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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 18.04.2002
Aktenzeichen: 11 U 202/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 651 f
BGB § 823 Abs. 1
Zur Haftung des Reiseveranstalters für Sportgeräte. Animateure sind Erfüllungsgehilfen, wenn sie als Mitarbeiter des Reiseveranstalters bezeichnet werden.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

11 U 202/01

Verkündet am 18. April 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### sowie die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels auf die Anschlussberufung der Kläger das am 25. Mai 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, über die erstinstanzlich ausgeurteilten Beträge an den Kläger zu 2 weitere 178,67 € zu zahlen.

Hinsichtlich der Kostentragungspflicht für die erste Instanz verbleibt es bei der landgerichtlichen Entscheidung.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 29 % und die Beklagte zu 71 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert der Beschwer erreicht weder für die Kläger noch für die Beklagte 20.000 €.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die zulässige Anschlussberufung der Kläger ist nur zum geringen Teil begründet.

Die Beklagte haftet den Klägern sowohl aus § 651 f Abs. 1 BGB als auch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB.

1. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch ergibt sich aus § 651 f Abs. 1 BGB. Danach hat die Beklagte Schadensersatz wegen Nichterfüllung beim Vorliegen eines Reisemangels zu leisten, es sei denn, der Mangel ist von ihr nicht zu vertreten.

Ein Reisemangel liegt immer dann vor, wenn die vom Reiseveranstalter erbrachte Reiseleistung von der im Vertrag vorgesehenen Beschaffenheit so weit abweicht, dass hierdurch der vertraglich festgesetzte Zweck und Nutzen der Reise wesentlich beeinträchtigt wird. Soweit der Reisevertrag keine besonderen Angaben zur Beschaffenheit einer Reiseleistung enthält, kann auch eine Abweichung von der nach allgemeiner Verkehrsauffassung gewöhnlichen objektiven Beschaffenheit der Reiseleistung einen Fehler begründen. Der Umfang und die Beschaffenheit der von der Beklagten als Reiseveranstalterin geschuldeten Leistung wird darüber hinaus durch Obhuts- und Fürsorgepflichten der Beklagten gegenüber dem Reiseteilnehmer ergänzt. Daher ist die Verletzung solcher - teilweise auch mit den als Verkehrssicherungspflichten bezeichneten Pflichten zusammenfallenden - Nebenpflichten regelmäßig ein reisevertragliche Ansprüche auslösender Reisemangel (Senat 11 U 199/97).

Selbst wenn man den Vortrag der Beklagten unterstellt, dass sich aus dem Zustand der Fußballtore selbst oder deren Konstruktion keine erkennbaren Anhaltspunkte für eine beachtliche Unfallgefahr ergebe, wenn sie bestimmungsgemäß eingesetzt würden, ist im vorliegenden Fall jedoch zu berücksichtigen, dass die Tore nicht fest auf einem Fußballfeld verankert waren und sich vor dem Beginn des Spieles nicht an dem vorgesehenen Platz befanden. Wie aus den bei den Akten befindlichen Lichtbildern ersichtlich ist, diente der Sportplatz auch der Ausübung anderer Sportarten (z. B. Tennis). Wohl aus diesem Grund standen die Tore am Rande des Feldes. Aus den Lichtbildern ergibt sich des Weiteren, dass der Sportplatz zwar eingezäunt war, sich jedoch im Zaun an einer Seite eine Öffnung befand, die den Platz frei zugänglich machte. Unstreitig sind Kinder aus der Gruppe kurz vor Erreichen des Platzes vorgelaufen, haben das Spielfeld betreten und dabei versucht, das Tor zu verschieben.

Mitarbeitern des Betreibers der Hotelanlage, der als Leistungsträger Erfüllungsgehilfe der Beklagten im Sinne von § 278 BGB ist, aber auch den Mitarbeitern der Beklagten musste sich aufdrängen, dass die Gefahr bestand, dass Kinder oder Jugendliche

