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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: 11 U 201/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB §§ 599 ff.
Der testamentarisch Begünstigte, der ein schuldrechtliches Wohnrecht zugewandt erhält, erwirbt durch eine solche Anordnung in einem notariellen Testament regelmäßig kein Recht, auf seine Rechnung die Wohnung zu vermieten, wenn er gesundheitsbedingt in ein Heim übersiedelt.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

11 U 201/03

Verkündet am 25. März 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 21. August 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Die klagende Gemeinde macht Ansprüche aus übergegangenem Recht für Heimkosten geltend, die sie in Höhe von 600 Euro monatlich für Frau R. (im Folgenden: Frau R.) aufgebracht hat. Beklagt ist eine Enkelin der Frau R. in ihrer Eigenschaft als kraft Testaments der Tochter der Frau R. eingesetzte Testamentsvollstreckerin.

Die Tochter der Frau R. und Tante der Beklagten verstarb am 4. Mai 1988. Sie setzte die Beklagte und deren 1983 geborenen Vetter je zu 1/2 zu Erben ihres Wohnhauses N.pfad 53 in B. ein. Frau R. räumte sie kraft Testaments (neben Bargeld, Sparguthaben und einer Lebensversicherung) ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht in diesem Haus ein, welches nicht in das Grundbuch einzutragen war. Bis März 1996 bewohnte Frau R. das Haus. Seither lebte sie in einem Heim. Für die Heimkosten reichte das Barvermögen der Frau R. bis Juni 1999 aus. Ab Juli 1999 gewährt die klagende Gemeinde der Frau R. ergänzende Sozialhilfe. Die Klägerin hat geltend gemacht, bis Ende Dezember 2002 insgesamt 23.303,75 Euro für Frau R. aufgebracht zu haben.

Das Haus vermieteten die Erben nach dem Auszug der Frau R. Die Beklagte erzielt dafür eine Kaltmiete in Höhe von monatlich 818,07 Euro (früher 1.600 DM).

Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte habe mit der Vermietung ohne Zustimmung unberechtigt ein Geschäft der Frau R. geführt. Da das schuldrechtliche Wohnrecht der Frau R. auch während deren Heimaufenthalts fortbestehe, habe die Beklagte das Haus nicht ohne Zustimmung von Frau R. vermieten dürfen. Aufgrund ihrer durch ihren Gesundheitszustand bedingten Heimunterbringung sei an sich Frau R. berechtigt gewesen, anstelle der Eigennutzung die Wohnung kraft des ihr zustehenden Wohnrechts zu vermieten; die Beklagte hätte eine solche Vermietung jedenfalls dulden müssen, zumal Frau R. ohne die Vermietung in die Gefahr einer existenzbedrohenden Notlage gerate, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr aus eigenen Mitteln vollständig decken könne (§ 242 BGB; Wegfall der Geschäftsgrundlage). Mit Überleitungsanzeige vom 3. April 2001 hat die Klägerin rückwirkend zum 1. Juli 1999 die vermeintlichen Ansprüche der Frau R. gegen die Beklagte auf sich übergeleitet.

Die Beklagte hat dem entgegen gehalten, Frau R. habe das Wohnrecht freiwillig - und nicht etwa gezwungenermaßen krankheitsbedingt - aufgegeben; sie sei in ein Heim gezogen, in welches sie eigene Möbel habe mitnehmen können. Ein Vermietungsrecht sei ihr im Testament nicht eingeräumt worden, ebensowenig ein dingliches Wohnrecht. Zudem bestehe eine echte Notlage nicht. Frau R., die seit Juli 1999 unter Betreuung stehe (wobei die Betreuer jeweils das Aufenthaltsbestimmungsrecht gehabt hätten), hätte in einem preiswerteren Heim untergebracht werden können, für das ihre Einkünfte ausreichten. Für die Versäumnisse der Betreuer müssten die Beklagte und ihr Vetter nicht einstehen. Die Beklagte hat ferner die Einrede der beschränkten Erbenhaftung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, ein Anspruch der Frau R. gegen die Beklagte aus § 687 Satz 2 BGB bestehe nicht. Die Vermietung habe kein Geschäft der Frau R. dargestellt, da Frau R. weder nach dem Wortlaut des Testaments noch nach dessen Sinn durch die Zuwendung des wirtschaftlichen Wertes des Wohnrechts dauerhaft für ihr Alter habe abgesichert werden sollen.

Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die klagende Gemeinde mit ihrer form- und fristgerecht eingereichten Berufung.

