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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 26.07.2004
Aktenzeichen: 10 UF 147/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1600 n. F.
BGB § 1685 Abs. 2 n. F.
Dem leiblichen Vater eines Kindes steht auch nach neuem Recht kein Umgangsrecht zu, wenn das Kind (noch) als eheliches Kind des früheren Ehemannes der Mutter gilt und der leibliche Vater keine enge Bezugsperson des Kindes ist.
10 UF 147/04

Beschluss

In der Familiensache

betreffend den Umgang mit M. M., geboren am ... 2001, ... ,

hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... , den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 26. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 11. Juni 2004 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin ihre durch das Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000, EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um ein Umgangsrecht des Antragstellers mit dem am ... 2001 geborenen Sohn der Antragsgegnerin, M. M.

Die Antragsgegnerin hat am ... 1998 den in S. geborenen S. R. geheiratet. Ob sie mit Herrn R. jemals zusammen gelebt hat, ist zwischen den Parteien streitig. Im Jahre 1999 hat die seinerzeit in H. lebende Antragsgegnerin, die zu diesem Zeitpunkt Mutter zweier Kinder aus früheren Beziehungen war, den Antragsteller kennen gelernt, der auf dem Hof seiner Eltern in R. gelebt hat. Im November 1999 ist die Antragsgegnerin auf den Hof der Eltern des Antragstellers nach R. gezogen. Ob und ggf. in welcher Form sie dort mit dem Antragsteller zusammen gelebt hat, ist zwischen den Parteien streitig. Die Antragsgegnerin behauptet, sie habe dort mit ihrem Ehemann gelebt. Im September 2001 ist die Antragsgegnerin nach H. gezogen, wo sie eine Wohnung angemietet hatte. Am ... 2001 ist ihr Sohn M. geboren worden. Die Parteien streiten darüber, ob der Antragsteller mit nach H. in die Wohnung der Antragsgegnerin gezogen ist, oder sich dort bis zum 14. Dezember 2001 lediglich häufiger aufgehalten hat. Unstreitig haben die Parteien sich am 14. Dezember 2001 getrennt.

Im Auftrag der Parteien hat Prof. Dr. T. am 15. Januar 2002 ein Abstammungsgutachten betreffend M. erstellt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vaterschaft des Antragstellers praktisch erwiesen sei.

In der Folgezeit bis zum Beginn dieses Verfahrens im Januar 2004 hat der Antragsteller M. bei der Antragsgegnerin besucht, wobei die Besuchskontakte über jeweils 1 - 3 Stunden in der Wohnung der Antragsgegnerin stattfanden, während sich die Antragsgegnerin dort ebenfalls aufhielt. Der Antragsteller behauptet, die Besuche hätten etwa alle 23 Wochen stattgefunden. Die Antragsgegnerin behauptet, der Antragsteller habe das Kind in der gesamten Zeit seit der Trennung nur rund 8 mal besucht, wobei die Besuche ohne Wissen der Eltern des Antragstellers, auf deren Hof er nach wie vor lebt, erfolgt seien.

Die Antragsgegnerin hat sich nach der Trennung der Parteien von ihrem Ehemann S. R. scheiden lassen. Der nähere Zeitpunkt lässt sich der Akte nicht entnehmen. Im Laufe des Verfahrens hat die Antragsgegnerin Herrn M. S. geheiratet, mit dem sie seit März/April 2002 zusammen lebt.

Die Ehelichkeit von M. ist bislang von keiner Seite angefochten worden.

Der Antragsteller, der für M. an die Antragsgegnerin freiwillig einen laufenden monatlichen Unterhalt von 250, EUR zahlt, begehrt ein Umgangsrecht mit M. ohne Anwesenheit der Antragsgegnerin an jedem 4. Wochenende von Freitag 17:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr.

Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten, einschließlich des Kindes M., den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass rechtlicher Vater von M. gemäß § 1592 Nr. 1 BGB Herr S. R. sei. Dem Antragsteller stehe mithin kein Umgangsrecht gemäß § 1684 BGB zu. Ein Umgangsrecht gemäß § 1685 Abs. 2 BGB scheide aus, weil zwischen dem Antragsteller und M. keine sozialfamiliäre Beziehung bestanden habe.

