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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 14 U 99/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 253
BGB § 823
BGB § 842
Im Schadensersatzprozess nach Körperverletzung gegen den Schädiger ist im Fall der Versetzung eines Beamten in den Ruhestand die Frage, ob die erlittenen Verletzungen diese Zurruhesetzung objektiv rechtfertigten, einer Nachprüfung durch die Zivilgerichte - außer in Fällen reiner Willkür - entzogen.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 99/06

Verkündet am 7. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2006 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. April 2006 verkündete Teilanerkenntnis und Schlussurteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert:

Die Klage wird weiter abgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von mehr als 3.500 EUR nebst Zinsen von 4 % seit dem 8. Juli 1994 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen der Kläger 30 % und die Beklagte 70 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 6 % zu der Beklagten zu 94 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1fachen des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des 1,1fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Wert der Beschwer: für den Kläger unter 20.000 EUR,

für die Beklagte über 20.000 EUR.

Gründe:

A.

Der Kläger verlangt Ersatz seines Verdienstausfallschadens sowie weiterer materieller Schäden und Zahlung von Schmerzensgeld nach vorzeitiger Zurruhesetzung als beamteter Lehrer aufgrund eines Verkehrsunfalls am 23. April 1992 in H., den unstreitig die Versicherungsnehmerin der Beklagten allein verursachte. Zwischen den Parteien ist unter anderem streitig, ob die vom Kläger vorgetragenen körperlichen Beschwerden unfallursächlich sind, welches Schmerzensgeld sie rechtfertigen und ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Differenz zwischen seinen Ruhestandsbezügen und den vormaligen Dienstbezügen als Sonderschullehrer zu erstatten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Mit dem am 19. April 2006 verkündeten Teilanerkenntnis und Schlussurteil, auf das auch im Übrigen zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Landgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage die Beklagte verurteilt, an den Kläger über eine schon außergerichtlich erbrachte Schmerzensgeldzahlung von 20.000 DM hinaus ein weiteres Schmerzensgeld von 10.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Darüber hinaus hat es die Beklagte verurteilt, dem Kläger für entstandene materielle Schäden (u. a. Verdienstausfall für die Zeit vom 1. November 1995 bis 31. März 2006, orthopädische Hilfsmittel und einen Haushaltsführungsschaden für den Zeitraum eines Jahres nach dem Unfallereignis in einem Umfang von insgesamt 150 Stunden) einen Gesamtbetrag von 100.271,46 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Zukunftsschaden zu ersetzen.

Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestehe beim Kläger ein auf das Unfallereignis zurückzuführendes Halswirbelsäulensyndrom mit stärkerer behindernder Störung und wesentlicher Einschränkung der Erlebnis und Gestaltungsfähigkeit, das zu einer dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers von 30 % geführt habe. Der Kläger leide unter Dauerfolgen in Form von Kopf und Nackenschmerzen sowie Schmerzen im linken Arm und damit verbundenen Konzentrationsstörungen und einer eingeschränkten Kopfbeweglichkeit. Dies rechtfertige die Zubilligung eines weiteren Schmerzensgeldes von 10.000 EUR über den vorgerichtlich bereits gezahlten Betrag von 20.000 DM hinaus. Der Kläger könne ferner die Erstattung seines aus der Differenz zwischen den Ruhestandsbezügen und den vormaligen Dienstbezügen resultierenden Verdienstausfallschadens verlangen. Der von der Beklagten insoweit erhobene Einwand der unterlassenen Schadensminderung durch Verwertung der verbliebenen Arbeitskraft des Klägers greife nicht durch. Denn wegen des Quotenvorrechts wirke sich eine etwaige Anspruchsminderung nur zu Lasten des Dienstherrn aus, da in Anbetracht der Höhe der Ruhestandsbezüge des Klägers (70 % der letzten vollen Bezüge) nicht davon ausgegangen werden könne, dass es dem Kläger bei zumutbaren Anstrengungen gelungen wäre, ein diese Bezüge übersteigendes Einkommen zu erzielen. Die orthopädischen Hilfsmittel seien in Höhe der Anschaffungskosten für einen Pezziball, ein Brüggerkissen und ein Witschikissen von insgesamt 112,82 EUR erstattungsfähig.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie vollständige Abweisung der Klage mit Ausnahme des von ihr - der Beklagten - im ersten Rechtszug anerkannten Betrages von 1.718 DM für Fahrtkosten des Klägers erstrebt.

