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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 27.11.2003
Aktenzeichen: 14 U 44/03
Rechtsgebiete: BGB, HOAI


Vorschriften:

BGB § 181
BGB § 138 Abs. 1
HOAI § 4 Abs. 2
1. § 181 BGB findet auf einen Abtretungsvertrag zwischen den Gesamthändern einer GbR und einem Gesellschafter keine Anwendung.

2. Rechtsgeschäfte eines Gesamthänders aus der Zeit vor Gründung einer GbR binden diese nicht bereits durch den bloßen Zusammenschluss zu der Gesellschaft.

3. Ein Rechtsgeschäft, durch das ein Gesamthänder und ein Dritter wissentlich zum Nachteil der Gesellschaft zusammenwirken, ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.

4. Zur Frage, ob sich die Wirksamkeit eines Teilverzichts auf Architektenhonorar nach § 4 Abs. 2 HOAI richtet.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 44/03

Verkündet am 27. November 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht #######, des Richters am Oberlandesgericht ####### und der Richterin am Landgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten zu 1 gegen das am 13. Februar 2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 1 und 2 die Gerichtskosten und die aussergerichtlichen Kosten des Klägers zu 34 % als Gesamtschuldner und der Beklagte zu 1 weitere 66 % allein. Im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu 1 kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für den Beklagten zu 1: 30.041,78 EUR.

Gründe:

I.

Zum Sachverhalt wird auf das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 13. Februar 2003 (Bl. 119 ff. d. A.) verwiesen.

Die Beklagte zu 2 hat ihre Berufung im Verhandlungstermin am 4. November 2003 zurückgenommen. Der Beklagte zu 1 wendet sich gegen seine Verurteilung mit der Begründung, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert und könne von ihm zudem aufgrund der Freistellungsvereinbarung vom 18./23. Februar 1998 kein Architektenhonorar verlangen.

Der Beklagte zu 1 beantragt,

das am 13. Februar 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Verden (Az.: 4 O 313/02) teilweise abzuändern und die Klage gegen den Beklagten zu 1 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Der Senat nimmt vorab auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug. Im Hinblick auf das Vorbringen der Parteien in der Berufungsinstanz ist Folgendes hinzuzufügen:

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1 handelt es sich bei dem Abtretungsvertrag nicht um ein unzulässiges Insichgeschäft. Vielmehr können die Gesamthänder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts wirksam Gegenstände des Gesellschaftsvermögens auf einzelne Gesellschafter übertragen (Münchener Kommentar/Ulmer, 3. Aufl., § 719, Rn. 7).

Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass bereits kein Vertretergeschäft im Sinne von § 181 BGB vorliegt. Weder Herr ####### und der Kläger als Gesellschafter der ####### und #######GbR und Zedenten, noch der Kläger als Zessionar, sind in Vertretung für eine dritte Person aufgetreten. Die Tatsache, dass der Kläger als Gesamthänder auf der einen und als Einzelperson auf der anderen Seite des Rechtsgeschäfts gestanden hat, macht es nicht zu einem unzulässigen Insichgeschäft. Die von dem Beklagten zu 1 erwähnte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Selbstkontrahierungsverbot im Rahmen organschaftlicher Gesamtvertretung bei einer GmbH (NJW 1992, 618 f.) ist nicht übertragbar. § 181 BGB ist auf andere Interessenkonflikte als Doppelvertretungen nicht entsprechend anzuwenden (BGHZ 91, 334 [337]). Dies belegt ein Umkehrschluss aus § 35 Abs. 4 GmbHG, wo der Gesetzgeber die Anwendbarkeit von § 181 BGB auf Verträge zwischen einem Alleingesellschafter und der Gesellschaft gesondert vorgesehen hat. Es besteht im übrigen auch kein Bedürfnis für ein Kontrahierungsverbot zwischen den Gesamthändern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und einem einzelnen Gesellschafter. Da jeder Gesamthänder für Verbindlichkeiten der Gesellschaft - anders als bei einer GmbH - persönlich und nicht nur mit dem Gesellschaftsvermögen haftet, müssen deren Gläubiger nicht vor einer Minderung des Gesellschaftsvermögens geschützt werden.

2. Der Beklagte zu 1 kann sich gegenüber dem Kläger nicht auf die Vereinbarung vom 18./23. Februar 1998 berufen. Die Auffassung des Landgerichts, dass diese nur Herrn ####### persönlich, nicht aber die ####### und #######GbR verpflichtet, ist richtig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob zum damaligen Zeitpunkt die ####### und #######GbR bereits bestanden hat, was der Beklagte zu 1 im Schriftsatz vom 7. November 2003 wohl behaupten will - im Gegensatz zur Berufungsbegründung, in der er noch argumentiert, Herr ####### habe sich nur deshalb allein verpflichtet, weil es die GbR zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gegeben habe (Bl. 3 f., Bl. 163 f. d.A.). Entscheidend ist, dass es sich nach dem unmissverständlichen Wortlaut um eine persönliche Absprache zwischen Herrn ####### und dem Beklagten zu 1 gehandelt hat. Deshalb scheidet auch eine Bindung der ####### und #######GbR durch ein Vertretergeschäft von Herrn ####### in Verbindung mit den Grundsätzen über unternehmensbezogene Geschäfte aus.

Die Ansicht der Berufung, allein durch den Zusammenschluss von Herrn ####### mit dem Kläger zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts wirke die Vereinbarung auch gegen diese, trifft nicht zu. Eine BGB-Gesellschaft ist zwar keine eigenständige Rechtsperson; aus den Vorschriften der §§ 714 und 718 BGB, wonach die Gesellschaft durch die Geschäftsführung Rechte und Pflichten erwirbt, ergibt sich jedoch, dass sie faktisch wie ein selbständiger Rechtsträger zu behandeln ist (Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. I, 1995, § 9 Rn. 53).

