Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 20.12.2001
Aktenzeichen: 11 U 242/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 675
Bei einem Anlagevermittlungsgeschäft kann ein Mitverschulden des Anlegers unter besonderen Umständen vorliegen.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

11 U 242/00

Verkündet am 20. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht ####### auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weiter- gehenden Rechtsmittels das am 23. Juni 2000 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 38.013,15 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25. Februar 1997 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 40 % und der Beklagte zu 60 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt für den Kläger 25.461,80 DM und für den Beklagten 38.013,15 DM.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nur zum Teil begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.

Der Beklagte hat dem Kläger für den Verlust der Geldanlagen, die der Kläger ab April 1990 über die ####### bei der ####### getätigt hat, einzustehen. Zwischen den Parteien dieses Rechtsstreites ist ein Vertrag über die Vermittlung von Geldanlagen zustande gekommen.

1. a) Der Beklagte hat dem Kläger im vorliegenden Fall als eigenverantwortlich tätig gewordener Absatzmittler einzustehen. Er kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, lediglich als Erfüllungsgehilfe der ####### aus ####### tätig geworden zu sein. Der Beklagte hat nämlich nicht bewiesen, dass er dem Kläger gegenüber deutlich gemacht hat, dass er lediglich für die ####### handele.

Auf den unterschriebenen Zeichnungsscheinen findet sich keinerlei Hinweis dahin gehend, dass der Beklagte lediglich als Vertreter der ####### auftrat. Der Beklagte hat die Zeichnungsscheine ohne jeden eine Vertretung anzeigenden Zusatz als 'Repräsentant' unterzeichnet. Auch die vor dem Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe davon Kenntnis gehabt, dass er - der Beklagte - für die ####### gehandelt habe, nicht erbracht. Die Zeugin ####### als geschiedene Ehefrau des Beklagten hat bekundet, dass der Beklagte sie während der Ehe nicht darüber informiert hatte, dass er für eine ####### oder für einen Herrn ####### tätig war. Auch der auf Antrag des Beklagten vernommene Kläger hat den Vortrag des Beklagten nicht bestätigt. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Kläger am Ausgang des Rechtsstreites ein elementares Interesse hat und die Zeugin ####### die Lebensgefährtin des Klägers ist und somit auch ein erhebliches wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreites hat, so führen etwaige Zweifel an den Aussagen der Zeugin und des Klägers nicht dazu, dass der Senat von der Darstellung, die der Beklagte gegeben hat, überzeugt ist. Der Beklagte ist als Vertragspartner des Klägers anzusehen.

b) Das Tätigwerden des Beklagten beruhte auch nicht auf einem reinen Gefälligkeitsverhältnis. Dagegen spricht zum einen, dass der Beklagte für seine Tätigkeit eine Provision erhielt und dies dem Kläger auch bekannt war. Auch das Auftreten des Beklagten als 'Repräsentant' der ####### spricht für ein rechtsgeschäftlich verbindliches Handeln seitens des Beklagten. Der Beklagte hat den Kläger und andere Personen über die Anlagemöglichkeit durch Übergabe von Prospekten informiert. Das Verhalten des Beklagten entsprach dem üblichen Verhalten eines gewerbsmäßigen Anlagevermittlers.

2. Bei einer Anlagevermittlung trifft der Anlageinteressent auf einen Anlagevermittler, der für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit Rücksicht auf die von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat. An ihn wendet sich der Anleger in der Regel in dem Bewusstsein, dass der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen im Vordergrund steht. Zwischen dem Anlageinteressenten und einem Anlagevermittler kommt zumindest stillschweigend ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zustande. Dieser Auskunftsvertrag verpflichtet den Vermittler auch zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (Senat, OLG-Report 1999, 161, 162). Es bedarf grundsätzlich vorab der eigenen Information des Anlagevermittlers hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden. Denn ohne zutreffende Angaben über die hierfür maßgeblichen Umstände kann der Anlageinteressent sein Engagement nicht zuverlässig beurteilen und keine sachgerechte Anlageentscheidung treffen. Liegen dazu objektive Daten nicht vor oder verfügt der Anlagevermittler mangels Einholung entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende Kenntnisse, so muss er dies dem anderen Teil zumindest offen legen (BGH, MDR 2000, 405 m. w. N.).