Die Beklagte rügt im Wesentlichen Folgendes:

Die vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten deckten die Feststellung einer unfallursächlichen Beeinträchtigung der Gesundheit des Klägers nicht. Denn die Gutachter hätten dazu keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern ihre Befunde lediglich auf der Grundlage der subjektiven Schmerzschilderungen des Klägers gemacht. Objektivierbare körperliche Veränderungen seien von den Gutachtern übereinstimmend nicht festgestellt worden. Die Angaben des Klägers selbst seien jedoch nicht glaubhaft, da dessen Schilderungen seit Jahren nahezu unverändert geblieben seien und davon ausgegangen werden müsse, dass er sich seine Kenntnisse über die Beschwerdebilder "angelesen" habe. Soweit möglicherweise tatsächlich inzwischen Einschränkungen der Beweglichkeit des Klägers bestünden, beruhten diese auf der vom Kläger jahrelang eingenommenen Zwangs bzw. Fehlhaltung und seien deshalb kein Ausfluss des Verkehrsunfalls im Jahre 1992, sondern ausschließlich die Folge des eigenen Verhaltens des Klägers; sie ergäben zwischenzeitlich sozusagen ein eigenständiges Krankheitsbild, für das sie - die Beklagte - nicht mehr einstandspflichtig sei. Hinzu komme, dass der Kläger im Rahmen der verschiedenen Begutachtungen erforderliche weitere röntgenologische Untersuchungen verhindert habe.

Hinsichtlich des Schmerzensgeldes rügt die Beklagte zusätzlich, dass dessen Höhe vom Landgericht nicht ausreichend begründet worden sei. Was den zuerkannten Verdienstausfall anbetreffe, fehle eine nachvollziehbare Begründung des Landgerichts dazu, warum der Kläger nicht durch eine ihm mögliche und zumutbare Umschulung eine neue berufliche Laufbahn mit gleich hohem Einkommen habe ergreifen können. Außerdem habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die lediglich 30 %ige Erwerbsunfähigkeit des Klägers, die die gerichtlich beauftragten Sachverständigen festgestellt hätten, nicht zum Ausschluss aus dem Beamtenverhältnis hätte führen dürfen. Der Kläger habe es unterlassen, gegen seine Zurruhesetzung zu klagen, sodass sein Verdienstausfallschaden selbst verschuldet sei.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und begehrt Zurückweisung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie der eingeholten Sachverständigengutachten und die ergänzende mündliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. L. in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 22. März 2006 verwiesen.

B.

I.

Die Berufung der Beklagten hat teilweise im Hinblick auf das vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld Erfolg. Insoweit kann der Kläger lediglich Zahlung weiterer 3.500 EUR nebst anteiliger Zinsen verlangen. Die weitergehende Berufung ist dagegen unbegründet.

1. Nachdem das alleinige Verschulden der Versicherungsnehmerin der Beklagten an dem Unfallereignis unstreitig ist, ist weitere Voraussetzung der Haftung der Beklagten für die vom Kläger geltend gemachten materiellen und immateriellen Schäden, dass dieser bei dem Unfall eine Halswirbelsäulenverletzung erlitten hat (s. dazu a)) und diese Primärverletzung für die bestehenden Beschwerden des Klägers ursächlich ist (s. dazu b)). Beides hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend bejaht.

