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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 17.06.2002
Aktenzeichen: 1 U 82/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 249
Zum Umfang der Ersatzansprüche des Patienten im Falle fehlerhafter kassenzahnärztlicher Versorgung.
1 U 82/01

Verkündet am 17. Juni 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2002 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts #######sowie die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. November 2001 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 536,57 € nebst 4 % Zinsen seit dem 28. September 1998 zu zahlen. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 92/100 und der Beklagte 8/100.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Wert der Beschwer:

für die Klägerin 5.887,33 €,

für den Beklagten 536,57 €.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Die Klägerin kann von dem Beklagten als Schadensersatz lediglich die Erstattung der Kosten für einen konventionellen Zahnersatz nach kassenärztlichen Maßstäben verlangen, nicht jedoch die Kosten der Implantatversorgung. Im Einzelnen:

1. Maßgeblich für den Umfang einer berechtigten Schadensbeseitigung ist deren Angemessenheit, d. h. ersatzfähig sind alle Aufwendungen, die vom Standpunkt eines verständigen Menschen aus bei der gegebenen Sachlage zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH VersR 1970, 129). Der Ersatzanspruch eines Kassenpatienten, der sich nach fehlerhaft durchgeführter zahnärztlicher Behandlung einer erneuten zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlung unterziehen muss, hat sich nach Art und Ausmaß an den Behandlungsleistungen zu orientieren, die der ersatzpflichtige Zahnarzt selbst im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung erbracht hatte (OLG Düsseldorf VersR 1961, 884).

Nach diesen Grundsätzen kann die Klägerin die geltend gemachten Kosten der Implantatversorgung nicht ersetzt verlangen. Der Beklagte schuldete der Klägerin ursprünglich nämlich als kassenärztliche und nicht als privatärztliche Leistung (die Klägerin war Mitglied der Betriebskrankenkasse der Deutschen Bundespost [vgl. Bl. 8 d. A. 5 C 226/92 AG Tostedt]) u. a. die Instandsetzung einer Unterkieferprothese. Die später durchgeführte Imlantatversorgung hingegen kann nach den eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen ####### nicht als zur Beseitigung der unstreitig mangelhaften Leistungen des Beklagten erforderliche Schadensersatzleistungen angesehen werden. Auch der Sachverständige hat insoweit auf den Unterschied zwischen kassenärztlichen und privatärztlichen Leistungen abgestellt. Er hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 25. Juni 2001 hervorgehoben, dass der ursprünglich angefertigte Zahnersatz über einen Heil- und Kostenplan im Rahmen der Richtlinien einer Kassenversorgung durchgeführt worden war und dass es sich bei der durchgeführten Implantatversorgung um keine Kassenleistung, sondern um eine reine Privatleistung handele, für die das bei Kassenleistungen anzuwendende Wirtschaftlichkeitsgebot nicht gelte.

2. Die geltend gemachten Kosten sind auch nicht etwa deshalb erstattungsfähig, weil - so aber die Behauptung der Klägerin - die individuellen Kieferverhältnisse der Klägerin eine konventionelle Unterkiefervollprothese nicht zuließen und die Implantatversorgung die medizinisch einzig sinnvolle prothetische Versorgung wäre. Der Sachverständige ####### hat nämlich eine konventionelle Unterkieferprothese durchaus als adäquat prothetische Versorgung für die Klägerin angesehen. Er hat hervorgehoben, insbesondere im Frontzahnbereich, wo die

Zähne erst vor vergleichsweise kurzer Zeit entfernt worden seien, sei der Kieferkamm noch so ausgeprägt, dass eine konventionelle Unterkieferprothese ohne Implantate gute Erfolgsaussichten hätte. Er hat weiter ausgeführt, es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass eine konventionelle Totalprothese nicht auch im Unterkiefer hätte angefertigt werden können. Anlässlich seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht am 31. Oktober 2001 hat der Sachverständige ergänzend erläutert, eine konventionelle prothetische Versorgung sei auch dann möglich, wenn - wie im vorliegenden Fall - bereits Implantate gesetzt seien. Die medizinische Notwendigkeit für eine Implantatversorgung hat der Sachverständige im Fall der Klägerin nicht zu erkennen vermocht, es handele sich um eine andere Kategorie der Versorgung.

