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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 02.02.2006
Aktenzeichen: 1 Ws 440/05 (MVollz)
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 118 Abs. 3
StVollzG § 138 Abs. 3
Im Verfahren der Rechtsbeschwerde nach dem Strafvollzugsgesetz gilt das Formerfordernis des § 118 Abs. 3, 2. Alt. StVollzG (Anwaltszwang) auch, wenn eine Behörde (die nicht Aufsichtsbehörde im Sinne von § 111 Abs. 2 StVollzG ist) als Antragsteller auftritt.

Streitigkeiten über die Rückzahlung von im Maßregelvollzug anlässlich von Vollzugslockerungen (hier: Probewohnen) geleisteter Sozialhilfe sind nicht im Verfahren nach den §§ 138 Abs. 3, 109 ff StVollzG zu verfolgen, sondern begründen die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte.


Oberlandesgericht Celle Beschluss

1 Ws 440/05 (MVollz)

In der Maßregelvollzugssache

wegen Kosten des Probewohnens

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers vom 27. Oktober 2005 gegen den Beschluss der 2. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts G. vom 23. September 2005 nach Beteiligung des Niedersächsischen Landesamts für Zentrale Soziale Aufgaben in H. durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 2. Februar 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten der Rechtsbeschwerde hat der Antragsteller zu tragen.

Der Streitwert wird auf 2.044,32 € festgesetzt.

Gründe:

1. Der Antragsteller, der Landkreis N., wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts G., mit dem sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung abgewiesen worden war. Gegenstand des Verfahrens sind vom Antragsteller einer früheren Maßregelpatientin im Rahmen eines sog. Probewohnens erbrachte Sozialhilfeleistungen, die der Antragsteller nunmehr nach Maßgabe von § 90 Abs. 1 BSHG von der Maßregeleinrichtung erstattet verlangt.

2. Die Rechtsbeschwerde ist bereits unzulässig.

Zwar besteht im Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG kein Anwaltszwang (vgl. nur Callies/Müller-Dietz, 10. Aufl., § 112 Rn. 2). Nach §§ 118 Abs. 3, 138 Abs. 3 StVollzG kann der Antragsteller als Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde indessen nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Gerichts einlegen und begründen. Dieses Formerfordernis ist Zulässigkeitsvoraussetzung der Rechtsbeschwerde, wurde vorliegend aber nicht beachtet. Die Rechtsbeschwerde des Landkreises N. wurde verfasst im dortigen Justitiariat von Fr. S. und trägt allein deren Unterschrift. Hierdurch ist das Formerfordernis des § 118 Abs. 3 StVollzG nicht gewahrt. Die Formvorschrift des § 118 Abs. 3 StVollzG hat Ausnahmecharakter und ist daher eng auszulegen. Es handelt sich insoweit um eine Sonderregelung, nach deren eindeutigem, nicht auslegungsfähigem Wortlaut (OLG Nürnberg, ZfStrVO 1990, 121) alle Personen, die nicht Rechtsanwalt sind, von der Vertretung ausgeschlossen sind (Schwindt/Böhm-Schuler, 3. Aufl., § 118 Rn. 8). Dies gilt auch für außenstehende Dritte als Antragsteller (AK-Volckart, 3. Aufl., § 118 Rn. 3). Kontrovers beurteilt wird allein, ob ausnahmsweise Hochschullehrer zur Vertretung im Rechtsbeschwerdeverfahren zugelassen sind (im Hinblick auf den Wortlaut verneinend: OLG Nürnberg, ZfStrVO 1990, 121; HansOLG Bremen, ZfStrVO 1987, 382; Schwind/Böhm a.a.O.; bejahend Ak-Volckart a.a.O; Callies/Müller-Dietz, 10. Aufl., § 118 Rn. 7, wobei auf die Wahrnehmung von Verteidigerfunktionen - vgl. § 138 Abs. 1 StPO -, und nicht auf deren Sachkunde abgestellt wird). Dies bedarf hier aber keiner abschließenden Erörterung.

Hiernach kommt es nicht darauf an, ob die Unterzeichnerin der Rechtsbeschwerde - was aus der Rechtsmittelschrift nicht hervorgeht - Juristin, oder zumindest hinreichend fachkundig ist. Denn auch ein Volljurist, der nicht Rechtsanwalt ist, hätte als Antragsteller in eigener Sache die Vorschrift des § 118 Abs. 3 StVollzG zu beachten. Im Falle der gleichgelagerten Vorschriften der §§ 172 Abs. 3 Satz 2 und 345 Abs. 2 StPO gilt nichts anderes. Hierbei ist unerheblich, ob der Antragsteller vorliegend aus eigenem oder aus übergeleitetem Recht der ehemaligen Maßregelpatientin eine Rechtsverletzung herleitet. Ebenfalls unerheblich ist, dass der antragstellende Landkreis als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Bereich des Verwaltungsrechts nach § 61 VwGO grundsätzlich beteiligungs- und somit parteifähig ist. Zwar ist das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG der Struktur nach dem Verwaltungsgerichtsprozess nachgebildet (Callies/Müller-Dietz, § 109 Rn. 5). Hieraus folgt aber nicht, dass die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung im Bereich des Straf- und Maßregelvollzugsrechts uneingeschränkt entsprechend Anwendung finden. Vielmehr geht § 118 Abs. 3 StVollzG als spezialgesetzliche Regelung den Bestimmungen der VwGO vor. Auch die Vorschrift des § 67 Abs. 2 VwGO ist hiernach nicht einschlägig. Soweit in der Kommentierung von Schwind/Böhm-Schuler zu § 118 unter Rn. 8 ausgeführt wird, bei Behörden sei eine Unterschrift nicht erforderlich, bezieht sich dies erkennbar nur auf die zuvor genannte Aufsichtsbehörde, die nach § 111 Abs. 2 StVollzG am Verfahren vor dem Oberlandesgericht beteiligt ist. Dies gilt für den Antragsteller aber nicht.

