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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 19.12.2007
Aktenzeichen: 14 U 97/07
Rechtsgebiete: StVO, ZPO


Vorschriften:

StVO § 9 Abs. 1 Satz 4
StVO § 4 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 286 Abs. 1 Satz 1
Bei einer Kollision eines nachfolgenden überholenden Fahrzeuges mit einem in gleicher Richtung vorausfahrenden, aber bereits in Schrägstellung befindlichen Linksabbieger spricht weder ein Anscheinsbeweis eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 StVO gegen den Fahrer des nachfolgenden Fahrzeuges noch ein Anscheinsbeweis eines Verstoßes gegen die Pflicht zur zweiten Rückschau aus § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO gegen den Linksabbieger.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 97/07

Verkündet am 19. Dezember 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2007 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 13. April 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 19.390,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 6.500 EUR seit 14. Mai 2005, auf 230,68 EUR seit 14. Mai 2005 und auf 12.659,40 EUR seit 17. Mai 2006 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger auch seinen zukünftigen immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall am 26. Juli 2004 auf der Kreisstraße 61 zwischen den Ortschaften L. und B. unter Berücksichtigung eines eigenen Mitverschuldens des Klägers von 50 % zu ersetzen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 15 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 85 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Ersatz seiner bei einem Verkehrsunfall am 26. Juli 2004 erlittenen materiellen und immateriellen Schäden unter Berücksichtigung einer eigenen Mithaftung von 50 % geltend.

Am Unfalltag befuhr der Kläger gegen 20:50 Uhr mit seinem Motorrad die Kreisstraße 61 zwischen den Ortschaften L. und B. Vor ihm fuhr mit relativ niedriger Geschwindigkeit der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Geländewagen Mitsubishi. Beide Fahrzeuge kollidierten, nachdem der Kläger zum Überholen des Geländewagens angesetzt hatte und dieser seinerseits in einen links belegenen landwirtschaftlichen Weg einbiegen wollte. Der Kläger hat vorgetragen, er sei bei Einleitung des Überholvorgangs auf die Gegenfahrbahn gewechselt. Die Beklagten haben ausdrücklich eingeräumt, dass sich der Unfall "größtenteils" auf der Gegenfahrbahn ereignet habe. Bei dem Anstoß wurde der Geländewagen des Beklagten zu 1 im Schwerpunkt an der linken hinteren Fahrzeugseite beschädigt. Durch den Aufprall seines Motorrades auf den Geländewagen wurde der Kläger von dem Krad geschleudert und erlitt erhebliche Verletzungen. Insbesondere zog er sich eine Zerreißung des vorderen und hinteren Kreuzbandes sowie einen Riss des Innenbandes und des hinteren Schrägbandes des linken Knies zu, die mehrfach operativ behandelt werden mussten. Ferner erlitt er zahlreiche Prellungen, Rippenserienfrakturen beidseits sowie rechts zusätzlich eine Einblutung in den Lungenfellraum, weshalb der Kläger nach seiner stationären Aufnahme intubiert und beatmet werden musste und an beiden Seiten Thoraxdrainagen eingelegt wurden. Die bei dem Aufprall zerrissene rechte Niere musste operativ entfernt werden. Der Kläger hat behauptet, er habe des Weiteren auch am rechten Knie Verletzungen erlitten, nämlich einen Innenmeniskusriss und eine Innenbandruptur. Das Vorliegen dieser Verletzungen haben die Beklagten bestritten. Ferner ist zwischen den Parteien umstritten gewesen, ob und inwieweit die Knieverletzungen zu einer Dauerschädigung geführt haben und ob der Kläger seinen bisherigen Beruf als Hafenfacharbeiter nicht mehr ausüben kann.

Der Kläger hat zum Unfallhergang behauptet, er habe sich zum Überholen entschlossen, weil der Beklagte zu 1 unvermindert langsam gefahren sei und keinen Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt habe. Der links abzweigende landwirtschaftliche Weg sei für ihn wegen fehlender Beschilderung und dichter seitlicher Bepflanzung entlang der Kreisstraße zuvor nicht erkennbar gewesen. Als er - auf der Gegenfahrbahn - schon unmittelbar hinter dem Geländewagen des Beklagten zu 1 angelangt gewesen sei, habe dieser plötzlich nach links gezogen, sodass es für ihn - den Kläger - keine Ausweichmöglichkeit mehr gegeben habe.

Anlässlich eines Besuches im Krankenhaus - wo er allein drei Wochen auf der Intensivstation gelegen habe - habe der Beklagte zu 1 ihm - dem Kläger - gegenüber erklärt, er habe am Unfalltag infolge Unachtsamkeit das herannahende Motorrad übersehen.

Der Kläger hat behauptet, sein linkes Knie sei weiterhin nicht belastbar und schmerze. Er werde dort eine Dauerschädigung von 30 % zurückbehalten und könne infolgedessen seinen Beruf als Hafenfacharbeiter nicht mehr ausüben. Er hat deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 EUR für angemessen erachtet. Darüber hinaus hat er Sachschäden im Zusammenhang mit der Beschädigung seines Motorrades sowie Zuzahlungskosten für ärztliche Behandlungen und Hilfsmittel, Fahrtkosten zu ärztlichen Behandlungen, Verdienstausfall und Aufwand wegen eines stornierten Urlaubsfluges in Höhe von insgesamt 16.485,25 EUR geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf S. 5 der Klagschrift sowie die Schriftsätze vom 9. Mai und 9. Oktober 2006 (Bl. 115 ff. und 206 f. d. A.) verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 16.485,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 300,68 EUR seit 26. Oktober 2004 und aus 16.184,57 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm auch seinen zukünftigen immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, der Beklagte zu 1 habe - bevor er in die links deutlich sichtbare Landwirtschaftsstraße abgebogen sei - zunächst nach hinten geschaut, rechtzeitig sein linkes Blinklicht gesetzt, langsam sein Tempo weiter verringert und sich auch deutlich links eingeordnet. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Kläger in einiger Entfernung von hinten genähert. Direkt vor dem Abbiegen habe der Beklagte zu 1 nochmals in den Rück und die Außenspiegel geschaut. Jetzt sei der Kläger weit rechts auf seiner Fahrspur gefahren. Deshalb habe der Beklagte zu 1 das Abbiegemanöver eingeleitet. Währenddessen habe er nochmals nach links auf die Straße geschaut, wo er aber kein Fahrzeug links neben sich wahrgenommen habe. Es sei deshalb nach Ansicht der Beklagten davon auszugehen, dass der Kläger wohl aus Anlass einer - unstreitig - in ca. 80 bis 100 m vor der Abzweigung vorhandenen Bodenwelle wegen einer von ihm gefahrenen überhöhten Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Motorrad verloren habe, sodass er anschließend direkt in das Heck des Geländewagens gefahren sei. Obwohl sich der Unfall größtenteils auf der Gegenfahrbahn ereignet habe, handele es sich deshalb der Sache nach um einen eindeutigen Auffahrunfall.

