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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 17.01.2008
Aktenzeichen: 13 U 56/07
Rechtsgebiete: ZPO, AnfG


Vorschriften:

ZPO § 24
AnfG § 1
AnfG § 3
1. Bei einer auf Duldung der Zwangsvollsteckung gerichteten Klage nach dem AnfG ist der ausschließliche dingliche Gerichtsstand nicht gegeben.

2. Die Übertragung eines belasteten Grundstücks hat bei Anfechtungen nach dem AnfG nur dann eine Gläubigerbenachteiligung zur Folge, wenn der in der Zwangsvollstreckung erzielbare Wert des Grundstücks die vorrangigen Belastungen und die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens übersteigt. Bei der Ermittlung des erzielbaren Werts kommt es darauf an, welchen Erlös der die Zwangsversteigerung betreibende Gläubiger im günstigen, aber realistischen Fall hätte erzielen können. Der ggf. vorzunehmende Abschlag auf den Verkehrswert ist daher regelmäßig nicht entsprechend dem Durchschnittsergebnis der Versteigerungsverfahren vorzunehmen.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

13 U 56/07

Verkündet am 17. Januar 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K. sowie die Richter am Oberlandesgericht B. und W. für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 16. Februar 2007 geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, wegen der vollstreckbaren Forderungen der Klägerin in Höhe von bei Klageeinreichung insgesamt 13.732,15 EUR aus den Urteilen des Landgerichts Stade vom 4. Juli 2006 (Az 3 O 38/06) und vom 5. Oktober 2006 (Az 3 O 98/06), aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stade vom 17. August 2006 (AZ 3 O 38/06) und aus dem Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Zeven vom 25.26. Juli 2006 (Az 3 C 93/06) die Zwangsvollstreckung in die Grundstücke H. Erbbaugrundbuch von G., Blatt #######, Flur #######, Flurstück #######und Erbbaugrundbuch von G., Blatt #######, Flur #######, Flurstück ####### zu dulden.

Die weitergehende Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Goslar vom 20. November 2006 (AZ 28 C 126/06) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21. November 2006 wird aufgehoben, soweit sie die Grundstücke A., Grundbuch von O., Blatt #######, Flur #######, Flurstück ####### und H., Grundbuch von G., Blatt #######, Flur #######, Flurstück ####### betrifft.

Der weitergehende Aufhebungsantrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Aufhebungsverfahrens und - unter Abänderung der Verfügungsentscheidung im Senatsurteil vom 24. Mai 2007 (AZ 13 U 63/07) - des Verfügungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 16.000,00 EUR und für das Aufhebungsverfahren auf bis zu 1.200,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

A)

Die Klägerin erlangte in der Zeit vom 4. Juli bis zum 5. Oktober 2006 mehrere gegen die Ehefrau des Beklagten gerichtete vollstreckbare Schuldtitel. Vollstreckungsversuche hatten keinen Erfolg.

Bereits mit notariellem Kaufvertrag vom 23. Dezember 2005 hatte die Schuldnerin dem Beklagten das Eigentum an einem mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstück sowie Erbbaurechte an drei weiteren Grundstücken (zahntechnisches Labor, Garagen, Weg) zu einem Preis von insgesamt 240.000,00 Euro übertragen. Der Beklagte übernahm in Anrechnung auf den Kaufpreis Darlehensverpflichtungen der Verkäuferin gegenüber der Sparkasse R. B. in Z. in Höhe von insgesamt 240.000,00 EUR. Die Ansprüche der Sparkasse waren durch Grundschulden gesichert, mit denen zwei der Grundstücke belastet waren.

Die Klägerin hat mit der Klage geltend gemacht, die Grundstücksübertragung stelle eine nach § 3 Abs. 1, Abs. 2 AnfG anfechtbare Rechtshandlung dar. Sie hat die Duldung der Zwangsvollstreckung in das mit dem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück beantragt.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat seine örtliche Zuständigkeit mit der Begründung verneint, ausschließlich zuständig sei gemäß § 24 ZPO das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück belegen sei.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Sie hat die Klage im Hinblick auf die drei weiteren übertragenen Grundstücke erweitert. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Außerdem macht er die Aufhebung des gegen ihn im Verfügungsverfahren erlassenen Verbots geltend, über die Grundstücke zu verfügen.

B)

Die Berufung ist teilweise begründet.

