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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 02.01.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 575/06
Rechtsgebiete: RVG, ZPO


Vorschriften:

RVG § 15 Abs. 4
RVG § 33 Abs. 6
RVG § 33 Abs. 8 S. 2
RVG § 48 Abs. 5
RVG § 45 Abs. 5 S. 1
RVG § 48 Abs. 5 S. 3
ZPO § 546
ZPO § 547
ZPO § 548
Nur der beigeordnete Verteidigen kann die Erstattung seiner Gebühren aus der Staatskasse verlangen. Eine gebührenrechtliche Rückwirkung der Beiordnung auf verbundene Verfahren, in denen ein Pflichtverteidiger zuvor nicht bestellt war, bedarf einer ausdrücklichen Entscheidung des erkennenden Gerichts.
Oberlandesgericht Celle Beschluss

1 Ws 575/06

In der Strafsache

wegen Diebstahls u.a.

hier: weitere Beschwerde des Verteidigers gegen die Kostenfestsetzung

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung des Vertreters der Landeskasse durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### - zu 1. als Einzelrichterin - und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 2. Januar 2007 beschlossen:

Tenor:

1.

Die Sache wird wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen, § 33 Abs. 8 S. 2 RVG.

2.

Die weitere Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss der 2. großen Strafkammer des Landgerichts H. vom 26. Oktober 2006 wird verworfen.

3.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Angeklagten ist in dem Verfahren vor dem Amtsgericht - Strafrichterin - H. (Az. AG H. 240 b 7391 Js 68541/05 [543/05]) mit Verfügung vom 20. März 2006 ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden; am 11. April 2006 ist der Beschwerdeführer statt des vorher benannten Verteidigers beigeordnet worden.

Mit Verfügung vom 20. März 2006 hat das Gericht zwei weitere Verfahren, in denen ein Pflichtverteidiger zuvor nicht bestellt war, zu dem führenden Verfahren hinzuverbunden (Az. 241 Ds 2152 Js 5830/06 [153/06] und 241 Ds 7391 Js 1099677/05 [154/06]).

In einer weiteren hinzuverbundenen Sache war der Angeklagten bereits am 31. Dezember 2005 ein Pflichtverteidiger bestellt worden (Az. 234 Ds 7391 Js 109677/05 [9/06]).

Nach dem Abschluss der Hauptverhandlung am 11. April 2006 hat der Beschwerdeführer mit seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 12. April 2006 u.a. Gebühren auch für die drei verbundenen Verfahren geltend gemacht, nämlich je eine Terminsgebühr in den verbundenen drei Verfahren 234 Ds 7391 Js 109677/05 [9/06], 241 Ds 2152 Js 5830/06 [153/06] und 241 Ds 7391 Js 1099677/05 [154/06] für die Teilnahme am Hauptverhandlungstermin am 11. April 2006, je eine Grundgebühr nebst Auslagen in den beiden Verfahren 241 Ds 2152 Js 5830/06 [153/06] und 241 Ds 7391 Js 1099677/05 [154/06].

Der Kostenbeamte hat die Erstattung dieser Gebühren aus der Staatskasse mit der Kostenfestsetzungsentscheidung vom 22. Mai 2006 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Erinnerung hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 7. August 2006 zurückgewiesen.

Die 2. große Strafkammer des Landgerichts H. hat die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts am 3. November 2006 zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich der Verteidiger mit der von der Strafkammer ausdrücklich zugelassenen weiteren Beschwerde, der die Kammer nicht abgeholfen hat.

II.

Das Rechtmittel hat keinen Erfolg.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG), in der Sache aber unbegründet.

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts hält der auf die weitere Beschwerde hin vorzunehmenden rechtlichen Nachprüfung nach §§ 33 Abs. 6 RVG i.V.m. §§ 546, 548 ZPO stand. Die Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes.

Der Verteidiger hat über die bereits festgesetzten Gebühren hinaus keine weiteren Ansprüche gegen die Staatskasse.

1.

Der Verteidiger kann keine zusätzlichen Terminsgebühren nach Nr. 4109 VV für die Hauptverhandlung am 11. April 2006 verlangen.

Für das führende Verfahren 240 b 7391 Js 68541/05 [543/05] ist eine Terminsgebühr für die Teilnahme des Verteidigers an dem Hauptverhandlungstermin festgesetzt worden. Darüber hinaus gehende, gesonderte Terminsgebühren für die drei verbundenen Verfahren 234 Ds 7391 Js 109677/05 [9/06], 241 Ds 2152 Js 5830/06 [153/06] und 241 Ds 7391 Js 1099677/05 [154/06] stehen dem Verteidiger nicht zu.

