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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 27.01.2006
Aktenzeichen: 2 W 99/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
BGB § 139
1. Unterzeichnet eine mit der Betreuung dreier gemeinsamer Kinder befasste, nicht erwerbstätige und im Übrigen vermögenslose Ehefrau gemeinsam mit ihrem Ehemann einen Darlehensvertrag, der zur Finanzierung einer zu hälftigem Miteigentum zu erwerbenden Wohnung abgeschlossen wird, so unterliegt die die Ehefrau treffende Verpflichtung nicht dem Nichtigkeitsvorwurf des § 138 Abs. 1 BGB, weil ihr mit der Verwirklichung des gemeinsamen Vorhabens Vorteile in Gestalt des Miteigentumsanteils und der Nutzungsmöglichkeit der Wohnung zufallen.

2. Es bestehen keine Bedenken, einen Darlehensvertrag hinsichtlich seiner Wirksamkeit und seiner (Teil)Nichtigkeit in Teilbeträge dergestalt aufzuspalten, dass seine Wirksamkeit auf den Umfang beschränkt wird, in dem die Aufnahme des Darlehens notwendig war, um der mitunterzeichnenden Ehefrau die im Leitsatz zu 1. angesprochenen Vorteile zu verschaffen.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Beschluss

Geschäftszeichen: 2 W 99/05

in Sachen

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 18. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die am 11. September 1954 geborene Antragstellerin erwarb gemeinsam mit ihrem früheren Ehemann zu je 1/2 Miteigentumsanteil im Jahre 1983 eine Eigentumswohnung in Bremerhaven zu einem Kaufpreis von DM 385.000,--. Um diesen aufbringen zu können, nahmen die Eheleute zwei Darlehen auf, und zwar eines über DM 308.000,-- bei der Braunschweig-Hannoverschen Hypothekenbank AG und eines über DM 110.000,-- bei der Bank für Gemeinwirtschaft, Filiale Bremerhaven. Im Zeitpunkt Unterzeichnung der Darlehensverträge und auch danach betreute die Antragstellerin die seinerzeit acht, fünf und zwei Jahre alten gemeinsamen Kinder.

Zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs der Bank für Gemeinwirtschaft unterzeichneten die Antragstellerin und ihr Ehemann am 7. August 1984 eine notarielle Urkunde, mit der sie für einen 558/10.000 stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück Bremerhaven, Obere Bürger (Flur 42 Flurstücke 51/1, 52, 53), verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung in Ebene 24 Nr. 191 des Aufteilungsplans, eine mit 16 v.H. jährlich zu verzinsende Grundschuld über DM 110.000,-- bestellten (UR Nr. 460/1984 des Notars G. T. [Bl. 8 - 10 d.A.]). Wegen des Grundschuldkapitals unterwarfen sich die Antragstellerin und ihr früherer Ehemann der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Grundstück, übernahmen für den Eingang des Grundschuldbetrages nebst Zinsen die persönliche Haftung, aus der die Gläbigerin sie schon der Vollstreckung als Gesamtschuldner sollte in Anspruch nehmen können und unterwarfen sich auch wegen dieser Haftung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr jeweiliges gesamtes Vermögen. Bereits am selben Tage, dem 8. August 1984, wurde der Bank für Gemeinwirtschaft AG in Bremerhaven eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde zum Zwecke der sofortigen Zwangsvollstreckung erteilt (Bl. 11 d.A.).

In der Folgezeit musste der frühere Ehemann der Antragstellerin seine Berufstätigkeit aufgeben. Die Zins- und Tilgungsraten wurden nicht mehr geleistet. Mit Beschluss vom 13. Oktober 1987 wurde das Wohnungseigentum beider Miteigentümer im Wege der Zwangsversteigerung einem Ehepaar M. aufgrund eines Bargebots von DM 170.000,-- zugeschlagen; von den Belastungen blieben lediglich die im Grundbuch Abt. II Nr. 1 und 2 eingetragenen Dienstbarkeiten bestehen (Bl. 13 d.A.). Die Ehe der Antragstellerin wurde am 16. Mai 1988 geschieden. Am 13. März 1990 trat die Bank für Gemeinwirtschaft AG ihre derzeitigen und künftigen Ansprüche gegen die Antragstellerin aus dem aufgenommenen "Projektkredit" in Höhe von seinerzeit DM 206.751,28 an die Antragsgegnerin ab (Bl. 12 d.A.)

Die Klägerin, die behauptet hat, der den Kaufpreis mit DM 33.000,-- übersteigende Teil der insgesamt gewährten Darlehen von DM 418.000,-- sei zur Tilgung allein ihren früheren Ehemann betreffender Verbindlichkeiten verwendet worden, hat unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse um Bewilligung von Prozesskostenhilfe einschließlich der Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für eine beabsichtigte Klage nachgesucht, mit der die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Grundschuldurkunde vom 7. August 1984 des Rechtsanwalts Dr. W. S. als amtlich bestellter Vertreter des Notars G. T. , UR-Nr. Nr. 460 der Unkundenrolle für 1984, soweit sie den gegen die Antragstellerin gerichteten Zahlungsanspruch betrifft, für unzulässig erklärt werden möge. Zur Begründung ihres angekündigten Klagebegehrens hat sich die Antragstellerin auf die höchstrichterliche Rechtsprechung berufen, wonach die Übernahme der Mithaftung eines Ehegatten, der wegen Fehlens eigenen Einkommens und Vermögens zur Erbringiung der vereinbarten Zins- und Tilgungsleistungen außerstande sei, eine sittenwidrig begründete Bindung darstelle, die gemäß § 138 Abs. 1 BGB der Nichtigkeit verfalle.

