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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 13.11.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 377/07 (StrVollz)
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 50
StVollzG § 51
Von Strafgefangenen, die eine Rente beziehen, ist ein Haftkostenbeitrag zu erheben.

Allein das Vorhandensein von Verbindlichkeiten steht dem Erheben von Haftkosten wegen einer Gefährdung der Wiedereingliederung nicht entgegen.

Hinsichtlich der sog. Resozialisierungsklausel des § 50 Abs. 1 StVollzG steht den Vollzugsanstalten ein Beurteilungsspielraum zu.

Ein Überbrückungsgeld ist nicht zu bilden, wenn der Strafgefangene eine Rente bezieht, die ihn in die Lage versetzt, den Lebensunterhalt für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sicher zu stellen.


Oberlandesgericht Celle Beschluss

1 Ws 377/07 (StrVollz)

17a StVK 405/07 LG L.

In der Strafvollzugssache

des K.-W. S., geb. am 1937 in G., zurzeit in der JVA C., Abteilung S.,

wegen Haftkosten

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 1. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts L. mit Sitz in C. vom 17. September 2007 nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug, durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Landgericht ####### am 13. November 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Antragstellers als unbegründet verworfen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 739,44 Euro festgesetzt.

Gründe:

1. Der 69-jährige Antragsteller wendet sich gegen die gegen ihn erfolgte Festsetzung von Haftkosten für die Monate Februar und März des Jahres 2007 in Höhe von jeweils 369,72 Euro. Er trägt hierzu vor, er beziehe eine Rente in Höhe 673,15 Euro und verwende diese zum Begleichen von Schulden; überdies habe er Wiedergutmachungszahlungen zu leisten und Gerichtskosten zu zahlen. Das Erheben von Haftkosten stehe daher seiner Resozialisierung entgegen. Zudem sei ein Überbrückungsgeld für ihn nicht gebildet worden, so dass Haftkosten schon aus diesem Grunde nicht erhoben werden dürften.

Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen und hierzu ausgeführt, das Erheben von Haftkosten verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Er gehöre zu denjenigen Gefangenen, die nach § 50 Abs. 1 Satz 3 StVollzG einen Haftkostenbeitrag zu zahlen haben. Der nach § 50 Abs. 1 Satz 4 StVollzG notwendige Selbstbehalt sei in Höhe des mittleren Arbeitsentgeltes in den Vollzugsanstalten des Landes Niedersachsen in Höhe von 222,18 Euro gewahrt. Vorrangige Unterhaltszahlungen seien nicht zu leisten. Bestehende Verbindlichkeiten stünden dem Erheben von Haftkosten nicht entgegen, denn dies würde zu einer Bevorzugung von nicht in Haft befindlichen Schuldnern, die ebenfalls für ihren Lebensunterhalt aufkommen müssen, führen. Die Wiedereingliederung des Antragstellers in die Gemeinschaft werde durch das Erheben von Haftkosten nicht gefährdet. Der nach Abzug verbleibende Teil der Rente von jedenfalls mehr als 300,- Euro erlaube das Tilgen von Verbindlichkeiten ebenso wie eine Rücklage für den Zeitpunkt der Entlassung. Ein Überbrückungsgeld sei für den Antragsteller daher nicht zu bilden, zumal er als Rentner nicht von der in § 51 Abs. 1 StVollzG benannten Gruppe von Strafgefangenen erfasst werde.

Gegen diese Entscheidung wendet der Antragsteller sich mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Namentlich ist er der Auffassung, dass ein Überbrückungsgeld für ihn gebildet werden müsse, da er als Rentner mit der in § 51 Abs. 1 StVollzG benannten Gruppe von Strafgefangenen gleichzustellen sei. Der zentrale juristische Dienst für den niedersächsischen Justizvollzug hat beantragt, das Rechtsmittel nach Maßgabe von § 116 Abs. 1 StVollzG als unzulässig zu behandeln.

2. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, denn die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts geboten, § 116 Abs. 1 StVollzG. Das Rechtsmittel ist auch sonst zulässig nach Maßgabe von § 118 StVollzG erhoben. Hinsichtlich der angefochtenen Festsetzung des Haftkostenbeitrags handelt es sich um eine Maßnahme im Sinne von § 109 Abs. 1 StVollzG, so dass insoweit der Rechtsweg in Strafvollzugssachen eröffnet ist.

3. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache aber keinen Erfolg, denn die Strafvollstreckungskammer ist frei von Rechtsfehlern zu dem Ergebnis gelangt, dass durch das Erheben von Haftkosten Rechte des Antragstellers nicht verletzt werden.

a) Der Antragsteller ist mit einem Alter von derzeit 69 Jahren nicht zur Arbeit verpflichtet, hat indessen auf den maßgeblichen Zeitraum entfallende Einkünfte in Form einer Rente. Hierbei handelt es sich um Einkünfte im Sinne von § 51 Abs. 1 Satz 3 StVollzG (KG Berlin, NStZ 2006, 412), so dass Haftkosten grundsätzlich zu erheben sind. Ein Ermessen steht der Antragsgegnerin insoweit nicht zu ("hat .. zu entrichten"). Der nach § 51 Abs. 1 Satz 4 erforderliche Selbstbehalt in Höhe des mittleren Arbeitsentgelts in den Vollzugsanstalten Niedersachsens in einer Höhe von derzeit 222,18 Euro bleibt gewahrt. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Einkünfte des Antragstellers mit - wie von ihm zunächst angegeben - 700,-Euro, oder in Höhe von nur 673,15 Euro angesetzt werden, da jedenfalls ein Betrag von mehr als 300,- Euro verbleibt. Diese Betrachtung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Vorrangig zu bedienende Unterhaltsansprüche im Sinne von § 50 Abs. 2 Satz 5 StVollzG bestehen nicht.

Aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Entscheidung insoweit, als eine Gefährdung der Wiedereingliederung des Gefangenen in die Gemeinschaft durch das Erheben von Haftkosten im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 5 StVollzG verneint wurde. Hinsichtlich dieser Frage steht der insoweit regelmäßig sachnäheren Antragsgegnerin ein prognostischer Beurteilungsspielraum zu (vgl. auch OLG Karlsruhe vom 30.4.2007, 2 Ws 332/07) mit der Folge einer lediglich eingeschränkten gerichtlichen Prüfungskompetenz. Die Gerichte haben hiernach die Entscheidung der Vollzugsanstalt nur im Umfang und nach Art einer Ermessensentscheidung zu prüfen, namentlich dahingehend, ob die Vollzugsanstalt die Grenzen des Beurteilungsspielraums durch eine nicht mehr vertretbare Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs überschritten hat, ob sie den zugrunde liegenden Sachverhalt unzutreffend oder unvollständig ermittelt hat, ob sie allgemeine Wertmaßstäbe missachtet hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen (vgl. nur Callies/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 10. Aufl., § 115 Rn. 22).

Zwar hat die Strafvollstreckungskammer sich im Rahmen ihrer Entscheidung von diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab insoweit entfernt, dass sie letztlich eine eigene Prüfung der maßgeblichen Frage vorgenommen hat. Der Senat kann indessen ausschließen, dass die angefochtene Entscheidung hierauf beruht. Denn auch eine nur eingeschränkte Überprüfung der von der Antragsgegnerin vorzunehmenden Einschätzung ergibt, dass diese frei von Beurteilungsfehlern ergangen ist. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin darauf abstellt, dass allein das Vorhandensein von Verbindlichkeiten noch nicht dazu führt, dass nach der sog. Resozialisierungsklausel des § 50 Abs. 1 Satz 5 StVollzG ein Haftkostenbeitrag nicht zu erheben ist - zumal der Antragsteller aufgrund seiner Rente trotz Erhebens eines Haftkostenbeitrags zu zumindest anteiliger Tilgung seiner Verbindlichkeiten in der Lage ist.

b) Frei von durchgreifenden Rechtsfehlern ist die angefochtene Entscheidung schließlich auch, soweit das Erfordernis verneint wurde, für den Antragsteller ein Überbrückungsgeld zu bilden. Nach § 51 Abs. 1 StVollzG ist ein Überbrückungsgeld für die dort benannten Gruppen von Strafgefangen zu bilden. Hierzu zählt der Antragsteller als Bezieher einer Rente fraglos nicht. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift ist für den Antragsteller ein Überbrückungsgeld daher nicht zu bilden. Aber auch eine teleologische Auslegung führt nicht zu dem Erfordernis, dass für einen Strafgefangenen, der eine Rente in der Höhe von etwa 700,- Euro bezieht, ein Überbrückungsgeld zu bilden ist. Denn Sinn und Zweck der maßgeblichen Regelung ist, für den Fall der Entlassung den sonst notwenigen Bittgang zum Sozialamt zu vermeiden, um den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sicherzustellen. Dieses Erfordernis besteht bei dem Antragsteller als Bezieher einer Rente offenkundig nicht. Er ist als Rentner auch nicht mit der in § 51 Abs. 1 StVollzG benannten Gruppe von Gefangenen gleichzustellen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen oder denen gestattet ist, sich im Sinne von § 39 Abs. 2 StVollzG selbst zu beschäftigen. Denn anders als im Falle einer Rente sind diese Einkünfte im Falle der Entlassung nicht sicher zu erwarten, so dass eine Rücklage für die ersten Wochen auf jeden Fall zu bilden ist. Diese Betrachtung ist jedenfalls nicht rechtsfehlerhaft. Dass das Überbrückungsgeld nach Maßgabe von § 51 Abs. 4 StVollzG einem besonderen Pfändungsschutz unterliegt, ändert hieran nichts. Denn auch die Rente des Antragstellers mit etwa 700,- Euro ist nicht pfändbar. Letztlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Erwägung, dass es dem Antragsteller möglich ist, von dem ihm nach Abzug eines Haftkostenbeitrags verbleibenden Teil seiner Rente auch eine Rücklage für den Tag seiner Entlassung zu bilden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG, die Entscheidung über den Streitwert folgt §§ 1 Nr. 1, 63 Abs. 3, 65 GKG.

5. Ein Rechtsmittel gegen die angefochtene Entscheidung ist nach § 119 Abs. 5 StVollzG nicht eröffnet.

Ende der Entscheidung

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