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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 14.02.2002
Aktenzeichen: 14 U 117/01
Rechtsgebiete: StVG, StVO


Vorschriften:

StVG § 7
StVG § 17
StVO § 3 Abs. 3 Buchst. c
StVO § 5 Abs. 4 S. 4
Unfall von 2 auf der Bundesstraße mit mind. 142 bzw. 147 km/h fahrenden Kraftfahrzeugen
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 117/01

Verkündet am 14. Februar 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ####### und der Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen der Parteien gegen das am 15. März 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 1/3 und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 2/3 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer beträgt

für den Kläger 12.707,14 € (= 24.853 DM) und

für die Beklagten 25.414,27 € (= 49.706 DM).

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht mit der Klage gegenüber den Beklagten materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 10. Juni 1998 gegen 21:00 Uhr ereignete.

An diesem Tag befuhr der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw Audi 80 aus ####### kommend die ####### in Fahrtrichtung #######. Hinter ihm befand sich der Kläger in seinem Pkw Opel Omega, der schon mehrfach versucht hatte, das Fahrzeug des Beklagten zu 1 zu überholen. Nach der Abzweigung nach ####### vollzieht die ####### eine leichte Rechtskurve und verläuft dann in gerader Richtung nach #######. Nach dem Durchfahren dieser Kurve setzte der Kläger erneut zum Überholen des Fahrzeugs des Beklagten zu 1 an. Er scherte dazu auf die Gegenfahrbahn aus und beschleunigte seinen Pkw. Als der Kläger sein Fahrzeug wieder zurück auf die rechte Fahrbahnseite lenkte, befand sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1 noch neben seinem Pkw. Es kam daraufhin zu einer Kollision der beiden Fahrzeuge mit der Folge, dass beide Pkw außer Kontrolle gerieten.

Nach den Feststellungen des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. #######, das dieser im Rahmen des gegen den Kläger gerichteten Ermittlungsverfahrens erstattete, betrug die Geschwindigkeit des Opel Omega des Klägers zum Zeitpunkt der Kollision 147 bis 157 km/h und diejenige des Audi 80 des Beklagten zu 1 142 bis 152 km/h.

Sowohl der Beklagte zu 1 als auch der Kläger wurden bei dem Unfall schwer verletzt. Der Kläger erlitt u. a. ein Schädel-Hirn-Trauma 2. Grades und befand sich bis zum 3. September 1998 in stationärer Behandlung. Zum 31. Dezember 1999 wurde er als Rangierarbeiter bei der ####### wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

Der Kläger hat vorgetragen, dass er sich unfallbedingt an den Hergang der Kollision nicht erinnern könne, und unter Berufung auf die Feststellungen in dem Gutachten des Sachverständigen ####### behauptet, dass der Beklagte zu 1 sein Fahrzeug beschleunigt habe, als er - der Kläger - ihn überholt habe. Infolgedessen sei es bei seinem - des Klägers - Wiedereinscheren zu dem Zusammenstoß gekommen.

Unter Berücksichtigung einer ihn treffenden 50 %igen Mithaftung hat der Kläger seinen materiellen Schaden mit 4.559,01 DM berechnet und ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 DM für angemessen erachtet. Außerdem hat er die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten zu 50 % für sämtliche Zukunftsschäden begehrt.

Die Beklagten haben bestritten, dass der Beklagte zu 1 sein Fahrzeug beschleunigt habe, nachdem erkennbar gewesen sei, dass der Kläger ihn habe überholen wollen. Aus dem Gutachten des Sachverständigen ####### lasse sich dies nicht herleiten. Allein das schuldhafte Verhalten des Klägers habe zu dem Verkehrsunfall geführt, während er für den Beklagten zu 1 unabwendbar gewesen sei.

Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sowohl den Kläger als auch den Beklagten zu 1 ein Verschulden an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls vom 10. Juni 1998 trifft, und hat eine Haftungsverteilung von 2/3 : 1/3 zu Lasten des Klägers angenommen. Es hat den materiellen Schadensersatzanspruch deshalb dem Grunde nach zu 1/3 und den Schmerzensgeldanspruch unter Berücksichtigung einer Mitverantwortlichkeit des Klägers von 2/3 ebenfalls dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Außerdem hat es die Einstandspflicht der Beklagten zu 1/3 für alle Zukunftsschäden des Klägers festgestellt und die weiter gehende Feststellungsklage abgewiesen.

Auf dieses Grund- und Teilurteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen. Der Kläger wiederholt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und vertritt weiterhin die Auffassung, dass den Beklagten zu 1 jedenfalls ein hälftiges Verschulden an dem Zustandekommen des Unfalls treffe.

Der Kläger beantragt,

1. den den materiellen Schadensersatzanspruch betreffenden Zahlungsantrag dem Grunde nach zu 50 % für gerechtfertigt zu erklären,

2. den auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gerichteten Klageantrag dem Grunde nach in Höhe des bei einer eigenen Mitverantwortung von 50 % angemessenen Betrages für gerechtfertigt zu erklären und

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm 50 % des aus dem Unfall vom 10. Juni 1998 künftig noch entstehenden Schadens zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil, soweit es zu ihrem Vorteil ergangen ist, und wiederholen und vertiefen im Übrigen ebenfalls im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie bestreiten weiterhin, dass der Beklagte zu 1 während des Überholvorgangs noch beschleunigt habe, und behaupten, dass die von diesem beibehaltene überhöhte Geschwindigkeit nicht unfallursächlich geworden sei. Die Kollision mit dem Fahrzeug des Klägers sei für den Beklagten zu 1 vielmehr unabwendbar gewesen.