Hinzuweisen ist schließlich noch auf die dem angefochtenen Beschluss beigefügte - zutreffende - Rechtsmittelbelehrung, die auf das Erfordernis einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift für den Antragsteller ausdrücklich hinweist.

Der Rechtsbeschwerde musste hiernach schon deshalb ein Erfolg versagt bleiben.

3. Nur ergänzend und in der somit gebotenen Kürze wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsbeschwerde auch in der Sache nicht durchgreifen könnte.

Hierzu bemerkt der Senat:

Der Antragsteller berühmt sich eines Anspruches nach Maßgabe von § 90 Abs. 1 BSHG wegen geleisteter Hilfe zum Lebensunterhalt. Streitigkeiten betreffend die Zahlung und die Rückforderung von Sozialhilfeleistungen eröffnen nach Maßgabe von § 40 VwGO den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten. Hieran ändert nichts, dass entsprechende Leistungen im Zusammenhang mit dem Vollzug einer Maßregel erbracht wurden (vgl. beispielhaft nur VG Göttingen vom 23.4.1997, 2 B 2187/97; VG Düsseldorf vom 20.6.2005, 13 K 8951/03 und - für den Bereich des Strafvollzugs - Nds.OVG vom 4.12.2000, 4 M 3681/00, und vom 13.1.1997, 12 L 5245/95; VG Hamburg vom 5.10.1998, 13 VG 3929/98), denn Straf- bzw. Maßregelvollzug und Sozialhilfe schließen einander nicht grundsätzlich aus. Der Rechtsweg nach §§ 109 ff StVollzG bezieht sich allein auf Maßnahmen im Bereich des Vollzugs von Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung. Das Strafvollzugsgesetz hat indessen nichts an der Zuständigkeit anderer Gerichte geändert (Schwindt/Böhm-Schuler, § 109 Rn. 2, 10). Hiernach wird der Rechtsweg zu den Zivilgerichten (etwa im Falle von Schadensersatzansprüchen gegen die Vollzugsbehörde nach § 823 BGB) ebenso wenig beschnitten wie der an sich eröffnete Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten. Allein der Umstand, dass der Antragsgegner den vom Antragsteller als Sozialhilfeträger zuvor im Wege des Verwaltungsverfahrens geltend gemachten Anspruch abgelehnt hat, führt nicht zum Vorliegen einer Vollzugssache im Sinne der §§ 109 ff StVollzG. Es handelt sich vielmehr um eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit. Insofern ist vorliegend der unzulässige Rechtsweg beschritten.

Nach Maßgabe von § 17 a Abs. 5 GVG wäre der Senat nach der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer an einer Verweisung des Verfahrens an das zuständige Verwaltungsgericht zwar gehindert (eine Verletzung von § 17 a Abs. 3 GVG liegt nicht vor - vgl. hierzu BGH NJW 1994, 387 -, denn die Zuständigkeit der angerufenen Strafvollstreckungskammer wurde trotz offenbar be-stehender Bedenken hieran - vgl. das Protokoll vom 20. November 2001 -ausdrücklich nicht gerügt). Dies würde der Rechtsbeschwerde indessen nicht zum Erfolg verhelfen. Denn das Landgericht G. hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend einen im Wege des Verfahrens nach den §§ 138 Abs. 3, 109 ff StVollzG durchzusetzenden Rückzahlungsanspruch des Antragstellers verneint. Die Frage, ob - bezogen auf den Zeitpunkt des streitgegenständlichen Probewohnens - ein etwaig aus § 15 a BSHG herzuleitender Sozialhilfeanspruch besteht, hat die Strafvollstreckungskammer ausdrücklich nicht entschieden. Diese Frage ist vor den hierzu berufenen Verwaltungsgerichten zu klären.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 121 Abs. 2 Satz 1, 138 Abs. 3 StVollzG. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 1 Nr. 1 j, 63 Abs. 3, 65 GKG.

5. Ein Rechtsmittel gegen die vorliegende Entscheidung ist nicht eröffnet, §§ 138 Abs. 3, 119 Abs. 5 StVollzG.

Ende der Entscheidung

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