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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 13.06.2002
Aktenzeichen: 11 U 63/02
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB §§ 84 ff
Zur Wirksamkeit einer Vertragsklausel, die eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede i. S. d. § 90 a Abs. 1 S. 1 HGB darstellt.
11 U 63/02

Verkündet am 13. Juni 2002

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 20. Februar 2002 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Tenors Ziffer 1 a des Beschlusses der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Konstanz vom 20. November 2001 (1 HO 85/01) in der Hauptsache erledigt ist.

Im Übrigen wird der Beschluss des Landgerichts Konstanz aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Verfügungsklägerin 80 %, der Verfügungsbeklagte 20 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Verfügungsklägerin zu 97 %, der Verfügungsbeklagte zu 3 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Verfügungsklägerin hat begehrt, dem Verfügungsbeklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes zu verbieten,

a) bis zur Beendigung seines Mitarbeitervertrages (31. Dezember 2001) konkurrierende Tätigkeit zur Verfügungsklägerin auszuüben, insbesondere für Konkurrenzunternehmen der Verfügungsklägerin tätig zu werden, sich an ihnen direkt oder indirekt, mittelbar und unmittelbar zu beteiligen oder sie sonst in irgendeiner Weise zu unterstützen;

b) Handelsvertreter, die zur Verfügungsklägerin in einem gültigen Vertragsverhältnis stehen, welches u. a. eine Wettbewerbsklausel enthält, für die Dauer von zwei Jahren seit Beendigung seines eigenen Mitarbeitervertrages mit der Verfügungsklägerin abzuwerben und/oder deren Abwerbung vorzubereiten;

hilfsweise Mitarbeiter der Verfügungsklägerin abzuwerben und dabei wörtlich oder sinngemäß Folgendes zu äußern:

Die Rahmenbedingungen des ####### seien schlecht;

die Mitarbeiter der Verfügungsklägerin werden finanziell abhängig gemacht, indem man ihnen Linearisierungen oder Darlehen gewährt;

es würde zwar immer gesagt, das Wichtigste sei die finanzielle Unabhängigkeit, ####### würde aber genau das Gegenteil machen;

####### ist mit den jetzigen Rahmenbedingungen eine tickende Zeitbombe.

Mit Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 20. November 2001 (Az.: 1 HO 85/01) ist dem Antrag Ziffer a sowie dem Hauptantrag Ziffer b stattgegeben worden. Hiergegen hat der Beklagte Widerspruch eingelegt.

Das Landgericht Konstanz hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 27. Dezember 2001 an das Landgericht Hannover verwiesen.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das Urteil des Landgerichts Hannover vom 20. Februar 2002 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung des Landgerichts Konstanz vom 20. November 2002 aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 15. November 2001 zurückgewiesen.

Es hat gemeint, der Verfügungsklägerin fehle schon das Rechtsschutzbedürfnis für die von ihr beantragte gerichtliche Entscheidung. Denn durch die Vereinbarung in den Ziffern 7.2 und 10.6 des Handelsvertretervertrages vom 9./16. August 1999 habe die Verfügungsklägerin kraft Rechtsgeschäfts bereits die Unterlassungsansprüche mit Sanktionsandrohung, die sie mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 15. November 2001 erreichen wolle. Es komme hinzu, dass nach Lage der Dinge es zumindest möglich sei, dass das von der Verfügungsklägerin als Abwerbeversuch des Verfügungsbeklagten gewertete Geschehen am 11. Oktober 2001 als solches nicht angesehen werden könne. Die Korrektur der eidesstattlichen Versicherung von Frau ####### vom 23. Oktober 2001 durch ihre ergänzende Erklärung vom 5. Februar 2002 lasse jedenfalls Zweifel aufkommen. Denkbar sei auch, dass eine der Kündigungserklärungen des Verfügungsbeklagten greifen könnte, nachdem die Verfügungsklägerin am 30. August 2001 nicht nur die Kündigung des Verfügungsbeklagten vom 29. August 2001 zurückgewiesen habe, sondern am 31. August 2001 das dem Verfügungsbeklagten gewährte Darlehen sofort und auf erste Anforderung fällig gestellt habe, obwohl zumindest zweifelhaft sei, ob die Sonderkündigungsregelung für dieses Darlehen, die entsprechend dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Verfügungsbeklagten als unstreitig zu werten sei, eine Fälligstellung schon am 31. August 2001 rechtfertige.

Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Sie trägt vor, die Auffassung des Landgerichts, dass für das Verfügungsbegehren kein Rechtsschutzinteresse bestehe, sei unhaltbar. Auch die Zweifel des Landgerichts, ob sie die Abwerbeversuche des Verfügungsbeklagten hinreichend glaubhaft gemacht habe, seien nicht begründet. Die eidesstattlichen Versicherungen würden nicht durch die spätere eidesstattliche Versicherung der Frau ####### entkräftet. Diese sage nämlich nicht, dass ihre frühere eidesstattliche Versicherung falsch sei. Sie erkläre vielmehr lediglich, dass sie sich an Einzelheiten nicht mehr genau erinnere, wobei die neue eidesstattliche Versicherung deutlich erkennen lasse, dass der Verfügungsbeklagte versucht habe, Frau ####### umzudrehen. Hinzu komme, dass es nach dem Prozessvortrag des Verfügungsbeklagten weiterer Glaubhaftmachung gar nicht bedurft hätte, weil die Abwerbeversuche völlig unstreitig seien. Darüber hinaus habe das Verhalten des Verfügungsbeklagten dazu geführt, dass eine Vielzahl von Kunden ihr Beratungsverhältnis zu ihr gelöst hätten.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des am 20. Februar 2002 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover

1. den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung - und damit die einstweilige Verfügung des Landgerichts Konstanz vom 20. November 2001 1 HO 85/01 - hinsichtlich des Tenors zu a) der genannten einstweiligen Verfügung des Landgerichts Konstanz für erledigt zu erklären;

2. die einstweilige Verfügung des Landgerichts Konstanz vom 20. November 2001 1 HO 25/01 hinsichtlich des Tenors zu b) zu bestätigen und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insoweit stattzugeben.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil. Er meint, jedenfalls in der Gesamtschau würden die von ihm angeführten Kündigungsgründe allemal ausreichen, um eine fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrages zu rechtfertigen. Dass auch die Verfügungsklägerin längst von einer Auflösung des Vertragsverhältnisses ausgegangen sei ergebe sich aus der Verrechnung seiner Provisionsansprüche mit erst bei Vertragsende fälligen Darlehensrückzahlungsansprüchen. Er habe auch keineswegs versucht, Herrn ####### abzuwerben.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Verfügungsklägerin hat teilweise Erfolg.

1. Es war festzustellen, dass der Tenor zu Ziffer 1 a der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Konstanz in der Hauptsache erledigt ist. Denn insoweit war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig und begründet, durch Fristablauf ist ein erledigendes Ereignis eingetreten.

a) Entgegen der Rechtsansicht des Landgerichts bestand ein Rechtsschutzbedürfnis der Verfügungsklägerin für die begehrte einstweilige Verfügung. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht deshalb, weil die Parteien im Handelsvertretervertrag unter Ziffer 7.2 ein Wettbewerbsverbot vereinbart haben, verbunden mit einer bei Zuwiderhandlung vom Handelsvertreter zu zahlenden Vertragsstrafe. Denn sowohl die Zielsetzung als auch die Rechtsfolge der einstweiligen Verfügung sind gänzlich anders als die eines Vertragsstrafeanspruchs.

Das Vertragsstrafeversprechen gibt der Verfügungsklägerin die Möglichkeit, bei Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe geltend zu machen, die der Verfügungsbeklagte bei Zuwiderhandlung an die Verfügungsklägerin zu zahlen hätte. Insoweit hat die Vertragsstrafe reinen Sanktionscharakter. Demgegenüber dient die geltend gemachte einstweilige Verfügung dazu, dem vereinbarten Unterlassungsanspruch weiteren und größeren Nachdruck zu verleihen, wobei im Falle des Verstoßes ein Ordnungsgeld verwirkt wäre, das zugunsten der Staatskasse gegebenenfalls zu höheren Beträgen, als das Vertragsstrafeversprechen sie vorsieht, zu vollstrecken wäre.

Diese Unterschiede lassen es nicht gerechtfertigt erscheinen, der Verfügungsklägerin das Rechtschutzbedürfnis abzusprechen.

b) Zu Recht hat das Landgericht Konstanz dem Verfügungsbeklagten untersagt, bis zur Beendigung seines Mitarbeitervertrages (31. Dezember 2001) konkurrierende Tätigkeit zur Verfügungsklägerin auszuüben. Unbegründet wäre die erlassene einstweilige Verfügung nur dann gewesen, wenn das Handelsvertreterverhältnis zwischen den Parteien durch eine der fristlosen Kündigungen des Verfügungsbeklagten beendet worden wäre. Das ist jedoch bei keiner der erfolgten fristlosen Kündigungen des Verfügungsbeklagten der Fall.