Die Klage ist zulässig, insbesondere hat die Klägerin mit dem Landgericht Stade das örtlich zuständige Gericht angerufen. In der Sache hat die Klage nur teilweise Erfolg. Die Klägerin kann gemäß §§ 3 Abs. 2, 11 Abs. 1 AnfG Duldung der Zwangsvollstreckung in das Garagengrundstück und das Wegegrundstück verlangen. Die weitergehende Klage ist unbegründet, weil wegen der wertausschöpfenden Belastung des Mehrfamilienhaus-Grundstücks und des mit einem zahntechnischen Labor bebauten Grundstücks eine objektive Gläubigerbenachteiligung nicht festgestellt werden kann.

I.

Das Landgericht hat seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht verneint.

Es kann offen bleiben, ob der Beklagte bei Erhebung der Klage seinen Wohnsitz noch im Bezirk des Landgerichts Stade hatte, so dass das Landgericht nach §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständig gewesen ist.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Stade ist jedenfalls dadurch begründet worden, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt hat (§ 39 Satz 1 ZPO). Der Beklagte hat nur sachliche Einwendungen gegen den Anspruch erhoben. Er hat sich nicht auf eine etwaige Unzuständigkeit des Landgerichts berufen. Im Verhandlungstermin hat sein Rechtsanwalt nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Klageabweisungsantrag gestellt.

Die Zuständigkeit durch rügeloses Verhandeln wäre allerdings nicht begründet worden, wenn das Landgericht Braunschweig, in dessen Bezirk die streitbefangenen Grundstücke liegen, nach § 24 ZPO ausschließlich zuständig gewesen wäre (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2, Satz 2 ZPO). Das ist jedoch entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung nicht der Fall:

Die Klägerin hat einen anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch, gerichtet auf Duldung der Zwangsvollstreckung, geltend gemacht, und damit weder das Eigentum an dem Grundstück noch eine dingliche Belastung oder die Freiheit von einer solchen. Der Rückgewähranspruch ist ein schuldrechtlicher Anspruch. Die Klägerin hat die Verurteilung des Beklagten erreichen wollen, ihr das an ihn übertragene Grundstückseigentum für die Zwangsvollstreckung zur Verfügung zu stellen, soweit es die Befriedigung der Klägerin erfordert (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG). Bei einer solchen Anfechtungsklage liegen die Voraussetzungen des ausschließlichen dinglichen Gerichtsstands jedenfalls dann nicht vor, wenn der Klageantrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung lautet (BayObLG, Beschl. v. 25. Juli 2003 - 1Z AR 71/03; OLG Celle, Urteil vom 11. Juli 1986 - 8 U 202/85 = MDR 1986, 1031; MünchKomm-InsO-Kirchhof, 2. Aufl., § 146 Rn. 33; Kübler/Prütting/Paulus, § 13 AnfG, Rn. 10; Uhlenbruck/Hirte, § 143 Rn. 75; Stein/Jonas/Roth, § 24 Rn. 14; MünchKomm-ZPO-Patzina § 24 Rn. 8; Zöller/Vollkommer, § 24 Rn. 9; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 24 Rn. 4; Rosenberg/Schwab, § 36 Rn. 37).

Das Landgericht meint in Anlehnung an den in OLG-Report 2002, 262 veröffentlichten Beschluss des OLG Hamm, die insbesondere vom OLG Celle vertretene Auffassung hafte zu sehr am Wortlaut des Gesetzes. Die Gerichtsstände der §§ 20 ff. ZPO seien gerade deshalb eingeführt worden, um Schwierigkeiten auszuräumen, die mit der Klage im allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten verbunden seien. Vor allem im Bereich anfechtbarer Rechtshandlungen lasse sich Vermögensverschiebungen ins Ausland nicht hinreichend wirksam begegnen, wenn man nicht bei hierauf beruhenden Klagen auf Duldung der Zwangsvollstreckung den Gerichtsstand des § 24 ZPO bejahe. Die Klage bei dem Gericht, in dessen Bezirk sich das Grundstück befinde, erleichtere auch die ggf. notwendige Beiziehung der Grundakten und im Fall des Erlasses einer einstweiligen Verfügung die Durchführung eines Eintragungsersuchens nach § 941 ZPO.

