 2007 "im ersten Rechtszug" erlassen hat. Der Senat bejaht diese Frage aus den nachfolgenden Gründen:

1.

Nach § 4 a Abs. 1 Satz 1 InsO werden dem Schuldner auf Antrag die Kosten des Insolvenz-verfahrens gestundet, soweit sein Vermögen voraussichtlich nicht ausreichen wird, um diese Kosten zu decken, sofern der Schuldner eine natürliche Person ist und er einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat. Werden dem Schuldner die Verfahrenskosten gestundet, so wird ihm auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt trotz der dem Gericht obliegenden Fürsorge erforderlich erscheint (§ 4 a Abs. 2 Satz 1 InsO). Über einen solchen, auf der Grundlage der genannten Vorschrift gestellten Antrag entscheidet regelmäßig ausschließlich das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, als Insolvenzgericht (§§ 2, 3 Abs. 1 Satz 1 InsO). Ist allerdings, wie hier, im Zeitpunkt der Antragstellung das Verfahren beim Landgericht als Beschwerdegericht anhängig (§ 72 GVG), so soll dieses für die Entscheidung über einen nach § 4 a Abs. 2 Satz 1 InsO gestellten Antrag zuständig sein (Braun, InsO, § 4 a Rdnr. 27 [zitiert nach dem Beschluss des Landgerichts vom 6. Februar 2007]).

2.

Die Durchsicht der in der im Nichtabhilfebeschluss angesprochenenen Fundstelle bei Zöller/Gummer, § 567 ZPO Rdnr. 38 benannten Belege ergibt, dass es sich bei den dort benannten oberlandesgerichtlichen Entscheidungen, soweit ersichtlich, nicht um dem zu entscheidenden Fall vergleichbare Sachverhalte gehandelt hat. Im Einzelnen:

In dem Beschluss des OLG Celle vom 17. Juni 2002 - 9 W 59/02 - OLGR 2002, 228 ist ausgesprochen worden, dass nach der zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Neufassung der Zivilprozessordnung Entscheidungen der Landgerichte über Richterablehnungen, die in Berufungsverfahren getroffen werden, nicht mehr mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar seien. Dieser Sachverhalt ist nicht vergleichbar, weil dort die vom Landgericht getroffene Entscheidung die Zusammensetzung des Spruchkörpers für einen bei ihm zweitinstanzlich anhängigen Rechtsstreit betrifft und damit eine ihm gleichsam erstinstanzlich zugewiesene Sachentscheidung zum Gegenstand hat. Die Entscheidung des OLG Celle im Beschluss vom 28. November 2002 - 4 W 219/02 - OLGR 2003, 72 spricht aus, dass eine weitere sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht nach neuem Recht (seit dem 1. Januar 2002) im Zwangsversteigerungsverfahren nicht mehr statthaft sei, und zwar auch nicht als sog. "Zweitbeschwerde" bei behaupteten Verfahrensfehlern. Es liegt auf der Hand, dass hier ein anders gelagerter Entscheidungsgegenstand zu beurteilen war. Auch die Entscheidung des OLG Hamm vom vom 24. April 2002 - 15 W 134/02 - OLGR 2002, 331/332 betrifft einen Sachverhalt aus dem Bereich des Rechts der Zwangsversteigerung, wobei die ursprüngliche, sodann mit Rechtsmitteln angegriffene Entscheidung vom - erstinstanzlich zuständigen - Amtsgericht getroffen worden war.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 25. September 2002 - 24 W 29, 33, 34/02 - MDR 2003/230 - betraf einen Sachverhalt, in dem das Landgericht durch den zuständigen Einzelrichter der Kammer Ordnungsgelder gegenüber Zeugen verhängt hatte, die trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zu einem in einem Berufungsverfahren anberaumten Beweistermin erschienen waren. Die Beschwerde gegen einen solchen Beschluss hat das OLG Düsseldorf als nicht statthaft angesehen. Auch dieser Sachverhalt ist dem hier zu beurteilenden nicht vergleichbar.

3.

Die danach zulässige Beschwerde ist aber nicht begründet. Unabdingbare Voraussetzung für eine Beiordnung nach § 4 a Abs. 2 Satz 1 InsO ist nämlich, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt trotz der dem Gericht obliegenden Fürsorge erforderlich erscheint. Das Vorliegen dieser Voraussetzung kann Senat jedoch ebenso wenig feststellen, wie dies dem Landgericht gelungen ist. Ausweislich des oben dargestellten Geschehensablaufs war der Antragsteller bei der nichtöffentlichen Verhandlung im Schlusstermin - verbunden mit einem nachträglichen Prüfungstermin - am 1. Juni 2006 anwesend und hat dort auch sachdienliche Erklärungen abgegeben. Er hat ferner den Termin zur Anhörung vor dem zuständigen Insolvenzrichter am 18. Juli 2006 wahrgenommen, dort eine Aufstellung über seine Einnahmen und Ausgaben sowie einen Beleg, nach dem er weitere € 50,-- überwiesen hatte, übergeben (Bl. 137, 138-140 d.A.). Ferner hat er im unmittelbaren Anschluss an diese Anhörung ein an den zuständigen Richter gerichtetes Schreiben abgefasst und unverzüglich (Eingang: 21. Juli 2006) nebst Anlagen (Bl. 142-146 d.A.) eingereicht. Angesichts dieser Umstände kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts aus der Sicht des Antragstellers "erforderlich" im Sinne des § 4 a Abs. 2 Satz 1 InsO gewesen ist, denn der Antragsteller hat durch sein Verhalten hinreichend belegt, dass er durchaus in der Lage ist, die ihn in diesem auf seinen Antrag hin eingeleiteten Verfahren zustehenden Rechte selbstständig wahrzunehmen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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