unbefugt den Sportplatz betreten konnten und sich an den ungesicherten Toren zu schaffen machten. Dabei ist gegenüber Kindern und Jugendlichen insbesondere Rücksicht auf solche Gefahren zu nehmen, die mit ihrer Unerfahrenheit, ihrem Leichtsinn und Spieltrieb verbunden sind. Dies bedeutet, dass zwar auch bei Kindern nicht Vorkehrungen gegen jede auch nur entfernt liegende Möglichkeit einer Gefährdung getroffen werden müssen. Wenn aber Vorkehrungen gegen eine missbräuchliche Benutzung möglich und zumutbar sind, sind Kinder und Jugendliche vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und vor den von ihnen infolge ihres Spieldranges und damit zusammenhängender gruppendynamischer Prozesse nicht auf den ersten Blick zu erkennenden Gefahren zu schützen. Die Beklagte hat sich das Verhalten ihrer Animateurinnen nach § 278 BGB zurechnen zu lassen. Bei den Animateurinnen handelte es sich um Mitarbeiterinnen der Beklagten, wie sich aus dem Reiseprospekt ergibt (Bl. 47 d. A.). Dort bezeichnet die Beklagte die Betreuer als "Unsere geschulten ####### Kinderanimateure...".

Demnach war die Beklagte verpflichtet, gebotene Sicherungsmaßnahmen von dem Betreiber des Hotels zu fordern oder durch ihre Animateure zu ergreifen. Die Beklagte hätte durch entsprechende Bitten an den Betreiber der Hotelanlage oder durch Anweisungen an ihre Animateure sicherstellen können, dass ein Betreten des Sportplatzes nur in Anwesenheit von Animateuren möglich gewesen wäre.

Die Beklagte hätte auch ihre Animateurinnen anweisen können, dass entweder das Spielfeld und die Tore vor dem Betreten des Feldes für die jeweiligen Benutzer einzurichten waren oder mindestens ein Betreuer auf den Fußballplatz vorauszuschicken war, um damit das Risiko zu vermeiden, dass einzelne Kinder oder Jugendliche versuchen, das Einrichten des Sportplatzes ohne Anweisung und Hilfe alleine zu bewältigen.

2. Der Anspruch der Kläger besteht gegenüber der Beklagten aber auch aufgrund deliktischer Haftung wegen einer Verletzung einer eigenen Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte hat bei Ausübung ihres Gewerbes die Sicherheitsvorkehrungen zu treffen oder zu veranlassen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die ihm nach den Umständen zuzumuten sind. Zu dieser Beurteilung sind die vertraglichen Pflichten des Reiseveranstalters heranzuziehen. Die Beklagte muss als Reiseveranstalter ihre Leistungsträger nicht nur sorgfältig auswählen, sondern den Umständen entsprechend auch überwachen. Bei einer Hotelanlage hat sie vor Vertragsschluss unter anderem den ausreichenden Sicherheitsstandard zu überprüfen und den Umständen entsprechend in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob dieser Standard gewahrt bleibt. Kann die Beklagte im Inland weitgehend auf die behördliche Überwachung vertrauen, die allerdings nicht schlechthin entlastet, und sich auf Stichproben beschränken, gilt das im Ausland nicht, weil dort vielfach andere Maßstäbe gelten (BGHZ 103, 298 f.; Senat a. a. O.).

Nach diesen Anforderungen hat die Beklagte die ihr obliegende Sicherungspflicht nicht gewahrt. Bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten die für die Überprüfung und Überwachung eingeteilten Mitarbeiter der Beklagten, die insoweit ihre Verrichtungsgehilfen gemäß § 831 Abs. 1 BGB sind, die unzureichende Absicherung des Sportplatzes erkennen und abstellen lassen müssen. Dadurch, dass die Mitarbeiter der Beklagten dieses nicht veranlasst haben, hat die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Außerdem hätte die Beklagte durch entsprechende Anweisungen an ihre Animateurinnen sicherstellen müssen, dass entweder das Spielfeld und die Tore vor dem Betreten des Feldes eingerichtet waren oder sichergestellt war, dass ein Betreuer vor den Kindern den Fußballplatz erreichte.

3. Hinsichtlich der Höhe der Beträge, zu denen das Landgericht die Beklagte verurteilt hat, verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils, die der Senat teilt und sich zueigen macht. Auch das vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld in Höhe von 11.000 DM für den Kläger zu 3 erscheint angesichts der erlittenen Verletzungen, der Notwendigkeit des erforderlichen stationären Krankenhausaufenthaltes, dem vorzeitigen Abbruch des Urlaubs sowie der Einschränkung altersgemäß sportlicher Aktivitäten des Klägers zu 3 über die Dauer mindestens eines Schuljahres für angemessen, aber auch für ausreichend. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auch insoweit auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Auch das Feststellungsinteresse für die Feststellungsklage des Klägers zu 3 ist wegen noch möglicher Unfallfolgen vom Landgericht zutreffend bejaht worden.

