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Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 01.06.2004
Aktenzeichen: 2 W 51/04
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 4
1. Ist der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten und ergeht antragsgemäß ein Versäumnisurteil gegen ihn, nachdem das Gericht den vertretenen Kläger bewogen hat, den angekündigten Klagantrag einzuschränken, so entsteht keine Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO, sondern nur eine Gebühr nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO.

2. Ist in einem solchen Fall im Kostenfestsetzungsbeschluss eine Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO gegen den Beklagten festgesetzt worden und kommt diese auf seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde in Wegfall, so ist die Gebühr nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO dem Kläger auch ohne einen darauf gerichteten Antrag zuzuerkennen.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen BESCHLUSS

Geschäftszeichen: 2 W 51/04

Bremen, den 1. Juni 2004

in Sachen

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bremen vom 19. März 2004 dahin abgeändert, dass die von dem Beklagten an den Kläger nach dem vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 5. Juni 2003 zu erstattenden Kosten auf € 1.734,04 festgesetzt werden. Diese Kosten sind mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab dem 19. Februar 2004 zu verzinsen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Kläger.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt € 328,28.

Gründe:

Mit der am 24. Februar 2003 eingereichten Klage hat der Kläger gegen den Beklagten Ansprüche auf Zahlung von € 15.000,-- Zug um Zug gegen Rückgabe eines im Einzelnen bezeichneten Whirlpools sowie weiterer € 745,-- nebst Zinsen geltend gemacht.

Das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 5. Juni 2003 weist aus, dass für den Beklagten niemand erschienen war, obwohl sein Prozessbevollmächtigter ordnungsgemäß geladen worden war. Ferner ist vermerkt, dass die Angelegenheit kurz mit der Prozessbevollmächtigten des Klägers erörtert worden sei. Diese habe daraufhin erklärt, dass der Zinslaufbeginn auf das Datum der Rechtshängigkeit reduziert werde, dass ein bestimmter Posten aus den Klaganträgen herausgenommen und der Klagantrag zu 2. auf einen Betrag von € 687,45 beschränkt werde. Mit dieser Maßgabe hat die Klägervertreterin die Klaganträge gestellt und um Erlass eines Versäumnisurteils gebeten, das antragsgemäß ergangen ist.

Daraufhin hat der Kläger zum Kostenausgleich u.a. eine 10/10 -Erörterungsgebühr nach einem Streitwert von € 15.745,-- angemeldet, die antragsgemäß mit dem dem Beklagten am 23. März 2004 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss gegen diesen festgesetzt worden ist. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der am 25. März 2004 eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der geltend gemacht wird, eine Erörterungsgebühr sei schon deshalb nicht entstanden, weil der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen und vertreten gewesen sei.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, ist statthaft (§ 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 567 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist auch begründet, denn der Senat kann nicht feststellen, dass die Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO (sog. Erörterungsgebühr) hier entstanden ist.

Die Frage, ob eine Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO auch dann entstehen kann, wenn eine Partei nicht erschienen, nicht ordnungsgemäß vertreten ist oder nicht verhandelt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Während ein Teil der Obergerichte, die sich in letzter Zeit in veröffentlichten Entscheidungen mit dieser Frage befasst haben, den Standpunkt vertritt, es genüge in einem solchen Fall das Gespräch zwischen dem Gericht und dem erschienenen Bevollmächtigten, um die Erörterungsgebühr auszulösen, lehnen andere dieses Ergebnis ab und verlangen, dass zumindest die Möglichkeit einer Erörterung mit den Bevollmächtigten beider Parteien bestanden haben müsse, damit ein Gebührenanspruch aus § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO entstehen könne. Für die erstere Auffassung haben sich ausgesprochen das OLG Koblenz in JurBüro 1994, 671 und das LArbG Köln in JurBüro 1996, 356. Dabei verlangt allerdings das OLG Koblenz, es müsse sich aus dem Protokoll oder sonst zweifelsfrei ergeben, dass der nichtstreitigen Verhandlung (Säumnisentscheidung) eine Erörterung von gegensätzlichen Standpunkten vorangegangen sei. Der gegenteiligen Ansicht, die den Anfall einer Erörterungsgebühr ablehnt, haben sich das OLG Karlsruhe in AnwBl 1997, 502, das Kammergericht in JurBüro 2001, 529 und das OLG Hamm in JurBüro 2002, 640, 641 angeschlossen. In der Literatur vertritt von Eicken in Gerold/Schmidt/v.Eicken/ Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 15. Auflage 2002, § 31 Rand-Nr. 156 den engeren Standpunkt, während Chemnitz in AnwBl. 1988, 166, 167 und Hartmann, Kostengesetze, 33. Auflage 2004, § 31 BRAGO Rand-Nr. 234 eine Erörterungsgebühr auch bei vom Gericht vorgenommener Bereinigung von Unklarheiten bei der Schlüssigkeit des Klagvortrags im Säumnisverfahren zubilligen.