Hinsichtlich der fristlosen Kündigungen des Verfügungsbeklagten vom 29. August 2001 und 17. September 2001 lässt sich durch den Senat nicht feststellen, dass diese fristlosen Kündigungen berechtigt waren, weil bereits jeder konkrete Sachvortrag des Verfügungsbeklagten fehlt, dass und warum ein derartiges Fehlverhalten der Verfügungsklägerin vorgelegen haben soll, das ihn berechtigt haben würde, den Handelsvertretervertrag gemäß § 89 a HGB aus wichtigem Grunde fristlos zu kündigen. Die Kündigung vom 29. August 2001 enthält keine Begründung; nach dem Vortrag des Verfügungsbeklagten im Verfahren mag es Differenzen zwischen dem Verfügungsbeklagten und seinem Vorgesetzten gegeben haben, was konkret wann passiert ist hat der Verfügungsbeklagte allerdings nicht vorgetragen, gleichfalls nicht, worin das Fehlverhalten der Verfügungsklägerin konkret liegen solle. Auch die Kündigung vom 17. September 2001 sowie der darauf bezogene Sachvortrag des Verfügungsbeklagten lässt jede substantiierte Schilderung vermissen, dass und inwieweit ein Fehlverhalten der Verfügungsklägerin vorgelegen hat.

Auch die fristlose Kündigung vom 26. September 2001 hat nicht zu einer sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses geführt. Zwar ist unstreitig, dass die Verfügungsklägerin nicht berechtigt war, das dem Verfügungsbeklagten gewährte Darlehen in Höhe valutierender 72.905,15 DM mit Schreiben vom 31. August 2001 sofort fällig zu stellen; des Weiteren war die Verfügungsklägerin auch nicht berechtigt, das gesamte Guthaben aus der Provisionsabrechnung für August 2001 mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch zu verrechnen. Dieses Fehlverhalten wiegt aber nicht derart schwer, dass es den Verfügungsbeklagten zur fristlosen Kündigung berechtigt haben würde.

Denn Anlass der Auseinandersetzung zwischen den Parteien waren die unberechtigten fristlosen Kündigungen des Verfügungsbeklagten sowie die anschließende Weigerung des Verfügungsbeklagten, der Verfügungsklägerin zu erklären, dass er bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterhin für die Verfügungsklägerin tätig sein wolle. Mit der Fälligstellung des Darlehens hat die Verfügungsklägerin nichts anderes getan, als die Rechtsansicht des Verfügungsbeklagten zum Gegenstand des eigenen Handels zu machen. Dabei musste der Verfügungsbeklagte davon ausgehen, dass wenn seine fristlose Kündigung durchgegriffen hätte, die Verfügungsklägerin sofort das Darlehen fällig stellen würde und er das Darlehen zurückzahlen müsste. Er hätte also Vorsorge treffen müssen, um das Darlehen auch sofort zurückzahlen zu können. Das hat er aber nicht getan, er hat auch keinerlei Anstrengungen zur Rückzahlung unternommen. Das durch etwaige Storno- oder Steuerungsreserven eine Rückführung möglich gewesen wäre, ist nicht im Ansatz ersichtlich. Vor dem Hintergrund, dass der Verfügungsbeklagte eine weitere Tätigkeit für die Verfügungsklägerin abgelehnt hatte, hatte der Einbehalt der Provisionsabrechnung für August 2001 ersichtlich den nachvollziehbaren wirtschaftlichen Hintergrund, dass eine Rückzahlung des Darlehens gewährleistet werden sollte, die ansonsten fraglich erscheinen konnte. Hinzu kommt, dass die Verfügungsklägerin zeitnah nach der Kündigung vom 26. September 2001 mit Schreiben vom 2. Oktober 2001 die Zahlung von 7.500 DM avisiert hat, was dann auch erfolgt ist. Dass der Betrag deutlich zu gering gewesen wäre und er wirtschaftlich auf eine höhere Auszahlung angewiesen gewesen wäre, hat der Verfügungsbeklagte im Einzelnen nicht geltend gemacht.

Nach alledem wiegt das Fehlverhalten der Verfügungsklägerin insbesondere vor dem Hintergrund der unberechtigten fristlosen Kündigungen des Verfügungsbeklagten als Auslöser der Streitigkeit nicht so schwer, dass ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung durch den Verfügungsbeklagten gegeben war.

c) Das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot begegnet rechtlich keinen Bedenken. Der Verfügungsbeklagte hat auch dagegen verstoßen, als er unstreitig am 21. September 2001 einen Lebensversicherungsantrag nicht über die Klägerin vermittelt hat.

d) Es bestand auch ein Verfügungsgrund. Am 29. Oktober 2001 hatte die Verfügungsklägerin unstreitig einen konkreten Hinweis darauf erhalten, dass der Verfügungsbeklagte den Lebensversicherungsvertrag vermittelt hatte. Zeitnah, nämlich mit Schriftsatz vom 15. November 2001, beim Landgericht am 19. November 2001 eingegangen, hat sie den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt.

e) Durch den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Dezember 2001 ist ein erledigendes Ereignis eingetreten, weshalb die Erledigung festzustellen war.