Der Beklagte hat seine Aufklärungs- und Hinweispflichten aus dem Vermittlungsvertrag gegenüber dem Kläger verletzt. Der Beklagte hat nach seinem eigenen Vortrag keine eigenen Informationen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität der Kapitalsuchenden sowie der Seriosität der Treuhänderin eingeholt. Es kommt in diesem Zusammenhang daher nicht darauf an, ob der Beklagte die Anlage als risikolos dargestellt hat, wie es der Kläger vorgetragen hat, oder ob der Beklagte geäußert hat, dass die Anlage eine gute Sache sei. Der Beklagte hat seine Verpflichtung zur Aufklärung des Klägers verletzt, indem er ihm lediglich diese Möglichkeit der Geldanlage genannt hat, ohne über objektive Daten hinsichtlich der Seriosität und Bonität des kapitalsuchenden Unternehmens zu verfügen und insbesondere ohne darauf hinzuweisen, dass ihm insoweit Erkenntnisse nicht vorlagen.

Bei entsprechenden Hinweisen ist davon auszugehen, dass sich der Kläger 'aufklärungsrichtig' verhalten hätte, also das Geld nicht über die ####### angelegt hätte. Beweispflichtig für eine Anlage trotz richtiger Aufklärung ist der Vermittler. Hierzu hat der Beklagte nichts vorgetragen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger bei richtiger Aufklärung kein Geld über die ####### angelegt und anderweitig angelegtes Geld insgesamt wiedererhalten hätte.

3. Unstreitig hat der Kläger insgesamt 69.839,40 DM angelegt. Aufgrund der vom Kläger vorgelegten Aufstellung nebst Kopien der jeweiligen Kontoauszüge hat der Kläger aus der Anlage insgesamt 6.484,15 DM erhalten, sodass dem Kläger ein Schaden von 63.355,25 DM verblieben ist.

Der Beklagte hat indessen nur 60 % des entstandenen Schadens zu ersetzen, weil bei der Entstehung des Schadens ein Mitverschulden auf Seiten des Klägers mitgewirkt hat. Zwar gibt derjenige, der einen Sachkundigen hinzuzieht, damit zu erkennen, dass er auf dem betreffenden Fachgebiet nicht die erforderlichen Kenntnisse hat und auf fremde Hilfe angewiesen ist, sodass sein Vertrauen besonderen Schutz verdient. Dennoch kann unter Umständen der Einwand des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB begründet sein. Dies kann dann der Fall sein, wenn Warnungen von dritter Seite oder differenzierende Hinweise des anderen Teils nicht genügend beachtet wurden oder wenn im Hinblick auf die Interessenlage, in der der Anlageinteressent und der Anlagevermittler in vertragliche Beziehungen zueinander treten, besondere Umstände vorliegen. Anhaltspunkt für ein Mitverschulden kann ferner das Versprechen einer auch für Unkundige auffällig hohen Rendite sein (BGH NJW-RR 2000, 998, 1000; BGH NJW-RR 1993, 1114, 1115; OLG Oldenburg, WM 2001, 1685, 1686).

Von derartigen besonderen Umständen ist hier auszugehen. Dem Kläger war bekannt, dass der Beklagte die Anlagevermittlung lediglich im Nebenberuf durchführte. Der Beklagte war als Regierungsamtsrat Kollege des Klägers. Auch die angekündigte Jahresrendite von ca. 19 % war ungewöhnlich hoch. Schließlich findet sich in dem Beteiligungsvertrag auch der Hinweis, dass ein Verlust des eingesetzten Kapitals möglich ist. Die Abwägung im Rahmen von § 254 Abs. 1 BGB führt lediglich zu einer Haftung des Beklagten zu 60 %.

4. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus § 284, § 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen finden ihre Stütze ist § 708 Zifferr 10, § 713, § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück