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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 28.11.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 469/07 (StrVollz)
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 118 Abs. 3
Die schlichte Übernahme einer vom Beschwerdeführer selbst gefertigten Rechtsbeschwerdeschrift ohne eigenverantwortliche Mitwirkung des Urkundsbeamten genügt auch dann nicht den Anforderungen des § 118 Abs. 3 StVollzG an eine wirksame Erhebung der Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle, wenn der Beschwerdeführer zwar Jurist, aber kein zugelassener Rechtsanwalt ist.
1 Ws 438/07 (StrVollz) 1 Ws 469/07 (StrVollz)

Beschluss

In der Strafvollzugssache

wegen Disziplinarmaßnahme

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug am 28. November 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. G., den Richter am Oberlandesgericht S. und den Richter am Landgericht H. beschlossen:

Tenor:

1. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 1. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2007 wird als unzulässig verworfen.

2. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses wird als unzulässig verworfen.

3. Der Streitwert wird auf 100 EUR festgesetzt (§§ 1 Nr. 1j, 63 Abs. 3, 65 GKG).

4. Die Kosten der Rechtsmittel hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin verhängte gegen den Antragsteller am 6. Februar 2007 eine Disziplinarmaßnahme. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 16. Februar 2007, den die 1. kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg mit Beschluss vom 26., ergänzt durch Beschluss vom 30. März 2007, zurückwies. Der Senat hob diese Beschlüsse auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 12. Juli 2007 (1 Ws 24507 [StrVollz]) auf, weil die Begründungen der Beschlüsse nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 1 StVollzG genügten, und verwies die Sache zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an dieselbe Strafvollstreckungskammer zurück.

Mit Beschluss vom 22. Oktober 2007, der dem Antragsteller am 25. Oktober 2007 zugestellt worden ist, hat die Strafvollstreckungskammer erneut den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 16. Februar 2007 zurückgewiesen und dem Antragsteller die Kosten und Auslagen beider Instanzen auferlegt.

Am 14. November 2007 erschien der Antragsteller auf der Rechtsantragstelle des Landgerichts Oldenburg, um dort seine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer zu Protokoll zu erklären. In dem Protokoll der Rechtspflegerin heißt es wie folgt:

"Es erscheint: Herr A. K. und erklärt:

Da ich selbst Jurist bin, ist es nicht erforderlich, dass die Aufnahme der Rechtsbeschwerde durch die Rechtspflegerin erfolgt. Meine bereits vorbereitete Rechtsbeschwerde soll samt Begründung als Anlage zu Protokoll genommen werden. Ich verweise auf Meyer-Goßner, Rn. 21 zu § 345 StPO.

Geschlossen

Unterschriften"

Dem Protokoll ist eine Kopie der vom Antragsteller unter dem 29. Oktober 2007 gefertigten und unterschriebenen Beschwerdeschrift angeheftet, welche er zuvor bereits im Original an das Landgericht Oldenburg gesendet hatte, wo sie spätestens am 1. November 2007 eingegangen war. In der Beschwerdeschrift wendet er sich auch gegen die Kostenentscheidung in dem angefochtenen Beschluss und macht insoweit geltend, dass ihm zumindest die Kosten der zweiten Instanz nicht hätten auferlegt werden dürfen, weil seine erste Rechtsbeschwerde Erfolg gehabt habe.

II.

Die Rechtsbeschwerde und die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung haben keinen Erfolg. Beide Rechtsmittel sind bereits unzulässig.

1. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil sie entgegen § 118 Abs. 3 StVollzG nicht in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Gerichts eingelegt und begründet worden ist. Die Niederschrift zur Geschäftsstelle setzt nach ständiger und einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum voraus, dass sich die Beteiligung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht nur in einer formellen Beurkundung des von dem Beschwerdeführer Vorgebrachten erschöpft, sondern dass der Urkundsbeamte an der Anfertigung der Beschwerdebegründung sich gestaltend beteiligen und die Verantwortung für ihren Inhalt übernehmen muss, damit die Formvorschriften für die Einlegung der Rechtsbeschwerde eingehalten werden und diese nicht unzulässig ist (vgl. BGH NStZRR 1997, 8. OLG Karlsruhe ZfStrVo SH 1978, 54. OLG Celle ZfStrVo SH 1978, 53. OLG Hamm ZfStrVo SH 1979, 110. Callies/Müller/Dietz, StVollzG, 10. Aufl., § 118 Rdnr. 8. Schuler in Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Aufl., § 118 Rdnr. 8. Volckart in AKStVollzG, 4. Aufl., § 118 Rdnr. 13). Dadurch sollen einerseits das Interesse des Beschwerdeführers an einer formgerechten und zulässigen Rechtsbeschwerde gewahrt und andererseits dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung grundloser und unverständlicher Anträge erspart werden (vgl. BVerfG NJW 1960, 427 [428]). Deshalb wird eine Rechtsbeschwerdebegründung regelmäßig als unzulässig erachtet, wenn sich der Urkundsbeamte den Inhalt des Protokolls vom Beschwerdeführer diktieren lässt, wenn er sich darauf beschränkt, einen vom Beschwerdeführer überreichten Schriftsatz abzuschreiben oder wenn er einen Schriftsatz des Beschwerdeführers lediglich mit den üblichen Eingangs und Schlussformeln eines Protokolls umkleidet (vgl. BGH a. a. O.. Callies/Müller/Dietz a. a. O.. Volckart a. a. O.. Schuler a. a. O. jew. m. w. N.). Hiernach erweist sich die vorliegende Rechtsbeschwerde als unzulässig, weil die Urkundsbeamtin lediglich auf die Beschwerdeschrift des Antragstellers Bezug genommen hat.

Zwar wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass der Urkundsbeamte ganz ausnahmsweise auf einen Schriftsatz des Beschwerdeführers Bezug nehmen oder diesen abschreiben darf, wenn er nach sorgfältiger Durchsicht und Prüfung zu der Überzeugung gelangt ist, dass die ihm vorgelegte Schrift eine treffende, sachliche und sachgerechte Begründung der Rechtsbeschwerde enthalte (vgl. OLG Oldenburg NJW 1952, 908. OLG Köln JR 1957, 308. LR-Hanack, StPO, 25. Aufl., § 345 Rdnr. 36. KMR-Paulus, StPO, § 345 Rdnr. 27). An einer derartigen Prüfung fehlt es hier jedoch.

Schließlich steht es der Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht entgegen, dass der Antragsteller sich darauf beruft, dass er "Jurist" sei. Auch die von einem Juristen stammende Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdebegründung darf vom Urkundsbeamten nicht ungeprüft in die Niederschrift übernommen werden, sofern es sich bei dem Juristen nicht um einen in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt handelt (ebenso OLG Hamm VRS 107, 116 [119]). Zwar weist der Beschwerdeführer zutreffend auf eine Kommentierung zu § 345 Abs. 2 StPO hin, nach der eine Ausnahme von den oben dargestellten Grundsätzen gelten soll, wenn der Beschwerdeführer Jurist sei (so Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 345 Rdnr. 21). Diese Ansicht ist jedoch - soweit ersichtlich - vereinzelt geblieben. Aus den dazu angeführten Nachweisen lässt sich eine derartige allgemeine Ausnahme für Juristen jedenfalls nicht entnehmen. Sowohl das OLG Oldenburg in NJW 1952, 908, als auch das OLG Köln in JR 1957, 307, als auch Schmid in Rpfleger 1962, 307 stellen jeweils darauf ab, dass der Urkundsbeamte die vom Angeklagten übernommene Revisionsbegründung zuvor geprüft und gebilligt habe. Im dem vom OLG Köln entschiedenen Fall war der Angeklagte zwar Jurist, nämlich "Anwaltsassessor". Das OLG Köln hat jedoch ausgeführt, dass dessen von ihm selbst unterschriebene Revisionsbegründung in eigener Sache nicht ausreiche und deren Übernahme in die Niederschrift durch den Urkundsbeamten nur deshalb formgerecht gewesen sei, weil der Urkundsbeamte "maßgeblichen Einfluss auf Inhalt und Form ausgeübt (hat), indem er die Begründung einen Tag vor Einreichung des Schriftstücks mit dem Angeklagten besprach, die Schrift sodann nochmals mit erörterte, sie vorlas und eine Verbesserung vornahm." Mithin sei "an der maßgeblichen Prüfung des Urkundsbeamten" nicht zu zweifeln.