Werden verschiedene Verfahren zu einem einheitlichen Verfahren verbunden, erhält der Rechtsanwalt ab der Verbindung nur noch in dem verbundenen Verfahren Gebühren. Es liegt dann nur noch eine Angelegenheit vor, die gebührenrechtlich eigenständig behandelt wird (Burhoff, RVG, S. 231).

Hier erfolgte die Verbindung der drei Verfahren, in denen zusätzliche Terminsgebühren geltend gemacht werden, vor der Hauptverhandlung am 11. April 2006. Gesonderte Gebühren in den verbundenen Verfahren sind danach gar nicht mehr entstanden und schon aus diesem Grunde auch nicht von der Staatskasse zu erstatten.

2.

Der Verteidiger kann auch keine Grundgebühren nach Nr. 4100 VV für die beiden verbundenen Verfahren, in denen er zuvor nicht beigeordnet war (Az. 241 Ds 2152 Js 5830/06 [153/06] und 241 Ds 7391 Js 1099677/05 [154/06]) als Pflichtverteidigergebühren geltend machen.

Fraglich ist bereits, ob der Verteidiger insoweit überhaupt Anspruchsberechtigter wäre, da bis zum 11. April 2006 ein anderer Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger (aus derselben Kanzlei) beigeordnet worden war und eine Abrechnung von dessen Gebühren eine entsprechende Vereinbarung bzw. Abtretungserklärung voraussetzen würde. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die geltend machten Gebühren in den beiden verbundenen Verfahren nicht von der Staatskasse zu erstatten sind.

Pflichtverteidigergebühren - auch für die Tätigkeit vor der förmlichen Bestellung - kann nur der beigeordnete Verteidiger verlangen, § 48 Abs. 5 RVG. In den beiden hier in Rede stehenden hinzuverbundenen Verfahren ist der Beschwerdeführer aber vor der Verbindung nicht beigeordnet gewesen; mit der Verfügung vom 20. März 2006 hat das Gericht die Beiordnung (nur) im führenden Verfahren beschlossen und unmittelbar daran anschließend - so jedenfalls ergibt es sich aus dem Aufbau der Verfügung und der Heftung der Akten - die beiden in Rede stehenden Verfahren hinzu verbunden.

Die vor der Verbindung in den hinzuverbundenen Verfahren entstandenen Grundgebühren sind durch die Verbindung nicht hinfällig geworden, denn auf die bis zur Verbindung angefallen Gebühren hat die Verbindung keinen Einfluss, § 15 Abs. 4 RVG (s.a. Burhoff, RVG S. 231). Die vor der Verbindung entstandenen Gebühren können aber nur der Angeklagten als Mandantin, nicht aber der Staatskasse in Rechnung gestellt werden.

Eine kostenrechtlich relevante Rückwirkung der Beiordnung auf die nachträglich hinzu verbundenen Verfahren nach § 48 Abs. 5 RVG scheidet hier aus, denn es fehlt an der nach dem Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich erforderlichen Entscheidung des erkennenden Gerichts, die Rückwirkung der Beiordnung auch auf die verbundenen Verfahren anzuordnen, § 45 Abs. 5 S. 3 RVG. Nur in diesem Falle aber käme eine Erstattung der vor der Verbindung entstandenen Grundgebühren aus der Staatskasse in Betracht. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass die Rückwirkung einer Beiordnung sich nicht automatisch auf verbundene Verfahren erstrecken, sondern dem Gericht (nur) die Möglichkeit zur Erstreckung eingeräumt werden soll (BT-Drs. 15/1971 S. 2001).

Eine derartige Entscheidung über die Rückwirkung durch das erkennende Gericht muss hier auch nicht nachgeholt werden (abweichende Fallgestaltung in LG Freiburg, RVG-report 2006, 183). Denn mit der Entscheidung über die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung vom 7. August 2006 hat die Strafrichterin als erkennendes Gericht deutlich gemacht, dass eine Rückwirkung nach § 48 Abs. 5 S. 3, 1 RVG gerade nicht erfolgen sollte.

Diese im pflichtgemäßen Ermessen (s. Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 48 RVG Rdn. 101) stehende Entscheidung des Gerichts ist vom Senat als weiterem Beschwerdegericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Eine eigene Ermessenentscheidung steht dem Senat im Rahmen der § 33 Abs. 6 RVG, §§ 547, 548 ZPO nicht zu.

III.

Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen beruht auf § 33 Abs. 9 RVG.

Ende der Entscheidung

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