Der Senat folgt der engeren Ansicht, und zwar aus folgenden Gründen:

Die Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO ist vom Gesetzgeber eingeführt worden, weil sich zunehmend in der gerichtlichen Praxis die Handhabung ergab, dass nicht nach Aufruf der Sache die mündliche Verhandlung dadurch eingeleitet wurde, dass die Parteien ihre Anträge stellten (§ 137 Abs. 1 ZPO), sondern das Gericht das - vorläufige - Ergebnis seiner rechtlichen Prüfung des Sach- und Streitstandes bekannt gab und auf die Abgabe sachdienlicher Erklärungen durch die Parteien sowie ihrer Vertreter hinwirkte. Dies konnte dazu führen, dass die "mündliche Verhandlung" geschlossen wurde, ohne dass im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO "verhandelt" worden war. Das aber hatte zur Folge, dass für die Prozessbevollmächtigten diese Gebühr nicht entstand. Diesem Missstand sollte abgeholfen werden. Die entsprechende gesetzgeberische Absicht hat ihren augenfälligen Niederschlag in der gleichzeitig mit § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO eingefügten Regelung des § 31 Abs. 2 gefunden, wonach Erörterungsgebühren und Verhandlungsgebühren, die denselben Gegenstand betreffen und in demselben Rechtszug entstehen, aufeinander angerechnet werden (Art. 3 Nr. 18 des Gesetzes zur Änderung des Gerichtskostengesetzes, des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher, der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer Vorschriften vom 20. August 1975 [BGBl. I S. 2189]).

Hätte sich der vorliegende Sachverhalt vor Einführung der Erörterungsgebühr abgespielt und/oder wäre der Antrag des Klägers ohne ein Rechtsgespräch mit dem Gericht gestellt worden, so wäre in Ermangelung vollständiger Schlüssigkeit des Klagvorbringens ein Versäumnisurteil in demselben Umfang wie geschehen erlassen und die Klage im Übrigen abgewiesen worden (§ 331 Abs. 2 ZPO). In diesem Fall wäre für den Klägervertreter zweifelsfrei eine halbe Gebühr für eine nichtstreitige Verhandlung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO entstanden, wobei der Streitwert des ursprünglichen Klagantrages zugrunde zu legen gewesen wäre. Der Umstand, dass das zwischen dem Gericht und dem Kläger geführte Rechtsgespräch zu einer Teilrücknahme durch den Kläger geführt hat und demgemäß eine Teilabweisung des Klagantrages entbehrlich geworden ist, kann angesichts des dargestellten Zwecks der Erörterungsgebühr nicht dazu führen, dass nunmehr eine solche entsteht, da sie doch keinen anderen Zweck haben sollte und haben soll, den Ausfall auszugleichen, der dadurch entstand und entsteht, dass der Rechtsstreit ohne Stellen der Anträge oder ohne eine ebenfalls eine volle Gebühr auslösende vergleichsweise Regelung (§ 23 Abs. 1 Satz 1 und 3 BRAGO) ganz oder teilweise beendet wird. Auf der Grundlage dieser Darlegungen war allerdings dem Kläger eine halbe Gebühr nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO zuzubilligen, obwohl er deren Festsetzung nicht ausdrücklich beantragt hat. Ein entsprechendes Begehren ist aber als selbstverständlich anzusehen, wenn - wie hier geschehen - die beantragte Festsetzung der Erörterungsgebühr versagt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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