Der Senat folgt der vom Antragsteller zitierten Ansicht jedenfalls nicht. Der Bundesgerichtshof hat zu § 345 Abs. 2 StPO bereits entschieden, dass die unzulässige Bezugnahme auf die Ausarbeitung des Revisionsführers nicht dadurch geheilt werde, dass der Rechtspfleger sich von dessen Sachkunde überzeugt hat (BGHR StPO § 345 Abs. 2 Begründungsschrift 2). Danach ist es auch unerheblich, worauf diese Sachkunde beruht, also auch, dass der Revisionsführer Jurist ist. Würde die Eigenschaft des Beschwerdeführers als Jurist den Urkundsbeamten von seiner Prüfungspflicht entbinden, so wäre die Protokollierung in solchen Fällen schlichtweg überflüssig. Es wäre dann nicht zu rechtfertigen, warum der Jurist nicht gleich eine selbst unterschriebene Beschwerdeschrift einreichen können und statt dessen noch gezwungen sein soll, diese als Anlage einem ansonsten völlig inhaltsleeren "Protokoll" anheften zu lassen. Das Gesetz sieht aber in § 118 Abs. 3 StVollzG ausdrücklich vor, dass die - nicht vom Urkundsbeamten protokollierte - Beschwerde nur dann den Formerfordernissen genügt, wenn sie von einem Rechtsanwalt unterschrieben ist. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass auch die von einem Volljuristen, der nicht Rechtsanwalt ist, verfasste Rechtsbeschwerde nicht die formellen Anforderungen des § 118 Abs. 3 StVollzG erfüllt und deshalb unzulässig ist (Beschluss vom 02.02.2006, 1 Ws 44005, NStZ 2007, 226).

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen kommt vorliegend nicht in Betracht, weil hier kein Verschulden der Urkundsbeamtin vorliegt, sondern der Antragsteller selbst in Kenntnis der gesetzlichen Regelung auf die formfehlerhafte Aufnahme seiner Rechtsbeschwerde hingewirkt hat (vgl. BGH NStZRR 1997, 8. OLG Hamm a. a. O.).

2. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses ist unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes wegen des auf 100 EUR festgesetzten Streitwerts die nach §§ 120 Abs. 1 StVollzG, 304 Abs. 3 StPO bestimmte Wertgrenze nicht erreicht.

Die sofortige Beschwerde wäre aber auch unbegründet. Zwar hat die erste Rechtsbeschwerde zur Aufhebung und Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer geführt. Maßgeblich für den Kostenausspruch - auch hinsichtlich der zunächst erfolgreichen Rechtsbeschwerde - ist jedoch, inwieweit der Antragsteller am Ende des gesamten Verfahrens in der Sache Erfolg hat (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 465 Rdnr. 3 m. w. N.). Aus diesem Grunde hat der Senat in seinem Beschluss vom 12. Juli 2007 auch nicht selbst über die Kosten der Rechtsbeschwerde entschieden, sondern diese Entscheidung der ersten Instanz übertragen. Die Aufhebung und Zurückverweisung stellt nämlich nur einen vorübergehenden verfahrensrechtlichen Erfolg, aber keinen Erfolg in der Sache dar. Nachdem die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nunmehr erneut zurückgewiesen hat, ist der Antragsteller in der Sache vollständig unterlegen und hat deshalb gemäß § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG die Kosten beider Instanzen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 1 Nr. 1 j, 63 Abs. 3, 65 GKG.

Ende der Entscheidung

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