Allein die Tatsache, dass die Klägerin diese Ausführungen des Sachverständigen in Abrede nimmt, hat dem Senat keine Veranlassung zur Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens gegeben.

3. Aus der Entscheidung des Amtsgerichts Tostedt vom 20. September 1995 ergibt sich nichts Anderes. Zwar war Gegenstand des amtsgerichtlichen Verfahrens auch die Implantatversorgung durch #######. Das Amtsgericht Tostedt hat im Tenor seines Urteils aber lediglich festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin die noch entstehenden materiellen Schäden zu ersetzen habe, die darauf zurückzuführen seien, dass der Beklagte die Klägerin in der Zeit von 1988 bis 1991 fehlerhaft behandelt hat. Damit hat das Amtsgericht keineswegs mit Rechtskraftwirkung die Berechtigung einer Implantatversorgung festgestellt.

4. Auch wenn die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer Implantatversorgung hat, steht ihr jedoch als Mindestschaden der Ersatz derjenigen Kosten zu, die bei zulässiger Schadensbeseitigung entstanden wären. Dies sind allerdings nicht die von der Klägerin insoweit geltend gemachten 2.024,10 DM (Kosten einer konventionellen Prothese als Privatleistung). Denn - wie ausgeführt - die Schadensersatzpflicht eines als Kassenarzt tätig gewesenen Zahnarztes hat sich an den Maßstäben der kassenärztlichen Versorgung zu orientieren. Als Kassenleistungen hätten die Kosten der Prothese aber nur 1.049,43 DM = 536,57 € betragen (Protokoll über die Anhörung des Sachverständigen vom 31. Oktober 2001, S. 2, Bl. 97 GA).

Unzutreffend ist insoweit der Einwand des Beklagten, auch diese Kosten seien nicht erstattungsfähig, weil mit der Behandlung der Klägerin durch den Zahnarzt ####### die Schadensbeseitigung im Herbst 1994 abgeschlossen gewesen sei. Denn aus dem Gutachten von ####### ergibt sich zweifelsfrei, dass die von ####### vorgenommene prothetische Versorgung nur provisorisch war; die Rechnung vom 1. Oktober 1998 bezieht sich demgegenüber auf die definitive Implantatversorgung nach vorausgegangener provisorischer Versorgung und nicht z. B. auf einen Austausch aus Altersgründen (Sachverständigengutachten vom 25. Juni 2001, S. 5).

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.

5. Fahrtkosten und Kosten für eine Ersatzkraft konnten der Klägerin nicht zugesprochen werden. Da die Schadensersatzleistung in Form der Erstellung einer konventionellen Unterkieferprothese hätte erbracht werden können, hätte für die Klägerin kein Anlass bestanden, zu einem weit entfernten zahnmedizinischen Spezialisten zu fahren. Hinzu kommt, dass die Klägerin die Fahrtkosten und die Kosten für eine Ersatzkraft nicht bezogen auf den Fall der Erstellung einer konventionellen Vollprothese beziffert hat. Insoweit hätte der Senat auch keine hinreichende Grundlage für eine Schätzung gemäß § 287 ZPO. Hierzu müssten schon Anhaltspunkte darzu vorliegen, wie viele Behandlungstermine für die Erstellung einer konventionellen Prothese erforderlich gewesen wären und ob der damit verbundene Zeitaufwand die Beschäftigung einer Ersatzkraft für die Klägerin erforderlich gemacht hätte.

6. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache gemäß § 543 ZPO n. F. weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

7. Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 ZPO (Kosten des Rechtsstreits) und 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils).

Ende der Entscheidung

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