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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 25.03.2003
Aktenzeichen: 3 W 7/03
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1
1. Vereinbaren die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich, dass eine Seite "die Kosten des Rechtsstreits" zu tragen habe, so ist einer solchen Bestimmung eine Abweichung von der in § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO enthaltenen Regelung zu sehen.

2. Meldet sich der zum Prozessbevollmächtigten einer Partei bestellte Rechtsanwalt zur Akte, ohne einen Sachantrag anzukündigen, und wird in einem auf seine Bitte anberaumten Termin in seiner Anwesenheit ein Vergleich protokolliert, so ist die Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO angefallen.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen BESCHLUSS

Geschäftszeichen: 3 W 7/03

in Sachen

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30. Oktober 2002 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bremen vom 22. Oktober 2002, soweit ihr nicht abgeholfen worden ist, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Gründe:

I.

Das Landgericht - 7. Zivilkammer - hat mit Urteil vom 6. Dezember 2001 die Beklagte zu einer Zahlung von DM 79.000,-- nebst Zinsen verurteilt. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, und sie hat in einem weiteren Schriftsatz die Berufung auch begründet. Ohne einen Gegenantrag zu stellen, hat sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 17.April 2002 erstmals in der Berufungsinstanz zu den Akten gemeldet und mitgeteilt, die Parteien hätten sich nunmehr außergerichtlich geeinigt und bäten um die kurzfristige Anberaumung eines Termins zur Vergleichsprotokollierung. Im Termin vom 23.Juli 2002 haben die Parteien daraufhin einen Vergleich zu Protokoll gegeben. Darin heißt es zu den Kosten:

"Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte und Berufungsklägerin. Die anwaltlichen Kosten des Vergleichs trägt jede Partei für sich."

Auf Antrag der Klägerin setzte der Rechtspfleger mit Beschluss vom 22. Oktober 2002 die nach dem Vergleich von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf € 6.396,37 fest. Hierbei wurde für den Berufungsrechtszug eine 13/10 Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (Prozessgebühr) in Ansatz gebracht.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, der das Landgericht durch Beschluss vom 6. Januar 2003 teilweise abgeholfen hat, indem es die in Ansatz gebrachte Gebühr für den Streitwert von DM 79.000,-- nach unten korrigiert hat und somit zu einem Erstattungsbetrag von € 6.102,57 gelangt ist.

Die Beklagte ist der Auffassung, eine Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO sei in zweiter Instanz für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht entstanden.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30. Oktober 2002 ist an sich statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt (§§ 567, 569 ZPO).

Sie ist jedoch unbegründet.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts vom 22.Oktober 2002 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 6. Januar 2003 ist zutreffend.

Er beruht auf dem im Termin vom 23. Juli 2002 von den Parteien geschlossenen Prozessvergleich. Mit Rücksicht auf den Umstand, dass die Beklagte darin - mit Ausnahme der Vergleichskosten - die gesamten Kosten des Rechtsstreits übernommen hat, war der frühere Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. Januar 2002 gegenstandslos geworden. Dies gilt auch, soweit die Klägerin in erster Instanz ihre Klage teilweise zurückgenommen hatte. Die gesetzliche Kostenregelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist einer abweichenden Parteivereinbarung, insbesondere durch Vergleich, zugänglich (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Kommentar ZPO, 60. Aufl., Rdnr. 33 zu § 269). Eine solche Abweichung von der gesetzlichen Kostenfolge haben die Parteien vorliegend in ihrem Vergleich vom 23. Juli 2002 geregelt. Die Vereinbarung, wonach die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits trägt, lässt nicht erkennen, dass die Kosten hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage hiervon ausgenommen sein sollten.

Zutreffend hat das Landgericht in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss eine 13/10 Gebühr (Prozessgebühr) in Ansatz gebracht. Die Prozessgebühr ist auf Seiten der Klägerin dadurch entstanden, dass der klägerische Prozessbevollmächtigte den Termin am 23. Juli 2002 durch einen Vertreter wahrgenommen hat.

Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt die Prozessgebühr das Betreiben des Geschäfts; die Gebühr gilt die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts außerhalb der mündlichen Verhandlung, der Erörterung im Termin und des Beweisaufnahmeverfahrens ab (Keller in Riedel/Sußbauer, Kommentar BRAGO, 8. Aufl., Rdnr. 20, 21 zu § 31; Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., Rdnr. 11 zu § 31 BRAGO). Zur Entstehung gelangt sie, soweit der Auftraggeber den Rechtsanwalt zum Prozessbevollmächtigten bestellt hat und sobald dieser irgendeine Tätigkeit des prozessbezogenen Auftrags wahrgenommen hat (Hartmann, aaO, R. 4, 14 sowie - für das Rechtsmittelverfahren - Gerold/Schmidt/von Eicken, Kommentar BRAGO, 15. Aufl., Rdnr. 20 zu § 31).

