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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: 16 U 127/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 256
Für eine Feststellungsklage im Bauprozess besteht in der Regel kein Rechtsschutzbedürfnis, weil entscheidende Fragen (Schadenshöhe, Möglichkeit der Beseitigung des Mangels, Unverhältnismäßigkeit) nicht geklärt werden und deshalb nicht zu erwarten ist, dass der Streit zur Höhe ohne einen weiteren Prozess beendet wird.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

16 U 127/06

Verkündet am 19. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters ... sowie der Richter ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. Februar 2006 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

Gründe:

I.

Die inzwischen insolvent gewordene Klägerin hat einen Restwerklohn von 394.712 DM eingeklagt, die Beklagten als Besteller haben knapp 80 Mängel geltend gemacht, die sich aus der Anlage B 4 in Verbindung mit dem Tatbestand (Seite 2) des angefochtenen Urteils ergeben und für jeden einzelnen Mangel die Beseitigungskosten bzw. angemessene Minderungsbeträge geschätzt, die sich auf deutlich mehr als 200.000 EUR belaufen. Im Anschluss an die Klageerwiderung - nachdem die Beklagten der von ihnen beauftragten Architektin zunächst den Streit verkündet hatten (Bl. 68) , haben sie auf Auflage des Gerichts (Bl. 356) im November 2001 (Bl. 385 ff.) diejenigen Mängel zusammengefasst, die ihrer Auffassung nach zum damaligen Zeitpunkt noch vorlagen und dazu teilweise die Beseitigungskosten geschätzt.

Nachdem das Landgericht im September 2002 (Bl. 421 ff.) einen Beweisbeschluss darüber erlassen hatte, welche Leistungen noch zu vergüten seien, hat es durch Beschluss vom Februar 2003 (Bl. 496) eine Beweisaufnahme über die Mängel angeordnet und insgesamt fünf verschiedene Gutachter beauftragt. Die angeforderten Vorschüsse betrugen über 25.000 EUR. Im Dezember 2004 haben die Beklagten dann Widerklage gegen den Werkunternehmer und Drittwiderklage gegen die von ihnen beauftragte Architektin mit dem Antrag erhoben, wegen fast 80 verschiedener im Antrag im Einzelnen bezeichneter Mängel (Bl. 781, 870) festzustellen, dass die Drittwiderbeklagte (Architektin) als Gesamtschuldnerin verpflichtet sei, ihnen sämtliche Schäden zu ersetzen, die durch die Beseitigung der näher bezeichneten Mängel entstehen, verbunden mit dem Vorwurf mangelnder Objektüberwachung.

Der Wert des Streitgegenstandes für die Drittwiderklage ist auf 162.000 EUR festgesetzt, bereits mit Schreiben vom 5. Januar 2005 ist auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage vom Landgericht hingewiesen worden (Bl. 843).

Die Beklagten meinen, der Umstand, dass die Existenz von Mängeln und deren Ursachen sowie die Beseitigungskosten erst durch Sachverständigengutachten festgestellt werden müssten, rechtfertige es, nur eine Feststellungsklage zu erheben.

Das Landgericht hat die Feststellungsklage mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses nach einem Hinweis auf eine mögliche Leistungsklage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung machen die Beklagten weiterhin geltend, eine Leistungsklage sei ihnen wegen der Unkenntnis über die Ursachen der Mängel und die daraus folgenden Beseitigungskosten unzumutbar, im Übrigen würden sie nach der Feststellung der Ursachen auf eine Leistungsklage übergehen (Bl. 940). Diese Unzumutbarkeit ergebe sich im Übrigen auch aus dem Kostenrisiko bei einer Zuvielforderung (§ 92 ZPO) sowie dem Umstand, dass eine Teilklage die Verjährung nicht insgesamt unterbreche und sie dementsprechend, wenn sie zu wenig verlangt hätten, den Rest später nicht mehr geltend machen könnten.