a) Dass der Kläger durch den Unfall am 23. April 1992 ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule und damit eine Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB erlitten hat, hat die Beklagte in ihrer Klagerwiderung vom 12. Februar 1999 (dort S. 2, Bl. 133 d. A.) unstreitig gestellt. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus dem fachchirurgischen Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. D. vom 28. April 2000, in dem auf S. 2 in Zusammenfassung der Vorgeschichte ausgeführt wird, der Kläger habe sich bei dem Verkehrsunfall am 23. April 1992 eine "Zerrung und Stauchung der Halswirbelsäule" zugezogen. Dies wird ferner bestätigt durch die gutachterliche Stellungnahme des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. med. L. vom 18. Juli 2005, wo es auf S. 4 (Bl. 523 d. A.) heißt: "Wir schließen uns nach wie vor dem Gutachten von Prof. P. vom 19.05.1995 an, in dem er " ... die Folgen einer ausgeprägten HalswirbelsäulenDistorsion mit ... Gefügestörungen der Halswirbelsäule und nachgewiesener funktioneller Dekompensation ..." beschreibt". Daher hat sich das Landgericht ohne Rechtsfehler gemäß § 286 ZPO die Überzeugung vom Vorliegen der haftungsbegründenden Kausalität gebildet.

b) Der Berufungsangriff der Beklagten richtet sich im Wesentlichen gegen die Bejahung der haftungsausfüllenden Kausalität, d. h. gegen die Überzeugungsbildung des Landgerichts, wonach die vom Kläger beklagten fortbestehenden Beschwerden (Schmerzen und Bewegungseinschränkungen) auf den Verkehrsunfall und die dabei erlittene Verletzung der Halswirbelsäule zurückzuführen sind. Die Beklagte rügt insoweit, dass zum einen objektivierbare Beschwerden nicht festgestellt worden und die geklagten Beschwerden nicht glaubhaft seien (siehe dazu aa)) und dass darüber hinaus etwaige Beschwerden jedenfalls nicht mehr Ausfluss der seinerzeitigen unfallbedingten Verletzung seien (siehe dazu unten bb)). Beide Einwände sind jedoch unbegründet.

aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten haben sich die Sachverständigen nicht nur auf die subjektiven Äußerungen des Klägers über seine Beschwerden gestützt, sondern auch ein objektivierbares Beschwerdebild festgestellt. Denn die gerichtlich bestellten Sachverständigen haben übereinstimmend aufgrund eigener Untersuchung des Klägers eine anhaltend eingeschränkte Halswirbelsäulenbeweglichkeit und Verspannungen und Verhärtungen der Nackenmuskulatur des Klägers festgestellt, was im Übrigen dem Befund aller weiteren - vielfach von der Beklagten selbst beauftragten - Vorgutachter entspricht. Die Sachverständigen haben aufgrund dessen die vom Kläger geklagten Schmerzen letztlich nicht in Zweifel gezogen. Das hat insbesondere auch der Sachverständige Dr. L. bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 22. März 2006 ausdrücklich betont. Dass demgegenüber organische Schäden an den nervalen und anatomischen Strukturen nicht festgestellt werden konnten (anders als der Kläger in seiner Berufungserwiderung meint, was das Landgericht aber in zutreffender Beweiswürdigung verneint hat), steht der Feststellung des von den Sachverständigen wiedergegebenen Beschwerdebildes des Klägers nicht entgegen. Insoweit ist auf das neurochirurgische Fachgutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. J. vom 28. April 2004 (Bl. 423 ff. d. A.) zu verweisen. Der Sachverständige hat dort ausgeführt, sämtlichen vorliegenden radiologischen Beurteilungen sei - unabhängig von gewissen Widersprüchen im Einzelnen - gemeinsam, dass danach die Halswirbelsäulenlordose (d. h. die Verkrümmung der Halswirbelsäule nach vorn) aufgehoben gewesen sei, wie dies nach Schleudertraumen oft zu sehen sei (S. 10 des Gutachtens, Bl. 433 d. A.). Der Sachverständige Prof. Dr. J. hat ferner ausgeführt (S. 12 des Gutachtens, Bl. 435 d. A.), dass aus der Literatur bekannt sei, dass es bei Halswirbelsäulentraumen zu kleineren Verletzungen der Gelenkkapseln der kleinen Wirbelgelenke und Bänder kommen könne, wobei nur selten der Nachweis dieser Verletzungen mittels MRT oder anderer Untersuchungsmethoden gelinge; man wisse aber, dass diese kleinen Verletzungen gleichwohl zu schmerzhaften Bewegungsstörungen der Halswirbelsäule führen könnten, welche jahrelang anhalten könnten. Die fehlende Feststellbarkeit fortdauernder organischer Schäden steht mithin einem anhaltenden Beschwerdebild des Klägers, wie es von allen gerichtlich bestellten Sachverständigen festgestellt worden ist, nicht entgegen.

Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, inwieweit ggf. weitere röntgenologische Untersuchungen hätten belegen können, dass die Bewegungseinschränkungen und Muskelverspannungen entgegen den Untersuchungsbefunden der Gutachter etwa nicht vorlägen.

bb) Das Landgericht ist auch ohne Rechtsfehler zu der Überzeugung gelangt, dass diese Beschwerden (eingeschränkte Beweglichkeit des oberen Abschnittes der Halswirbelsäule, Verspannungen und Schmerzen) auf dem Unfall beruhen. Es handelt sich hierbei um die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die sich gemäß § 287 ZPO beurteilt (BGH, NJW 2003, 1116). Bei der Ermittlung dieses Kausalzusammenhangs zwischen dem Haftungsgrund und dem eingetretenen Schaden unterliegt der Tatrichter nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO. Vielmehr ist er nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt. Zwar kann der Tatrichter auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist. Im Rahmen der Beweiswürdigung gemäß § 287 ZPO werden aber geringere Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt. Hier genügt, je nach Lage des Einzelfalles, eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung (BGH, a. a. O. - juris Rn. 7). Gemessen hieran ist die Überzeugungsbildung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass sämtliche vom Gericht bestellten Sachverständigen und auch die außergerichtlichen Vorgutachter die Unfallursächlichkeit des eingangs genannten Beschwerdebildes bejaht haben. Hinzu kommt, dass Vorerkrankungen des Klägers, auf denen diese Beschwerden ansonsten beruhen könnten, nicht festgestellt sind. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte für später erlittene Körperschäden, auf denen die Beschwerden beruhen könnten. Hierfür kommt insbesondere nicht der - nicht unfallbedingte - später erlittene leichte Bandscheibenvorfall im Bereich der Wirbelsegmente C 6/C 7 in Betracht, denn keiner der Sachverständigen hat die Beschwerden des Klägers hierauf zurückgeführt. Außerdem spricht dagegen, dass sich seit diesem Bandscheibenvorfall im Jahr 2000 keinerlei Veränderung des schon davor unverändert bestehenden Beschwerdebildes ergeben hat.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass sich das jetzige Beschwerdebild des Klägers schon direkt nach dem Unfall und seitdem durchgängig (mit lediglich anfangs leichter Besserungstendenz) gezeigt hat. Insoweit bestehen an den zeitnahen Schmerzschilderungen des Klägers keine Zweifel, zumal dieser auch eine Arbeitsaufnahme ernsthaft versucht und durch die Erhebung eines Widerspruchs die Verlängerung seines Arbeitsversuchs gegenüber seinem Dienstherrn herbeigeführt hat.