Unzweifelhaft ist vorliegend die Bestellung des Rechtsanwalts Dr. L. zum Prozessbevollmächtigten auch in der Berufungsinstanz durch die Klägerin erfolgt. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Rechtsanwalt aber auch eine Tätigkeit entfaltet, indem er nämlich am 23. Juli 2002 den Gerichtstermin, in welchem es zu dem Vergleichsabschluss gekommen ist, wahrgenommen hat. Der Entstehung der Prozessgebühr steht nicht der Umstand entgegen, dass der Rechtsanwalt einen Sachanträge enthaltenden Schriftsatz in der Berufungsinstanz nicht eingereicht hat. Zwar entsteht die volle Prozessgebühr dann, wenn der Anwalt einen Schriftsatz einreicht, der Sachanträge, die Zurücknahme eines Antrages oder des Rechtsmittels enthält (Gerold/Schmidt/-von Eicken, aaO, Rdnr. 13). Das ist aber nur ein möglicher Entstehungstatbestand. Wie sich aus der Regelung des § 32 Abs. 1 BRAGO ergibt, entsteht die volle Prozessgebühr - ohne vorherige Einreichung eines Schriftsatzes - auch mit der Terminswahrnehmung des Rechtsanwalts für seine Partei. Dies ist für die Gebührenentstehung ausreichend, wobei es genügt, dass der Rechtsanwalt bei der Eröffnung des Termins anwesend ist, auch wenn er nicht verhandelt oder wenn in dem Termin (nur) ein Vergleich geschlossen wird (Gerold/Schmidt/von Eicken, aaO., Rdnr. 19 zu § 32; ebenso wohl auch Hartmann, aaO., Rdnr. 45 zu § 31 BRAGO, Stichwort "Vergleich"; ders., Rdnr. 19 zu § 32 BRAGO; Keller in Riedel/Sußbauer, aaO., Rdnr. 17 zu § 32). Mit der Tätigkeit des Vergleichsabschlusses im Termin ist das Betreiben des Geschäfts i.S.v. § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO zwangsläufig verbunden (KG MDR 88, 787).

Eine Ermäßigung der Prozessgebühr auf die Hälfte nach § 32 Abs. 1 BRAGO ist nicht eingetreten; denn anders, als es der dortige Tatbestand voraussetzt, endigte der Auftrag hier nicht schon vor der Wahrnehmung des Termins vom 23.07.2002.

Aber auch der Ermäßigungstatbestand des § 32 Abs. 2 BRAGO ist nicht gegeben. Diese Vorschrift regelt den Fall, dass sich der Auftrag an den Rechtsanwalt darauf beschränkt, eine Einigung der Parteien zu Protokoll des Prozessgerichts zu bringen. Eine solche Beschränkung des Auftrags ist aber grundsätzlich nicht mehr möglich, wenn die Einigung gerade die rechtshängigen Ansprüche zum Gegenstand hat und der Rechtsanwalt bereits zum Prozessbevollmächtigten der Instanz bestellt war (KG, aaO.; Gerold/Schmidt/von Eicken, aaO., Rdnr. 22 zu § 32). Die Regelung des § 32 Abs. 2 bezieht sich vielmehr darauf, dass die Protokollierung eine Einigung über andere, nichtrechtshängige Ansprüche, in einem anderen Verfahren oder im PKH-Bewilligungsverfahren anhängige Ansprüche betrifft (Gerold/Schmidt/von Eicken, aaO.). Sinn und Zweck dieser Vorschrift bestehen darin, dem Rechtsanwalt für seine Tätigkeit bezüglich der in einen Vergleich einbezogenen Ansprüche, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, wenigstens eine halbe Prozessgebühr zukommen zu lassen (Beschluss des 2. Senats vom 3. Dezember 1991 - 2 W 105/91 -, JurBüro 92,97, 98; OLG Karlsruhe JurBüro 94, 672). Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Der Werklohnanspruch der Klägerin, der den Gegenstand des Vergleichs bildete, war nicht etwa "verfahrensfremd", sondern in der Berufungsinstanz bereits anhängig. Daher bleibt es beim Anfall der vollen Prozessgebühr neben der - hier von den Parteien jeweils für sich zu übernehmenden - Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO.

Auch sonst bestehen gegen die Richtigkeit des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts vom 22.Oktober 2002 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 6. Januar 2003 keine Bedenken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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