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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 27.02.2003
Aktenzeichen: 17 W 11/03
Rechtsgebiete: AuslG, FGG


Vorschriften:

AuslG § 103
FGG § 12
1. Auch im Beschwerdeverfahren nach § 19 FGG ist das Gericht von Amts wegen verpflichtet, die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen selbst durchzuführen.

2. Bei einer Verlängerung der Sicherungshaft sind zuvor Ermittlungen darüber anzustellen, innerhalb welcher Zeit und ob sich überhaupt die für eine Abschiebung notwendigen Passersatzpapiere beschafft werden können. Der Hinweis der am Verfahren beteiligten Behörde, "man habe keine Erfahrungen mit solchen Verfahren", reicht nicht aus.


17 W 11/06 17 W 12/03

Beschluss

In der Abschiebehaftsache

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht #######und den Richter am Oberlandesgericht #######am 27. Februar 2003 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 28. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 6. Februar 2003 (in der Hauptsache) aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Betroffenen an das Landgericht zurückverwiesen, welches auch über die Kosten der sofortigen weiteren Beschwerde zu entscheiden hat.

2. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der 28. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 6. Februar 2003, soweit Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren versagt worden ist, wird als unzulässig verworfen.

3. Für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde wird dem Betroffenen unter Beiordnung von Rechtsanwalt #######in #######Prozesskostenhilfe bewilligt.

4. Beschwerdewert: 3.000 EUR.

Gründe:

I.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 5. Dezember 2002 (AZ.: 48 XIV 697 B; Bl.11 d.A.) ist gegen den Betroffenen Abschiebehaft angeordnet worden. Mit weiterem Beschluss vom 9. Januar 2001 (Bl.62 d.A.) hat das Amtsgericht Flensburg das Verfahren an das Amtsgericht Hannover abgegeben, da in dessen Bezirk die Abschiebehaft vollzogen wird und über den Verlängerungsantrag der Beteiligten zu entscheiden sei. Der Betroffene befindet sich seit dem 5. Dezember 2002 in der JVA #######(Bl.21 d.A.).

Auf Antrag der Beteiligten vom 9. Januar 2003 (Bl.66 d.A.) hat das Amtsgericht Hannover mit Beschluss vom 15. Januar 2003 (Bl.88 d.A.) die Abschiebehaft um drei Monate verlängert. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen vom 17. Januar 2002 (Bl.94 d.A.) hat die 28. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 6. Februar 2003 (Bl.113 d.A.) ebenso wie den Antrag des Betroffenen auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zurückgewiesen. Dagegen richten sich die (weiteren) sofortigen Beschwerden des Betroffenen vom 18. Februar 2003 (Bl.121 d.A.).

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen in der Hauptsache ist statthaft und im Übrigen auch zulässig, insbesondere form und fristgerecht erhoben (§§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, 3 Satz 2 FEVG, 27 Abs. 1 FGG). Sie führt auch insoweit zum Erfolg, als die Entscheidung des Landgerichts Hannover aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf der Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550, 575 ZPO).

Zu Recht beanstandet der Betroffene, dass die Entscheidung des Landgerichts unter Verstoß gegen den geltenden Amtsermittlungsgrundsatz zustande gekommen ist. Nach § 12 FGG ist das Gericht auch im Beschwerdeverfahren (vgl. Keidel/Kuntze/ Winkler, 15.Aufl., § 12 Rdnr. 63) von Amts wegen verpflichtet, die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen selbst durchzuführen. Dieser Grundsatz gilt wegen der mit Freiheitsbeschränkungsmaßnahmen stets verbundenen massiven Grundrechtseingriffen insbesondere auch für die Frage der Verhältnismäßigkeit der beantragten Haftverlängerung. Der rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet dabei nicht nur, im Falle der Undurchführbarkeit der Abschiebung von der Sicherungshaft abzusehen, sondern zwingt auch dazu, das öffentliche Interesse an der Sicherung der Abschiebung und den Freiheitsanspruch des Betroffenen gegeneinander abzuwägen (Brandenburgisches OLG, FGPrax 2002, 280, 281). Die so gebotene Abwägung ist jedoch immer erst dann möglich, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt vollständig ermittelt und aufgeklärt ist. Eine dem entsprechende Sachverhaltsklärung kann vorliegend nicht festgestellt werden.

Der Betroffene hat bereits mit der Beschwerdebegründung gerügt, dass nicht geklärt sei, innerhalb welcher Zeit und ob sich überhaupt die für eine Abschiebung notwendigen Passersatzpapiere beschafft werden können. Der Hinweis der im Wege der Amtshilfe für die Beteiligte tätige Mitarbeiterin der #######"man habe keine Erfahrungen mit solchen Verfahren" reicht in keiner Weise aus. Vielmehr bedarf es insoweit weitergehender Ermittlungen.

Weiterhin bedarf es einer Klärung der Frage, ob, wie lange und warum der Betroffene in #######in Haft gesessen hat. Nach bisheriger Aktenlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene in #######in Vorbereitungshaft i.S. des § 57 Abs.1 AuslG gesessen hat und damit ggf. die Voraussetzungen für eine Anrechnung gegeben wären.

Um der 28. Zivilkammer des Landgerichts die Gelegenheit zu geben, die weiteren notwendigen Ermittlungen nachzuholen und auf dieser Grundlage dann erneut zu entscheiden, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren zurückzuverweisen.

2. Soweit der Betroffene seine weitere sofortige Beschwerde darauf stützt, dass die vom Amtsgericht Flensburg im Beschluss vom 9. Januar 2003 vorgenommene Verweisung an das für den Ort der Abschiebehaftanstalt zuständige Amtsgericht rechtswidrig gewesen sei, ist ihm grundsätzlich darin zuzustimmen, dass der Betroffene vor dem Erlass des Verweisungsbeschlusses nicht angehört worden ist. Da die Abgabeentscheidung des § 103 AuslG jedoch nach § 103 Abs. 2 Satz 2 AuslG unanfechtbar ist, scheidet eine Aufhebung der Abgabeentscheidung im jetzigen Beschwerdeverfahren aus. Vielmehr bleibt die Entscheidung trotz der unrichtigen Rechtsanwendung wirksam (vgl. Keidel/Kuntze/ Winkler, 15.Aufl., § 7 Rdnr. 38; Jansen, 2.Aufl., § 7 Rdnr. 13; Bumiller/Winkler, 6.Aufl. § 7 Rdnr. 16).

III.

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist unzulässig. Eine Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren kommt nur dann in Betracht, wenn sie vom Beschwerdegericht zugelassen wird (§ 14 FGG, § 574 ZPO; (vgl. Keidel/Kuntze/ Winkler, 15.Aufl., § 14 Rdnr. 35); BayObLG NJW 2002, 2573).

IV.

Aus dem Vorstehenden zu Ziffer II folgt schließlich, dass dem Betroffenen für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.

Ende der Entscheidung

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