Danach könnte die ####### und #######GbR nur durch einen Schuldbeitritt oder eine Schuldübernahme aus der Vereinbarung vom 18./23. Februar 1998 verpflichtet worden sein. Anhaltspunkte dafür sind allerdings weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Vielmehr enthält der schriftliche Architektenvertrag vom 26. Juni/20. Juli 1998 zwischen der ####### und #######GbR und den Beklagten keinerlei Hinweis auf die Vereinbarung. Da es die Vertragsparteien ohne weiteres in der Hand gehabt hätten, die Freistellungsvereinbarung zum Gegenstand des Vertrages zu machen, kann das Unterlassen nicht anders verstanden werden, als dass es bei der ausschließlichen Verpflichtung von Herrn ####### bleiben sollte.

3. Der Beklagte zu 1 kann aus der Vereinbarung vom 18./23. Februar 1998 aber auch deshalb keine Rechte herleiten, weil sie sittenwidrig und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Ein Vertrag, durch welchen die Vertragsparteien einen Dritten durch bewusstes Zusammenwirken schädigen, verstößt gegen § 138 Abs. 1 BGB (BGH NJWRR 1996, S. 869). Mit der Vereinbarung haben Herr ####### und der Beklagte zu 1 wissentlich zum Nachteil der Beklagten zu 2 in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der ####### GbR zusammengewirkt:

Für den Fall eines Scheiterns des Bauvorhabens Kontorhaus ####### verpflichtete sich Herr ####### darin gegenüber dem Beklagten zu 1, im Außenverhältnis mit der ####### GbR wie üblich abzurechnen, ihn jedoch im Innenverhältnis zu 50 % freizustellen. Im Ergebnis sollte danach die Gesellschaft auch bei Scheitern des Projekts das vollständige Architektenhonorar zahlen, der Beklagte zu 1 jedoch nichts. Diesen Inhalt der Vereinbarung hat der Beklagte zu 1 im Verhandlungstermin am 4. November 2003 vor dem Senat bestätigt. Er hat dadurch das Realisierungsrisiko zu Gunsten seiner Person auf die Gesellschaft abgewälzt. Darin liegt ein gravierender Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, wonach ein Gesellschafter in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, deren Wohl im Auge haben muss und deshalb Erwerbschancen nicht ausschließlich für sich, sondern nur für die Gesellschaft ausnutzen darf (BGH NJW 1986, S. 584 f.; Münchener Kommentar/Ulmer, 3. Aufl., § 705 Rn. 186).

Der Beklagte zu 1 und Herr ####### haben auch bewusst zu Lasten der Beklagten zu 2 als weiterer Gesellschafterin der ####### GbR gehandelt. Für den Beklagten zu 1 ergibt sich der Vorsatz aus der objektiven Handlungsweise; auch Herrn ####### kann die treuwidrige Benachteiligung der Beklagten zu 2 in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Vereinbarung nicht verborgen geblieben sein.

4. Schließlich dürfte die Vereinbarung wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 HOAI unwirksam sein, wobei diese Frage allerdings im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen keiner endgültigen Entscheidung bedarf. Wie erörtert, lief die Vereinbarung darauf hinaus, dass Herr ####### im Fall des Scheiterns des Bauvorhabens ####### auf 50 % seines Architektenhonorars verzichten sollte (siehe unter Ziffer 3). Gemäß § 4 Abs. 2 HOAI dürfen die in dieser Verordnung festgesetzten Mindestsätze jedoch nur in Ausnahmefällen bei Auftragserteilung durch schriftliche Vereinbarung unterschritten werden.

Anders als die Berufung meint, dürfte sich die Wirksamkeit der Vereinbarung nach § 4 HOAI richten. Zutreffend weist sie zwar darauf hin, dass die Voraussetzungen eines Verzichts, mit dem die Vertragsparteien ein vertraglich vereinbartes Architektenhonorar aufheben wollen, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausschließlich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen sind. Da ein Verzicht als actus contrarius der vertraglichen Anspruchsbegründung unmittelbar nur den Anspruchsgrund betrifft, greifen die Vorschriften der HOAI als öffentlichrechtliches Preisrecht nicht ein (BGH BauR 1997, S. 154 ff.; BauR 1996, S. 414 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Der Berufung dürfte aber nicht darin zu folgen sein, dass dies im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auch für den hier vorliegenden Teilverzicht gelten müsse. Denn in diesem Fall geht es gerade nicht lediglich um den Anspruchsgrund, also die Frage, ob überhaupt ein Honoraranspruch besteht, sondern - eben weil nur auf einen Teil des Anspruchs verzichtet wird - auch um dessen Höhe. Wenn aber eine Vereinbarung Einfluss auf die Berechnung der Höhe des Honorars hat, so muss sie sich auch an den Preisvorschriften der HOAI messen lassen.

Die Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Unterschreitung der Mindestsätze gemäß § 4 Abs. 2 HOAI sind nicht erfüllt. Es fehlt bereits an einem Ausnahmefall im Sinne dieser Bestimmung. Ein Ausnahmefall ist gegeben, wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Zwecks der Mindestsatzregelung ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar angemessen ist. Dabei kann es sich um enge Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer oder persönlicher Art handeln oder einen außergewöhnlich geringen Aufwand (Locher/Koebl/Frik, Kommentar zur HOAI, 8. Aufl., § 4 Rn. 37). Für all dies ist nichts ersichtlich.

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO (Kosten) und 708 Ziffer 10, 711 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.

Ende der Entscheidung

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