Dagegen wendet sich der Antragsteller, der mit seiner Beschwerde den erstinstanzlich gestellten Umgangsrechtsantrag weiter verfolgt. Er ist der Ansicht, ihm stehe ein Umgangsrecht gemäß § 1685 Abs. 2 BGB zu, weil zwischen ihm und der Antragsgegnerin über einen Zeitraum von 2 Jahren eine intime Beziehung bestanden habe, sie von Dezember 1999 bis September 2001 zusammen gelebt hätten und der Antragsteller sich noch bis Februar 2002 um "seine Familie" gekümmert habe. Er sei zunächst mit nach H. gezogen, habe dort eine Arbeitsstelle gesucht und habe jedenfalls noch bis Februar 2002 auch in der Form für das Kind und die Antragsgegnerin gesorgt, dass er ihnen die finanziellen Mittel für den Lebensunterhalt zur Verfügung gestellt habe. Darüber hinaus habe er mit der Antragsgegnerin und M. "auch längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammen" gelebt. Schließlich könne dem Antragsteller vor Erhalt eines Umgangsrechts auch nicht zugemutet werden, zunächst die Ehelichkeit von M. anzufechten, was ihm erst aufgrund der zum 30. April 2004 geänderten Rechtslage möglich sei, weil dann noch ein weiteres halbes Jahr vergehen würde.

II.

Die gemäß §§ 621 Abs. 1 Nr. 2, 621e Abs. 1 ZPO statthafte und auch im übrigen form- sowie fristgemäß eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat den Umgangsrechtsantrag des Antragstellers mit im Wesentlichen zutreffender Begründung zu Recht zurückgewiesen. Dazu gilt im Einzelnen Folgendes:

In Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2003 (1 BvR 1493/96, 1 BvR 1724/01) hat der Bundestag durch das "Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes, zur Registrierung von Vorsorgeverfügungen und zur Einführung von Vordrucken für die Vergütung von Berufsbetreuern" vom 23. April 2004 (BGBl 2004 Teil I S. 598 ff.) unter anderem § 1600 BGB und § 1685 Abs. 2 BGB geändert. Gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist nunmehr auch "der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben", zur Anfechtung der Vaterschaft berechtigt. Gemäß § 1685 Abs. 2 BGB besteht ein Umgangsrecht nunmehr auch für enge Bezugspersonen des Kindes, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben (sozialfamiliäre Beziehung), wobei eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung in der Regel anzunehmen ist, wenn die Person mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammen gelebt hat.

Das Amtsgericht geht zu Recht davon aus, dass rechtlicher Vater von M. gemäß § 1592 Nr. 1 BGB der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Antragsgegnerin verheiratete S. R. ist, weil dessen Vaterschaft bislang von keiner Seite wirksam angefochten worden ist. Ein Umgangsrecht des nach dem Abstammungsgutachten von Prof. Dr. T. vom 15. Januar 2002 wohl als leiblichen Vater anzunehmenden Antragstellers besteht demnach gemäß § 1684 Abs. 1 BGB jedenfalls nicht. Denn der leibliche, aber nicht rechtliche Vater eines Kindes steht zwar unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Leiblicher Vater eines Kindes zu sein, macht diesen allein allerdings noch nicht zum Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Grundrechtsnorm schützt den leiblichen Vater aber in seinem Interesse, die Rechtstellung als Vater des Kindes einzunehmen. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schließt ein Elternrecht ohne Pflichtentragung gegenüber dem Kind aus. Wenn aber das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG Rechte nur zusammen mit Pflichten vermittelt wird, kann auch Inhaber dieses Rechts nur sein, wer zugleich die Elternverantwortung trägt, unabhängig davon, ob sich die Elternschaft allein auf Abstammung oder auf Rechtszuweisung gründet. Ein Nebeneinander von zwei Vätern, denen zusammen mit der Mutter jeweils die gleiche grundrechtlich zugewiesene Elternverantwortung für das Kind zukommt, entspricht nicht der Vorstellung von elterlicher Verantwortung, die Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zugrunde legt. In die Position als leiblicher Vater anstelle des rechtlichen Vaters einrücken zu können, setzt deshalb die Feststellung oder Bestätigung der leiblichen Vaterschaft mit dem Ziel der rechtsverbindlichen Übernahme der Elternverantwortung voraus (BVerfG a. a. O.). Dem hat der Gesetzgeber zugunsten des leiblichen, aber nicht rechtlichen, Vaters eines Kindes dadurch Rechnung getragen, dass er ihm über § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Möglichkeit eröffnet hat, die Vaterschaft mit dem Ziel anzufechten, die eigene Vaterschaft feststellen zu lassen. Diese Möglichkeit steht seit dem 30. April 2004 auch dem Antragsteller offen. Das führt aber auch zu der Konsequenz, dass er das Umgangsrecht eines (rechtlichen) Elternteils gemäß § 1684 Abs. 1 BGB erst dann geltend machen kann, wenn seine Vaterschaft (rechtlich) festgestellt worden ist. Der Antragsteller kann sich jedenfalls nicht darauf berufen, dass durch ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren weitere Zeit verstreichen würde, bis er ein Umgangsrecht gemäß § 1684 Abs. 1 BGB geltend machen könnte. Ob, angesichts der erst im Laufe dieses Verfahrens vom Gesetzgeber für den Antragsteller geschaffene Möglichkeit, von sich aus auch die rechtliche Position eines Vaters zu erlangen, ihm für die Übergangszeit ein Umgangsrecht zuzubilligen wäre, bis seine rechtliche Vaterschaft festgestellt wird, kann derzeit dahingestellt bleiben. Vorliegend ist zwar nach dem Gutachten von Prof. Dr. T. vom 15. Januar 2002 mit ziemlicher Sicherheit davon auszugehen, dass der Antragsteller die Feststellung seiner Vaterschaft und damit ein Umgangsrecht gemäß § 1684 Abs. 1 BGB erwirken könnte, was dafür sprechen könnte, dass ein Umgang mit dem Antragsteller auch in der Übergangszeit bis zum Abschluss eines entsprechenden Verfahrens dem Kindeswohl durchaus förderlich sein könnte. Bislang hat der Antragsteller jedoch trotz Kenntnis der neuen Rechtslage von seinem Recht auf Anfechtung der Vaterschaft keinen Gebrauch gemacht. Solange der Antragsteller aber nicht alle Schritte unternimmt, auch in die Pflichten eines rechtlichen Vaters einzutreten, kann er sich auch nicht auf eine unzumutbare Verzögerung berufen.