Nachdem die Beklagten zunächst nur eine Feststellungsklage angekündigt hatten (Bl. 912), der Senat jedoch ebenfalls auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage hingewiesen hat, beantragen die Beklagten nunmehr,

1. unter Abänderung des Teil-Urteils des Landgerichts Hannover vom 22. Februar 2006 festzustellen, dass die Drittwiderbeklagte verpflichtet ist, ihnen sämtliche Schäden zu ersetzen, die durch die Beseitigung der in Anlage B 4 zu Ziffer 1 bis 10, 12, 14, 16 bis 23, 25 bis 43, 45 bis 61, 63, 65 bis 70, 72 bis 79, 81, 83, 84, 86 bis 90 bezeichneten Mängel entstehen,

2. hilfsweise unter Aufhebung des Teilurteils des Landgerichts Hannover vom 22. Februar 2006 und des Verfahrens die Sache an das Landgericht Hannover zurückzuverweisen,

3. weiter hilfsweise, unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Hannover vom 22. Februar 2006 die Drittwiderbeklagte zu verurteilen, an sie 79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen und im Übrigen festzustellen, dass die Drittwiderbeklagte verpflichtet ist, ihnen sämtliche darüber hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die durch die Beseitigung der in Anlage B 4 zu Ziffer 1 bis 10, 12, 14, 16 bis 23, 25 bis 43, 45 bis 61, 63, 65 bis 70, 72 bis 79, 81, 83, 84, 86 bis 90 bezeichneten Mängel entstehen.

Dazu tragen sie vor, dass die Kosten zur Beseitigung dieser Mängel mindestens 1 EUR pro Mangel betrügen.

Die Drittwiderbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und erklärt mit der Vergütungsforderung der Klägerin in Höhe von 201.813,29 EUR nebst Zinsen und zweitrangig mit ihrer eigenen Honorarforderung in Höhe von 388.237,90 EUR nebst Zinsen die Aufrechnung (Bl. 975).

II.

Die Berufung ist begründet.

Zwar tritt der Senat den Erwägungen des Landgerichts zur Unzulässigkeit der Feststellungsklage im Bauprozess im Allgemeinen uneingeschränkt bei, im vorliegenden Fall ergibt sich aber ganz ausnahmsweise etwas anderes.

1. Nach seit Jahrzehnten gefestigter Rechtsprechung (BGH NJW 1993, 2993) fehlt einer Feststellungsklage das Rechtsschutzbedürfnis, sofern eine Klage auf Leistung zumutbar ist. Wie der Senat nicht verkennt, hat der Bundesgerichtshof (NJW 2000, 1256, 1257) auch schon entschieden, dass die Erhebung einer Leistungsklage unzumutbar sein kann, wenn die Ansprüche noch nicht oder nicht ohne Durchführung einer aufwändigen Begutachtung beziffert werden können.

2. Dem kann der Senat allerdings in dieser Allgemeinheit nicht zustimmen, denn ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn bei einer exante Betrachtung zu erwarten ist, dass zur endgültigen Klärung der Streitfragen ein zweiter Prozess notwendig wird. Das ist im Bauprozess in der Regel zu befürchten.

Streitigkeiten über Baumängel können nur dann endgültig entschieden werden, wenn dem Sachverständigen folgende Fragen vorgelegt werden:

a) Bestehen die vom Bauherren geltend gemachten Mängel?

b) Welche Kosten werden für die Beseitigung der zu a) festgestellten Mängel anfallen?

c) Welche Tatsachen sprechen dafür, dass die in Anspruch genommene Partei für diese Mängel verantwortlich ist?

d) Sofern sich einzelne Mängel nicht beseitigen lassen, welcher Minderwert erscheint angemessen?

e) Welches objektive Interesse hat der Besteller an der Beseitigung des Mangels X (bei dem Einwand der Unverhältnismäßigkeit nach § 635 Abs. 2 BGB)?

Wird nur eine Feststellungsklage erhoben, so kann, wird und muss sich die Beweisaufnahme auf die Fragen zu a) und c) beschränken, die übrigen Streitpunkte sind nicht Gegenstand der Beweisaufnahme im Feststellungsprozess. Hinzu kommt, dass in der Beweisfrage b) noch weiteres erhebliches Konfliktpotenzial steckt, denn die Frage der Mängelbeseitigungskosten ist untrennbar verbunden mit der zwischen den Parteien sehr häufig streitigen Frage, ob eine komplette Neuherstellung oder nur eine bloße Reparatur ausreicht, vor allem aber, welche konkrete Maßnahme - mit sehr unterschiedlichen Kosten - notwendig erscheint.

Insgesamt lässt sich deshalb sagen, dass die zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten durch die Beweisaufnahme im Feststellungsprozess auch nicht annähernd geklärt werden. Im Gegenteil: die Baufirma interessiert das Problem, ob ein Mangel vorhanden ist, vergleichsweise wenig im Verhältnis zu der für sie entscheidenden Frage, welche Kosten für deren Beseitigung der Sachverständige veranschlagt und aus welchen Gründen.