Hinsichtlich der unfallbedingten Verletzungen des Klägers haben die Beklagten die Dauer des Krankenhausaufenthaltes mit Nichtwissen sowie die Verletzung des rechten Knies und eine darauf beruhende Dauerschädigung sowie eine Berufsunfähigkeit als Hafenfacharbeiter bestritten. Ferner haben sie die geltend gemachten materiellen Schäden umfänglich bestritten.

Das ursprünglich (vor einer späteren Klagerweiterung) mit dem Rechtsstreit befasste Amtsgericht Langen hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu dem Umfang und den Auswirkungen der Verletzungen des Klägers. Das Landgericht, an das der Rechtsstreit nach der Klagerweiterung verwiesen worden ist, hat sodann den Zeugen S. (Beifahrer des Beklagten zu 1) zum Unfallhergang sowie die Zeugin K1 zum behaupteten mündlichen Schuldanerkenntnis des Beklagten zu 1 und den Zeugen K2 zu einer materiellen Schadensposition vernommen. Ferner hat es eine schriftliche Aussage des Zeugen K3 zum behaupteten Schuldanerkenntnis des Beklagten zu 1 eingeholt. Wegen des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. R. vom 19. Januar 2006 (Aktenhülle Bl. 99 d. A.), das Sitzungsprotokoll vom 19. März 2007 (Bl. 244 d. A.) sowie die schriftlichen Aussagen des Zeugen K3 vom 22. und 26. März 2007 (Bl. 260 und 271 d. A.) verwiesen.

Mit am 13. April 2004 verkündeten Urteil, auf das der Senat zur weiteren Sachdarstellung verweist, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass der streitgegenständliche Verkehrsunfall durch den Kläger allein verursacht worden sei. Gegen ihn spreche wegen des unstreitigen Aufpralls auf die linke Heckseite des Geländewagens des Beklagten zu 1 der Anscheinsbeweis eines schuldhaften Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO. Der für die Annahme des Anscheinsbeweises gegen den Auffahrenden erforderliche typische Geschehensablauf werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich die Kollision im Rahmen eines Abbiegevorgangs des Beklagten zu 1 als Vorausfahrenden ereignet habe. Dem Kläger sei es auch nicht gelungen, den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis zu entkräften. Vielmehr sei die klägerische Behauptung, der Beklagte zu 1 habe den linken Blinker nicht gesetzt und sei unmittelbar vor dem bereits überholenden Motorrad plötzlich nach links gezogen, durch die Aussage des Zeugen S. sogar widerlegt. Denn dieser habe bestätigt, dass der Beklagte zu 1 den Geländewagen vor dem Abbiegen verlangsamt, den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt und sich nach links zum Mittelstreifen hin eingeordnet habe. Der Zeuge habe auf das Gericht einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Dass der Beklagte zu 1 - wie vom Kläger behauptet - nach dem Unfall erklärt habe, er habe den Kläger infolge von Unachtsamkeit übersehen, sei dagegen durch die Zeugen K1 und K3 nicht bestätigt worden. Neben seinem schuldhaften Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO sei zudem zu Lasten des Klägers eine erhöhte Betriebsgefahr des von ihm gefahrenen Motorrades zu berücksichtigen. Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Pkw des Beklagten zu 1 falle demgegenüber nicht ins Gewicht, sodass der Kläger die Folgen des Verkehrsunfalles alleine tragen müsse.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Ansprüche weiterverfolgt. Er rügt:

Das Landgericht habe zum einen über seinen Feststellungsantrag nicht entschieden, weil dieser im Tatbestand nicht wiedergegeben worden sei und auch in den Urteilsgründen nicht erwähnt werde. Ferner sei die Annahme des Landgerichts rechtsfehlerhaft, gegen ihn - den Kläger - streite hier wegen eines Auffahrunfalls ein Anscheinsbeweis eines schuldhaften Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 StVO. Da sich der Unfall unstreitig während eines Abbiegevorgangs des Beklagten zu 1 ereignet habe, spreche stattdessen ein Anscheinsbeweis eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 StVO gegen den Beklagten. Auch die Würdigung der Aussage des Zeugen S. stütze die getroffene Entscheidung nicht. Denn der Zeuge habe keinerlei Angaben dazu machen können, wann - d. h. in welcher Entfernung zum Abbiegeort - der Blinker gesetzt worden sei. Der Zeuge habe auch nichts dazu sagen können, ob der Beklagte zu 1 seiner doppelten Rückschaupflicht nachgekommen sei. Das von dem Zeugen - lediglich - bekundete Setzen eines Blinkers bedeute entgegen der Auffassung des Landgerichts jedoch nicht, dass den abbiegenden Fahrzeugführer keinerlei Mitverschulden treffe und auch eine Mithaftung aus der Betriebsgefahr nicht gegeben sei. Das Landgericht habe übersehen, dass die Darlegungs- und Beweislast für einen fehlenden Verstoß gegen § 9 StVO hier bei den Beklagten liege.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 16.485,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm auch seinen zukünftigen immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers von 50 % zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragten,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und verweisen darauf, dass schon der am Beklagtenfahrzeug vorhandene Heckschaden für sich genommen ein untrügliches Zeichen für ein typisches Auffahrgeschehen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Ermittlungsakte 2550 Js 22091/04 - Staatsanwaltschaft Stade - lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

B.

I.

Die Berufung des Klägers hat teilweise in dem aus dem Tenor des Senatsurteils ersichtlichen Umfang Erfolg. im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Haftungsgrund:

Das Schadensersatzbegehren des Klägers ist entgegen der Auffassung des Landgerichts dem Grunde nach in dem von ihm geltend gemachten Umfang (d. h. unter Mitberücksichtigung eines eigenen Mitverschuldens von 50 %) gerechtfertigt.