Die fortbestehenden Beschwerden des Klägers werden im Übrigen letztlich auch von der Beklagten selbst in ihrer Berufungsbegründung eingeräumt. Wenn die Beklagte meint, diese Beschwerden beruhten auf einer "Zwangshaltung" des Klägers (was wohl im Sinne einer verkrampften Haltung wegen Angst vor bewegungsbedingten Schmerzen zu verstehen ist, wie dies beispielsweise auch im außergerichtlichen Gutachten Prof. T. vom 19. Mai 1995, dort S. 9 und 17 - Bl. 61, 69 d. A. - angedeutet worden ist), schließt dies eine haftungsausfüllende Kausalität entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus (vgl. BGH, NJW 2003, 1116 - juris Rn. 9). Denn der Schädiger hat dem Geschädigten grundsätzlich für den gesamten durch seine pflichtwidrige Handlung verursachten Schaden und somit auch für etwaige Folgeschäden einzustehen, sofern diese in adäquatem Kausalzusammenhang mit der Erstschädigung stehen. Der notwendige haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang fehlt nur dann, wenn sich bei der Schädigung nicht mehr das Schadensrisiko des Ersteingriffs verwirklicht, dieses Risiko vielmehr schon gänzlich abgeklungen war und deshalb bei wertender Betrachtung nur ein äußerlicher, gleichsam zufälliger Zusammenhang besteht. Dies ist aber bei einer aus Angst vor bewegungsbedingten Schmerzen eingenommenen Zwangshaltung, die ihrerseits zu einer Muskelverkrampfung mit daraus folgenden Folgeschmerzen führt, nicht anzunehmen.

2. Der Berufungsangriff der Beklagten gegen die ausgeurteilte Höhe des Schmerzensgeldes ist dagegen teilweise begründet. Der Kläger hat infolge des Unfalls eine Sternumfissur, eine kleinere Wunde am Schädel infolge eines Anstoßes gegen die Halterung der Sonnenblende seines Pkw, eine Prellung seines linken Fingers sowie das Halswirbelsäulenschleudertrauma erlitten. Er war ein Jahr und drei Monate krankgeschrieben und hat in dieser Zeit eine zweiwöchige stationäre Reha-Behandlung absolviert. Ferner ist er nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts in seiner Erwerbsfähigkeit dauerhaft um 30 % gemindert, wobei er fortdauernd unter einer eingeschränkten Beweglichkeit des Kopfes und Schmerzen leidet, die ihn nicht unerheblich in seiner Lebensführung beeinträchtigen und zum Wegfall seiner früheren sportlichen Betätigung sowie dem Erfordernis dauernder krankengymnastischer Behandlungen geführt haben.

Auch unter Berücksichtigung dieser unfallbedingten Beeinträchtigungen ist jedoch ein Gesamtbetrag des Schmerzensgeldes von rd. 20.000 EUR, der sich aufgrund der Verurteilung des Landgerichts ergibt, bei einem Vergleich mit von der Rechtsprechung entschiedenen Parallelfällen überhöht. In der Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Ring/Böhm (23. Aufl.) findet sich nur eine Verurteilung zu einem Schmerzensgeld von 20.000 EUR, die einen in der Sache ähnlich gelagerten Fall - allerdings bei mehrfachen Klinikaufenthalten und höherem Erwerbsunfähigkeitsgrad - betrifft (Nr. 2322). Allen weiteren Schmerzensgeldbeträgen von 20.000 EUR liegen deutlich schwerere Schadensbilder zugrunde (vgl. z. B. Nr. 2337). Andererseits gibt es mehrere Verurteilungen, die trotz schwererer Schäden nur geringere Schmerzensgelder zusprechen (z. B. 17.500 EUR in Nr. 2257 und 2256). Der BGH hat im Jahr 2003 eine Schmerzensgeldzahlung von 17.150 EUR gebilligt (Nr. 2227), bei der an zusätzlichen Beschwerden jedoch Sehstörungen, Tinnitus und Übelkeit aufgetreten waren. Einer Verurteilung des OLG Düsseldorf aus dem Jahr 2003 zu einem Schmerzensgeld von 15.339 EUR (Nr. 2218) liegen ebenfalls deutlich schwerere Schäden als im vorliegenden Fall zugrunde. Vergleichbar sind dagegen die Verurteilungen Nrn. 2172, 2170 und 2163 (je 15.000 EUR) einerseits und Nrn. 2085, 2084 (je 13.000 EUR) sowie Nrn. 2038, 1997, 1987 u. Nr. 2020 (je 12.500 EUR) andererseits. In Abwägung aller Umstände des vorliegenden Falles hält der Senat hier unter Berücksichtigung der bereits vorgerichtlich erbrachten Zahlung von 20.000 DM ein weiteres Schmerzensgeld von 3.500 EUR für angemessen. Wegen des darüber hinausgehenden Zahlungsanspruchs in Höhe von 6.500 EUR war daher das angefochtene Urteil zu ändern und die diesbezügliche Klage des Klägers weiter abzuweisen.