Soweit die Beklagten geltend machen, sie würden nach Vorlage der Gutachten und Kenntnis der Ursachen der Mängel zur Leistungsklage übergehen, überzeugt das nicht, weil die Kosten der Mängelbeseitigung eben gerade nicht ermittelt werden und sie deshalb nicht abschätzen können, ob z. B. Feuchtigkeitsprobleme zu Kosten von 5.000 EUR oder von 30.000 EUR führen.

Die Feststellungsklage hat schließlich für den Bauherren noch einen weiteren Nachteil. Vertraut er der Kompetenz des Gutachters, kann er den einbehaltenen Werklohn bei einer Leistungsklage schon während des Prozesses ganz oder wenigstens teilweise zur Mängelbeseitigung benutzen. Muss er dagegen einen Folgeprozess zur Höhe befürchten, vielleicht mit erneutem Ortstermin, weil der Schaden sich vergrößert hat, gerät er in zusätzliche Schwierigkeiten.

3. Sofern man eine Leistungsklage für unzumutbar hält, so sind bei Ausfüllung des Begriffs der Zumutbarkeit unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen allerdings die Interessen sämtlicher Beteiligter zu berücksichtigen.

Dabei wird man zur Verdeutlichung der Argumentation unterstellen können, dass bei einem Rechtsstreit um mehrere und nicht unerhebliche Mängel und Gutachten unter Umständen von nicht nur einem Sachverständigen, die auch noch angegriffen werden, zu ergänzenden Stellungnahmen und zur Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung führen, mit einer Prozessdauer erster Instanz von wenigstens zwei Jahren und in der Berufungsinstanz von möglicherweise einem Jahr zu rechnen ist.

a) Was zunächst die berechtigten Interessen des Bauherren anbetrifft, so kann er frühestens nach dem rechtskräftigen Abschluss des Feststellungsprozesses durch zwei oder drei Instanzen, mithin nach Jahren, die Durchsetzung seiner Ansprüche in Angriff nehmen.

Dabei wird ihm, wie auch die Beklagten nicht verkennen, überhaupt nichts anderes übrig bleiben, als einen Privatsachverständigen mit der Ermittlung derjenigen Kosten zu beauftragen, die zur Beseitigung der Schäden der in letzter Instanz rechtskräftig festgestellten Mängel erforderlich sind. Unter diesen Umständen überzeugt es aber nicht, eine sofortige Leistungsklage des Bauherren mit dem Argument für unzumutbar zu halten, aufwändige Sachverständigenkosten brauche er nicht aufzuwenden, wenn er eben diese Kosten nach Abschluss eines jahrelang dauernden Feststellungsprozesses dann doch aufbringen muss. Zwar ließe sich argumentieren, diese Kosten seien deshalb etwas geringer, weil - am Beispiel dieses Rechtsstreites - von den 80 geltend gemachten Mängeln nur 40 vom Gericht festgestellt worden seien und der Privatgutachter deshalb nur mit 40 Mängeln befasst wird. Dafür muss er sich andererseits in einen sehr komplexen Sachverhalt erstmals einarbeiten, während der Gerichtsgutachter, der Ortsbesichtigungen durchgeführt und viele Seiten Gutachten verfasst hat, die Mängelbeseitigungskosten mit sehr viel geringerem Zeit und Kostenaufwand hätte ermitteln können. Darüber hinaus besteht für die Parteien eine weitere Gefahr, weil es keine Grundlage für eine korrekte Kostenentscheidung bei der Feststellungsklage gibt. Werden von 80 behaupteten Mängeln nur 40 bejaht, können die Kosten des Feststellungsprozesses nicht 50 : 50 verteilt werden, weil der Austausch des mit einem Kratzer versehenen Fensters kaum 1/20 derjenigen ausmachen dürfte, die zur Abdichtung eines Hauses gegen nicht drückendes Wasser - statt gegen Bodenfeuchtigkeit - erforderlich sind: mit anderen Worten, der Richter kann nicht davon ausgehen, eine auch nur annähernd richtige Kostenentscheidung treffen zu können, weil er die erforderlichen finanziellen Aufwendungen zur Beseitigung der einzelnen Mängel auch nicht ansatzweise abzuschätzen vermag.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ist der Senat auch nicht davon überzeugt, dass die Baufirma nach rechtskräftiger Feststellung das Privatgutachten zum Anlass nehmen wird, nunmehr den geforderten Betrag zu zahlen, weil Privatgutachter regelmäßig mit Misstrauen betrachtet werden. Auch dabei ist auf die Lebenswirklichkeit abzustellen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Bauherr in der Regel den Unternehmer nicht von der Beauftragung des Privatgutachters unterrichtet und ihm auch keine Gelegenheit gibt und ihn nicht auffordert, am Ortstermin teilzunehmen. Dem Senat ist zwar aus Gesprächen mit Sachverständigen bekannt, dass einige von ihnen - ausgesprochen sinnvoll - ihrem eigenen Auftraggeber raten, die Baufirma von der Beauftragung und dem Ortstermin zu unterrichten und sie zu einer Teilnahme aufzufordern, was dazu führt, dass sich die durchaus fachkundige Baufirma jedenfalls teilweise von den Ausführungen des Privatgutachters überzeugen lässt. Jedenfalls bei den Streitigkeiten, die bei Gericht landen, ist das aber nicht der Fall.