Der Anspruch folgt aus §§ 7, 17 StVG i. V. m. § 3 PflVersG. Da sich der streitgegenständliche Unfall beim Betrieb beider unfallbeteiligten Fahrzeuge ereignete und keiner Partei der Beweis der Unabwendbarkeit gelungen ist, hängt die Verpflichtung zum Ersatz gemäß § 17 Abs. 1 StVG im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Dabei ist jede Partei für ein unfallursächliches Verschulden der Gegenseite beweispflichtig, wobei grundsätzlich auch die Grundsätze des Anscheinsbeweises zur Anwendung kommen. Unter Berücksichtigung dessen gilt hier Folgendes:

a) Verschulden des Klägers:

aa) Der Kläger wendet mit seiner Berufung zu Recht ein, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem gegen den Kläger sprechenden Anscheinsbeweis eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 StVO ausgegangen ist. Zwar ist unstreitig, dass sich der Kläger und der Beklagte zu 1 zunächst in gleicher Fahrtrichtung hintereinander auf derselben Fahrspur bewegt haben und der Kläger alsdann mit seinem Motorrad gegen die linke hintere Heckseite des Geländewagens des Beklagten gefahren ist. Gleichwohl kann nicht bereits im Wege des Anscheinsbeweises als festgestellt angesehen werden, dass dieser Auffahrunfall darauf beruht, dass der Kläger unaufmerksam war oder zu dicht hinter dem Geländewagen des Beklagten zu 1 fuhr. Denn der Anscheinsbeweis greift nur ein, wenn ein typischer Geschehensablauf vorliegt. Er ist dagegen nicht anwendbar, wenn das Schadensgeschehen Umstände aufweist, die es ernsthaft als möglich erscheinen lassen, dass der Unfall anders abgelaufen ist als nach dem "Muster" der der Anscheinsregel zugrundeliegenden Erfahrungstypik (vgl. dazu allgemein OLG Frankfurt, OLGR 2002, 51 - jurisRdnr. 1 - m. w. N.).

So liegt es jedoch hier. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Kollision zumindest "größtenteils" (so das Vorbringen der Beklagten) auf der Gegenspur während eines Abbiegevorgangs des Beklagten zu 1 erfolgte. Auch die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten haben in ihrem Verkehrsunfallbericht vom 17. August 2004 festgehalten, dass der Zusammenstoß auf der Gegenfahrbahn erfolgte (vgl. Bl. 2 der Ermittlungsakte 2550 Js 22091/04 - Staatsanwaltschaft Stade ). Nach der Aussage des Zeugen S. in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 19. März 2007 (Bl. 244245 d. A.) befand sich zum Kollisionszeitpunkt der Geländewagen bereits "ungefähr auf halber Strecke im Abbiegen" und stand schon schräg. Wenn sich dasjenige Fahrzeug, auf das aufgefahren wird, jedoch schon in Schrägstellung befand, kommt ohne weiteres in Betracht, dass dessen Fahrer beim Abbiegen nicht genügend auf das nachfolgende Fahrzeug geachtet hat und in dessen Fahrbahn gefahren ist. Geht man von dieser - ernsthaften, nicht nur fernliegenden - Möglichkeit aus, dann kann es sein, dass der Nachfolgende nicht in der Lage war, auf eine solche Fahrweise des voranfahrenden Linksabbiegers rechtzeitig zu reagieren. Bei dieser Sachlage können deshalb nach zutreffender Auffassung die Regeln über den Anscheinsbeweis nicht zu Lasten des Auffahrenden angewandt werden (vgl. dazu OLG Celle - 5. Zivilsenat , VersR 1978, 964 - jurisRdnr. 19 . ebenso OLG Oldenburg, VersR 1992, 842. ähnlich auch KG, MDR 2001, 808 - jurisRdnr. 17, wonach ein Schrägaufprall als atypisches Schadensbild die Anwendung des Anscheinsbeweises ausschließen kann). Zwar befinden sich hier die Schäden an dem Geländewagen des Beklagten zu 1 an dessen Heck. Dies allein begründet aber wegen der unstreitigen Schrägstellung des Wagens zum Zeitpunkt des Aufpralles keinen Anscheinsbeweis.

bb) Demnach hätte den Beklagten der Vollbeweis eines unfallursächlichen Verschuldens des Klägers oblegen. Diesen Beweis haben sie indessen nicht geführt.

(1) Ein Überholen in unklarer Verkehrslage (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO) ist dem Kläger nicht nachzuweisen.

Dass im Überholbereich links eine untergeordnete Straße abzweigte, bewirkte keine unklare Verkehrslage, ebenso wenig das unstreitige Langsamfahren des Beklagten zu 1 in diesem Bereich (vgl. OLG Nürnberg, NZV 2003, 89 - jurisRdnr. 13 m. w. N.. KG, NZV 2006, 309 - jurisRdnr. 8 und VRS 103, 403 - jurisRdnr. 14. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 5 StVO Rdnr. 35 m. w. N.). Ob dies auch noch gälte, wenn der Beklagte bereits vor dem Ausscheren des Klägers den linken Blinker gesetzt hätte, braucht nicht entschieden zu werden, denn dieser Umstand ist nicht erwiesen. Insbesondere lässt sich der Aussage des Zeugen S. nicht entnehmen, wann der Beklagte zu 1 den Blinker gesetzt und sich zur Mittellinie eingeordnet hatte und dass dies rechtzeitig erfolgt ist, bevor der Kläger seinerseits einen Überholvorgang eingeleitet hatte.

(2) Eine überhöhte Geschwindigkeit des Klägers lässt sich ebenfalls nicht feststellen, weil dafür hinreichende objektive Anknüpfungspunkte fehlen. Schon der Vortrag der Beklagten dazu ist ohne Substanz, denn sie stellen lediglich allgemein die Mutmaßung auf, der Kläger könne "wegen hoher Geschwindigkeit" die Kontrolle über sein Motorrad in einer Bodenwelle verloren haben.

(3) Mangels Nachweises eines rechtzeitigen Blinkens und Einordnens des Beklagten zu 1 an die Mittellinie ist schließlich auch ein Verstoß des Klägers gegen § 5 Abs. 7 Satz 2 StVO (Pflicht nachfolgender Fahrzeuge zum Rechtsüberholen) nicht feststellbar.

(4) Auch den Beweis eines zu geringen Abstandes des Motorrades von dem Geländewagen haben die Beklagten mit der Aussage des Zeugen S. nicht zu führen vermocht. Denn der Zeuge hat nicht mitgeteilt, ob er den Motorradfahrer vor dem Unfall überhaupt bemerkt hatte.

cc) Demnach hat das Landgericht in seine Haftungsabwägung rechtsfehlerhaft zu Lasten des Klägers ein unfallursächliches Verschulden eingestellt. Zu seinen Lasten kann vielmehr lediglich die Betriebsgefahr seines Motorrades berücksichtigt werden.

b) Verschulden des Beklagten zu 1:

aa) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht festgestellt, dass der Kläger nicht bewiesen hat, der Beklagte zu 1 habe ihm gegenüber nach dem Unfall bei einem Besuch am Krankenbett erklärt, er habe den Kläger infolge von Unachtsamkeit übersehen. Deshalb hat der Kläger ein unfallursächliches Verschulden des Beklagten zu 1 zu beweisen.

bb) Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO wegen unterbliebenen Blinkens lässt sich wegen der gegenteiligen Aussage des Zeugen S. nicht feststellen. Ebenso wenig ist bewiesen, dass der Beklagte zu 1 das linke Fahrtrichtungsanzeichen zu spät gesetzt oder sich nicht rechtzeitig zur Mittellinie hin eingeordnet hat. Zwar hat der Zeuge S. dazu nichts Näheres sagen können. Mangels weiterer Unfallzeugen kann der Kläger jedoch das dahingehende Vorbringen des Beklagten zu 1 nicht widerlegen.