4. Die Anschlussberufung der Kläger ist nur in Höhe von 178,67 € begründet.

a) Angesichts der schweren Verletzungen, die der Kläger zu 3 erlitten hatte, und des erforderlichen Aufenthaltes in der Kinderklinik in ####### erscheint es vertretbar, dass der Kläger zu 2 seinen verletzten Sohn täglich im Krankenhaus besuchte. Der Kläger zu 2 kann daher von der Beklagten Erstattung der weiteren Aufwendungen in Höhe von 178,67 € verlangen, die dadurch entstanden sind, dass der Kläger zu 2 seinen Sohn täglich in der Kinderklinik in ####### besuchte.

b) Soweit der Kläger zu 2 weitere 108,26 € als Aufwandsentschädigung für einen Tag Urlaub dafür verlangt, dass er seinen Sohn in Begleitung der Klägerin zu 1 nach ####### zur medizinischen Nachkontrolle brachte, steht ihm kein Anspruch zu. Allein die Möglichkeit, dass der Kläger zu 3 stationär in der Kinderklinik zur Nachuntersuchung aufgenommen werden könnte, rechtfertigte es nicht, dass der Kläger zu 2 insoweit einen Tag Urlaub nahm. Wenn sich die vom Kläger zu 2 angedeutete Möglichkeit verwirklicht hätte, hätte der Kläger zu 2 entweder mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach ####### reisen können, um sein Fahrzeug von dort abzuholen oder sich anderweitig behelfen können.

c) Keine Erstattungspflicht besteht für die Beklagte im Hinblick auf die Fahrtkosten des Klägers zu 2 zum Rechtsanwalt nach #######. Der Kläger zu 2 hat nicht substantiiert dargetan, aus welchem Grunde er gerade Anwälte in ####### aufgesucht hat.

1. Entgegen der Ansicht der Kläger steht ihnen Ersatz für vergeblich geleisteten Reisepreis nur für die Zeit nach der Kündigung zu. § 651 e Abs. 3 Satz 1 BGB stellt insoweit ausdrücklich auf die Kündigung des Reisenden ab. Eine Erweiterung der Erstattungspflicht auch für den Zeitraum zwischen dem Unfall und der erklärten Kündigung erscheint angesichts des Wortlautes des Gesetzes nicht möglich.

2. Der Kläger zu 2 kann aus den Gründen des angefochtenen Urteils von der Beklagten keine Erstattung der Fahrtkosten verlangen, die dadurch entstanden sind, dass die Klägerin zu 1 in der Zeit vom 6. Juli bis zum 26. Juli 2000 in die Schule des Klägers zu 3 gefahren ist, um dort die Aufsicht für den Kläger zu 3 in der Pause zu übernehmen.

f) Ebenfalls kann der Kläger zu 2 nicht Erstattung des Verdienstausfalles dafür verlangen, dass er in der Zeit vom 20. bis 23. Juni 2000 zu Hause blieb. Unstreitig konnte sich die Klägerin zu 1 dem Kläger zu 3 in dieser Zeit widmen. Etwaige anfallende Besorgungen hätte der Kläger zu 2 im Hinblick auf seine Schadensminderungspflicht vor oder nach seiner Arbeit ausführen können.

g) Wie bereits ausgeführt ist der Senat der Ansicht, das dem Kläger zu 3 zugesprochene Schmerzensgeld in Höhe von 11.000 DM angemessen und ausreichend ist.

h) Auch die vom Landgericht ausgeurteilten Entschädigungsbeträge für den nutzlos aufgewandten Urlaub in Höhe von 100 DM für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 und in Höhe von 50 DM pro Tag für den Kläger zu 3 und die Klägerin zu 4 erscheinen im Hinblick auf die gebuchte Reise, bei der es sich um eine Reise im mittleren Preisniveau handelte, ausreichend.

i) Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht dem Kläger zu 3 Zinsen auf seinen Schmerzensgeldanspruch vom Tage der Zustellung der Klage zugesprochen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen finden ihre Stütze in § 708 Ziff. 10, § 713, § 546 Abs. 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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