Der Feststellungsprozess ist darüber hinaus für den Bauherren mit weiteren Nachteilen verbunden, weil er erst Jahre später einen vollstreckungsfähigen Titel erhält. Klagt er auf Leistung, so kann er auf der Grundlage einer typisierenden Betrachtung nach zwei Jahren gegen Sicherheitsleistung vollstrecken und das ist mit finanziellen Vorteilen verbunden, weil die Kosten einer Bankbürgschaft wesentlich niedriger sind als die einer Kreditaufnahme. Nach Abschluss der Berufungsinstanz nach drei Jahren kann dann ohne Sicherheitsleistung schon bei Vorlage einer Bankbürgschaft vollstreckt werden (§§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO), und zwar auch gegen den Willen des Schuldners, wobei das Insolvenzrisiko wegfällt, wenn die Baufirma zu diesem Zeitpunkt noch zahlen kann und ihrerseits eine Bürgschaft stellen muss. Beginnt der Bauherr aber erst nach drei Jahren damit, ein Privatgutachten zu den Mängelbeseitigungskosten einzuholen, kann er bei entsprechendem Widerstand der Baufirma vielleicht nach fünf Jahren einen erstinstanzlichen Vollstreckungstitel erlangen, wobei er angesichts der wirtschaftlichen Probleme in der Baubranche ein deutlich höheres Insolvenzrisiko trägt, zuzüglich der "doppelten" - und vielleicht uneinbringlichen - Kosten für den 2. Prozess.

Wie der Senat nicht verkennt, gibt es zwar auch berechtigte Interessen des Bauherrn, eine Feststellungsklage zu erheben. Das gilt zwar nicht unbedingt für die von den Beklagten geltend gemachten Vorteile bei der Kostenentscheidung im Hinblick auf die zuvor dargestellten Schwierigkeiten einer Kostenentscheidung im Feststellungsprozess und § 92 Abs. 2 ZPO, der zur Minimierung des Kostenrisikos des Bauherren beiträgt, wohl aber für den von den Beklagten angesprochenen Gesichtspunkt, dass, wenn sie zu wenig verlangen, eine Verjährungsunterbrechung selbst bei einer offenen Teilklage hinsichtlich des überschießenden Restbetrages nicht eintritt (BGH NJW 1978, 1058; 2002, 2167, 3769). Das ist aus der Sicht des Senats der einzig wirklich beachtenswerte Gesichtspunkt für den Bauherren für die Erhebung einer Feststellungsklage. Dem kann aber Rechnung getragen werden durch die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens, das lediglich eine Vorwegnahme der gerichtlichen Beweisaufnahme bedeutet (§ 493 Abs. 1 ZPO) und in dem auch nach der Höhe der Mängelbeseitigungskosten gefragt wird, vor allem aber dadurch, dass neben dem Leistungs- noch ein Feststellungsantrag gestellt wird (BGH MDR 1994, 916).

b) Bei der Frage der Zumutbarkeit sollten im Übrigen auch die Interessen der Allgemeinheit nicht außer Betracht bleiben. Wie der ehemalige Bundespräsident Herzog zu Recht hervorgehoben hat, handelt es sich bei dem Recht um ein knappes Gut. Wenn die Justiz des Öfteren - und keineswegs zu Unrecht - auf ihre Belastungen hinweist, dann sollte sie allerdings auch keine Rechtsgrundsätze entwickeln, durch die die Gefahr zusätzlicher Prozesse in erheblichem Umfang droht.