Dem Antragsteller steht auch kein Umgangsrecht gemäß § 1685 Abs. 2 BGB zu, weil er keine enge Bezugsperson im Sinne dieser Vorschrift ist. Der Gesetzgeber wollte mit der Änderung des § 1685 Abs. 2 BGB die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der oben zitierten Entscheidung umsetzen. Sonstigen Bezugspersonen, wie z. B. auch dem biologischen Vater, sollte entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nach § 1685 Abs. 2 BGB ein vom Kindeswohl abhängiges Umgangsrecht mit dem Kind zustehen, wenn zwischen diesem und dem Kind eine "sozialfamiliäre Beziehung" besteht oder bestanden hat, wobei der Gesetzgeber zur Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung ausdrücklich die vom Bundesverfassungsgericht verwendete Begriffskategorie übernommen hat (vgl. Einzelbegründung zu § 1685 BGB zum "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und des Umgangsrechts von Bezugspersonen des Kindes" des Bundesjustizministeriums vom 8. Juli 2003). Demnach steht dem leiblichen, aber nicht rechtlichen, Vater ein Umgangsrecht gemäß § 1685 Abs. 2 BGB vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet dann nicht zu, wenn zwischen ihm und dem Kind keine sozialfamiliäre Beziehung besteht oder bestanden hat (vgl. BVerfG a. a. O.). Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass eine derartige Beziehung zwischen dem Antragsteller und M. jemals bestanden hat oder noch besteht. Das Amtsgericht geht zu Recht davon aus, dass auch nach dem - insoweit streitigen - Vortrag des Antragstellers, er habe bis zum 14. Dezember 2001 mit der Antragsgegnerin und M. zusammen gelebt und er habe sich noch bis Februar 2002 um "seine Familie" gekümmert, eine sozialfamiliäre Beziehung zwischen dem Antragsteller und M. nicht festgestellt werden kann. Denn die Entwicklung einer sozialfamiliären Beziehung aufgrund Zusammenlebens setzt eine gewisse Dauer des Zusammenlebens voraus, die das vom Antragsteller behauptete Zusammenleben jedenfalls nicht erfüllt. Wie die Anhörung M.s durch das Amtsgericht ergeben hat, hat sich auch in der Folgezeit durch die Besuche des Antragstellers eine enge Beziehung zu diesem nicht entwickelt, denn M.s "väterliche Bezugsperson" ist ersichtlich nicht der Antragsteller, sondern der jetzige Ehemann der Antragsgegnerin.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 13a Abs. 1 S. 1 FGG, 30 Abs. 2, 94 Abs. 2, 131 Abs. 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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