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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 26.11.2003
Aktenzeichen: 16 U 134/03
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO §§ 166 ff
Die mutmaßliche Nichtbeachtung von Absonderungsrechten bei der bevorstehenden Verwertung unbeweglicher Sachen durch den Insolvenzverwalter rechtfertigt kein Herausgabeverlangen des Gläubigers.
16 U 134/03

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle im schriftlichen Verfahren durch den Vorsitzenden Richter #######, die Richterin ####### und den Richter ####### am 26. November 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Kosten des in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits hat der Verfügungskläger zu tragen.

Gründe:

I.

Die Parteien stritten im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens um die Herausgabe eines Pkws, eines Lkws, eines Gabelstaplers und eines Anhängers, die der Verfügungsbeklagte zu 1 in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ####### ####### und Sohn GmbH in seinem Besitz hatte und die zusammen mit anderen Sachen aus dem Betriebsvermögen durch die Verfügungsbeklagte zu 2 am 4. Juni 2003 versteigert werden sollten.

Der Verfügungskläger war, wie inzwischen unstreitig geworden sein dürfte, Sicherungseigentümer eines Pkw BMW, eines Lkw Volkswagen, eines Gabelstaplers R und eines Anhängers R. Nachdem er von der bevorstehenden Versteigerung der Fahrzeuge erfahren hatte, wies er gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu 1 auf sein Sicherungseigentum hin. Im Folgenden forderte er vergeblich die Herausgabe der Fahrzeuge an sich sowie die Abgabe einer Erklärung, dass die Fahrzeuge nicht Bestandteil der Versteigerungsmasse seien.

Der Verfügungskläger hat sodann im einstweiligen Verfügungsverfahren erster Instanz die Herausgabe der Fahrzeuge an sich, hilfsweise an einen Sequester begehrt. Dem Hilfsantrag hat das Landgericht Verden durch Beschluss vom 3. Juni 2003 entsprochen (Bl. 31 f. d. A.). Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil die einstweilige Verfügung aufrechterhalten.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, als Sicherungseigentümer habe der Verfügungskläger zwar kein Aussonderungsrecht im Sinne des § 47 InsO, wohl aber ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO und damit ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung gehabt. Der Verfügungsbeklagte zu 1 als Insolvenzverwalter sei vor diesem Hintergrund zur Verwertung der sicherungsübereigneten Sachen im Sinne der §§ 166 ff. InsO zwar berechtigt, zugleich jedoch verpflichtet gewesen, vor Durchführung der Verwertung den Verfügungskläger als Inhaber von Absonderungsrechten über die anstehende Verwertung zu unterrichten und ihm die Eintrittsrechte nach § 168 Abs. 3 InsO zu ermöglichen. Komme der Insolvenzverwalter dieser Unterrichtungsverpflichtung nicht nach, mache er sich schadensersatzpflichtig nach § 60 InsO. Dies führe dazu, dass der Verfügungskläger als Absonderungsberechtigter berechtigt sei, im Wege der einstweiligen Verfügung sicherzustellen, dass seine Rechte im Insolvenzverfahren, insbesondere sein Eintrittsrecht nach § 168 Abs. 3 InsO gewahrt werde. Es sei deshalb die Sequestration anzuordnen gewesen.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt. Sodann haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend, jedoch mit widerstreitenden Kostenanträgen für erledigt erklärt, nachdem der Verfügungskläger und der Verfügungsbeklagte zu 1 sich über einen Selbsteintritt im Sinne des § 168 Abs. 3 InsO hinsichtlich der streitgegenständlichen Fahrzeuge geeinigt hatten.

II.

Nachdem sowohl der Verfügungskläger als auch die Verfügungsbeklagten zu 1 und 2 den Rechtsstreit im Berufungsverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist nach § 91 a ZPO nach billigem Ermessen über die Kosten des (gesamten) Rechtsstreits zu entscheiden. Die Kostenlast trifft insoweit den Verfügungskläger, weil die einstweilige Verfügung nicht hätte erlassen werden dürfen und die Berufung der Verfügungsbeklagten ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses somit Erfolg gehabt hätte.

Das Landgericht hat die Rechtslage in dem angefochtenen Urteil im Ausgangspunkt durchaus richtig dargestellt. Als Sicherungseigentümer stand dem Verfügungskläger ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO an den streitgegenständlichen Fahrzeugen und damit ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung zu. Zutreffend ist ferner, dass der Verfügungsbeklagte zu 1 als Insolvenzverwalter zur Verwertung der Fahrzeuge gemäß §§ 166 ff. InsO berechtigt war, wobei der Verfügungskläger als Gläubiger zu unterrichten war und ihm nach § 168 Abs. 3 InsO ein Selbsteintrittsrecht zustand. Zutreffend ist schließlich auch, dass sich ein Insolvenzverwalter, der seiner Unterrichtungsverpflichtung nicht nachkommt und die ihm vom Gläubiger angezeigte günstigere Verwertungsmöglichkeit (§ 168 Abs. 2 InsO) nicht wahrnimmt, nach § 60 Abs. 1 InsO für einen daraus entstehenden Schaden persönlich haftet.

Indes lässt sich weder dem Gesetzeswortlaut noch dem Sinn der §§ 166 ff. InsO ein Recht des Gläubigers entnehmen, sein Absonderungsrecht im Wege einstweiliger Verfügung durch Sequestration sicherzustellen, wie das Landgericht gemeint hat.

Vielmehr werden die Rechte des Gläubigers durch die Unterrichtungs- und Mitteilungspflichten des Insolvenzverwalters nach §§ 167 und 168 InsO und des Selbsteintrittsrechts nach § 168 Abs. 3 InsO ausreichend gewahrt. Dabei handelt es sich bei dem Eintrittsrecht nach § 168 Abs. 3 InsO um eine bestimmte Verwertungsmöglichkeit, die der Insolvenzverwalter nach § 168 Abs. 2 InsO wahrnehmen kann, aber nicht muss (MünchKomm/Lwowski, InsO, § 168, Rn. 58). Nimmt der Verwalter eine ihm vom Gläubiger aufgezeigte Verwertungsmöglichkeit nicht wahr, ist er diesem gegenüber gegebenenfalls zur Nachteilsausgleichung verpflichtet (MünchKomm/Lwowski, a. a. O., Rn. 51 ff.). Werden im übrigen Rechte des Gläubigers vom Insolvenzverwalter schuldhaft verletzt, macht dieser sich, wie dargelegt, nach § 60 Abs. 1 InsO ersatzpflichtig für einen daraus entstehenden Schaden (vgl. MünchKomm/Lwowski, a. a. O., Rn. 49).

Hierdurch ist der Absonderungsberechtigte als Gläubiger ausreichend geschützt. Würde man ihm darüber hinaus das Recht zubilligen, - ggf. im Wege einstweiliger Verfügung - eine Sequestration zu verlangen, weil der Insolvenzverwalter das Absonderungsrecht nicht anerkannt und seinen Unterrichtungs- und Mitteilungspflichten nach §§ 167, 168 InsO nicht nachgekommen ist, würde dies das in §§ 166 ff. normierte Verwertungsrecht des Verwalters, welches dazu dient, die Betriebsmittel des insolventen Unternehmens (Schuldners), auch zum Zwecke einer eventuellen Betriebsfortführung, zusammen zu halten, unterlaufen (vgl. MünchKomm/Lwowski, a. a. O., § 166 Rn. 83 ff.).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Verfügungsbeklagten auch nicht deshalb die Kosten des Verfahrens zu tragen haben, weil diese sich durch die Freigabe der Fahrzeuge in die Position der Unterlegenen begeben hätten. Denn Grundlage der Freigabe der Fahrzeuge durch den Verfügungsbeklagten zu 1 war ein Erwerb des Verfügungsklägers durch Selbsteintritt im Sinne von § 168 Abs. 3 InsO. Dies ergibt sich eindeutig aus den vom Verfügungskläger selbst vorgelegten außerprozessualen Schreiben des Verfügungsbeklagten zu 1 vom 29. September 2003 an den Sequester (Bl. 95 d. A.) und vom 17. September 2003 an den Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers (Bl. 96 d. A.). Danach hat der Verfügungsbeklagte zu 1 das Absonderungsrecht des Verfügungsklägers anerkannt und ihm in Konsequenz dessen das Selbsteintrittsrecht nach § 168 Abs. 3 InsO zugebilligt. Dies ändert aber nichts daran, dass, wie oben dargelegt, der Verfügungskläger kein Recht hatte, sein Selbsteintrittsrecht durch die mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren angeordnete Sequestration zu erzwingen.

III.

Wegen des Streitwerts für die Berufungsinstanz wird auf den Senatsbeschluss vom 3. November 2003 verwiesen (Bl. 113 d. A.).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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