3. Die Berufungsangriffe der Beklagten gegen die vom Landgericht ausgeurteilte Ersatzpflicht für den Verdienstausfall des Klägers sind unbegründet.

a) Soweit die Beklagte geltend macht, eine lediglich 30 %ige Erwerbsunfähigkeit des Klägers habe nicht zu einer Zurruhesetzung führen dürfen, und dem Kläger sei vorzuwerfen, dass er gegen den betreffenden Bescheid seines Dienstherrn nicht den Klageweg bestritten habe, bleiben diese Einwendungen ohne Erfolg. Denn nach ständiger Rechtsprechung ist im Schadensersatzprozess gegen den Schädiger im Fall einer vorzeitigen Versetzung eines Beamten in den Ruhestand die Frage, ob die erlittenen Verletzungen diese Zurruhesetzung objektiv rechtfertigten, einer Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen. Ist die Versetzung in den Ruhestand - wie es hier der Fall war - ausschließlich wegen des gesundheitlichen Zustands des Beamten ausgesprochen worden, so ist damit die Nachprüfbarkeit des Verwaltungsakts durch die ordentlichen Gerichte ausgeschlossen. Von Fällen reiner Willkür abgesehen kann lediglich gefragt werden, ob die Pensionierung adäquate Folge des Unfalls war, ob sie also auf dem Unfall oder etwa auf anderen Gründen beruhte. Nur wenn ohnehin alsbald oder später mit Gewissheit aus anderen Gründen eine vorzeitige Versetzung des Beamten in den Ruhestand erfolgt wäre, geht die Zurruhesetzung nicht mehr zu Lasten des Schädigers (vgl. BGH, VersR 1969, 538; OLG Koblenz, VersR 1997, 1289; OLG Karlsruhe, VersR 1998, 1115 - die dagegen eingelegte Revision hat der BGH nicht angenommen; OLG Frankfurt, r + s 1994, 377).

Hier bestehen daran, dass die Pensionierung des Klägers auf dem Unfall und den dabei erlittenen Verletzungen beruhte, aufgrund des Inhalts des die Feststellung der Dienstunfähigkeit aussprechenden amtsärztlichen Attestes vom 12. Mai 1995 (Bl. 356 f. d. A.) keine Zweifel. Anhaltspunkte für eine willkürliche Entscheidung des Dienstherrn liegen nicht vor. Der Kläger war bei dieser Sachlage auch nicht verpflichtet, gegen seine vorzeitige Pensionierung durch Anrufung des Verwaltungsgerichts rechtlich vorzugehen. Denn eine Erfolgsaussicht eines derartigen Rechtsmittels ist in Anbetracht des eindeutigen Ergebnisses der amtsärztlichen Untersuchung, welches im Übrigen mit dem Ergebnis der teilweise von der Beklagten selbst veranlassten Vorbegutachtungen übereinstimmte, nicht ersichtlich.

b) Dem Kläger ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch kein Verstoß gegen seine Schadengeringhaltungspflicht aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB anzulasten, welcher von Einfluss auf seinen Ersatzanspruch wäre.

Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass es dem Kläger, da seine Erwerbsfähigkeit lediglich um 30 % gemindert ist, grundsätzlich zumutbar sein dürfte, außerhalb des Schuldienstes eine ihn gesundheitlich nicht überfordernde zumutbare Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um dadurch seine verbliebene Arbeitskraft in angemessener Weise anderweitig einzusetzen (vgl. OLG Frankfurt, a. a. O.). Dies bleibt jedoch - ohne dass entschieden werden müsste, ob davon auszugehen ist, dass der Kläger auch tatsächlich eine von ihm zu bewältigende Tätigkeit gefunden hätte - letztlich für den Kläger ohne nachteilige Folgen. Denn das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass selbst ein zu bejahender Verstoß des Klägers gegen seine Schadengeringhaltungspflicht sich jedenfalls nicht schadensmindernd auswirkte, weil das erzielbare Einkommen zunächst auf den durch die Ruhegehaltsleistung auf den Dienstherrn übergegangenen Schadensersatzanspruch anzurechnen ist. Diese Überlegung des Landgerichts, auf die die Beklagte im Übrigen mit ihrer Berufungsbegründung nicht eingegangen ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 95 Satz 3 NBG können die auf den Dienstherrn des geschädigten Beamten übergehenden Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger nicht zum Nachteil des verletzten Beamten geltend gemacht werden. Dieses sog. Quotenvorrecht des Beamten bedeutet, dass er aus dem Anspruch gegen den Schädiger zunächst seinen nach Zahlung der Pension verbleibenden Schaden decken darf. Dieser Schaden besteht im Entgang seiner Dienstbezüge und würde nur gemindert, wenn der Pensionär tatsächlich einem Ersatzerwerb nachginge. Soweit es um bloß erzielbare Einkünfte geht, muss sich der Dienstherr damit abfinden, wenn sich der Beamte ohne anderweitige Tätigkeit mit seiner Pension begnügt und sich damit dem Vorwurf der unterlassenen Schadensminderung aussetzt. Der aufgrund verbliebener Arbeitskraft von einem vorzeitig in den Ruhestand versetzten Beamten erzielbare Verdienst ist infolge des in § 95 NBG vorgesehenen Quotenvorrechts zunächst auf denjenigen Anspruch anzurechnen, der infolge der Zahlung von Ruhegeld auf den Dienstherrn übergeht. Erst ein darüber hinaus erzielbarer Verdienst könnte den Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger mindern (BGH, VersR 1983, 488; OLG Karlsruhe, VersR 1998, 1115 - die dagegen eingelegte Revision hat der BGH nicht angenommen ; OLG Frankfurt, r + s 1994, 377; Pardey, Berechnung von Personenschäden, 3. Aufl., Rn. 949 a. E.; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 8. Aufl., Rn. 746). Bei 100 %iger Haftung des Schädigers kürzt mithin ein Obliegenheitsverstoß des Ruhestandsbeamten dessen eigenen Anspruchsteil erst, wenn mit der erhalten gebliebenen Arbeitskraft ein höherer Verdienst zu erzielen wäre, als die Ruhestandsbezüge ausmachen. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass nur dann, wenn die vom Kläger erzielbaren Netto-Einkünfte die Nettoversorgungsbezüge von 1.687 EUR monatlich übersteigen würden, dies zu einer Anspruchskürzung gegenüber der Beklagten führen könnte. Dafür, dass der Kläger in einem über diesen Betrag hinausgehenden Umfang Einkünfte erzielen könnte, hat die Beklagte indessen nichts Konkretes vorgetragen. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch keine sonstigen Anhaltspunkte für eine entsprechende Schätzung gesehen.

c) Gegen die Höhe des vom Landgericht ausgeurteilten Verdienstausfalls hat sich die Beklagte mit ihrer Berufung nicht gewendet.

4. Hinsichtlich der vom Landgericht ausgeurteilten sonstigen materiellen Schäden (orthopädische Hilfsmittel und Haushaltsführungsschaden) liegt ebenfalls kein Berufungsangriff der Beklagten zur Höhe vor. Die betreffenden Ausführungen des Landgerichts lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Entsprechendes gilt für den Feststellungsausspruch.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 S. 1 Fall 2, § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 S. 1, 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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