Das gilt auch für die Einhaltung der Verpflichtung zur zweiten Rückschau. Denn der Kläger hat nicht vorgetragen, wie weit er sich bei Einleitung seines Überholvorgangs noch von dem Geländewagen entfernt befand und mit welcher Geschwindigkeit er und der Geländewagen zu diesem Zeitpunkt fuhren. Nachdem außerdem die Polizei keine Unfallspuren gesichert hat und selbst die konkrete Endstellung der Fahrzeuge nicht bekannt ist, fehlen auch jegliche Anknüpfungspunkte für eine etwaige weitere Sachverhaltsaufklärung durch ein Sachverständigengutachten (welches im Übrigen vom Kläger ohnehin nicht angeboten worden ist).

cc) Der Kläger kann sich auch nicht auf einen gegen den Beklagten zu 1 sprechenden Anschein eines Verstoßes gegen dessen Pflicht zur zweiten Rückschau berufen. Zwar soll nach teilweise vertretener Auffassung bei einem Zusammenstoß zwischen Linksabbieger und Überholer ein Anscheinsbeweis dafür sprechen, dass der Linksabbieger seiner Pflicht zur zweiten Rückschau nicht nachgekommen ist (vgl. OLG Celle - 5. Zivilsenat , SP 1993, 3. KG in ständiger Rechtsprechung, z. B. NZV 2005, 413. Hentschel, a. a. O., § 9 StVO Rdnr. 55). Nach Ansicht des Senates kann dieser Auffassung in ihrer Allgemeinheit aber so nicht gefolgt werden. Denn wenn - wie hier - weder die konkret gefahrenen Geschwindigkeiten noch die Abstände der Fahrzeuge und die Zeitpunkte des jeweiligen Beginns des Überhol bzw. Abbiegevorganges bekannt sind, besteht aus den bereits oben im Hinblick auf die Person des Klägers angeführten Gründen in gleicher Weise die ernsthafte Möglichkeit, dass der vorausfahrende Abbiegende trotz ordnungsgemäßer zweiter Rückschau den beginnenden Überholvorgang des hinter ihm fahrenden Fahrzeuges nicht bemerken konnte. Es fehlt deshalb an der für das Eingreifen eines Anscheinsbeweises erforderlichen Typizität des Geschehensablaufs.

Daher kann in die Haftungsabwägung zu Lasten des Beklagten zu 1 ebenfalls nur die Betriebsgefahr von dessen Geländewagen eingestellt werden.

c) Die Abwägung der beiderseitigen Betriebsgefahren führt hier zu einer Haftungsquote von 50 : 50. Zwar trifft die Auffassung des Landgerichts, die Betriebsgefahr eines Motorrades sei gegenüber derjenigen eines Personenkraftwagens im Normalfall erhöht, nach jedenfalls teilweise in der Rechtsprechung vertretener Auffassung zu (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, DAR 2005, 217 - jurisRdnr. 22). Fraglich ist aber schon, ob sich die besondere Betriebsgefahr des Motorrades, die in der Instabilität des Fahrzeuges begründet ist (vgl. KG, NZV 2002, 34 - jurisRdnr. 25), im vorliegenden Fall überhaupt unfallursächlich ausgewirkt hat. Dafür fehlen jegliche konkreten Anhaltspunkte. Im Übrigen ist hier auch entgegen der Auffassung des Landgerichts die Betriebsgefahr des Geländewagens erhöht, weil dieser im Abbiegen begriffen war, also ein grundsätzlich gefährliches Fahrmanöver durchführte, und dabei die Gegenfahrspur in Anspruch nahm.

2. Anspruchshöhe:

a) Materielle Schäden:

Hinsichtlich der geltend gemachten materiellen Schäden stehen dem Kläger unter Berücksichtigung seines hälftigen Mitverschuldens insgesamt Ansprüche in Höhe von 12.890,08 EUR zu, wie sich im Einzelnen aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.

aa) Ansprüche aus der Klageschrift (Bl. 5 d. A.):

Das pauschale Bestreiten der dort geltend gemachten materiellen Schadensersatzpositionen durch die Beklagten in der Klagerwiderung ist unerheblich, da der Kläger für sämtliche Schadenspositionen entsprechende Belege vorgelegt hat, die sein Vorbringen inhaltlich bestätigen. Berechtigt ist lediglich der Einwand der Beklagten, dass sich der Kläger gegenüber den Kosten für die Zuzahlung im Krankenhaus von 280 EUR (28 Tage x 10 EUR, vgl. Bl. 69 d. A.) ersparte häusliche Aufwendungen entgegenhalten lassen muss (vgl. dazu Palandt, BGB, 62. Aufl., § 249 Rdnr. 8 und vor § 249 Rdnr. 141 m. w. N.). Die ersparten häuslichen Aufwendungen betreffen in erster Linie Verpflegungskosten und werden vom Senat auf 5 EUR pro Tag geschätzt (§ 287 ZPO). Demnach kann der Kläger Erstattung folgender Schäden verlangen:

 Abmeldekosten für sein Motorrad: 5,60 EUR
Zuzahlung zur Krankengymnastik und Lymphdrainage: 17,56 EUR
 17,38 EUR
Zuzahlung in der Reha-Behandlung: 5,00 EUR
Zuzahlung beim Sanitätshaus K. für orthopädische Hilfsmittel: 15,00 EUR
 10,00 EUR
Zuzahlung an die AOK: 19,40 EUR
Zuzahlung für die stationäre Behandlung im Krankenhaus: 280,00 EUR
Abschleppkosten für das Motorrad: 231,42 EUR
 601,36 EUR
abzüglich ersparter häuslicher Aufwendungen: 140,00 EUR
 461,36 EUR
x 50 % = 230,68 EUR.

b) Schadenspositionen aus der Klagerweiterung (Bl. 115 ff. d. A.):

(1) Weitere Zuzahlungen zu ärztlichen Behandlungen:

(a) Zentralkrankenhaus R. (54,30 EUR):

Diese Schadensposition ist vom Kläger nicht schlüssig dargelegt. Denn es fehlt jeder Vortrag dazu, wofür die angegebenen Zahlungen erfolgt sind. Aus dem vorgelegten Beleg (Bl. 152 d. A.) ist dies ebenfalls nicht erkennbar.

