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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 18.04.2002
Aktenzeichen: 11 U 235/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 675
Ein Anlageberater muss sich eigene Informationen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und der Bonität des Kapitalsuchenden verschaffen. Liegen objektive Daten nicht vor oder verfügt ein Anlageberater mangels Einholung eigener Informationen insoweit über unzureichende Kenntnisse, so muss er dies dem Anleger offen legen.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

11 U 235/01

Verkündet am 18. April 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Oberlandesgericht ####### auf die mündliche Verhandlung vom

21. März 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 29. Juni 2001 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.197,88 EUR nebst 8 % Zinsen seit dem 1. Juli 1998 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 10 % und die Beklagte 90 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert der Beschwer beträgt für den Kläger 577,54 EUR und für die Beklagte 5.197,88 Euro.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur zum Teil begründet, im Übrigen ist sie unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz nur in Höhe von 90 % seinen Anlagebetrages verlangen.

1. Zwischen den Parteien bestand ein Anlageberatungsvertrag. Ein Anlageberatungsvertrag liegt vor, wenn ein Kapitalanleger, der einem Anlageberater gegenüber tritt, selbst über keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse verfügt und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Der Anleger erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere eine fachkundige Bewertung und Beurteilung der Anlage. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weit gehende Pflichten gegenüber dem betreuten Kapitalanleger. Als unabhängiger individueller Berater, dem weit reichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, muss er besonders differenziert und fundiert beraten. Im Rahmen dieses Vertrages war die Beklagte auch verpflichtet, dem Kläger vollständig und richtig Auskunft über diejenigen Tatsachen und Umstände zu geben, die für seinen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren. Dazu bedurfte es grundsätzlich vorab der eigenen Information der Beklagten über die Wirtschaftlichkeit und Bonität des Kapitalsuchenden. Die Beklagte war verpflichtet, das Anlagekonzept auf Plausibilität, insbesondere auf wirtschaftliche Tragfähigkeit hin, zu überprüfen. Nur so konnte sie sachgerechte Auskünfte erteilen. Lagen objektive Daten über die Wirtschaftlichkeit und Bonität nicht vor oder verfügte die Beklagte mangels Einholung entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende Kenntnisse, so musste sie dies genauso wie fehlende eigene Sachkunde ihrem Vertragspartner offen legen (vgl. BGH NJW-RR 2000, 998 ff.).

2. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte schuldhaft ihre Aufklärungspflicht verletzt. Die Beklagte hat nicht nur in ihren Geschäftsräumen eine Werbebroschüre der ####### ausgelegt, die in keiner Weise den Anforderungen genügt, die an einen Prospekt für eine Kapitalanlage zu stellen sind, sondern sie hat auch ihren Stempel auf dieser Werbebroschüre angebracht. Des Weiteren hat die Beklagte daran mitgewirkt, dass der Kläger bei der ####### ein Darlehen auf die bei dieser Gesellschaft bestehende Lebensversicherung, die die Beklagte vermittelt hatte, aufgenommen hat. Die Beklagte hat dem Kläger, der über keine Mittel zur Anlage verfügte, diese Darlehnsmöglichkeit aufgezeigt und den Kläger insoweit beraten.

Die Beklagte hat weiter selbst vorgetragen, dass sie in Börsendingen nicht bewandert sei. Sie hat sich in keiner Weise über die ####### . mit Sitz auf der ####### informiert. Sie hat aber auch nicht vorgetragen, dass sie den Kläger aufgeklärt habe, dass sie die Bonität des Kapitalsuchenden überhaupt nicht beurteilen könne und ihr objektive Daten nicht zur Verfügung standen.

Wer - wie die Beklagte - vertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch nach pflichtgemäßem Verhalten entstanden wäre. Es besteht die Vermutung, dass sich der Geschädigte aufklärungsrichtig verhalten hätte (Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 282 Rn. 15 m. w. N.). Die Beklagte trägt indes nichts dafür vor, dass der Kläger Geld aufgenommen und dann bei der ####### angelegt hätte, wenn sie ihm gesagt hätte, sie verfüge über keine Kenntnisse bezüglich der Bonität und der Solvenz der #######.

3. Die Beklagte hat indessen nur 90 % des entstandenen Schadens zu ersetzen, weil bei der Entstehung des Schadens ein geringes Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB des Klägers mitgewirkt hat. Derjenige, der einen Sachkundigen hinzuzieht, gibt damit zu erkennen, dass er auf dem betreffenden Fachgebiet nicht die erforderlichen Kenntnisse hat und auf fremde Hilfe angewiesen ist, sodass sein Vertrauen besonderen Schutz verdient. Dennoch kann unter bestimmten Umständen der Einwand des Mitverschuldens begründet sein, etwa wenn Warnungen von dritter Seite oder differenzierende Hinweise des anderen Teils nicht genügend beachtet wurden oder wenn im Hinblick auf die Interessenlage, in der der Anlageinteressent und der Anlagevermittler in vertragliche Beziehungen zueinander getreten sind, besondere Umstände vorliegen. Anhaltspunkt für ein Mitverschulden kann ferner das Versprechen einer auch für Unkundige auffällig hohen Rendite sein. (BGH, NJW-RR 2000, 998, 1000). Von derartigen besonderen Umständen ist im vorliegenden Fall auszugehen. Die ####### . warb in ihrer 'Information für Kunden und Vermittler' für den Monat Januar 1998 mit einem Ertrag von 115,76 %, für den Monat Februar 1998 mit einem Ertrag von 96,91 % und für März 1998 mit einem Ertrag von 125,23 %, was einer Jahresrendite von circa 1300 % entspricht. Eine derartige unrealistische Rendite musste dem Kläger zur Warnung gereichen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf § 709 Ziffer 10, § 713, § 546 ZPO a. F..

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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