Die Beklagten beantragen daher ihrerseits,

die Klage unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils vollständig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist ebenso unbegründet wie diejenige der Beklagten.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass beide Fahrzeugführer ein Verschulden an dem Zustandekommen des Unfalls vom 10. Juni 1998 trifft und dass bei einer Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge eine Haftungsverteilung von 2/3 : 1/3 zu Lasten des Klägers angemessen erscheint.

Der Beklagte zu 1 hat hier gegen § 3 Abs. 3 Buchst. c) StVO dadurch verstoßen, dass er die außerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h deutlich überschritten hat. Nach den Feststellungen des im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. ####### betrug die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs zum Kollisionszeitpunkt nämlich mindestens 142 km/h. Diese erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung ist für den Unfall auch (mit-)ursächlich geworden. Insoweit ist auf das verkehrswidrige Verhalten des Beklagten zu 1 in dem Moment abzustellen, in dem er gewahr wurde, dass der Kläger zum Überholen angesetzt hatte. Hätte er zu diesem Zeitpunkt (und von da an) die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten, so hätte der Kläger ihn mit der von ihm - dem Kläger - gefahrenen Geschwindigkeit von mindestens 147 km/h ohne weiteres passieren und gefahrlos vor seinem - des Beklagten zu 1 - Pkw wieder einscheren können. An der Unfallursächlichkeit der deutlichen Geschwindigkeitsüberschreitung, die dem Beklagten zu 1 vorzuwerfen ist, bestehen daher keine Zweifel.

Im Übrigen hätte für den Beklagten zu 1 aus § 1 Abs. 2 StVO die Verpflichtung bestanden, sein Fahrzeug zu verlangsamen, als er die Absicht des Klägers bemerkte, ihn zu überholen. Zwar kann ein derartiges Verhalten von dem Fahrer eines eingeholten Fahrzeugs nur bei Vorliegen besonderer Umstände gefordert werden (BGH VersR 1960, 925 m. w. N.). Einen derartigen besonderen Umstand stellte hier aber die vom Beklagten zu 1 gefahrene ganz erheblich überhöhte Geschwindigkeit dar, die - wie der Unfall gezeigt hat - ein gefahrloses Wiedereinfädeln des Fahrzeugs des Klägers verhindert hat.

Schließlich will der Senat nicht verhehlen, dass es unter den hier gegebenen Umständen geradezu auf der Hand liegt, dass sich der Kläger und der Beklagte zu 1 ein privates Autorennen geliefert haben. Dafür sprechen nicht nur die von beiden Fahrzeugen gefahrenen hohen Geschwindigkeiten von fast 150 km/h, sondern auch die Tatsache, dass der Kläger - wie der Beklagte zu 1 selbst eingeräumt hat - vor dem Unfall bereits mehrere vergebliche Überholversuche unternommen hatte. Bei der persönlichen Anhörung des Beklagten durch den Senat hat dieser außerdem angegeben, dass der Kläger zeitweise so dicht hinter ihm gewesen sei, dass er - der Beklagte zu 1 - im Rückspiegel nicht einmal mehr die Scheinwerfer von dessen Fahrzeug habe sehen können. Angesichts dessen muss sich der Beklagte zu 1 die Frage stellen lassen, weshalb er den Kläger nach dem Durchfahren der leichten Rechtskurve nach der Abzweigung nach ####### nicht endlich hat überholen lassen, sondern seinerseits die nach eigenem Bekunden in der Kurve eingehaltene Geschwindigkeit von 110 bis 120 km/h auf mindestens 142 km/h erhöht hat.

Den Kläger trifft allerdings ein erhebliches mitwirkendes Verschulden an dem Verkehrsunfall und dessen Folgen, das er sich gemäß § 9 StVG i. V. m. § 254 BGB entgegenhalten lassen muss. Auch er hat die nach § 3 Abs. 3 Buchst. c) StVO zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h deutlich überschritten. Wie der Sachverständige ####### in seinem Gutachten festgestellt hat, betrug die Geschwindigkeit des Opel Omega des Klägers zum Zeitpunkt der Kollision mindestens 147 km/h. Darüber hinaus hat der Kläger gegen § 5 Abs. 4 Satz 4 StVO dadurch verstoßen, dass er sein Fahrzeug bereits auf die rechte Fahrbahnseite zurückzulenken versucht hat, als der Pkw des Beklagten zu 1 sich noch neben ihm befand. Wegen der näheren Begründung und Bewertung dieser Pflichtwidrigkeit, die die Kollision letztlich bewirkt hat, wird auf die zutreffenden Ausführungen auf den Seiten 7 und 8 der Leseabschrift des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO a. F.).

Da das unfallursächliche Fehlverhalten des Klägers insgesamt deutlich schwerer wiegt als dasjenige des Beklagten zu 1, ist der Senat - wie eingangs bereits dargelegt - der Auffassung, dass die vom Landgericht nach § 17 Abs. 1 StVG vorgenommene Haftungsverteilung von 2/3 : 1/3 zu Lasten des Klägers nicht zu beanstanden ist. Die auf dieser Grundlage in dem angefochtenen Grund- und Teilurteil vorgenommenen Aussprüche begegnen daher keinen Bedenken. Dies hat zur Folge, dass sich die Berufungen beider Parteien als unbegründet erweisen und deshalb zurückzuweisen waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Den Wert der Beschwer hat der Senat im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EGZPO festgesetzt. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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