(b) Sanitätshaus K. (10,00 EUR + 15,00 EUR) sowie AOK (19,40 EUR):

Diese Zuzahlungen sind bereits in der Klagschrift geltend gemacht worden (vgl. Belege Bl. 66 bis 68 d. A.) und können daher nicht ein zweites Mal ersetzt werden.

(c) Zuzahlung Akupunkturmassage R. (360 EUR):

Dieser Betrag ist erstattungsfähig, da er vom Kläger belegt (Bl. 154 f. d. A.) und von den Beklagten nicht bestritten worden ist.

(d) Eigenanteile Krankengymnastik S. C. (99,90 EUR):

Auch dieser Betrag ist erstattungsfähig, da er vom Kläger belegt (Bl. 156 f. d. A.) und von den Beklagten nicht bestritten worden ist.

(e) Rechnung Sanitätshaus K. (8,90 EUR):

Dieser Betrag ist ebenfalls erstattungsfähig, da auch er vom Kläger belegt (Bl. 158 d. A.) und von den Beklagten nicht bestritten worden ist.

(f) Mithin kann der Kläger Erstattung weiterer Zuzahlungen zu Behandlungskosten in Höhe von 50 % x 468,80 EUR = 234,40 EUR verlangen.

(2) Flugkosten:

Ferner hat der Kläger Anspruch auf Erstattung der Kosten für den unfallbedingt nicht ausgeführten Urlaubsflug in Höhe von 50 % x 238 EUR = 119,00 EUR.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist bei Reisekosten von lediglich knapp 240 EUR der unterlassene Abschluss einer Reisekostenrücktrittsversicherung kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht. Ferner war es der Ehefrau des Klägers und seinem Kind nicht zuzumuten, bei einem geplanten gemeinsamen Familienurlaub den Urlaub ohne den unfallbedingt verletzten Kläger anzutreten.

Schließlich ist auch der Einwand der Beklagten unzutreffend, dass eine rechtzeitige Gesamtstornierung des Fluges hätte veranlasst werden müssen. Denn ausweislich der aus der Buchungsbestätigung (Bl. 160 d. A.) ersichtlichen Stornierungsbedingungen wäre dies teurer gewesen, da danach an Stornierungskosten 50 EUR pro Person und Flugstrecke, also 3 x 50 EUR x 2 (Hinflugstrecke und Rückflugstrecke) = 300 EUR an Stornierungskosten angefallen wären.

(3) Verdienstausfall:

Dem Kläger steht ein Verdienstausfallanspruch in Höhe von 8.436,28 EUR zu.

(a) Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Gehaltsabrechnungen für die Monate Januar bis einschließlich Juni 2004 (Bl. 196 ff. d. A.), die für die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO (gerade noch) ausreichen, betrug der durchschnittliche Nettoverdienst des Klägers vor dem Unfallereignis rd. 2.598 EUR netto. Hiervon ist das nach der Bescheinigung der AOK (Bl. 151 d. A.) bezogene Krankengeld von monatlich netto 1.617,30 EUR abzusetzen, sodass der entgangene Verdienst sich auf monatlich 980,70 EUR beläuft.

(b) Allerdings hat der Kläger Krankengeld erst ab 6. September 2004 bezogen, wie sich aus der AOK-Bescheinigung ergibt und von den Beklagten zu Recht gerügt worden ist. Der Kläger hat hiergegen nichts eingewandt. Im Übrigen entspricht der Termin des 6. September 2004 dem Zeitablauf von sechs Wochen nach dem Unfall, bis zu dem es üblicherweise eine volle Lohnfortzahlung des Arbeitgebers gibt.

Daraus folgt, dass dem Kläger für den Monat September lediglich Verdienstausfall für 25 von 30 Tagen, also 817,25 EUR zusteht.

Hinzu kommt der vom Kläger geltend gemachte und von den Beklagten insoweit dem Zeitablauf nach nicht bestrittene weitere Verdienstausfall für den Zeitraum Oktober 2004 bis einschließlich April 2006, also 19 Monate x 980,70 EUR = 18.633,30 EUR.

Als im Grundsatz erstattungsfähiger Verdienstausfall ermittelt sich demnach zunächst ein Betrag von 19.450,55 EUR.

(c) Die Beklagten haben jedoch des Weiteren mit Recht eingewendet, dass der Kläger sich ersparte berufliche Aufwendungen anrechnen lassen muss. Da der Kläger nach eigenen Angaben bis zum Unfall als Hafenarbeiter tätig war, fielen jedenfalls Fahrtkosten vom Wohnort zum Hafen an. Nachdem der Kläger auf den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten nichts erwidert hat, hat der Senat die Höhe der ersparten Fahrtkosten gemäß § 287 ZPO auf 5 % des monatlichen Nettoverdienstes (2.598 EUR) geschätzt. Damit ergibt sich ein ersparter Betrag von rd. 130 EUR pro Monat. Für den Verdienstausfallzeitraum von 19 Monaten und 25 Tagen errechnet sich daraus eine Gesamtersparnis von rd. 2.578 EUR.

Damit verbleibt ein ersatzfähiger restlicher Verdienstausfall von 16.872,55 EUR, von dem der Kläger entsprechend seiner Mithaftungsquote 50 %, also 8.436,28 EUR verlangen kann.

(4) Fahrzeugschaden:

(a) Sachverständigenkosten:

Insoweit kann der Kläger hälftigen Ersatz der unstreitig entstandenen Sachverständigenkosten für das Vorgutachten in Höhe von (50 % x 58 EUR =) 29 EUR sowie für das Hauptgutachten in Höhe von (50 % x 571,42 EUR =) 285,71 EUR verlangen, insgesamt also Zahlung eines Betrages von 314,71 EUR.

(b) Wiederbeschaffungsaufwand für das Motorrad:

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Motorrad des Klägers anlässlich des streitgegenständlichen Unfalls einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hat und sich der Wiederbeschaffungswert entsprechend der Schätzung des Privatgutachters Dipl.-Ing. M. vom 13. April 2006 auf 6.300 EUR brutto (inkl. 2 % Mehrwertsteuer) beläuft.

Da die Beklagte mit Recht einwendet, dass der Kläger wegen fehlenden Nachweises einer Ersatzbeschaffung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB nur den Nettobetrag erstattet verlangen kann, reduziert sich der in die Schadensberechnung einzustellende Wiederbeschaffungswert auf 6.176 EUR.