Die Frage der Zumutbarkeit kann deshalb nicht nur auf eine Partei bezogen werden, sondern muss die berechtigten Interessen der Öffentlichkeit, in diesem Falle identisch mit denen der Justiz und der Gegenseite, in Betracht ziehen. Angesichts der im Wirtschaftsteil jeder Zeitung mitgeteilten Zahlen über die Insolvenzen von Baufirmen und dem damit verbundenen Verlust von Arbeitsplätzen und der Vernichtung von Vermögenswerten liegt es ebenfalls nicht im öffentlichen Interesse, diese Probleme durch eine in erheblichem Umfang doppelte Inanspruchnahme der Baufirmen zu vergrößern.

c) Schließlich ist auch ein Blick auf andere Rechtsgebiete hilfreich.

Der Senat ist zuständig u. a. für Grundstücksrecht; in mehr als 2/3 dieser Fälle geht es darum, ob dem Erwerber arglistig Mängel verschwiegen worden sind oder ob und welche Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden ist. In 20 Jahren ist es nach der Erinnerung des Senats aber noch nicht vorgekommen, dass die Höhe der Kosten unstreitig war, die zur Beseitigung derjenigen Mängel erforderlich sind, hinsichtlich derer sich der Erwerber getäuscht fühlte oder eine Beschaffenheitsvereinbarung geltend machte. Deshalb könnte auf der Basis einer zu weitgehenden Rechtsprechung zur Unzumutbarkeit nahezu jeder Arglistprozess im Grundstücksrecht als Feststellungsklage eingeleitet und doppelt geführt werden.

d) Die angesprochene Problematik zusätzlicher Verfahren ist bisher lediglich deshalb nicht in das allgemeine Bewusstsein gedrungen, weil glücklicherweise Bauprozesse nicht als Feststellungsklage geführt werden und es in den letzten acht Jahren (länger ist noch kein Richter in diesem Senat) nicht einen einzigen Fall gegeben hat, in dem ein Bauprozess nicht im Wege der Leistungsklage ausgetragen worden ist. Dabei darf man indessen die langfristig zu befürchtenden Auswirkungen nicht außer Betracht lassen, wenn derartige Verfahren als Feststellungsprozess zulässig sein sollten. Es gibt in Deutschland mehr als 110.000 Anwälte, jährlich kommen 6.000 hinzu und viele leben in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Deshalb ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass bei einer zu weitgehenden Zulassung der Feststellungsklage der gebührenrechtliche Aspekt einen zu hohen Stellenwert erhalten könnte, mag das auch in diesem Fall keine Rolle spielen.

Unter Abwägung sämtlicher Interessen der Parteien - und zwar auch der wohlverstandenen Interessen des Bauherren , hält der Senat deshalb im Bauprozess mit dem Landgericht jedenfalls in der Regel die Erhebung einer Feststellungsklage für unzulässig.

4. Wenn der Senat gleichwohl in diesem besonderen Ausnahmefall abweichend entscheidet, so deshalb, weil der Prozess mit einer Werklohnklage begonnen hat und die Beklagten als Bauherren mit den Kosten für die Beseitigung der Mängel "aufgerechnet" und Widerklage erhoben haben. Damit hätten sämtliche unter 1 a) bis e) aufgeworfenen Fragen geklärt werden müssen. Wenn die Beklagten in dieser Situation Drittwiderklage erhoben, durften sie davon ausgehen, dass sämtliche Streitfragen durch die einzuholenden Gutachten ausgeräumt wurden, denn über Werklohn und Schadensersatz hätte nicht entschieden werden können, ohne dass bei jedem einzelnen Mangel auch die Reparaturkosten ermittelt und auch über den Minderwert und die Unzumutbarkeit entschieden worden wäre. Erst durch die in 1. Instanz sich ankündigende und am 1. März 2005 eingetretene Insolvenz der Klägerin ist nunmehr ein 2. Prozess zu erwarten, sofern die Beklagten nicht zur Leistungsklage übergehen. War die Feststellungsklage aber einmal zulässig, kann die Partei nach der BGH-Rechtsprechung (BGH NJW 1978, 210) nicht zum Übergang auf die Leistungsklage gezwungen werden, selbst wenn das aus Sicht der Senats nach dem zuvor Gesagten möglicherweise nicht ihren Interessen entspräche.

5. Nebenentscheidungen waren nicht veranlasst, Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, weil das Urteil nicht auf einer Abweichung von der BGH-Rechtsprechung beruht.

Ende der Entscheidung

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