Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 17.02.2003
Aktenzeichen: 17 W 10/03
Rechtsgebiete: AuslG, FGG


Vorschriften:

AuslG § 57
AuslG § 103 Abs. 2 S. 2
FGG § 19
Im Fall der Abgabe des Abschiebungshaftverfahrens an das Gericht, in dessen Bezirk die Abschiebungshaft vollzogen wird, ist für Beschwerden das dem neu zuständigen Gericht übergeordnete Gericht zuständig, auch wenn die Beschwerde vor Abgabe des Verfahrens erhoben wurde und der Abgabebeschluss mangels Anhörung des Betroffenen rechtswidrig ist.
17 W 10/03 5 T 532/02 Landgericht F####### 48 XIV 697B Amtsgericht F#######

Beschluss

In der Abschiebehaftsache

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B#######, die Richterin am Oberlandesgericht M ####### und den Richter am Oberlandesgericht V####### am 17. Februar 2003 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts F####### vom 7. Januar 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Betroffenen an das nunmehr zuständige Landgericht H####### zurückverwiesen, das auch über die Kosten der sofortigen weiteren Beschwerde zu entscheiden hat.

2. Dem Betroffenen wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt F####### in H####### Prozesskostenhilfe für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde bewilligt.

3. Beschwerdewert: 3.000 EUR.

Gründe:

Gegen den Betroffenen wurde durch Beschluss des Amtsgerichts F####### vom 5. Dezember 2002 (Bl.11 d.A.) Abschiebehaft bis zum 16. Januar 2003 angeordnet. Die dagegen gerichtete sofortigen Beschwerden des Betroffenen vom 8. Dezember 2002 (Bl.22 d.A.) sowie vom 19. Dezember 2002 (Bl.45 d.A.) wies das Landgericht F####### durch Beschluss vom 7. Januar 2003 zurück. Am 8. Januar 2003 (Bl.99) hat der Betroffene dagegen das hier zu entscheidende Rechtsmittel der weiteren sofortigen Beschwerde eingelegt. Im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Zeitablauf für den Abschiebehaftbeschluss hat der Betroffenen mit Schriftsatz vom 27. Januar 2003 sein diesbezügliches Rechtsmittel auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit beschränkt (Bl.108 d.A.).

Mit Beschluss vom 9. Januar 2003 (Bl.68 d.A.) hat das Amtsgericht F####### das Verfahren im Hinblick auf die beantragte Verlängerung der Abschiebehaft an das Amtsgericht H####### abgegeben. Dieses hat die Abschiebehaft mit Beschluss vom 15. Januar 2003 (Bl.88 d.A.) verlängert.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere form und fristgerecht erhoben. Sie führt auch insoweit zum Erfolg, als die Entscheidung des Landgerichts F####### aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf der Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550, 575 ZPO).

Entgegen der Auffassung des Betroffenen ist infolge der Abgabe des Abschiebehaftverfahrens vom Amtsgericht F####### an das Amtsgericht H####### das Oberlandesgericht Celle für die Beschwerdeentscheidung hinsichtlich der weiteren sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts F####### zuständig. Bei Abgaben entscheidet grundsätzlich das dem neu zuständigen Gericht übergeordnete Gericht (vgl. Keidel/ Kuntze/Winkler, 15. Aufl., § 19, Rdnr. 43; Bassenge/Herbst, 7.Aufl., § 19 Rdnr.28; Bumiller/Winkler, § 19, Rdnr. 33). Dem steht auch nicht entgegen, dass der Betroffene von der Rechtswidrigkeit des Abgabebeschlusses vom 9. Januar 2003 ausgeht. Zwar ist dem Betroffenen grundsätzlich darin zuzustimmen, dass dieser verfahrensfehlerhaft vor der Abgabe nicht gehört worden ist. Da die Abgabeentscheidung des § 103 AuslG nach § 103 Abs. 2 Satz 2 AuslG jedoch unanfechtbar ist, scheidet eine Änderung bzw. Aufhebung der Abgabeentscheidung im jetzigen Beschwerdeverfahren aus. Vielmehr bleibt die Entscheidung trotz der unrichtigen Rechtsanwendung wirksam (vgl. Keidel/Kuntze/ Winkler, 15.Aufl., § 7 Rdnr. 38; Jansen, 2.Aufl., § 7 Rdnr. 13; Bumiller/Winkler, 6.Aufl. § 7 Rdnr. 16).

Zutreffend hat das Landgericht aus seiner Sicht und unter Berücksichtigung der von ihm ermittelten Tatsachen zunächst bejaht, dass die Haftgründe des § 57 AuslG bestehen. Der Senat hat als Rechtsbeschwerdegericht insoweit lediglich zu prüfen, ob die vom Landgericht rechtsfehlerfrei ermittelten Tatsachen dessen tatrichterliche Schlussfolgerung, der Betroffene wolle sich seiner Abschiebung entziehen, als möglich erscheinen lassen (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2000 V ZB 5/00). Das Rechtsbeschwerdegericht darf also nicht eine eigene, vom Landgericht abweichende Schlussfolgerung an dessen Stelle setzen, solange den oben genannten Anforderungen genüge getan ist.

Zwar genügt die angefochtene Entscheidung diesen Anforderungen zunächst. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass sie anders ausgefallen wäre, wenn die Kammer pflichtgemäß den Betroffenen angehört und sich von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft hätte. Der Senat hat vielfach entschieden, dass die Verpflichtung, die Betroffenen persönlich anzuhören, nicht nur für die erste Tatsacheninstanz, sondern auch für das Beschwerdegericht gilt. Die persönliche Anhörung soll das rechtliche Gehör und eine sorgfältige Sachaufklärung gewährleisten, indem sich das zur Entscheidung berufene Gericht den für seine Entscheidung bedeutsamen unmittelbaren Eindruck von der Betroffenen verschafft. Die Wiederholung der persönlichen Anhörung eines Betroffenen in Abschiebehaftsachen im Beschwerdeverfahren ist insbesondere auch im Hinblick auf die Schwere des freiheitsentziehenden Eingriffes in aller Regel geboten. Nur ausnahmsweise kann das Beschwerdegericht von der persönlichen Anhörung absehen, wenn der Betroffene bereits im ersten Rechtszug angehört worden ist und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Ein solcher Ausnahmefall liegt jedoch hier nicht vor.

Gerade vor dem Hintergrund, dass der Betroffenen mit seinem als sofortige Beschwerde anzusehenden "Widerspruch" an das Amtsgericht vom 8. Dezember 2002 (Bl.22) zum Sachverhalt inhaltlich Stellung genommen hat, sind die persönliche Anhörung des Betroffenen sowie gff. weitere Ermittlungen des Gerichts (§ 12 FGG) zu den dort gemachten Angaben unbedingt geboten. Die pauschale - im einzelnen nicht begründete - Feststellung des Landgerichts auf den persönlichen Eindruck vom Betroffenen und auf seine Glaubwürdigkeit komme es nicht an, ist weder nachvollziehbar noch im konkreten Einzelfall in irgend einer Weise gerechtfertigt.

Die angefochtene Entscheidung ist somit aufzuheben und zur Durchführung weiterer Ermittlung und zur erneuten Entscheidung an das in folge der Abgabe nunmehr zuständige Landgerichts H####### zu geben.

Ende der Entscheidung

Zurück