Hiervon ist der vom Privatgutachter M. geschätzte Restwert von 1.600 EUR abzusetzen, weil der Kläger trotz Bestreitens der Beklagten nicht dargelegt hat, dass ihm eine Veräußerung des beschädigten Motorrades zu diesem Preis nicht möglich war. Insbesondere fehlt jeder Vortrag des Klägers dazu, dass er überhaupt mit anderen Interessenten als dem Käufer F. Kontakt aufgenommen hatte. dass dieser nicht mehr als 650 EUR zahlen wollte (wie der Kläger behauptet hat), entlastet den Kläger alleine nicht. Angriffe gegen die Wertschätzung seines Privatgutachters (1.600 EUR) trägt der Kläger ebenfalls nicht vor.

Der ersatzfähige Fahrzeugschaden beläuft sich demnach auf 4.576 EUR, wovon dem Kläger 50 %, also 2.288 EUR zustehen.

(5) Bekleidungsschaden:

(a) Helm und Motorradjacke:

Im Hinblick auf den unstreitig bei dem Unfall beschädigten Motorradhelm und die ebenfalls unstreitig beschädigte Motorradjacke hat der Kläger zum Beweis der von ihm in Ansatz gebrachten Erwerbs und Zeitwerte die Vorlage von Helm und Jacke sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten. Die vom Landgericht veranlassten Begutachtungsversuche sind indessen gescheitert. Daher hat der Senat auf der Basis der im Rahmen der Begutachtungsversuche gewonnenen Erkenntnisse gemäß § 287 ZPO den Schaden geschätzt. Die von den Beklagten recherchierten Preise des Internetanbieters eBay hat der Senat in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt. Denn sie können dem Kläger nicht entgegengehalten werden, da normale Ladenpreise erfahrungsgemäß höher sind. Vielmehr hat der Senat - unter Berücksichtigung gewisser Abschläge wegen der Schätzungsunsicherheiten - zunächst als Ausgangspunkt die vom Kläger jeweils konkret genannten und von den Beklagten nicht mit ausreichend Substanz bestrittenen Einkaufspreise zugrunde gelegt. Hiervon waren sodann die vom Kläger selbst abgezogenen Beträge wegen der seit dem jeweiligen Erwerb erfolgten zwischenzeitlichen Nutzung abzuziehen. Auch insoweit hat sich der Senat an dem Zahlenwerk des Klägers orientiert, denn dieses entspricht ausweislich der vom Landgericht eingeholten Stellungnahme des Sachverständigen O. (Bl. 222 d. A.) den üblicherweise anzusetzenden Wertverlusten. Der Senat teilt schließlich auch die Einschätzung des Sachverständigen O., dass beschädigte Sicherheitsbekleidung für Motorräder erneuert werden muss. Auf dieser Basis erscheint deshalb ein Schadensersatz für den Helm und die Motorradjacke in Höhe von 50 % x 500 EUR = 250 EUR gerechtfertigt.

(b) Motorradlederhose und Motorradschuhe:

Beide Bekleidungsgegenstände sind inzwischen nicht mehr vorhanden. Jedenfalls hinsichtlich der Hose liegt indessen nach dem Unfallhergang und dem Schadensbild am Motorrad eine Beschädigung nahe. Da es sich bei einer Motorradlederhose ebenfalls um Sicherheitsbekleidung handelt, ist aus den vorgenannten Gründen für die Schadensberechnung der Neupreis abzüglich eines Wertverlustes zugrunde zu legen. Unter Berücksichtigung der Beweisnot des Klägers erschien es dem Senat angemessen, den Schaden gemäß § 287 ZPO insoweit auf 50 % x 100 EUR = 50 EUR zu schätzen.

Dass auch die nach der Behauptung des Klägers bei dem Unfall ebenfalls beschädigten Schuhe spezielle Sicherheitsschuhe waren, hat der Kläger demgegenüber nicht näher dargetan. Da auch ein sonstiger Beweisantritt für die Beschädigung der vom Kläger getragenen Schuhe fehlt, weil der Kläger trotz des Bestreitens der Beklagten sein Angebot des Zeugnisses "N. N." nicht konkretisiert hat, kann ihm für die Schuhe kein Schadensersatz zugesprochen werden.

(6) Fahrtkosten:

Ansprüche auf Ersatz entstandener Fahrtkosten stehen dem Kläger im Umfang von 967,01 EUR zu.

(a) Grundsätzlich sind nach der Rechtsprechung des Senates in Anlehnung an § 5 Abs. 2 JVEG für notwendige unfallbedingte Fahrten nur Kosten in Höhe von 0,25 EUR pro Kilometer erstattungsfähig. Dass der Kläger Fahrten zu Ärzten und krankengymnastischen Behandlungen mit einem Pkw durchgeführt hat, hat die Ehefrau des Klägers als Zeugin vor dem Landgericht im Grundsatz bestätigt (vgl. Bl. 248 d. A.). Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe öffentliche Verkehrsmittel benutzen müssen, ist ohne Substanz, da nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich ist, dass dies billiger gewesen wäre.

Für die einzelnen vom Kläger geltend gemachten Positionen ergibt sich auf dieser Basis Folgendes:

(b) Fahrten zur Krankengymnastikpraxis R.:

Erstattungsfähig sind hier 24 Fahrten x (unstreitig) 26 km x 0,25 EUR/km = 156 EUR x 50 % = 78 EUR.

(c) Fahrten zur Krankengymnastikpraxis S. C.:

Erstattungsfähig sind 74 Fahrten x (unstreitig) 18 km x 0,25 EUR/km = 333 EUR x 50 % = 166,50 EUR.

Soweit der Kläger für diverse Tage mehrere Behandlungen an einem Tag geltend gemacht hat, führt dies nicht zu einer Erhöhung der Anzahl der Fahrten, da nicht dargelegt ist, dass insoweit zwei Fahrten zu unterschiedlichen Tageszeiten notwendig waren.

(d) Trainerlehrgang:

Erstattungsfähig sind 3 Fahrten x 640 km x 0,25 EUR/km = 480 EUR x 50 % = 240 EUR.

Dass der Kläger an dem Trainerlehrgang in V. während seines Rehabilitationsaufenthaltes in Bad D. teilgenommen hat, steht aufgrund der Aussage des vom Landgericht vernommenen Zeugen K2 (Bl. 244 f. d. A.) fest. Der Zeuge hat auch bestätigt, dass die Anmeldung des Klägers bereits erfolgt war, bevor feststand, dass er zum gleichen Zeitpunkt an der Rehabilitationsmaßnahme teilnehmen musste. Die vom Kläger angesetzte Kilometerzahl haben die Beklagten nach Ergänzung des Klägervortrags zur Fahrstrecke (Bad D.V.) nicht mehr weiter bestritten.