Diese Erwägungen teilt der Senat nicht. Bei Schwierigkeiten einer Klageerhebung im allgemeinen Gerichtsstand kann der Kläger den Anfechtungsgegner gegebenenfalls im Gerichtsstand des Aufenthaltsorts (§ 20 ZPO), der Niederlassung (§ 21 ZPO), oder, wenn der Gegner im Inland keinen Wohnsitz hat, im Gerichtsstand des Vermögens oder des Gegenstands (§ 23 ZPO) verklagen. Jedes im allgemeinen oder im besonderen Gerichtsstand zuständige Gericht kann heute so kurzfristig Grundakten beiziehen oder Eintragungen beim zuständigen Grundbuchamt veranlassen, dass sich daraus keine praktischen Hindernisse ergeben.

Soweit das Landgericht sich für seine Auffassung auf Gerhard EWiR 1998, 1016 beruft, wird dort nur ausgeführt, dass für Anfechtungsansprüche, die auf eine Beseitigung vorrangiger Grundpfandrechte zielen, der ausschließlich dingliche Gerichtsstand gegeben sei. Darum geht es hier nicht.

II.

1. Die Klage ist gemäß §§ 3 Abs. 2, 11 Abs. 1 AnfG begründet, soweit die Klägerin Duldung der Zwangsvollstreckung in das Garagengrundstück und das Wegegrundstück geltend macht.

Die Klägerin ist anfechtungsberechtigt (§ 2 AnfG). Sie hat mehrere vollstreckbare Schuldtitel gegen die Ehefrau des Beklagten erlangt. Die Forderungen sind fällig. Zwangsvollstreckungsversuche der Klägerin waren erfolglos. Die Schuldnerin hat ihr Arbeitseinkommen und ihre Ansprüche aus einer Lebensversicherung abgetreten.

Nach § 3 Abs. 2 AnfG ist anfechtbar ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den seine Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Bei dem notariellen Kaufvertrag vom 23. Dezember 2005 handelt es sich um einen entgeltlichen Vertrag. Der Beklagte hat nach dem Vertrag für die Übertragung der Erbbaurechte einen Kaufpreis zu zahlen, der durch Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten der Ehefrau auszugleichen war. Die Gläubiger wurden durch die Übertragungen der Erbbaurechte unmittelbar benachteiligt. Denn die Erbbaurechte schieden aus dem Vermögen der Ehefrau aus, so dass die Zugriffsmasse verkürzt wurde. Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung scheidet nicht etwa deshalb aus, weil die Ehefrau für die Übertragung der Erbbaurechte eine - nach Behauptung des Beklagten - vollwertige Gegenleistung, nämlich einen Kaufpreis von 240.000,00 EUR erhielt. Der Beklagte hatte nach dem Kaufvertrag lediglich einen einzelnen Gläubiger, die Sparkasse R. B. in Z., zu befriedigen, so dass der Kaufpreis für die Zwangsvollstreckung der anderen Gläubiger nicht zur Verfügung stand (zur unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung in einem solchen Fall: Huber, AnfG, 9. Aufl., § 1 Rn. 49). Die Zwangsvollstreckung wäre auch Erfolg versprechend gewesen, weil in den Erbbaurechtsbüchern (Goslar Blatt 11450 und Blatt 11640) keine die Grundstücke belastenden Grundpfandrechte eingetragen waren.

Der Anfechtung steht nicht § 3 Abs. 2 Satz 2 AnfG entgegen. Die Übertragung erfolgte innerhalb von zwei Jahren vor der Anfechtung. Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihm zur Zeit der Übertragung ein Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht bekannt war.

Die Rechtsfolgen der Anfechtung ergeben sich aus 11 Abs. 1 AnfG.

2. Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Duldung der Zwangsvollstreckung in die beiden mit einem Mehrfamilienhaus und einem zahntechnischen Labor bebauten Grundstücke (Grundbuch von O., Blatt #######, Flur #######, Flurstück ####### und Erbbaugrundbuch von G. Blatt #######, Flur #######, Flurstück #######) erreichen will. Diese Übertragungen führten zu keiner objektiven Gläubigerbenachteiligung, weil das Grundstück bzw. das Erbbaurecht im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlungen (Eingang der Eintragungsanträge im Dezember 2005Januar 2006, § 8 Abs. 2 AnfG) wertausschöpfend belastet waren.