Die Antragsgegnerin ist dem Begehren der Antragstellerin im Wesentlichen mit dem Hinweis entgegen getreten, dass die Antragstellerin nicht - wie von der von ihr ins Feld geführten Rechtsprechung verlangt werde - lediglich die Mithaftung für eine Schuldverpflichtung ihres früheren Ehemannes übernommen habe, sondern den Darlehensvertrag auch aus eigenem Interesse abgeschlossen habe, denn immerhin sei sie Miteigentümerin zu 1/2 an der erworbenen Eigentumswohnung geworden und habe dort mit ihren Familienangehörigen auch selbst gewohnt.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 18. Oktober 2005, auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 25- 28 d.A.), der Antragstellerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und ihr Rechtsanwalt G. aus Bremerhaven beigeordnet, soweit sie sich gegen die Zwangsvollstreckung der Beklagten (richtig: Antragsgegnerin) wegen eines über € 44.840,30 [= DM 87.700,--) hinausgehenden Betrages wende (n wolle). Im Übrigen hat es den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Antragstellerin in Höhe von € 44.840,30 (= DM 87.700,--) ein eigenes Interesse an der Aufnahme des Darlehens gehabt habe und deshalb nicht als lediglich Mithaftende, sondern als Mitdarlehensnehmerin anzusehen sei. Der ermittelte Betrag ergebe sich - auf der Grundlage ihres eigenen Vortrags - aus den für den Erwerb der Eigentumswohnung erforderlichen Mitteln, nämlich DM 385.000,-- Kaufpreis, DM 7.700,-- Grunderwerbsteuer und DM 3.000.-Notarkosten. Von dem sich daraus ergebenden Gesamtbetrag von DM 395.700,-- sei das anderweitig aufgenommene Darlehen von DM 308.000,-- abzusetzen, so dass (nur) die Notwendigkeit bestanden habe, ein zusätzliches Darlehen von DM 87.700.-aufzunehmen. In diesem Umfang sei ein eigenes Interesse der Antragstellerin am Abschluss des Darlehensvertrages anzunehmen, so dass sie in diesem Umfang nicht lediglich mithafte, sondern auch mitschulde. Insoweit fehle es der Klage demnach an Erfolgsaussicht. Demgegenüber habe die beabsichtigte Klage in Höhe von DM 22.300,-- (= € 11.401,80) Aussicht auf Erfolg.

Gegen diesen ihr am 1. November 2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 23. November 2005 Beschwerde eingelegt. Mit dieser verfolgt sie unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Anliegen, für die beabsichtigte Klage in vollem Umfang Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr Rechtsanwalt G. beizuordnen, weiter. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29. November 2005 (Bl. 37/38 d.A.) der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO), form- und fristgerecht (§ 569 Abs1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2, § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) erhoben worden und daher zulässig. Sie ist aber nicht begründet und war daher zurückzuweisen, denn das Landgericht hat der von der Antragstellerin beabsichtigten Klage mit Recht nur in dem von ihm ausgesprochenen Umfang Aussicht auf Erfolg zuerkannt (§ 114 ZPO).

1.

Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den als einheitlich beabsichtigten Klagantrag, der sich nach dem Willen der Antragstellerin auf die gesamten, in der Grundschuld-bestellungsurkunde ausgewiesenen DM 110.000,-- beziehen soll, in einen Teil aufgespalten hat, für dessen Rechtsverfolgung Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO bejaht worden ist, und in einen anderen, für den eine solche nicht angenommen werden konnte. Nach § 139 BGB bleibt bei Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts der von der Nichtigkeit nicht erfasste Teil bestehen, wenn dies dem hypothetischen Parteiwillen entspricht. Eine solche Teilnichtigkeit ist zwar in erster Linie gegeben, wenn nach Entfernung des unwirksamen Teils ein Vertragsinhalt übrig bleibt, der für sich allein genommen einen Sinn behält. Nach der Zielsetzung der Norm ist sie aber grundsätzlich auch anwendbar, wenn die Vertragschließenden an Stelle der unwirksamen Regelung, hätten sie die Nichtigkeit von Anfang an gekannt, eine andere auf das zulässige Maß beschränkte vereinbart hätten und sich der Vertragsinhalt in eindeutig abgrenzbarer Weise in einen nichtigen Teil und den von der Nichtigkeit nicht berührten Rest aufteilen lässt (BGH, Urteil vom 14. Novemer 2000 - XI ZR 248/99 - BGHZ 146, 37, 47 = NJW 2001, 815, 817 = MDR 2001, 403, 405 = BGHRep. 2001, 132, 135).

