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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 26.03.2002
Aktenzeichen: 3 U 62/01
Rechtsgebiete: AFB 1987


Vorschriften:

AFB 1987 § 11 Abs. 5 Buchstabe b)
1. Der Versicherer kann sich nicht auf Leistungsfreiheit berufen, wenn er selbst den Versicherungsnehmer durch sein Verhalten an der Einhaltung der Frist des § 11 Abs. 5 Buchstabe b) AFB 1987 gehindert hat.

2. Es ist dem Versicherungsnehmer eine angemessene, vom Zeitpunkt der Rechtskraft an laufende Nachfrist zur Sicherstellung der Wiederbeschaffung einzuräumen.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

3 U 62/01 = 3 O 2535/98 a/b

Verkündet am: 26. März 2002

In Sachen

hat der 3. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2002 unter Mitwirkung von

Vizepräsidentin des Oberlandesgerichts Derleder Richter am Oberlandesgericht Pauls Richterin am Oberlandesgericht Herrmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Schlussurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 29.06.2001 in Ziffer 1 des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte für einen Zeitraum von 18 Monaten ab Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Bremen vom 29.06.2001, längstens bis zum 02.04.2004, ganz oder teilweise zur Zahlung eines über € 130.262,26 (= DM 254.770,84) hinausgehenden Betrages von insgesamt € 38.602,54 (= DM 75.500,--) aus dem Geschäftsversicherungsvertrag zu Versicherungsschein-Nr. GGV 10-3 248 624-78 Zug um Zug gegen Vorlage von Belegen über Neuanschaffungen von Gegenständen, die zur Geschäftsausstattung der Klägerin im Zeitpunkt des Brandschadens vom 22.07.1997 gemäß Aufstellung des Sachverständigen Kurt Bicker gehörten, verpflichtet ist.

Im Übrigen wird der Antrag zu Ziffer 1 abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

Die Klägerin hat die Beklagte wegen eines Brandschadensfalles vom 22.07.1997 auf Versicherungsleistungen aus verschiedenen Versicherungen in Anspruch genommen, u. a. aus einer Geschäftsversicherung, in der die Betriebseinrichtung zum Neuwert versichert war. Gegenstand dieses Versicherungsvertrages waren die AFB 87.

Nachdem die Klägerin u. a. wegen der Beschädigung der Betriebseinrichtung zunächst den vom Sachverständigen Kurt Bicker auf DM 202.000,-- geschätzten Neuwertschaden geltend gemacht hatte, hat sie nach Hinweis der Beklagten auf die Wiederbeschaffungsklausel in § 11 Ziff. 5 AFB 87 mit dem Zahlungsantrag nur noch den Zeitwertschaden von DM 126.500,-- verlangt und wegen der Neuwertspitze von DM 75.500,-- Feststellungsantrag gestellt.

Die Beklagte hat zunächst ihre Einstandpflicht dem Grunde nach bestritten mit der Behauptung, sie sei gemäß §§ 61 VVG, 14 AFB 87 leistungsfrei, weil es sich bei dem Brand um eine Auftragsbrandstiftung der Klägerin gehandelt habe.

Das Landgericht Bremen hat durch Urteil vom 26.11.1999 die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten ist durch Urteil des erkennenden Senats vom 15.08.2000 zurückgewiesen worden.

In der Folgezeit hat die Beklagte die Zahlungsklage der Klägerin vor dem Landgericht in zwei Teilbeträgen anerkannt. Dementsprechend sind am 09.03.2001 und 08.06.2001 Anerkenntnisteilurteile über eine Hauptforderung von insgesamt DM 254.770,84 ergangen. In diesem Betrag ist der Zeitwertschaden aus der Geschäftsversicherung enthalten.

Danach waren noch unerledigt der Feststellungsantrag wegen des Neuwertanteiles aus der Geschäftsversicherung und die auf die anerkannte Hauptforderung geltend gemachten Zinsen.

Die Beklagte hat sich auf Leistungsfreiheit wegen Ablaufs der Dreijahresfrist des § 11 Abs. 5 b AFB 87 für die Sicherstellung der Wiederbeschaffung neuwertiger Ersatzgegenstände berufen. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Dreijahresfrist beginne erst mit der Auszahlung des Versicherungsbetrages.

Das Landgericht Bremen hat durch Schlussurteil vom 29.06.2001 festgestellt, dass die Beklagte für einen Zeitraum von drei Jahren ab dem 02.04.2001 ganz oder teilweise zur Zahlung eines über DM 254.770,84 hinausgehenden Betrages von insgesamt DM 75.500,-- Zug um Zug gegen Vorlage von Belegen über Neuanschaffungen von Ersatzgegenständen der Geschäftsausstattung der Klägerin verpflichtet ist und die Beklagte unter Abweisung eines Teiles der Zinsforderung zu Zinszahlung an die Klägerin verurteilt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Urteile des Landgerichts vom 26.11.1999 und 29.06.2001 sowie des Senats vom 15.08.2000 Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das Urteil vom 29.06.2001 beschränkt auf den Feststellungsausspruch Berufung eingelegt. Sie meint, das Landgericht habe sich über den Wortlaut der Wiederbeschaffungsklausel nach § 11 Ziff. 5 b AFB 87 hinweggesetzt. Die Ansicht des Landgerichts, sie könne sich wegen Verzuges gemäß § 242 BGB nicht auf diese Klausel berufen, sei nicht nachzuvollziehen. Zumindest sei die vom Landgericht der Klägerin eingeräumte Frist zu lang bemessen. Im Übrigen hält die Beklagte den Tenor des Feststellungsausspruchs auch unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe für unzulänglich.