Es ist anerkannt, dass die Veräußerung wertausschöpfend belasteter Grundstücke des Schuldners dessen Gläubiger nicht benachteiligt. Die Übertragung eines belasteten Grundstücks kann nur dann eine Benachteiligung des Gläubigers zur Folge haben, wenn der in der Zwangsvollstreckung erzielbare Wert des Grundstücks die vorrangigen Belastungen und die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens übersteigt (BGH, Urteil vom 3. Mai 2007 - IX ZR 16/06). Hinsichtlich der vorrangigen Belastungen ist nicht die Höhe der dinglichen Belastungen des Grundstücks durch Grundpfandrechte maßgebend, sondern die tatsächliche Höhe der Forderungen, die durch die Grundpfandrechte gesichert sind (BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 - IX ZR 2/84).

Das Mehrfamilienhaus-Grundstück war mit einer Grundschuld in Höhe von 100.000,00 EUR nebst 20 % Zinsen jährlich für die Sparkasse belastet. Das mit einem zahntechnischen Labor bebaute Grundstück war mit einer Grundschuld in Höhe von 122.710,05 EUR nebst 15 % Zinsen jährlich für die Sparkasse belastet. Die durch diese Grundschulden insgesamt gesicherten Forderungen betrugen zum 31. Dezember 2005 - einschließlich des Avalkontos - 236.293,18 EUR (Saldenbestätigung der Sparkasse vom 26. Januar 2007). Darin enthalten waren etwaige zukünftige Rückgriffsansprüche der Sparkasse gegen die Schuldnerin nach § 774 Abs. 1 BGB aus der übernommenen Bürgschaft in Höhe von 25.000,00 EUR. Denn die Grundschulden dienten nach den Zweckerklärungen zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Sparkasse. Der Berücksichtigung dieser 25.000,00 EUR steht nicht entgegen, dass die Bürgschaft im maßgeblichen Zeitpunkt - Dezember 2005Januar 2006 - noch nicht in Anspruch genommen worden war, der Rückgriffsanspruch also noch nicht entstanden war. Die Sicherungsgrundschuld ist abstrakt. Sie steht dem Grundschuldgläubiger auch dann in voller Höhe zu, wenn die besicherte Forderung, wie der Rückgriffsanspruch der Bürgin hier - noch nicht entstanden ist (Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 44 Anm. 5.24). Im Zwangsversteigerungsverfahren ist die Sicherungsgrundschuld unabhängig von den schuldrechtlichen Beziehungen in das geringste Gebot aufzunehmen (Stöber a. a. O.. ders., ZVG-Handbuch, 7. Aufl., Rdn. 445 a). Im Streitfall gab es auch keine Rückgewähransprüche der Schuldnerin, die zur Befriedigung der Gläubiger hätten herangezogen werden können. Solange die Grundschuld zur Sicherung des zukünftigen, im Fall der Inanspruchnahme und Auszahlung der Bürgschaft entstehenden Rückgriffsanspruchs diente, war die Sparkasse nicht verpflichtet, die Grundschuld zurück zu gewähren. Die Inanspruchnahme und Auszahlung der Bürgschaft erfolgte dann auch bereits im März 2006.