Mit ihr macht sie im Wesentlichen geltend:

Das Landgericht habe zu Unrecht das schuldrechtliche testamentarische Wohnrecht als Leihe und den Auszug der Frau R. als Rückgabe der entliehenen Sache angesehen. Der Auszug beinhalte nicht - wie zur Beendigung eines Leihvertrages erforderlich - eine konkludente Kündigungserklärung der Frau R. Die bloße Nichtausübung des Wohnrechts habe den Bestand des Leihvertrages nicht angetastet. Zudem habe Frau R. gesundheitlich bei ihrem Auszug nicht mehr allein leben können. In dieser Lage sei die Beklagte aus § 242 BGB verpflichtet gewesen, der Frau R. eine Vermietung zu gestatten. Da im Streitfall aber der Verleiher selbst vermietet habe, habe er den Erlös zur Verfügung zu stellen. Dies folge auch daraus, dass das ganze Testament der Erblasserin vorrangig auf Absicherung des Alters ihrer Mutter gerichtet gewesen sei.

Die klagende Gemeinde beantragt,

unter Abänderung des am 21. August 2003 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover, 2 O 114/03, die Beklagte zu verurteilen, an sie 23.303,75 EUR zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der klagenden Gemeinde zurückzuweisen.

Unter Erweiterung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt sie das landgerichtliche Urteil. Ergänzend trägt sie vor, dass Frau R. nicht berechtigt gewesen sei, die Wohnung zu vermieten. Hätte Frau R. dies getan, wäre die Beklagte zur Kündigung des Leihverhältnisses berechtigt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und insb. das Testament der Erblasserin (Kopie Bl. 19 f. GA ) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Die Beklagte ist zwar passivlegitimiert. § 2213 BGB erlaubt das Verklagen allein des zur Verwaltung des Nachlasses oder eines Nachlassgegenstandes berufenen Testamentsvollstreckers, ohne dass die Erben mitverklagt werden müssten. Die Beklagte ist durch das Testament der Erblasserin in dieser Weise zur Verwaltung des Hauses eingesetzt.

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Frau R., die nach Mitteilung der Parteien inzwischen verstorben ist, stand ein Anspruch gegen die Beklagte bzw. die Erbengemeinschaft an dem Haus auf Herausgabe der Mieterträge, den die Klägerin im April 2001 wirksam auf sich hätte überleiten können, nicht zu.

Frau R. hatte nur ein schuldrechtliches Wohnrecht kraft Testaments ihrer Tochter als Vermächtnis erworben. Der Inhaber eines solchen Wohnrechts ist regelmäßig zu eigener Vermietung der Wohnung nicht berechtigt. Das Testament sah insoweit auch nicht ausnahmsweise etwas anderes, weitergehendes vor.

Der klagenden Gemeinde ist auch nicht darin zu folgen, dass das Testament in erster Linie die Alterssicherung der Frau R. intendierte. Das Testament lässt eine klare Linie erkennen, die dahingeht, die Vermögenswerte schon im Erbfall aufzuspalten. Frau R. sollte nur den Besitz an dem Haus erhalten, die Beklagte und ihr Vetter aber bereits das Eigentum. Wäre etwas anderes gewollt gewesen, hätte es sich aus Sicht der Erblasserin aufgedrängt, Frau R. zur Vorerbin, die Beklagte und deren Vetter zu Nacherben zu machen. Gerade Derartiges aber hat die Erblasserin nicht verfügt. Hätte die Erblasserin eine vollständige Altersabsicherung und ein "sorgenfreies Alter" ihrer Mutter absichern wollen, so hätte sie bei der vor einem Notar erfolgten Errichtung des Testaments sicherlich mit dessen Hilfe eine Lösung finden können, die diesen Zweck sicherzustellen vermochte. Derartiges ist aber nicht geschehen, weshalb der Senat einen vordringlichen Versorgungszweck zugunsten der Frau R. dem Testament nicht zu entnehmen vermag.

Frau R. ist auch in der Folgezeit kein Recht zu eigener Vermietung der Wohnung erwachsen. Zwar könnte man über dergleichen in bestimmten Fällen nachdenken, wenn nach einem - wie im Streitfall gesundheitlich bedingten - Umzug in ein Heim der wesentliche Einkommensteil mit der unentgeltlichen Wohnung aufgegeben wird. So war es im Streitfall aber ersichtlich nicht. Frau R. verfügte offenbar über hinreichend Vermögen und Einkünfte um über Jahre hin (von 1996 bis 1999) die Kosten ihres Heimaufenthalts aus eigenen Mitteln zu decken.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf § 97 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens, auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit.

Zur Zulassung der Revision hat der Senat weder aus Gründen der Fortbildung des Rechts noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache einen Anlass gesehen.

Die Parteien haben insoweit auch nichts aufgezeigt, was zu anderer Beurteilung hätte führen können.

Ende der Entscheidung

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