Die statthafte und zulässige Berufung der Beklagten hat nur insofern Erfolg, als die vom Landgericht festgesetzte Wiederbeschaffungsfrist neu zu bestimmen war.

Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf den Ablauf der Ausschlussfrist nach § 11 Ziff. 5 b AFB 87 berufen.

Nach dieser Klausel erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf den den Zeitwertschaden übersteigenden Teil der Entschädigung nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung zur Wiederbeschaffung von neuwertigen Gegenständen gleicher Art und Güte verwendet. Die bedingungsmäßigen Voraussetzungen des Anspruchs auf Neuwertentschädigung sind nicht mehr gegeben, da die Dreijahresfrist am 22.07.2000 abgelaufen war.

Die Beklagte kann sich auf den Fristablauf indes nicht berufen, da sie selbst die Klägerin durch ihr eigenes Verhalten an der Einhaltung der vereinbarten Frist gehindert hat. Unter diesen Umständen stellt sich die Berufung auf eine Ausschlussfrist als eine unzulässige Rechtsausübung dar (BGH VersR 1979, 173, 174 f.). Dass dieser Grundsatz in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wie die Beklagte meint, in den AFB 87 bereits berücksichtigt worden ist und deshalb diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht mehr einschlägig sein soll, ist nicht ersichtlich.

Nicht nachzuvollziehen sind ferner die Zweifel der Beklagten am Eingreifen des Arglisteinwandes, weil die Klägerin zunächst den vollen Neuwertschaden mit der Leistungsklage geltend gemacht hat. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung sind die Anträge zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.

Die Beklagte hat die Klägerin an der Fristwahrung gehindert, weil sie ihre Einstandspflicht für den Brandschaden dem Grunde nach bestritten hat, die Klägerin zur Durchsetzung ihrer Ansprüche einen langwierigen Prozess führen musste und wegen ihrer beschränkten finanziellen Mittel die Wiederbeschaffung von Inventarstücken nicht in Angriff nehmen konnte.

Dieses Hindernis entfällt erst in dem Augenblick, in dem die Entschädigungspflicht der Beklagten zum Neuwert rechtskräftig festgestellt wird (BGH a.a.O., S. 175), denn erst damit erlangt die Klägerin die sichere Aussicht auf eine ausreichende Brandentschädigung. Ihr musste daher eine angemessene, vom Zeitpunkt der Rechtskraft des Feststellungsausspruchs an laufende Nachfrist zur Sicherstellung der Wiederbeschaffung der Gaststätteneinrichtung eingeräumt werden (BGH, a.a.O.). Maßgeblich für den Fristbeginn ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht der Eintritt der Rechtskraft des Grundurteils vom 26.11.1999, da das Grundurteil, das tatsächlich nur ein Teilurteil hinsichtlich des Zahlungsantrages ist, nicht wegen des Feststellungsantrages bezüglich des Neuwertanteiles ergangen ist, worauf der Senat bereits in seinem Berufungsurteil vom 15.08.2000 hingewiesen hat. Der Fristablauf beginnt also erst mit dem Zeitpunkt der noch ausstehenden Rechtskraft des Schlussurteils vom 29.06.2001. Die Nachfrist ist allerdings nicht auf den gleichen Zeitraum wie die Frist selbst, also auf drei Jahre, zu bemessen. Kann sich der Verpflichtete nach Treu und Glauben auf den Ablauf einer Ausschlussfrist nicht berufen, weil der Berechtigte an der Wahrung der Frist gehindert war, so beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses die Frist nicht erneut zu laufen. Dem Berechtigten muss vielmehr lediglich ausreichend Zeit zur Nachholung der versäumten Handlung gegeben werden (BGH a.a.O.). Eine Nachfrist von 18 Monaten erscheint hier angemessen (vgl. BGH a.a.O.; OLG Hamm VersR 1989, 1082 f.; OLG Celle r + s 1990, 93 f.). Wegen des Verschlechterungsverbotes nach §§ 528 Abs. 2 n. F. ZPO war der Endzeitpunkt der Frist auf den sich nach dem Schlussurteil des Landgerichts ergebenden Endzeitpunkt zu begrenzen.

Soweit die Beklagte den Tenor des angefochtenen Feststellungsausspruchs bemängelt, sind ihre Beanstandungen nicht gerechtfertigt. Der Senat geht davon aus, dass die Beklagte die Ansicht vertritt, die Klägerin müsse zur Begründung des Neuwertanteiles nachweisen, dass sie die gesamte auf den Zeitwert gezahlte Entschädigung zur Ersatzbeschaffung verwendet. Diese Ansicht ist rechtsirrig. Die Klägerin kann grundsätzlich die Zeitwertentschädigung ohne Verstoß gegen das Bereicherungsverbot des § 55 VVG nach ihrem Belieben verbrauchen, da der Zeitwert den tatsächlich entstandenen Schaden darstellt. Soweit sie allerdings für einzelne Gegenstände den Neuwert geltend macht, muss sie für diese - aber auch nur für sie - die Sicherstellung der Neubeschaffung nachweisen (vgl. OLG Köln VersR 1994, 932; Martin, SachversicherungsR, 3. Aufl., R IV Rn. 31 f.; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 97 Rn. 12). Diesen Grundsätzen trägt der Tenor des angefochtenen Urteils hinreichend Rechnung und war daher - bis auf die Fristbestimmung - nicht abzuändern.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 n. F., 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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