2.

Das ist unter den hier gegebenen Umständen und Verhältnissen anzunehmen. Für die Antragstellerin war es von Vorteil, nicht nur einen Miteigentumsanteil in Höhe der Hälfte an der zu erwerbenden Eigentumswohnung zu erhalten, sondern zugleich damit auch das Recht zu erlangen, dort Wohnung zu nehmen. Dies ist unstreitig immerhin über mehrere, wenn auch nicht zahlreiche Jahre der Fall gewesen. Demgegenüber vermag der Hinweis der Antragstellerin, sie sei nicht gleichberechtigte Partnerin ihres früheren Ehemann im Rahmen des Abschlusses des Darlehensvertrages gewesen, weil dieser den Wohnungskauf völlig allein organisiert und ihr lediglich mitgeteilt habe, dass ein Banktermin zur Unterzeichnung eines Darlehensvertrags anstehe, nicht durchzugreifen. Es trifft zwar zu, dass der Bundesgerichtshof in dem bereits genannten Urteil (BGHZ, aaO, S. 41) dieses Erfordernis aufgestellt hat, dabei ist jedoch nicht zu verkennen, dass es in dieser Entscheidung darum ging, einen Darlehensvertrag über DM 47.000,-- zu beurteilen, dessen Zweck darin bestand, vorhandene Geschäftsverbind-lichkeiten des damaligen Ehemannes der mitunterzeichnenden Ehefrau umzuschulden und gemeinsame Restschulden der Eheleute in Höhe von DM 9.190,71 abzulösen (BGHZ, aaO, S. 38). Es liegt auf der Hand, dass das Eigeninteresse der die Mitschuld und -haftung übernehmenden Ehefrau sich auf den letztgenannten - geringeren - Betrag beschränkte und deshalb ihr Mitspracherecht hinsichtlich des wesentlich darüber hinausreichenden Differenzbetrages nicht gewährleistet war, da die ursprüngliche Geschäftsverbindlichkeit nur ihren seinerzeitigen Ehemann belastete. Mit diesen Verhältnissen ist deshalb der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar, denn selbst wenn der Tatsachenvortrag der Antragstellerin als richtig unterstellt wird, soweit sie ergänzend unter Beweisantritt vorträgt, das Kreditinstitut hätte ihr (allein) das Darlehen nicht ausgezahlt und sie habe auch im Innenverhältnis über dessen Verwendung nicht mitentscheiden können, ändern diese Behauptungen nichts daran, dass mit dem Erwerb des halben Miteigentumsanteils (= 279/10.000 des gesamten Grundstücks) und des hinzutretenden Vorteils tatsächlicher Wohnungsnutzung in ihrer Person ein wirtschaftlicher Gegenwert entstand, der es hindert, die Übernahme der Darlehensverbindlichkeit als sittenwidrig einzustufen (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX 283/99 - NJW-RR 2004, 337, 338 [für den Fall der Übernahme einer den Bürgenden krass überfordernden Bürgschaft innerhalb einer eheähnlichen Partnerschaft]).

Es kommt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Bei der Beurteilung, ob ein Rechtsgeschäft nach Maßgabe des § 138 Abs. 1 oder 2 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig ist, ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, hier also auf den 7. August 1984, abzustellen (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Auflage 2006, § 138 Rand-Nr. 9). Zwar war die Antragstellerin in diesem Zeitpunkt mit Rücksicht auf die von ihr auf Dauer übernommene Betreuung der gemeinsamen drei Kinder für zunächst nicht absehbare Zeit außerstande, einer eigenen Erwerbstätigkeit nachzugehen und sich damit selbstständig diejenigen finanziellen Mittel zu verrschaffen, die es ihr erlaubt hätten, die sie gemeinsam mit ihrem früheren Ehemann als Gesamtschuldnerin treffenden Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen, doch stand dieser Umstand nicht der Inanspruchnahme der bereits geschilderten vermögensbedeutsamen Vorteile entgegen. Auch ohne von ihr selbst beigesteuerte Eigenmittel erwarb sie das hälftige Miteigentum und das daraus letztlich abzuleitende Recht zur Mitbenutzung des erworbenen Wohnraums. Es ist daher zu vermuten, dass im Wesentlichen, wenn nicht allein die von der Antragstellerin geschilderte, in der Person ihres früheren Ehemannes eingetretene krisenhafte Entwicklung dazu geführt hat, dass die von beiden Eheleuten gesamtschuldnerisch aufzubringenden Zins- und Tilgungsleistungen an die darlehensgewährende Bank nicht mehr geflossen sind. Dies stellt einen weiteren Beleg dafür dar, dass in dem beabsichtigten Klageverfahren nicht wird festgestellt werden können, die Antragstellerin habe einen Anspruch darauf, die Zwangsvollstreckung aus der genannten notariellen Urkunde in vollem Umfang für unzulässig zu erklären.

Ende der Entscheidung

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