2. Im Ergebnis zu bestätigen war das Urteil des Landgerichts Hannover insoweit, als das Landgericht die einstweilige Verfügung des Landgerichts Konstanz vom 20. November 2002 den Tenor Ziffer 1 b betreffend aufgehoben und den entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hat. Es konnte im Streitfall dahinstehen, ob der Verfügungsbeklagte versucht hatte, Herrn ####### sowie andere Mitarbeiter bei der Verfügungsklägerin abzuwerben. Denn das Abwerbeverbot in Ziffer 10.6 des Handelsvertretervertrages verstößt gegen § 9 Abs. 2 Ziffer 1 AGBG sowie gegen § 138 BGB und ist daher nichtig.

Die Regelung in Ziffer 10.6 des Handelsvertretervertrages stellt eine allgemeine Geschäftsbedingung dar, weil sie von der Verfügungsklägerin als für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung verwendet wird. Gemäß § 9 Abs. 1 AGBG sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, wobei gemäß § 9 Abs. 2 Ziffer 1 AGBG eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Die vertragliche Regelung in Ziffer 10.6 des Handelsvertretervertrages stellt entgegen der Rechtsansicht der Verfügungsklägerin eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede i. S. d. § 90 a Abs. 1 Satz 1 HGB dar. Nach Ziffer 10.6 des Vertrages ist es dem Handelsvertreter während der Dauer und auch nach Beendigung des Vertrages während des längsten rechtlich zulässigen Zeitraums untersagt, andere Handelsvertreter, die noch in einem Vertragsverhältnis zum ####### stehen, abzuwerben und/oder deren Abwerbung vorzubereiten. Nach der Legaldefination in § 90 a Abs. 1 Satz 1 HGB ist eine Wettbewerbsabrede eine Vereinbarung, die den Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt. Ziffer 10.6 des Vertrages beschränkt den Verfügungsbeklagten aber insoweit in seiner nachvertraglichen gewerblichen Tätigkeit, als zu seinen Lasten geregelt ist, dass er seine gewerbliche Tätigkeit jedenfalls nicht mit solchen Mitarbeitern ausführen kann, die er bei der Verfügungsklägerin abwerben könnte. Damit stellt die Vertragsklausel einen Teil einer Wettbewerbsabrede dar.

Stellt die Vertragsklausel mithin eine Wettbewerbsabrede dar, wäre die Verfügungsklägerin nach § 90 a Abs. 1 Satz 3 HGB verpflichtet, dem Verfügungsbeklagten eine angemessene Entschädigung für die Dauer der Wettbewerbsbeschränkung zu zahlen. Eine solche ist aber vertraglich nicht vereinbart, für die Verfügungsklägerin ist im Senatstermin auch ausdrücklich erklärt worden, dass eine Karrenzentschädigung nicht gezahlt worden ist. Mit der Vertragsklausel ist die Verfügungsklägerin von dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abgewichen. Sie hat die gesetzliche Regelung in ihr Gegenteil verkehrt, indem sie nicht nur dem Verfügungsbeklagten keine Karrenzentschädigung zahlen will, auf die er einen Anspruch hatte, sondern dem Verfügungsbeklagten sogar ein Vertragsstrafeversprechen auferlegt hatte, dass sie derzeit vor dem Landgericht Hannover gerichtlich geltend macht. Danach verstößt die Vertragsklausel gegen § 9 Abs. 2 Ziffer 1 AGBG.

Zudem erweist sich nach Vorgesagtem die vertragliche Abrede auch als sittenwidrig gemäß § 138 BGB. Maßgeblich ist hierfür insbesondere, dass die Vertragsklausel vor dem Hintergrund der beherrschenden Stellung der Verfügungsklägerin gegenüber dem Verfügungsbeklagten als ihrem Handelsvertreter zustande gekommen ist und die Wettbewerbsabrede nicht ohne weiteres sofort ersichtlich ist, weshalb die Verfügungsklägerin die Unerfahrenheit des Verfügungsbeklagten ausnutzen wollte und ausgenutzt hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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