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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 24.11.2006
Aktenzeichen: 3 U 45/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
Ein Rechtsanwalt, der sich zur Übermittlung fristwahrender Schriftsätze eines Telefaxgerätes bedient, genügt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann, wenn er anordnet, dass im Anschluss an den Sendevorgang ein Einzelausdruck des Sendeberichts erstellt wird, auf dessen Grundlage die ordnungsgemäße Übermittlung geprüft wird. Ein lediglich handschriftlicher Vermerk der mit der Übermittlung betrauten Mitarbeiterin, dass und zu welchem Zeitpunkt die Übermittlung erfolgt ist, erfüllt diese Anforderungen nicht.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen BESCHLUSS

Geschäftszeichen: 3 U 45/06

In Sachen

hat der 3. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen durch die Richter Arenhövel, Dr. Schnelle und Dr. Haberland am 24.11.2006 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag der Klägerin vom 17.11.2006 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 18.05.2006 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Landgerichts Bremen vom 18.05.2006 ist die Klage der Klägerin auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung abgewiesen worden. Gegen dieses Urteil, das ihrem Prozessbevollmächtigten am 22.06.2006 zugestellt wurde, hat die Klägerin mit am 25.07.2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Auf den am 07.11.2006 zugestellten Hinweis des Senats vom 01.11.2006, dass die Berufungsschrift verspätet eingegangen und die Berufung deshalb unzulässig sei, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17.11.2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die Berufungsschrift am 20.07.2006 per E-Mail von ihrem Prozessbevollmächtigten an sie, die Klägerin, gesandt worden sei. Auf der ausgedruckten E-Mail habe der sachbearbeitende Rechtsanwalt am gleichen Tage handschriftlich verfügt, dass die Berufung vorab per Telefax und im Original über die Anwaltszentrale an das Gericht zu senden sei. Die Bearbeitung der Verfügung habe die ansonsten zuverlässige Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte Frau Behrends vorgenommen, die den Vorgang mit dem Vermerk "Gesendet am 20.07.2006 um 17.44 Uhr" abgeschlossen habe. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt habe sich dann durch Kenntnisnahme des sich in der Akte befindlichen Vermerks von Frau Behrends von der weisungsgemäßen Erledigung des Fristablaufs noch am selben Tage überzeugt. Ein entsprechendes Telefax ist bei Gericht jedoch nicht eingegangen. Es befindet sich nicht in der Akte und auch nach der Überprüfung der Telefaxnummern des Gerichts ist ausweislich des Vermerks der zuständigen Beamtin der Geschäftsstelle vom 20.11.2006 ein Eingang nicht festzustellen.

II.

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Klägerin hat keine Tatsachen im Sinne von § 233 ZPO vorgetragen, wonach sie ohne Verschulden an der Wahrung der Frist gehindert war, denn ihr Prozessbevollmächtigter hat die Berufungsfrist von einem Monat (§ 517 ZPO) schuldhaft versäumt. Sein Verschulden muss sich die Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist der Anwalt gehalten, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen. Dazu gehört insbesondere eine wirksame Ausgangskontrolle, die vor allem erfordert, dass Notfristen erst dann im Fristenkalender gelöscht werden, wenn das fristwahrende Schriftstück tatsächlich abgesandt worden ist oder zumindest sicher Vorsorge dafür getroffen ist, dass es tatsächlich rechtzeitig hinausgeht. Für die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax bedeutet dies, dass die Pflicht des Anwalts zur Ausgangskontrolle erst dann endet, wenn feststeht, dass der Schriftsatz wirklich übermittelt worden ist. Mit Rücksicht auf die Risiken beim Einsatz eines Telefaxgerätes kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (BGH, NJW 1993, 3140; NJW 1993, 1655, 1656; NJW 1998, 907; NJW 2004, 367, 368 f.; NJW 2004, 3490; NJW 2006, 1519 f., jeweils m.w.N.). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.

Aus den im Wiedereinsetzungsgesuch mitgeteilten Umständen ergibt sich schon nicht, dass im Büro des Klägervertreters die generelle Anweisung bestand, die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax an Hand von ausgedruckten Einzelnachweisen zu überprüfen. Es wird überhaupt nicht vorgetragen, wie im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Ausgangskontrolle in derartigen Fällen erfolgt. Auch für eine entsprechende konkrete Einzelweisung an die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte Frau Behrends sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Vielmehr ist anwaltlich lediglich verfügt worden, die Berufungsschrift vorab per Telefax an das Gericht zu übersenden, ohne dass eine Anweisung in Bezug auf die vorzunehmende Ausgangskontrolle erteilt wurde. Zudem hat der sachbearbeitende Rechtsanwalt die Akte am Tag der vermeintlichen Absendung des Telefaxes selbst noch kontrolliert. Dabei hat er sich bezüglich der Ausgangskontrolle lediglich auf den handschriftlichen Vermerk seiner Mitarbeiterin verlassen, dass das Telefax gesendet wurde, ohne dass der für eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle erforderliche Einzelausdruck des Sendeberichts vorgelegen hat. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt hätte es bei gehöriger Beachtung der Rechtsprechung des BGH also selbst noch in der Hand gehabt, wegen des nicht vorhandenen Sendeberichts nachzuforschen, ob die Berufungsschrift tatsächlich abgesandt worden ist. Wäre eine solche Kontrolle erfolgt oder hätte entsprechend den vom BGH gestellten Anforderungen die Weisung bestanden, sich bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze per Telefax einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen und die Notfrist erst bei Kontrolle des Sendeberichts zu löschen, wäre rechtzeitig bemerkt worden, dass das Telefax noch nicht abgesandt worden war. Dann hätte die Berufungsschrift noch rechtzeitig bei Gericht eingereicht werden können. Das gilt umso mehr, als das vermeintliche Absendedatum (Donnerstag, 20.07.2006) einige Tage vor dem Ablauf der Berufungsfrist (Montag, 24.07.2006) lag.

2. Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, denn sie ist nicht innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist des § 517 ZPO eingegangen. Das Urteil ist dem Kläger ausweislich des Empfangsbekenntnisses zu Händen seines Prozessbevollmächtigten am 22.06.2006 zugestellt worden. Die Frist zur Einlegung der Berufung ist am 24.07.2006 (Montag) abgelaufen. Die Berufung ist ausweislich des Eingansstempels am 25.07.2006 um 9:15 Uhr, also nach Ablauf der Berufungsfrist, bei Gericht eingegangen. Die Berufung der Klägerin ist deshalb verspätet und somit unzulässig.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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