Es ist davon auszugehen, dass die Summe der gesicherten Forderungen von 236.293,18 EUR im Falle einer Zwangsversteigerung nicht zu erzielen gewesen wäre. Nach dem vom Senat eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. A. betrug im Juni 2007 der Verkehrswert des Mehrfamilienhaus-Grundstücks 140.000,00 EUR und der Verkehrswert des mit einem zahntechnischen Labor bebauten Grundstücks 160.000,00 EUR. Der Senat hat keine Bedenken gegen die Richtigkeit des Gutachtens. Die von der Klägerin gegen das Gutachten vorgetragenen schriftlichen Einwände hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20. Dezember 2007 überzeugend ausgeräumt. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ergeben sich für die Verkehrswerte im Zeitpunkt Ende 2005Anfang 2006 keine wesentlichen Abweichungen, da sich der maßgebliche Grundstücksmarkt im fraglichen Zeitraum nicht veränderte. Bei einer Berechnung nach dem Ertragswertverfahren ergeben sich für den früheren Zeitpunkt um allenfalls 1 % bis 2 % höhere Verkehrswerte, so dass von Verkehrswerten von zusammen 304.500,00 EUR auszugehen ist. Maßgeblich sind allerdings, wie ausgeführt, nicht die Verkehrswerte, sondern die Werte, die bei einer Zwangsversteigerung hätten erzielt werden können. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang die Verkehrswerte und die Zuschlagswerte aus den Zwangsversteigerungen von Mehrfamilienhäusern und von Geschäftshäusern beim Amtsgericht Goslar aufgelistet. Diese Daten zeigen, dass trotz des Verkehrswerts von zusammen 304.500,00 EUR bei einer Zwangsversteigerung kein höherer Erlös als insgesamt 236.293,18 EUR hätte erzielt werden können. Bei dem vorzunehmenden Abschlag vom Verkehrswert kommt es zwar nicht auf den im Sachverständigengutachten errechneten Mittelwert aller Zwangsversteigerungsverfahren der letzten Jahren an (43 % bei Mehrfamilienhäusern bzw. 47 % bei Geschäftshäusern) an. Ein solcher Abschlag wäre zu hoch. Denn eine objektive Gläubigerbenachteiligung ist schon dann zu bejahen, wenn die Gläubiger in der Zwangsversteigerung eine ernsthafte Chance auf Befriedigung gehabt hätten. Entscheidend ist daher, welchen Erlös der die Zwangsversteigerung betreibende Gläubiger im günstigen, aber realistischen Fall hätte erzielen können. Selbst eine ernsthafte Chance auf Befriedigung kann im Streitfall aber nicht festgestellt werden. Die in der Auflistung Seite 47 des Sachverständigengutachtens für Mehrfamilienhäuser und für Geschäftshäuser jeweils an erster Stelle genannten, verhältnismäßig günstigen Zuschlagswerte (29 % über dem Verkehrswert bzw "nur" 20 % unter dem Verkehrswert) sind außer Betracht zu lassen, weil es sich bei diesen Zuschlagswerten um Ausreißer im Verhältnis zu den übrigen Zwangsversteigerungsergebnissen handelt, und weil die betreffenden Versteigerungen bereits zu DM-Zeiten durchgeführt wurden sind. Von den übrigen 24 Mehrfamilienhäusern betreffenden Zwangsversteigerungsverfahren führten 23 Verfahren zu Abschlägen auf den jeweiligen Verkehrswert zwischen 21 % und 83 %. Sämtliche übrigen Geschäftshäuser betreffenden Zwangsversteigerungsverfahren führten zu Abschlägen auf den jeweiligen Verkehrswert zwischen 30 % und 75 %. Selbst wenn man hier den jeweils günstigsten Fall - Abschlag auf den Verkehrswert von 21 % für das Mehrfamilienhaus und Abschlag von 30 % für das zahntechnische Labor - zu Grunde legt, ergibt sich nur ein erzielbarer Erlös von nur 225.939,00 EUR (Mehrfamilienhaus 112.259,00 EUR und zahntechnisches Labor 113.680,00 EUR). Davon sind noch die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens abzuziehen.

C)

Die Zuständigkeit des Senats für die Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der vom Amtsgericht Goslar erlassenen einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände im Sinn von § 927 Abs. 1 ZPO ergibt sich aus § 927 Abs. 2 ZPO. Der Aufhebungsantrag ist ohne weiteres begründet, soweit die Hauptsacheklage durch das vorliegende Urteil - rechtskräftig - abgewiesen worden ist, ist. Demgegenüber liegen keine veränderten Umstände vor, soweit das Hauptsacheverfahren ergeben hat, dass der geltend gemachte Anfechtungsanspruch gerechtfertigt ist.

Die im Verfügungsverfahren ergangene Kostenentscheidung ist gemäß § 92 Abs. 1 ZPO abzuändern, da die Aufhebungsgründe - Fehlen einer objektiven Gläubigerbenachteiligung - rückblickend von Anfang an vorgelegen haben (Baumbach Lauterbach/Albers/Hartmann, 64. Aufl., § 927 Rn. 10 m. Nachw.).

Für den Streitwert im Aufhebungsverfahren war nur ein geringer Betrag festzusetzen, weil ein wirklicher Streit der Parteien nur über den Ausgang des Hauptsacheverfahrens, nicht aber darüber bestand, dass die einstweilige Verfügung aufzuheben ist, soweit die Hauptsacheklage rechtskräftig abgewiesen wird (vgl. Schneider, Streitwertkommentar, Rn. 1607).

D)

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Dabei wurde davon ausgegangen, dass das Interesse der Klägerin auf die Vollstreckung ihrer Forderungen von schätzungsweise 16.000,00 EUR gerichtet ist, und dass die Klägerin nach dem Gutachten mit einem Zwangsversteigerungserlös von knapp 12.000,00 EUR abzüglich der Verfahrenskosten rechnen kann. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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