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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 23.12.2004
Aktenzeichen: 14 U 138/04
Rechtsgebiete: StVO


Vorschriften:

StVO § 38
Fährt ein Wegerechtsfahrzeug mit blauem Blinklicht und Martinshorn trotz roten Ampellichtsignals in eine Kreuzung ein, so darf dessen Fahrer dann nicht berechtigterweise annehmen, dass alle Verkehrsteilnehmer seine Zeichen wahrgenommen haben, wenn er den Verkehr auf den querenden und wegen des Lichtsignals der Ampelanlage grundsätzlich bevorrechtigten Spuren nicht einsehen kann. Im Fall einer Kollision trifft ihn dann ein Mitverschulden.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 138/04

Verkündet am 23. Dezember 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 9. Juni 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 6.954,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Juli 2002 zu zahlen.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540, 313 a Abs. 1 ZPO)

Die Berufung des Klägers erweist sich als begründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichtes haftet das beklagte Land dem Kläger sowohl aus dem Gesichtspunkt der (vom Landgericht nicht erörterten) Gefährdungshaftung des § 7 Abs. 1 StVO, als auch unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung, hier in Form einer Amtspflichtverletzung.

Der Senat vermag die Auffassung des Landgerichtes, den Fahrer des unfallbeteiligten Einsatzfahrzeuges treffe hinsichtlich des Zustandekommens der Kollision kein Verschulden, nicht zu teilen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf den Inhalt des Beschlusses vom 8. Juli 2004 (Bl. 144 f. d. A.) und des Beschlusses im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren vom 13. März 2003 (Bl. 78 ff. d. A.) verwiesen.

Der Fahrer des Einsatzfahrzeuges des beklagten Landes hat ersichtlich den Kläger, der mit seinem Fahrzeug eine ampelgesicherte Kreuzung bei grünem Lichtsignal überqueren wollte, übersehen bzw. zu spät wahrgenommen. Grundsätzlich hatte der Kläger, was auch das Landgericht nicht verkannt hat, nach wie vor Vorfahrt. Zwar war er verpflichtet, die wahrnehmbaren Licht und Schallsignale des Einsatzfahrzeuges zu beachten und von seinem Vorfahrtsrecht keinen Gebrauch zu machen (dies begründet ja auch den Vorwurf eines mit 2/3 erheblich überwiegenden Mitverschuldens). Gleichwohl hätte aber der Fahrer des Einsatzfahrzeuges die Kreuzung trotz Rotlichtes nur dann befahren dürfen, wenn er positiv hätte feststellen können, dass die anderen Verkehrsteilnehmer ihm Vorrang einräumen. Auf die Ausführungen und weiteren Nachweise in dem Beschluss des Senats vom 13. März 2003 (Bl. 80 d. A.) sei noch einmal hingewiesen. Aus dem vom Landgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen M., dessen Tatsachenfeststellungen auch das beklagte Land nicht in Abrede nimmt, ergibt sich nicht, dass der Fahrer des Einsatzfahrzeuges berechtigten Anlass gehabt haben könnte, darauf zu vertrauen, seine Wegerechtsfahrt werde allseits beachtet. Vielmehr ist der Sachverständige davon ausgegangen, das Fahrzeug des Klägers sei für den Einsatzwagenfahrer erst kurze Zeit vor der Kollision, etwa 1 bis 1,5 Sekunden, überhaupt sichtbar gewesen, offensichtlich weil der Blick auf die vom Kläger befahrene linke der beiden Geradeausspuren der C. Straße durch auf der dazwischen liegenden Linksabbiegerspur stehende Fahrzeuge eingeschränkt gewesen ist. Diese eingeschränkten Sichtverhältnisse, die für beide Unfallbeteiligte zu einer späten unmittelbaren Erkennbarkeit des jeweils anderen unfallbeteiligten Fahrzeuges geführt haben, hätten dem Fahrer des Einsatzfahrzeuges Veranlassung geben müssen, sich vorsichtiger in den Kreuzungsbereich hineinzutasten, gerade weil etwaiger von rechts bei grünem Lichtsignal herannahender Geradeausverkehr wegen der verdeckten Sicht nicht frühzeitig erkennbar gewesen ist. Es muss eben nicht, wie das Landgericht schon bei Abfassung des Beweisbeschlusses, aber auch des angefochtenen Urteils missverständlich formuliert hat, der Kläger beweisen, dass für den Einsatzfahrzeugfahrer erkennbar gewesen sei, sein Sonderrecht werde nicht beachtet, sondern umgekehrt darf sich das Wegerechtsfahrzeug nur dann über fremden Vorrang hinwegsetzen, wenn für dessen Fahrer selbst positiv erkennbar ist, dass der Verkehr ihm Vorrang einräumen werde. Das aber kann dann, wenn der eigentlich bevorrechtigte Verkehr wegen einer Sichtüberdeckung gar nicht erkennbar ist, nicht angenommen werden.

Mit anderen Worten: Entweder konnte der Fahrer des Einsatzfahrzeuges die Geradeausfahrspuren der C. Straße nach rechts nicht einsehen und den Kläger deswegen nicht sehen, dann aber durfte er nicht darauf vertrauen, jeglicher bevorrechtigte Querverkehr werde seine Einsatzfahrt beachten. Oder aber der Kläger wäre für den Fahrer des Einsatzfahrzeuges sichtbar gewesen, dann jedoch durfte Letztgenannter schon deswegen nicht darauf vertrauen, der Kläger werde anhalten, weil dieser ja mit unverminderter Geschwindigkeit (Kollisionsgeschwindigkeit laut Gutachten ca. 45 km/h) in die Kreuzung einfuhr.

Nur am Rande sei noch darauf hingewiesen, dass der Fahrer des Einsatzfahrzeuges wegen der von rechts kommenden, haltenden Linksabbieger auf der C. Straße nicht etwa Rückschlüsse darauf ziehen durfte, auch etwaiger, durch diese Linksabbieger verdeckter Geradeausverkehr werde anhalten. Die Linksabbieger hatten schließlich ein eigenes, nur für sie geschaltetes Lichtsignal zu beachten.

Bei dieser Sachlage trifft auch den Fahrer des Einsatzfahrzeuges ein gewisses Mitverschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalles, welches der Senat aus den mitgeteilten Erwägungen nach wie vor mit 1/3 bewertet. Demzufolge steht dem Kläger der auf Grundlage seiner nicht zu beanstandenden Schadensberechnung ermittelte Betrag nebst entsprechenden Verzugszinsen zu.

Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.

Ende der Entscheidung

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