(e) Untersuchung am 20. Dezember 2005 im Krankenhaus W.:

Die dafür geltend gemachten Fahrtkosten muss der Kläger - wie von den Beklagten mit Recht eingewandt - als Kosten der Prozessführung im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen, da es sich um Reisekosten zur Untersuchung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. R. handelt.

(f) Untersuchung in der Arztpraxis H.S.:

Insoweit steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zu, da von ihm weder dargelegt noch belegt ist, wegen welcher Beschwerden bzw. Unfallverletzungen der bis dahin nicht aus den Unterlagen als behandelnder Arzt ersichtliche Mediziner aufgesucht worden ist.

(g) Fahrt zum Reha-Zentrum B.:

Durchführung der Fahrt und Länge der Strecke sind unstreitig. Daher kann der Kläger insoweit Erstattung von 32 km x 0,25 EUR/km = 8 EUR x 50 % = 4 EUR verlangen.

(h) Fahrt zum Fitnessstudio Pro Activ B.:

Insoweit steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zu, weil das Aufsuchen des Fitnessstudios von den Beklagten bestritten worden ist und der Kläger trotz entsprechenden Hinweises des Landgerichts (Bl. 211 d. A.) keinen Beweis angetreten hat.

(i) Fahrt zur Praxis Dr. P.:

Insofern ist zwischen den Parteien die Länge der Fahrstrecke streitig. Die Beklagten behaupten, die Entfernung zwischen dem Wohnort des Klägers und der Arztpraxis betrage lediglich 14,5 km. Da der Kläger für die stattdessen von ihm veranschlagten 18 km keinen Beweis angetreten hat, steht ihm Schadensersatz nur in Höhe von 10 Fahrten x 14,5 km x 0,25 EUR/km = 36,25 EUR x 50 % = 18,13 EUR zu.

(j) Fahrten zum Orthopäden N.:

Auch hier ist die Länge der Fahrstrecke zwischen den Parteien streitig. Die Beklagten behaupten, die zurückzulegende Entfernung betrage lediglich 21 km. Die Beweisantritte des Klägers zu dieser Position beziehen sich indessen nur auf die Durchführung der Fahrten, nicht jedoch auf die von ihm veranschlagte Fahrstrecke von 26 km. Daher steht dem Kläger lediglich Schadensersatz in Höhe von 23 Fahrten x 21 km x 0,25 EU/km = 120,75 EUR x 50 % = 60,38 EUR zu.

(k) Fahrten zur Charité in Berlin:

Die Beklagten haben zum einen die Durchführung der Fahrten als solche bestritten. Dies ist indessen durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. R. (S. 3 und 4) belegt. Denn aus den vom Sachverständigen geprüften Unterlagen ergibt sich, dass der Kläger die von ihm angegebenen Fahrten am 10. März, 9. Mai, 27. September und 4. November 2005 zur Charité tatsächlich durchgeführt hat. Die beiden weiteren Fahrten im Jahr 2006 hat der Kläger dagegen trotz des Bestreitens der Beklagten nicht wirksam unter Beweis gestellt. Sein Zeugnisangebot "N. N." ist nicht ausreichend. Ersatzfähig sind daher im Grundsatz lediglich vier Fahrten.

Ferner ist zwischen den Parteien die Länge der Fahrstrecke streitig. Die Beklagten haben behauptet, die zurückzulegende Entfernung vom Wohnort des Klägers betrage lediglich 800 km. Diese Strecke ist bei der Berechnung zugrunde zu legen, da der Kläger seinerseits für die von ihm veranschlagten 880 km keinen Beweis angetreten hat.

Ferner hat die Beklagte die Notwendigkeit einer Behandlung in der Charité bestritten. Als Beleg dafür reichen indessen in Anbetracht des nicht näher begründeten Bestreitens der Beklagten die Atteste des Orthopäden N. vom 4. Oktober 2006 und 20. Mai 2005 (Bl. 209 f. d. A.) aus. Darin wird im Einzelnen dargelegt, warum hier aus ärztlicher Sicht eine Behandlung bei den Speziallisten in Berlin als notwendig erschien. Hinzu kommt, dass dem Kläger wegen der Schwere der betreffenden Knieverletzung (u. a. war eine komplette Knieinstabilität aufgetreten) grundsätzlich ein größerer Auswahlspielraum für den behandelnden Arzt eingeräumt werden muss.

Demnach hat der Kläger Anspruch auf Ersatz der Fahrtkosten für 4 Fahrten x 800 km x 0,25 EUR/km = 800 EUR x 50 % = 400 EUR.

b) Schmerzensgeld:

Aufgrund des noch vom Amtsgericht Langen eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. R. vom 19. Januar 2006, gegen das die Beklagten keine Einwendungen erhoben haben und dessen nachvollziehbaren und überzeugenden Feststellungen sich der Senat in vollem Umfang anschließt, steht fest, dass sich der Kläger bei dem streitgegenständlichen Unfall die folgenden Verletzungen zugezogen hat:

Er hat eine Zerreißung des vorderen und hinteren Kreuzbandes sowie einen Riss des Innenbandes und des hinteren Schrägbandes des linken Kniegelenkes erlitten, welche am 30. Juli 2007 operativ versorgt worden sind. Ferner ist es zu einem Innenmeniskusriss und einer Innenbandruptur am rechten Kniegelenk gekommen. Insoweit wurden am 20. August 2004 eine Außenmeniskus/Teilresektion und eine Innenmeniskusrefixaktion durchgeführt.

Des Weiteren hat der Kläger Rippenserienfrakturen beidseits erlitten, zusätzlich fand sich rechts ein Hämatomthorax (Einblutung in den Lungenfellraum). Deshalb wurde der Kläger nach der stationären Aufnahme zunächst intubiert und beatmet und es wurden an beiden Seiten Thoraxdrainagen eingelegt.

Auch die Zerreißung der rechten Niere mit umgebendem Bluterguss beruht auf dem Unfall, wobei die Niere wegen der unfallbedingten Verletzungen aufgrund anhaltender Blutungen am 6. August 2004 entfernt werden musste.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen dauerte der Krankenhausaufenthalt des Klägers wegen der unfallbedingten Verletzungen vom 26. Juli bis 8. September 2004, also rd. sechs Wochen. Am 10. September 2004 trat der Kläger eine Anschlussheilbehandlung in einem Rehabilitationszentrum an, die unstreitig drei Wochen dauerte. Nach der Entlassung folgte eine umfangreiche krankengymnastische Übungstherapie. Im weiteren Verlauf heilten die zerrissenen und im Krankenhaus refixierten Bandstrukturen nur unvollständig. Es wurde im März 2005 eine chronische Insuffizienz des vorderen und hinteren Kreuzbandes mit komplexer Instabilität des linken Kniegelenkes festgestellt. Deshalb erfolgte am 10. Mai 2005 in der Charité Berlin eine diagnostische Arthroskopie des linken Kniegelenkes mit arthroskopischer Korbhenkelresektion am Außenmeniskus, wobei zugleich eine arthroskopische Arthrolyse mit Entfernung synthetischen Bandmaterials und Debridement erfolgte. Daran schloss sich wiederum eine intensive krankengymnastische Übungstherapie an. Vom 27. September 2005 bis 4. Oktober 2005 unterzog sich der Kläger einer erneuten stationären Behandlung in der Charité, bei der am 28. September 2005 arthroskopisch das linke hintere Kreuzband sowie das vordere Kreuzband links unter Verwendung von Sehnenmaterial der Gegenseite ersetzt wurden. Eine weitere ambulante Nachuntersuchung in der Charité Berlin erfolgte Mitte November 2005. Nach Ansicht des Sachverständigen sind deshalb die vom Kläger bis zu diesem Zeitraum beklagten Schmerzen beim Knien und Laufen ohne weiteres glaubhaft und können auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. Die im linken Knie verbliebene Instabilität des vorderen und hinteren Kreuzbandes habe bedingt, dass der Kläger nur unter genauer Muskelkontrolle bewusst habe gehen können und größere Belastungen oder ein Rennen nicht möglich gewesen seien. Die Narbenbildung und der partielle Knorpelverlust verursachten weiterhin Schmerzen, insbesondere bei Kniebeugung. Des Weiteren seien auch die Narbenschmerzen im Bereich der operativ entnommenen Niere nicht ungewöhnlich und auf den Unfall zurückzuführen.

Während das rechte Kniegelenk zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen am 20. Dezember 2005 wieder völlig frei beweglich gewesen sei und keinerlei Zeichen einer funktionellen Einschränkung aufgewiesen habe, konnte der Sachverständige hinsichtlich der Frage der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Hinblick auf die Verletzungen des linken Knies noch keine endgültige Entscheidung treffen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung sei der Kläger noch wegen deutlich eingeschränkter Beugefähigkeit und mäßig eingeschränkter Streckfähigkeit des linken Kniegelenkes zu 100 % arbeitsunfähig gewesen. Voraussichtlich müsse mit einer vorzeitigen Arthrose des linken Kniegelenkes gerechnet werden. Trotz zwischenzeitlicher vorübergehender Wiederaufnahme der Arbeit im April 2005 habe sicher eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % bis zur Operation am 28. September 2005 bestanden.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, mittlerweile arbeite er wieder vollschichtig im Hafen. ihm sei aber ein schonenderer Arbeitsplatz zugewiesen worden.

Auf der Basis des jetzt erreichten Gesundheitszustandes des Klägers und unter Berücksichtigung der gutachterlichen Feststellungen steht dem Kläger ein Schmerzensgeld von 6.500 EUR zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der Rechtsprechung allein für vergleichbare Knieverletzungen bereits Beträge um 10.000 EUR zuerkannt werden (vgl. z. B. Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 25. Aufl. 2007, Nr. 1657, Nr. 1712). Der Senat hat in einem im Jahr 2000 verkündeten Urteil (14 U 24698) 12.780 EUR für den Abriss von zwei Bändern des oberen Sprunggelenkes im rechten Knöchelbereich und die Ablösung eines Teils des Sprunggelenkes mit Erfordernis einer viermaligen stationären Behandlung, sechs Wochen Unterschenkelgips und langer Zeit der Krückenbenutzung sowie Umschulung im Beruf zuerkannt. Für den Verlust einer Niere werden z. T. Beträge über 12.000 EUR zugesprochen (vgl. z. B. Nr. 1886 und Nr. 1916 der Schmerzensgeldtabelle). Bei einer Durchsicht der Rechtsprechung ergibt sich, dass erst ab einem Bereich des Schmerzensgeldes von 15.000 EUR das Verletzungsbild überwiegend schwerwiegender erscheint.

Da andererseits der Kläger mit der entfernten Niere derzeit keinerlei Probleme hat und inzwischen wieder vollschichtig beruflich tätig ist, erschien dem Senat unter Berücksichtigung des 50 %igen Mithaftungsanteils des Klägers hier ein Schmerzensgeldbetrag von 6.500 EUR zum Ausgleich der erlittenen immateriellen Beeinträchtigungen angemessen. Hierbei hat der Senat im Hinblick auf die Verletzungen des linken Knies lediglich die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bekannten Beschwerden einbezogen.

3. Feststellung der Ersatzpflicht für künftige immaterielle Schäden:

a) Der Kläger rügt mit seiner Berufungsbegründung zu Recht, dass das Landgericht diesen - in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Langen am 5. April 2006 zu Protokoll erklärten - Antrag des Klägers übergangen hat. Dies beruht ersichtlich auf einem Versehen, sodass insoweit gemäß § 321 ZPO eine Urteilsergänzung hätte herbeigeführt werden müssen. Die darauf gestützte Berufung ist gleichwohl trotz mangelnder Beschwer des Klägers nicht als zulässiger Berufungsangriff anzusehen (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 321 Rdnr. 2). In der Berufungsinstanz kann jedoch im Wege der Klagerweiterung der Anspruch, über den die erste Instanz nicht entschieden hat, erneut geltend gemacht werden (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O.). In der erneuten Stellung des Feststellungsantrags durch den Kläger liegt eine dahingehende Klagerweiterung, die gemäß § 533 ZPO wegen Sachdienlichkeit auch zulässig ist.

b) Das Feststellungsbegehren ist unter Berücksichtigung des 50 %igen Mitverschuldens des Klägers begründet, da bereits wegen des Nierenverlustes und der vom gerichtlichen Sachverständigen bejahten Arthrosegefahr am linken Knie spätere Folgebeschwerden nicht auszuschließen sind.

4. Verzinsung:

Die ausgeurteilten Zinsen beruhen auf § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Rechtshängigkeit ist hinsichtlich des Schmerzensgeldes am 14. Mai 2005, in Bezug auf die mit der ursprünglichen Klage geltend gemachten materiellen Schäden ebenfalls am 14. Mai 2005 und wegen der im Wege der Klagerweiterung in den Rechtsstreit eingeführten weiteren materiellen Schäden am 17. Mai 2006 eingetreten.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1, 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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